007c Chancen der Freiheit
Ist Freiheit in Zeiten von Krieg und Terror noch eine Chance?
Wer mehr Sicherheit will, gibt dafür Freiheit auf. Das fängt bei Grenzkontrollen und der Videoüberwachung im öffentlichen Raum an und endet noch nicht mit der Kontrolle des Internets. Unsere Verfassung sieht strenge Auflagen für die Beschränkung der Freiheit vor, die in Zeiten des Terrors, insbesondere seit dem 11. September 2001, schon sehr weit ausgehebelt wurden, um mehr Sicherheit zu gewährleisten.
Viele Bürger sagen inzwischen, lieber mehr Kontrollen, damit nichts passiert, sie hätten sich ja nichts vorzuwerfen, wollen sich lieber sicher fühlen. Der Staat gibt ihnen gern die Illusion, durch mehr Kontrolle, könne mehr Sicherheit gewährleistet werden. Wirkliche Sicherheit gibt es jedoch nicht, sondern nur weniger Freiheit und mehr Kontrolle bei fortbestehender Unsicherheit, der wir durch Angst Raum geben können oder nicht.
Doch geht es nur um den Vorwurf, gefährlich zu sein oder steckt mehr hinter der so möglichen verstärkten Kontrolle aller Bürger?
Manche machen sich die Angst zunutze und verbreiten Lügen oder den Vorwurf Volksverräter gegenüber Politikern, die mit einer menschlichen Aufnahmepolitik von Flüchtlingen ihr Sicherheitsgefühl gefährden. Diese Wort aus dem Sprachgebrauch der Nationalsozialisten, das gerade zum Unwort des Jahres gewählt wurde, suggeriert es gäbe ein Volk in ihrem Sinne, der meist biologisch durch behauptete Rassen begründet ist und die Politik, die Menschen in Not aufnimmt, würde das Volk verraten und dem Terror ausliefern, da Terroristen so ungehindert ins Land gekommen wären.
Dies ist aus mehreren Gründen falsch und gelogen. Zum einen gibt es das Volk im Sinne nationalsozialistischer Ideologie längst nicht mehr. Migranten leben hier als gleichberechtigte Bürger und können, so sie die Bedingungen erfüllen, eingebürgert werden. Deutscher ist, wer einen deutschen Pass rechtmäßig hat. Dies Land braucht dringend sehr viel Zuwanderung, um den Geburtenrückgang am Arbeitsmarkt auszugleichen. Wer sich dagegen wendet, beschleunigt das Aussterben der Gesellschaft, schwächt damit die Ökonomie und verdiente, wenn überhaupt die Bezeichnung Volksverräter, weil damit die Zukunft verbaut wird. Zum anderen ist die zeitlich befristete Aufnahme von Flüchtlingen aus Bürgerkriegsgebieten keine Migrationspolitik, sondern nur ein Akt menschlicher Solidarität für Menschen in Not. Der Vorwurf der Überfremdung wird hauptsächlich in Regionen erhoben, in denen bisher keine oder fast keine Migranten lebten. Des weiteren teilt diesen Vorwurf nur eine kleine Minderheit der Deutschen überhaupt. Die große Mehrheit ist zwar teils besorgt gewesen, bemühte sich aber offen um die Integration der Neuankömmlinge. Wenn könnte diese Gruppe also von Randgruppenverrätern sprechen, dahingestellt was die Verwendung nationalsozialistischen Vokabulars über die Nutzer hier verrät, da es nicht um rechte Politik sondern um die Gefahren der Freiheit geht.
Diese Menschen fürchten teilweise, durch das Auftauchen einer muslimischen Minderheit in ihren Freiheiten beschränkt zu werden, sprechen vom Untergang des Abendlandes, das sie als christlichen Kulturraum definieren. Denkbar ist zwar, dass eine Minderheit durch zunehmende Migration bei gleichzeitigem Aussterben der Mehrheitsgesellschaft zur Mehrheit wird und damit die Geschicke des Landes demokratisch bestimmen könnte, doch sprechen die Zahlenverhältnisse eine deutlich andere Sprache, so dass die politisch missbrauchte Lüge der Minderheit die Freiheit der Mehrheit gefährdet, die in unbegründete Angst versetzt wird. Wenn die Freiheit hier ausstürbe, weil sie sich nicht vermehrte, war sie nicht wert, erhalten zu werden und die Welt ginge ihren natürlichen evolutionären Gang weiter. Wenn die Mehrheitsgesellschaft ihre Werte einer Minderheit nicht vermitteln kann, schien sie nicht erhaltenswert, was also in unserer Hand konstruktiv liegt.
Warum die vermeintlichen Verteidiger der hiesigen Freiheit nicht gerade diese verteidigen mit allen ihren Rechten, zu denen auch Asyl gehört, sondern dies tun wollen, in dem sie das Grundgesetz nach rassistischen Kriterien brechen, bleibt unklar, lässt eher vermuten, dass diese den islamistischen Terroristen in ihren totalitären Überzeugungen näher stehen als der freiheitlichen Gesellschaft, die sie von Innen bedrohen, warum der Staat gegen diese Gefahr genauso entschieden vorgehen müsste.
So ist die innere Sicherheit und damit die Freiheit im Land von zwei Seiten bedroht. Ob dies zugleich rechtfertigt die Freiheit der Bürger zu beschränken und diese Beschränkung im Verhältnis zur Bedrohung steht, ist stets zu prüfen. Der Rechtsstaat garantiert die Freiheit der Bürger wie deren Grundrechte. Darum und zur Sicherheit vor äußeren Feinden gibt es überhaupt Staaten und haben wir uns zu solchen zusammengeschlossen.
Was ist überhaupt diese Freiheit, die der Staat verteidigen will?
Freiheit heißt, zwischen verschiedenen Möglichkeiten ohne Zwang entscheiden zu können. Der Begriff meint in Philosophie, Theologie und Recht die Autonomie des Subjekts. Der Begriff gehört in seinen verschiedenen Dimensionen, von Psychologie bis zum Recht, zu den zentralen der menschlichen Ideengeschichte. Das Wort selbst hat vermutlich indogermanische Wurzeln, kommt von dem, was bei mir ist, also dem Eigentum und leitet sich vom germanischen fri-halsa ab, der, dem sein Hals gehört, der also über seine Person frei verfügen kann. Frei war danach, wer zu einer Gemeinschaft von einander Nahestehenden und Gleichberechtigten gehört, zwischen denen Frieden herrscht und die diesen Frieden nach außen verteidigen. Somit wird Freiheit immer relativ in der Zugehörigkeit zur Gruppe und den Bereichen bestimmt, in denen sie Herrschaft ausübt.
Würde Freiheit auch unabhängig von einer Gemeinschaft definieren wollen, als die eben Herrschaft über mein Leben, die besteht, ob ich mit anderen zusammenlebe oder für mich bleibe. Diese Freiheit kann einem keiner nehmen. Auch wer meint, einen anderen als Sklaven halten zu können, was glücklicherweise heute weltweit geächtet wurde, wenn es auch praktisch noch sehr ähnliche Verhältnisse gibt, hat keine Herrschaft über dessen Willen und Geist, so bleibt der Sklave noch faktisch derjenige, der über sein Leben als letztes entscheiden kann. Das zeigt wie sehr die Sklaverei als Hypothese einer könnte am anderen, wie an einer Sache, Eigentum erwerben, schon der Natur des Menschen als freies Wesen widerspricht, der bewusst über sein Leben bestimmen kann.
Die Entscheidung über das eigene Leben und dessen Ende war auch den Epikureern schon sehr wichtig, die darin den entscheidenden Ausdruck von Freiheit sahen, auch wenn sie die Lust wichtiger fanden, als Grund zu leben, was ja keinen braucht, weil es einfach ist und eben möglichst genossen werden solle. So sei es die vernünftigste Entscheidung nach Epikur, sein Leben zu beenden, wenn es keine Lust mehr bereiten könnte. Allerdings knüpft der Philosoph diese Entscheidung an eine reifliche und nüchterne Überlegung und nicht nur an einen Gefühlsausbruch, der die meisten heute nur dazu motiviert, von dem sich auch der Werther treiben ließ, was Goethe schreibend von dem Wunsch kurierte.
Freiheit heißt, die letzten Dinge, entscheiden zu können, warum auch die Todesstrafe mit einer freiheitlichen Verfassung und dem entsprechenden Menschenbild nie zu vereinbaren ist. Wer über den Tod eines anderen entscheidet, trifft eine unwiderrufliche Verfügung, was angesichts möglicher Irrtümer jeder Entscheidung kein Gericht darf, da es sich nach dem Tod nicht mehr korrigieren kann. Zum anderen wird, wenn eine Entscheidung über den Tod getroffen wird, die Freiheit des anderen endgültig zerstört. Damit kann er aber auch logisch nicht mehr bestraft werden, weil nur freie Menschen für ihre Taten Verantwortung übernehmen können. Wer nicht mehr ist, übernimmt keine Verantwortung und raubt damit jeder Strafe ihre Begründung und eröffnet eine reine Willkür im Sinne biblischer Rachegedanken, die mit dem Rechtsstaat nicht zu vereinbaren sind.
Freiheit ist an unser Sein geknüpft und findet den letzten Ausdruck darin über Sein oder Nichtsein zu entscheiden. Nur wer frei ist, kann moralisch handeln nach dem kategorischen Imperativ. Also so, dass sein Handeln jederzeit Gesetz für jedermann sein könnte. Unfreie folgen nur Befehlen. Fraglich ist also, ob die Befolgung von Gesetzen als Pflicht zur Freiheit im Widerspruch steht.
Hierbei geht es um die Handlungsfreiheit, so oder anders zu handeln, die in der Willensfreiheit ihren Grund findet, die zentral für unseren Begriff von Freiheit ist. Solange wir bewusst handeln und wissen, was wir tun, kann die Entscheidung dem Gesetz folgen zu wollen, angenommen werden und darum der Einzelne für ein Zuwiderhandeln zur Verantwortung gezogen werden. Nicht das Schwein muss bestraft werden, sondern weil dort ein Mensch, der verantwortlich handelt, weiß was er tut, muss er dafür Verantwortung übernehmen, nimmt eben notfalls auch Sanktionen in kauf.
Nur wenn wir einen Täter für einen vernünftigen und verantwortlichen Menschen halten, können wir ihn für sein Handeln zur Verantwortung ziehen. Es kann einer auch aus dem Affekt oder reflexartig eine Tat begehen, was seine Verantwortung als Täter ändert. Auch die geistige Zurechnungsfähigkeit kann bei einem Täter beschränkt sein, was den Staat dann daran hindert, dessen Taten wie die eines vernünftigen Menschen, der vorsätzlich handelt, zu bestrafen. Darum kommen manche Täter in die Psychatrie oder eine bloße Verwahrung, um die Gesellschaft vor ihnen zu schützen, falls Gutachter dies für nötig halten.
Dies sind Fragen der Schuldfähigkeit. Manchmal gibt es aber auch Fälle, wo der Täter irrtümlich meinte, sein Tun sei erlaubt. Dann müssen die Gerichte prüfen, ob dieser Irrtum vermeidbar war. Früher konnten noch Menschen aufgrund ihrer geistigen Störung entmündigt werden, dann hatten sie selbst keine Verantwortung, für das, was sie taten, sondern nur ihre Vormünder. Das Bundesverfassungsgericht hat jedoch erklärt, dass eine Entmündigung nicht mit Artikel 1 Grundgesetz vereinbar ist.
Dieser erste Artikel schützt die Würde des Menschen und ist auch eine Reaktion auf die millionenfache Entwürdigung von Menschen durch die Verbrechen der Nationalsozialisten. Die Würde steht immer auch in engem Bezug zur Freiheit des Menschen, die durch Artikel 2 im Grundgesetz als geschützt erklärt wird.
Dieses Verständnis von Freiheit und Würde des Menschen unabhängig von seinem Geschlecht und seiner Abstammung, scheint vielen der Pegiden und AfD-Anhängern zu fehlen und damit ein grundsätzliches Wissen um das Funktionieren von Demokratie und Rechtsstaat. Sie wollten ihnen unliebsame Politiker aufhängen oder diese mit Mistgabeln aus Berlin vertreiben, verweigern Menschen ihr Asylrecht, weil Terroristen es missbrauchen könnten und fordern etwa die Todesstrafe für Kinderschänder, was noch deutlicher zeigt, wie wenig diese Menschen im Rechtsstaat ankamen und nicht verstanden haben, was Freiheit heißt. Darin gleichen die radikalen Rechten den Islamisten und wenig verwunderlich übernimmt nun auch die radikale Linke in Gestalt von Sahra Wagenknecht deren Forderungen teilweise und offenbart damit deren Unverständnis von Freiheit.
Ohne die Annahme der Freiheit jedes Menschen könnte es keinen Rechtsstaat und keine Urteile gegen einzelne Täter geben, die sich nicht an die Gesetze halten und damit die Freiheit der anderen einschränken oder gefährden. Die Demokratie und der Rechtsstaat setzen die Freiheit und Verantwortlichkeit ihrer Bürger voraus. Der Staat dient dem Schutz genau dieser Freiheit. Im Verständnis von Freiheit und Rechtsstaat genau unterscheidet sich die Bundesrepublik von der ehemaligen DDR, die kein Rechtsstaat war, auch wenn sie sich in ihrer Verwaltung den Anschein gab, deren Entscheidungen jedoch auf Grundlage eines totalitären Menschenbildes und der Diktatur einer Partei zustande kamen, die sich als Vertreterin der Arbeiterklasse verstand. Dies war nicht für jeden in allem so deutlich spürbar, zumal in der Propaganda wie der Internationalen die Verteidigung von Freiheit und Menschenrechten hochgehalten wurden, die jedoch de facto ganz grundsätzlich nie gewährt wurde.
Die Reisefreiheit ist nur ein Ausdruck davon, noch wichtiger war die Freiheit der Meinungsbildung und der Umgang mit pluralen und divergenten Auffassungen auch in den Medien, warum im Osten der Slogan von der Lügenpresse so viel Zulauf fand bei den Menschen, die früher das Neue Deutschland lasen und heute lieber russische Propagandasender schauen, die ihre Meinung bestätigen, statt sich ein differenziertes Bild in einer pluralen Medienlandschaft zu machen, die vermutlich viele Menschen nicht nur in Sachsen bis heute völlig überfordert.
Andererseits haben Bürger des Ostens als erste und einzige Deutsche mit ihren friedlichen Protesten 1989 ein totalitäres System auf demokratisch freiheitliche Weise gestürzt, eine bürgerliche Revolution gemacht, die den realen Sozialismus beendete. Sie haben gezeigt, dass sie für die Freiheit aufstehen können und unser jetzt scheidender Bundespräsident war einer von ihnen. Auch die Kanzlerin beteiligte sich, wenn auch bescheidener am demokratischen Aufbruch im Osten und weiß auch darum wohl, den Wert der Demokratie zu schätzen, ohne ihr revolutionäres Engagement hier überbewerten zu wollen. Doch ist der Freiheitskampf der Bürger der DDR ein wichtiger Teil unserer Geschichte und ein konstituierendes Element unserer Demokratie und sollte bei allem Ärger über ausländerfeindliche Sachsen nicht vergessen werden, denn auch viele der Helden von 89 kamen aus Leipzig und Umgebung.
Der Diskurs divergenter Meinungen ist Teil der Demokratie, warum eine große Koalition immer die schlechtest mögliche Lösung ist, weil sie die Opposition klein und schwach macht, sie an die radikalen Ränder drängt, das Entstehen einer extremistischen Partei wie des AfD, die unsere innere Freiheit gefährden, begünstigt hat.
Doch welche Partei verteidigt heute noch die Freiheit und was bräuchte es, um sich für diese einzusetzen?
Nominell stehen alle wählbaren Parteien auf dem Boden des Grundgesetzes und damit der freiheitlichen Grundordnung. Wer sie zu beseitigen beabsichtigt, könnte verboten werden und gegen jeden, der das versucht, haben alle Deutschen ein Widerstandsrecht, um eben ihre Freiheit zu verteidigen nach Artikel 20 IV GG. An den Rändern links und rechts wird das Verständnis der Freiheit teilweise etwas undeutlich und mischt sich mit einem ungesunden Populismus, der viel verspricht und wenig bewirkt.
Es fehlt im Bundestag, der nun weiter munter Grundrechte einschränkt, als Reaktion auf die Berliner Terroranschläge, an einer überzeugenden Verteidigerin der Freiheit. Ob die FDP dies wieder sein könnte, scheint noch fraglich. Die Gesellschaft sollte sich jedoch bewusst sein, dass zwischen zwei staatstragenden Volksparteien und einer grünlichkonfessionellen Gruppe derzeit eine Kraft der Freiheit und der Mitte fehlt, die Bürgerrechte und Freiheiten ausdrücklich verteidigt und nicht nur hohle Sicherheitsversprechen macht.
Wo es an Verteidigern der Freiheit fehlt im politischen Diskurs, und die FDP war unter Westerwelle ja auch nur noch eine neoliberale Mehrheitsbeschafferin ohne Image geworden, was sich nun wieder wandeln könnte, besteht die Gefahr, dass diese für Sicherheit, Wohlstand und soziale Fürsorge der jeweiligen Klientel nebenbei geopfert wird. Freiheit braucht Verteidigung auch im politischen Alltag, weil sie die Bedingung ist, unter der Rechtsstaat und Demokratie überhaupt erst funktionieren können.
Klingt nach einem staatstragenden Artikel aus den besten Zeiten der Wochenzeitung Die Zeit und ist doch ganz wichtig, um Verständnis für die Chance der Freiheit zu entwickeln. Nur wer sich um die Freiheit immer wieder bemüht, wo sie bedroht ist, wird sie erhalten können. Es wird immer nur eine Minderheit diese Frage überhaupt wirklich interessieren, da die Mehrheit lieber ihren Wohlstandsbauch pflegt, statt für ein Ideal zu kämpfen.
Weder ist die Einflussnahme Russlands auf die amerikanischen Wahlen akzeptabel, auch wenn wir noch nicht wissen, wie der designierte Populist Trump als Präsident sein wird, noch ist Putins massive finanzielle Unterstützung rechter Populisten in Europa zur Destabilisierung unserer Demokratien hinnehmbar. Aber auch die an Big Brother aus Orwells 1984 erinnernde Überwachung des Internet durch amerikanische und heimische Geheimdienste ist aus Sicht der Verteidiger der Freiheit für keine Sicherheit der Welt akzeptabel. Es gilt wachsam gegen alle Feinde der Freiheit zu sein, unabhängig vom Lager, aus dem sie kommen.
Es gibt beispielsweise Gründe für Überwachungskameras und den Rückgriff auf ihre Bilder im Einzelfall. Der Fall des Berliner U-Bahn-Treters, eines wohl Bulgaren, der legal hier weilte, machte bundesweit Schlagzeilen und führte auch zur schnellen Überführung des Täters. Doch die öffentliche Fahndung mit Bildern der bisher nur Verdächtigen in Western-Manier gefährdet unser Verständnis der Grundrechte und die Freiheit im Land.
Wir haben keinen Staat von 80 Millionen Hilfspolizisten, die wie bei Aktenzeichen XY nun auf Verbrechersuche gehen sollen, um die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten. Das ist Aufgabe der Polizei, die ihre Befugnisse im engen gesetzlichen Rahmen, den es braucht, um die Freiheit einzuschränken, genau kennt. Es sollen hier nie wieder Horden Jagd auf vermeintliche Täter machen, weil die Regenbogenpresse sie aufhetzt und der restriktive Gebrauch solcher Aufnahmen durch die Berliner Polizei bisher gefällt mir besser als die Hetze der Medien und ängstlicher Menschen.
Natürlich kann ich in Berlin jeden Tag Opfer eines Verbrechens werden. Real bin ich in den über 16 Jahren, die ich hier lebe, einmal von einem Vater auf dem Spielplatz aggressiv bedroht und einmal in Brandeburg an einem See von einem aggressiven, angetrunkenen Kerl geschlagen worden, der zu der Fraktion gehört, die unser Land vor kriminellen Ausländern schützen möchte. Das Geschehen am Breitscheidplatz ist tragisch, könnte aber überall passieren und kann auch durch noch mehr Videoüberwachung nicht verhindert werden. Es könnte, wie jetzt beschlossen wurde, klar gegen bekannte Gefährder vorgegangen werden, damit diese nicht zur rollenden Bombe werden. Die Frage ist dabei, wie weit der Rechtsstaat grundsätzliche Freiheitsrechte vorab außer Kraft setzen darf, um einer nur hypothetischen Sicherheit zu dienen.
Die Zahl der potentiell terroristischen Gefährder unserer Freiheit ist übrigens auf der islamistischen Seite ungefähr so hoch wie bei den Rechtsradikalen. Die Zahl der Taten von Islamisten in Deutschland lässt sich bisher an einer Hand abzählen. Die Taten von Rechtsextrimsten sind längst jährlich vierstellig.
Diese betonen gerne immer wieder, es müsse auch gegen linke Extremisten vorgegangen werden, um die hohe Kriminalität in ihrem eigenen Umfeld zu relativieren. Die tatsächliche kriminelle Bedrohung des Rechtsstaats durch linke Extremisten hält sich in relativ überschaubaren Grenzen. Es gibt also gute Gründe die rechten Extremisten wie die Islamisten mit größter Aufmerksamkeit zum Schutz der Freiheit zu beobachten, da sie die Gesellschaft auch über die sozialen Netzwerke längst auf eine sehr perfide Art infiltrieren.
Dennoch sollten wir ihnen nicht zu viel Bedeutung geben, sondern eher ihre Lächerlichkeit offenbaren und sie als Gefährder der Freiheit laut benennen. Der Drahtseilakt dabei ist, dass der Bevölkerung die Fähigkeit zugetraut werden muss, die dummen Populisten als solche zu erkennen, während diese zugleich medial von Moskau unterstützt aufrüsten und Freiheit nur selbst wahrgenommen werden kann, keinem erklärbar ist, da die Befreiung aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit, wie Kant die Aufklärung nannte, ein autonomer Prozess sein muss.
Aber, was sollen wir uns darüber Sorgen machen, die Angst ist das Geschäft der Populisten, während die Vernunft in Gelassenheit ruht. Freiheit kann nur selbst von denkenden Menschen entdeckt werden, zu denken kann jeder nur selbst anfangen, der Weg dorthin hat als Verlockung nur die nackte Freiheit selbst und keine plakativen, einfachen Antworten. Traue lieber den Menschen zu, selbst kritisch zu denken, um eine Lösung zu finden für die Fragen der Zeit und zu merken, was Freiheit heißt. Was anderes kann ich ohnehin nicht tun, wenn Freiheit selbst Denken heißt, den Rest regelt der Markt oder die Natur alleine, die stets den Gesetzen der Evolution folgte und an der wir beobachten können, welche Populationen am erfolgreichsten waren und am besten überlebten und das waren nie die inzüchtig nur mit sich beschäftigten.
Warum aber, um endlich zum Anfang zurück zu kommen, soll die Freiheit in Zeiten des Terror noch eine Chance sein und wenn ja welche?
Es ist die Freiheit, um deren Verteidigung es hier geht. Die vor totalitären Islamisten und rechten Populisten, um irgendwo in der Mitte ungestört seiner Lust nachzugehen, seine Geschäfte zu machen, frei und glücklich zu sein. Wo die Freiheit angegriffen wird, bemerken wir erst, welch hohen Wert sie hat und wie gut wir im friedlichen Europa heute miteinander leben, wie hoch der Wert der freien Union ist, die eben diese rechten Populisten ständig schlecht reden, ohne eine Alternative zu haben. Wo die Ränder lichterloh in Panik brennen, kann sich die Mitte besonnen zeigen und auf den Wert ihrer Werte und der Ruhe verweisen, weil wir gerade alles andere als Volksaufstände brauchen und die große Mehrheit ohnehin lieber in Ruhe genießen will. Ob sie das im Freizeitpark tut, wie Kohl einst munkelte oder über blühenden Landschaften, die er dem Osten versprach, dessen geistige Abgründe sich zwischen Pegida und Wagenknecht gerade offenbaren, ist nicht so wichtig, wie das Streben der Mehrheit nach Ruhe und Frieden und weniger lauter Propaganda auf allen Kanälen.
Der von mir sehr geschätzte Michel de Montaigne lebte auch in einer Zeit von Terror und Bürgerkrieg im eigenen Land. Es war das Frankreich am Ende des 16. Jahrhunderts und also die Zeit der Hugenottenkriege. Banden von Söldnern zogen durch das Land und bekriegten sich gegenseitig oder überfielen, wenn es ihnen gerade passte, einsame Höfe und Güter, um sie auszurauben. Alle Freunde rieten Montaigne sein Schloss besser zu sichern, um sich verteidigen zu können, sein immer offenes Haus, sei in Zeiten wie diesen eine Gefahr. Er kümmerte sich nicht darum und argumentierte mit einer bestechenden Logik, die sich mancher Politiker heute merken könnte. Gegen den Überfall von Söldnern, könne er sich ohnehin nicht sicher schützen, wenn sie ihn töten wollten, würden sie es tun und er könnte nichts dagegen tun. Wenn er sich ständig bewachte, könnte er nicht mehr das Leben führen, das er liebt und wie es seiner Art entspricht, mit einem offenen Haus und einer Tafel an der jeder Gast immer willkommen ist. Es gäbe keinen sicheren Schutz und also lebe er lieber, wie er immer gelebt hat, statt sich in Sorgen und Angst ständig zu beunruhigen über Dinge, die er nicht ändern könne. Er überlebte auf diese Art die Hugenottenkriege als Katholik, der sowohl dem katholischen König als auch seinem Freund, den Protestanten Heinrich von Navarra, den späteren Heinrich IV., als Berater zur Seite stand und überstand gelegentliche Überfälle ohne größeren Schaden. So hat er nie seine Freiheit verloren, noch sich je Angst machen lassen.
Es geht um die Freiheit und nichts weniger, lassen wir ihr, den Raum den sie braucht, damit sie sich entfalten kann und uns beflügelt für die Zukunft, nutzen wir einfach jede Chance dazu, also auch den Terror, der ihr Gegenteil ist, sie noch mehr zu verteidigen, weil wir wissen warum es uns so gut geht.
10.1.2017 jens tuengerthal
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