009c Menschlichkeit
Was ist heute noch Menschlichkeit und muss sie menschlich sein?
Die Frage weist schon auf die doppelte Bedeutung des Wortes Menschlichkeit hin. Zum einen meint Menschlichkeit alles, was menschlich ist und also ein Mensch tut. Zum anderen ist es eine Ethik, die mit den Werten des Humanismus ein bestimmtes Verhalten fordert.
Die Humanisten sahen in der Bildung das Mittel vom rohen brutalen Tier zum Menschen zu werden, warum dieses Werk unablässig fortgesetzt werden müsse, der Humanismus immer ein stetes Streben nach mehr Menschlichkeit im ethischen Sinne wäre.
Ist eine solche Ethik, die über die Natur des Menschen hinaus will, um ihm etwa Vorurteile abzugewöhnen noch menschlich oder verlangt sie übermenschliches?
Schauen wir auf die Anhänger von Pegida und AfD ersetzte dort das völkische Ideal das humanistische und sie wollen lieber ihre Nation rein halten, statt die alten Werte der Menschlichkeit, die für jeden Menschen an jedem Ort gelten würden, zu verteidigen, weil sie sich überfordert fühlen. Gleichzeitig beruft sich diese latent rassistische Randgruppe in ihrer Angst auf die Rettung des Abendlandes als Ziel.
Das Abendland könnte ein geografischer oder ein kultureller Raum sein, den sie in Konfrontation zum Morgenland sehen. Wenn es nur um zufällige Grenzen ginge, wäre die Infragestellung der Werte der anderen überflüssig und die Angriffe gegen andere Religionen auch. Es geht den Pegiden also um die Verteidigung eines Kulturraums, den sie für abendländisch halten, um damit als quasi Kreuzritter in Konfrontation zur Regierungslinie zu gehen. Warum diese Verfechter des alten Abendlandes, die sich auch gerne auf Karl Martell berufen, den Opa von Karl dem Großen, den wir mit den Franzosen als Urvater gern teilen, wenn diese auch vorher noch die Merowinger hatten, der die Mauren einst unter relativ unklaren Umständen im Südwesten Frankreichs schlug, tatkräftig unterstützt auch von den Friesen, also ein früher Eurocorps, meinen, sie verteidigten europäische Werte während sie diese verneinen und sich für Xenophobie stark machen, ist unklar.
Die Ideale, die sie vertreten, sind weder christlich noch sonst zum europäischen Humanismus passend. Sie werden mehrheitlich von Menschen vertreten, die in einer von Marxismus-Leninismus geprägten Welt fern der christlichen Gedankenwelt aufwuchsen, die in der DDR nur ein oppositionelles Überbleibsel war. Auf welches Abendland sie sich beziehen, bleibt so unklar wie ihr etwas Begriff von Menschlichkeit. Vielleicht ist die soziale Fürsorge für völkische Reinheit was am besten darunter subsumiert werden kann. So zeigen sie sich stets besorgt um deutsche Frauen, die angeblich in Scharen von eingefallenen Muselmanen hier vergewaltigt würden.
Davor schützen zu wollen und sich für die Gleichberechtigung der Frau einzusetzen, die in der islamischen Kultur, die männerdominiert ist, häufig ein Schattendasein fristet, wäre wohl dem Ideal der Menschlichkeit entsprechend. Auch eine gewisse Polarisierung, um auf ein Problem aufmerksam zu machen, dass diese Form des Aberglaubens mit sich bringt, würde noch nicht den Werten der Menschlichkeit widersprechen. Schwieriger wird das mit der Verbreitung von Lügen und Vorurteilen zur Stützung der eigenen Meinung. Auch die Ausgrenzung und Verdächtigung einer ganzen Gruppe aufgrund der Taten einzelner ist eher unmenschlich und entspricht totalitären Verhaltensmustern.
Was diese Randgruppe vertritt, widerspricht deutlich dem Humanismus der Aufklärung, für den auch die deutsche Klassik in Weimar stand und wofür sie bis heute in aller Welt steht. Der Geist der Aufklärung aber, der den in der Renaissance groß gewordenen Humanismus in ein staatliches Ideal goß, das zu unseren heutigen demokratischen Verfassungen führte, steht für das, was das heutige Abendland ideell ausmacht und also bekämpft, wer sich dagegen wendet, was er zu verteidigen vorgibt, an seinen Wurzeln.
Dieses, vernünftig bedacht, schizophren scheinende Verhalten, ist typisch für polarisierende Randgruppen, die mit Angst arbeiten. Es fragt sich daher auch, ob dies nicht menschlich, gar allzu menschlich in vielem ist und was das für den Umgang mit ihnen und die Bewertung ihrer Menschlichkeit bedeutet.
Gefällt mir überhaupt nicht der Gedanke, den rechstradikalen Pegiden, die sich gern als besorgte Bürger nur geben, Menschlichkeit zuzugestehen, die diese doch, ihrem ausgrenzenden Wesen nach, völlig verneinen. Noch sind sie eine kleine Minderheit, doch die Zustimmung der Frustrierten für eine solche Politik der einfachen Antworten scheint weiter zu wachsen, was noch gefährlicher würde, falls es der Wirtschaft schlechter ginge.
Andererseits werden wir aus der Spirale der Gewalt und des Hasses kaum ausbrechen können, wenn nicht beide Seiten aufeinander zugehen. Die einen Verständnis für die Ängste der besorgten Bürger haben, egal, ob diese nun einen sachlichen Grund haben oder nicht, und die anderen aufhören an Verschwörungen zu glauben und ihre Gegner stets als Gutmenschen und Vaterlandsverräter zu beschimpfen.
Es gibt zwei Gruppen in diesem Land, die sich für ihre jeweiligen Ansichten verachten und sich die Menschlichkeit absprechen. Die einen halten die Gutmenschen für naiv und gefährlich und fürchten ohne sachlichen Grund, um ihr Leben. Die anderen sehen den Terror der Nazi-Zeit in diesen Gruppen wiederauftauchen und fürchten nun ihrerseits den Untergang des Abendlandes, wenn wir uns nicht in multikultureller Nächstenliebe begegnen.
Menschen, die teilweise durch die Hölle gingen, um hier leben zu können, wurden von den einen voller Freude als Bereicherung begrüßt, die unsere Kultur bunter machen wird und von den anderen als Schmarotzer beschimpft, zu deren Gunsten es den Obdachlosen hier weiter schlecht geht.
War diese Behandlung von Flüchtlingen, die nur ihr Recht wahrnehmen unmenschlich oder war es eher unmenschlich gar nicht an die Menschen und ihre Ängste zu denken?
Eine Angst braucht keinen sachlichen Grund, um schmerzvoll wirksam zu sein. Von daher ist der Hinweis auf die Kriminalitätsstatistiken nicht weiterführend. Auch diese Furcht vor den Fremden nur als Rassismus zu geißeln, trägt nicht wirklich zur Aufklärung bei, selbst wenn dies teilweise sicher berechtigt war.
Wer sich angegriffen fühlt, geht in Verteidigungshaltung und in dieser haben sich beide Seiten voller Hass auf der einen und Verachtung, ja Abscheu auf der anderen Seite verbarrikadiert und führen längst einen Krieg um die Deutungshoheit unseres Seins und die einzelnen Salven finden ihr stetes Echo im Blätterwald.
Der Ton wurde lauter und wer gehört werden möchte, muss grob sein, damit er noch eine Schlagzeile bekommt. Wer nur zur Mäßigung aufruft und den Chor der Fanatiker verlässt, verschwindet im Lärm der Schlacht, wird nur noch belächelt, wenn er Glück hat und doch scheint es das einzig vernünftige zu sein.
Wer in einem Konflikt meint, die einzige Wahrheit zu kennen und nur seine Auslegung der Wirklichkeit zulässt, sucht weniger Frieden, als sich durchzusetzen. Alle, die sich durchsetzen wollen, riskieren den Bürgerkrieg, vor dem sie noch warnen. Gewalt gegen Rechte ist so falsch wie deren Gewalt und auch wenn es mir schwer fällt, muss ich versuchen, die Sorgen der Menschen zu verstehen und ihnen das Gefühl geben, dass ich sie ernst nehme, wenn ich wieder in den Dialog treten will und die anderen nicht einfach mit Gewalt unterdrücken oder beseitigen möchte.
Wer die anderen, wie ich es selbst oft genug in meinen Versen und Texten gerade über Pegiden und rechte Sachsen, für unzurechnungsfähig, gefährlich und vor allem unbelehrbar erklärt, wird keinen Diskurs mehr finden können. Wenn diese sich dem Diskurs verweigern und ihrerseits von rechter Propaganda getrieben, Gewalt anwenden, ist es Aufgabe des Staates, diesem Treiben auch mit Gewalt ein Ende zu setzen. Doch ist die Forderung nach einer autoritären Lösung auf der Seite der Pegiden so falsch wie bei den sogenannten Gutmenschen, wenn sie eine Abschiebung des Nazi-Packs fordern.
Einige Politiker verstärkten die Polarisierung noch durch unbedachte Wortwahl, wie etwa Gabriel mit seiner Rede vom Pack, auch wenn es nur zu verständlich ist. Beschämen doch diese Rechten vor allem in Sachsen das ganze Land und beschädigen unseren Ruf in der Welt, versprühen so viel Hass, dass ruhig zu bleiben, extrem schwer fällt.
Doch bevor jetzt Argumente im einzelnen ausgetauscht und zum hundertsten mal aufgewärmt werden, will ich lieber überlegen, was es braucht und wie allein ein Weg aus dieser Misere am Rande der Unmenschlichkeit gefunden werden kann, in der immer wieder Menschen auch öffentlich im Internet ihre Würde abgesprochen wurde oder der Tod gewünscht wurde, was immer eine strafbare Handlung ist und Konsequenzen haben sollte. Wüste Drohungen und Verwünschungen habe ich von beiden Seiten gelesen und möchte nun nicht über deren Gründe nachdenken, da es nie einen dafür geben kann und die Beschäftigung mit Hass nur hässlich macht.
Es braucht Aufklärung über das, was unser Grundgesetz ist und ausmacht. Warum die Menschenwürde in Artikel 1 besonders geschützt ist und darum, wer die historische Schuld und Verantwortung der Deutschen als Täter relativiert, den Konsens auf dem unsere Verfassung steht, relativiert. Es ist nicht eine Meinung, nichts mehr vom Holocaust hören zu wollen oder diesen gegen die Bombardierung Dresdens zu relativieren, sondern es ist in diesem Staat aus guten Gründen eine Straftat und stellt den ethischen und sittlichen Konsens der Verfassung in Frage.
Ob es uns weiterbringt die Brandstifter, die diese Relativierung öffentlich betreiben, strafrechtlich zu verfolgen und zu bestrafen und ob damit der Menschlichkeit gedient ist, bleibt eine andere Frage.
Wer das scharfe Geschütz des Strafrechts gegen den politischen Gegner in Stellung bringt, hat auch längst die Basis des Diskurs verlassen und trägt damit seinen Teil zur Polarisierung mit bei. Wie weise entschied doch das Bundesverfassungsgericht anhand von Tatsachen statt von Schlagzeilen, die NPD nicht zu verbieten, weil sie zu unbedeutend ist, auch wenn sie verfassungsfeindlich ist und ihre Ansichten den Wertekonsens des Grundgesetzes gefährden könnten. Sie sind der Beachtung so wenig wert, wie die Säue, die von irgendwelchen AfD Funktionären alle paar Monate durchs Dorf getrieben werden, um wieder mediale Aufmerksamkeit zu bekommen, auszusprechen, was manche insgeheim schon dachten, sich aber nie zu sagen trauten, weil es eben mit dem verfassungsrechtlichen Konsens bricht.
Es ist typisch für den Populismus, sich auf diese Weise Zustimmung zu erkaufen und es bestätigt ihn, wenn ihm nur der Mund verboten wird. Eine gesunde Demokratie und eine offene Gesellschaft, muss auch abwegige Meinungen aushalten können. Es muss auch nicht gegen alle Linken vorgegangen werden, die irgendwann brüllten, haut die Glatzen, bis sie platzen, auch wenn es auf dem gleichen Niveau ist oder Molotow-Cocktails gegen “Bullenschweine” warfen, auch wenn diese Straftat, wie ein Brandanschlag auf eine Notunterkunft zu verfolgen ist, zumindest, wenn sie Folgen hatte.
Der Rechtsstaat braucht Zeit und keinen Aktionismus, keine heißen, sich überbietenden Schlagzeilen bei Google-News, die dann viele Klicks und also Geld generieren. Die Basis der demokratischen Gesellschaft muss der Diskurs der gesellschaftlichen Kräfte sein, auch wenn die repräsentative Demokratie nur Vertreter schickt, die im Parlament darüber streiten sollen und es muss da keineswegs immer Konsens geben. Wo es an einer Einigung fehlt, entscheidet eben die Mehrheit, wie sie die Dinge angeht und setzt sich damit durch, diese Macht hat das Parlament und die von ihm getragene Regierung als Leitung der Exekutive.
So funktioniert die Demokratie und es kann dann eine Minderheit in Sachsen auch dreimal die Woche spazieren gehen, um dagegen zu demonstrieren, es ändert nichts an den Mehrheiten im politischen Alltag, die auf eine Wahl zurückgehen, bei der die Mehrheit keine Populisten wählte.
Lösung dieser Konflikte kann nur sein, die Menschen selbst zum kritischen Nachdenken über ihre teilweise fanatischen und absurden Positionen zu bringen. Dies ist das Prinzip der Aufklärung, wie Kant es formulierte als Befreiung aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit, dabei ist Unmündigkeit, die Unfähigkeit sich seines Verstandes kritisch zu bediene, die nur insofern selbstverschuldet ist, als die Betreffenden denken können.
Demokratie und Rechtsstaat des Grundgesetzes setzen diese Mündigkeit voraus und erklären jeden Bürger für mündig und fähig den politischen Alltag mitzubestimmen. Dies muss nicht durch eine Prüfung der Mündigkeit belegt werden, sondern wird jedem von uns als Vertrauensvorschuss geschenkt und ab dem 18. Lebensjahr sind wir aktiv und passiv wahlberechtigt für nahezu alle Ämter. Nur der Bundespräsident erfordert ein gewisses Alter noch, was mit dem überkommenen Bild von Repräsentation zusammenhängt und dem etwas altertümlichen Verständnis von der Würde des Amtes. Ob dies verfassungsrechtlich Bestand hätte, prüfte es jemand ernsthaft, scheint mehr als fraglich.
Der Staat setzt also Vertrauen in seine Bürger voraus, die ihn mitbestimmen dürfen, ihre Grundrechte ganz natürlich durch Geburt haben und ihre Bürgerrechte ab einem bestimmten Alter wahrnehmen können. Daraus resultieren die Pflichten der Bürger, sich entsprechend zu verhalten, wie es der Staat in seinen Normen bestimmt und dieser darf darum auch in die Rechte der Bürger eingreifen, wenn diese sich nicht ordnungsgemäß verhalten, etwa zum Rassenhass aufrufen oder Gewalt gegen andere predigen.
Der Vetragsgedanke dabei,der noch von Rousseau stammt, jenem psychisch etwas zweifelhaften Philosophen, den nur seine zufällige Auswahl in Zeiten der Revolution so berühmt machte, weil seine Ideen eben gut zu den totalitären Vorstellungen eines Robespierre passten, scheint etwas theoretisch, weil wir in diese Welt hineingeboren werden und mit ihr klarkommen müssen. Dennoch ist es auch ein wichtiger Teil des Menschenbildes, das dem Grundgesetz zu Grunde liegt und das vom Humanismus der Aufklärung geprägt ist, die Freiheit des Einzelnen in den Mittelpunkt stellt.
Menschlichkeit als Prinzip liegt auch unserer Verfassung zugrunde, ohne dass es sich in einer Norm des Grundgesetzes dabei ausdrücklich findet. Steht so nicht drin, weil, was die Menschlichkeit und den Humanismus ausmacht, nur indirekt normierbar ist. Dafür zeugen die wichtigsten Artikel direkt von diesem Geist, wie Würde, Freiheit und Unverletzlichkeit des Menschen, dessen Glaube und Meinung frei geschützt sind.
Dabei ist das Wort Humanismus von vielen gebraucht und missbraucht worden. So berief sich etwa Erich Mielke, der ehemalige DDR-Armeegeneral und Minister für Staatssicherheit auf den Humanismus, der auch die gnadenlose Tötung von politischen Gegnern, so dies nötig sein sollte, immer rechtfertigte für ihn. Dieser Täter wurde nach der Wende wegen Mordes an zwei Polizisten im Jahr 1931, als er schon ein Brandstifter war, zu sechs Jahren Freiheitsstrafe verurteilt und starb 2000 in Freiheit, weil er für seine mörderische Meinung nicht eingesperrt werden konnte.
Auch die Nationalsozialisten nannten ihre Vernichtung behinderten Lebens Euthanasie, was schöner Tod heißt und damit bereits das dortige Verständnis von Humanismus zugunsten der eigenen Rasse, dem Phantasieprodukt der Hitler-Jünger, meinte. Die nicht nur zufällige Ähnlichkeit aller totalitären Regime, was sich auch in der Organisationsstruktur von FDJ und HJ zeigte, belegt auch die relative Nähe der Menschenbilder, auch wenn sie sich für gegensätzliche Extreme halten, die links und rechtsaußen ständen. Doch sind die Meinungen eben nicht einfach linear sondern eher zyklisch und so trifft sich, was zu weit nach außen geht, im jeweiligen Extrem wieder und ähnelt sich von der Art her.
Die Menschlichkeit wurde jedoch tatbestandlich bei den Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die nach den Nürnberger Prozessen und der Aufarbeitung des von Deutschland begangenen Unrechts, Bestandteil des geschriebenen Völkerrechts wurden und heute immer wieder Grund zur Anklage bieten. Etwa auch gegen Milosevic den ehemaligen Jugoslawischen Staatschefs nach den Kämpfen der Teilstaaten um ihre Unabhängigkeit. Das erste mal wurde ein solches Verbrechen als Tat der jungtürkischen Regierung in einer Protestnote angeklagt, die den Völkermord an den Armeniern im untergehenden Osmanischen Reich rügte und seine Ahndung nach Kriegsende versprach. Dazu kam es nicht und die Türken schämen sich immer noch nicht, diesen Völkermord weiter zu leugnen und sich damit der Welt als lächerliche Feiglinge zu offenbaren, die nie gelernt haben auch Verantwortung für ihre verklärte Geschichte zu übernehmen.
Ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit kann jeder staatliche Akt sein, der aufgrund rassistischer, religiöser oder politischer Motive eine Gruppe in ihren geschützten Menschenrechten verletzt. Ob die Leugnung solcher Verbrechen schon ein solches ist, da es der Relativierung Vorschub leistet und damit zu weiteren Taten anstiftet, die gerade geahnndet werden sollen, ist nicht ganz klar. Ansonsten könnten Erdogan wie Höcke international vor dem Strafgerichtshof dafür belangt werden, was diplomatisch interessante Folgen haben könnte, falls jemand diese Tat während eines Staatsbesuches nach § 7 VStGB, des Völkerstrafgesetzbuches anzeigte, da Mord nie verjährt und Anstiftung und Relativierung sich von der Tat her sehr nah sind.
Cicero verstand unter dem Begriff Humanismus noch eine umfassende Bildung, warum sich in Bezug auf ihn auch der Renaissance-Humanismus mit seinen humanistischen Studien entwickelte. Der große Humanismus der Renaissance als Wiedererweckung der klassischen Bildung wurde von Petrarca einst begründet und breitete sich in ganz Europa aus. So traten die Humanisten für eine umfassende Bildungsreform ein, von der sie sich eine Verbesserung des Menschen versprachen infolge der Verbindung von Wissen und Tugend. Dabei war ihnen ein möglichst vollkommener Ausdruck sehr wichtig, warum die Sprachwissenschaften immer im Zentrum der humanistischen Bildung standen.
Von der vorangehenden Zeit, dem dunklen Mittelalter, grenzten sich die Humanisten bewusst ab, auch indem sie dieses so nannten und sich lieber auf die reine Antike bezogen und deren Wiedergeburt feierten. Dies taten sie am liebsten mit Originaltexten, die sie in Klosterbibliotheken oder anderen Orten aufzustöbern suchten. So wurde auch das Werk des Lukrez zur Zeit des Konzils von Konstanz vom Sekretär des abgesetzten römischen Papstes, damals blieb von drei Päpsten nur der aus Avignon übrig, vermutlich im Kloster Fulda wieder entdeckt und veränderte das Denken der Zeit ganz maßgeblich, weil es das erste konsequent atheistische Buch war, was wieder bekannt wurde und was die für notwendig gehaltene Existenz höherer Wesen oder einer Seele logisch widerlegte.
Plötzlich stand der Mensch und seine Lust im Mittelpunkt, die jahrelang von der Kirche verteufelt wurde, die selbiges bis heute tut und das veränderte die Malerei, die plötzlich realistische Natur Abbildungen suchte, statt symbolischer Heiligenbilder und Menschen malte, sich auf Gesichter und Köpfe konzentrierte, die neu dargestellt wurden. Daraus wuchs eine Bewegung, die auf dem ganzen Kontinent weiter nachdachte und ihre Betrachtung der Welt veränderte. Ein Dürer malte Menschen so menschlich plötzlich, auch Kaiser wie Karl V, dass diese wiedererkannt wurden und spielte wie ein Leonardo da Vinci mit dem Ausdruck der Temperamente im Gesicht des Menschen. Ein Michel de Montaigne, beobachtete sich und schrieb darüber unter der immer wieder Bezugnahme auf die Klassiker, war er doch lateinisch und griechisch alphabetisiert worden und sprach es fließend, las es wie seine Muttersprache, besser vermutlich sogar. Er hatte von seinem Vater eine typisch humanistische Erziehung genossen, die in vielem sehr frei war, ihn sogar die ersten Monate in einer bäuerlichen Familie aufwachsen ließ und doch im Verlauf alle wichtigen Dinge enthielt, welche die Bildung eines Adeligen dieser Zeit umfasste, der es später zum königlichen Berater immer wieder und zum Bürgermeister von Bordeaux für eine Zeit, bis er genug davon hatte, brachte.
Interessant ist, wie Cicero noch den Menschen streng vom Tier durch die Sprache unterscheidet, während Montaigne diese Unterscheidung in seiner Apologie für Raimond Sebond, einen eher unbedeutenden theologischen Schriftsteller, durch verschiedenste Beispiele immer weiter aufhebt, um zu fragen, was den Menschen eigentlich ausmacht, wenn schon die Unterscheidung so schwer ist und lieber fragt, als alles besser weiß.
Einig waren sich die frühen und die späten Humanisten jedoch, dass es entscheidend auf die sprachliche Ausdrucksfähigkeit ankommt und diese den guten Humanisten auszeichnet, ihn vom Tier unterscheidet, zumindest Ausdruck seines steten Strebens nach Verbesserung seiner selbst ist. Infolge verurteilten die Humanisten das Latein des Mittelalters, das sich weit vom für sie reinen Latein etwa eines Cicero oder eines Lukrez, dessen Verse von unübertroffener Schönheit waren, entfernt hatte. So korrespondierten und sprachen die Humanisten in reinem Latein, das für sie die Weltsprache des Humanismus war und dementsprechend auch Montaigne nach der Zeit auf dem Bauernhof so aufwuchs, auch wenn sein Vater nur wenig Latein konnte und seine Mutter nahezu überhaupt nicht. Da sprach der Junge eben hauptsächlich mit seinem humanistischen Lehrer.
Die Humanisten hier in den Spuren von Epikur und Lukrez, meinten auch, Bildung müsse allen Menschen offenstehen, warum sie auch Frauen an ihren Runden beteiligten und sich immer wieder gebildete Mäzeninnen suchten. In der Philosophie dominierte nun die Ethik und Begriffe wie Individualismus und Autonomie des Subjekts wurden ganz zentral für ihr Denken, daraus entstand der Freiheitsbegriff, der einige hundert Jahre später zur Aufklärung führte, die in der französischen Revolution, dem aufgeklärten Menschenbild und der Erklärung der Menschenrechte zuerst durch die USA gipfelte.
Mit ihrem Menschenbild, dass die Würde des Menschen in den Mittelpunkt stellt, unterschieden sich die Humanisten ganz klar vom Mittelalter, in dem es noch um die Verworfenheit des Sünders ging, der dem Untergang der Welt entgegen sah und auf höhere Erlösung hoffte. Dennoch gab es nach dem Aufbruch zur Renaissance, die in vielem auch mit dem neuen Denken nach der Wiederentdeckung des Lukrez zusammenhing, auch einige bedeutende Päpste und kirchennahe Denker, wie Erasmus von Rotterdam, die dem neuen freien Geist huldigten, der das Denken unabhängig und zum Zweck an sich machte.
Anders die Reformation, die in Deutschland leider in weiten Teilen mehr prägte als die Renaissance und nur eine neue Verankerung im mittelalterlichen Glauben mit einer nur teilweisen Emanzipation nach dem Gusto des Antisemiten Luther bedeutete. Es zeigt sich dies auch heute noch im reformatorischen Kernland Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt, das vom aufgeklärt freiheitlichen Denken vielfach weiter weg ist, als es in den freien Städten Italiens schon im 15. Jahrhundert üblich war. So gesehen brach die Reformation zwar mit der Kirche, befreite die Gläubigen ein wenig, übersetzte die Bibel, um es verständlich zu machen, aber ließ doch im Kern die Menschen im mittelalterlichen Aberglauben gefangen zurück, an den der Sozialismus nahtlos anschloss.
So hat die Christianisierungsrate Ostdeutschlands wenig zu sagen, soweit es um die lange noch Verhaftung dieser Geister im Mittelalter geht, dass sein Sein nur über erfundene höhere Wesen definierte und zur Verteidigung des Abendlandes gen Morgenland zu gerne aufbrach. Vielmehr macht der Geist Luthers, wie er sich in manchem noch zeigt dort wieder gute Schule in gewohnt mittelalterlicher Intoleranz, mit der sich nur ein trotziger Mönch zum Reformator aufschwang und so sind auch die ungetauften Sachsen bei Pegida vemutlich lutherischer als viele, die sich heute evangelisch noch nennen und sich auf so große Vorbilder wie Bonhoeffer lieber berufen als auf den intoleranten Reformator und Jubilar. Außerdem wirkte bei der Gründung der neuen evangelischen Kirche auch der großartige Humanist und Förderer Luthers Philipp Melanchton, der als Lehrmeister Deutschlands auch gilt und damit das typisch deutsche Verhältnis zum Humanismus treffend beschreibt.
Wie schon bei Cicero galt auch den Renaissance Humanisten die Geschichte als Lehrmeisterin und die Idealisierung historischer Figuren diente dem Lernen am Vorbild. Dabei ging es primär auch um Ethik und ihr Verständnis, was den historischen Blick der Humanisten manchmal trübte. Andererseits brachte die Renaissance erstmals bedeutende geschichtstheoretische Werke hervor, was das ganze nur zum Himmel schauende Mittelalter als finstere Epoche nicht schaffte, da einzig im Aberglauben noch selig verhaftet.
Wann die Renaissance und damit der erste Höhepunkt des Humanismus endete, ist unklar. In Italien wird dies etwa für die Mitte des 16. Jahrhunderts angenommen, als sie keine neuen geistigen Impulse mehr setze und der humanistische Gedanke erst mit der Aufklärung dort wieder auftauchte. Manche halten auch schon den sacco di Roma, den Überfall der marodierenden Söldner Karls V. auf die Heilige Stadt für den Wendepunkt, nach dem Stagnation dort eintrat. Die Medici hatten den Humanismus immer wieder befördert und auch nach Europa getragen, doch das Wirken des mönchischen Fanatikers Savonarola unterbrach die wunderbare Blüte in Florenz für einige Jahre im Sinne des mittelalterlichen Aberglaubens.
Jedenfalls wirkte der Geist der italienischen Renaissance in ganz Europa weiter, brachte viele große Geister hervor wie den englischen Humanisten und Lordkanzler Thomas Morus und erstand in der Weimarer Klassik und ihrer Verklärung des antiken Ideals wieder auf. Goethes Worte vom Wahren, Schönen, Guten, klingen darin nach. So ist Weimar eine Insel der Aufklärung zur Zeit Schillers und Goethes vor allem auch Herders gewesen, die sich dem humanistischen Geist verpflichtet fühlte.
Ganz im Gegensatz dazu grenzten sich die Nationalsozialisten klar vom Humanistengeschwafel ab, dem sie ihre von Nietzsche geprägten Ideale der Herrenrasse entgegensetzten, die eine Art menschlicher Aristokratie bilden sollte, damit die Guten die Welt beherrschten. Als Reaktion auch auf diese Ideologie und deren industrielle Vernichtung von Menschen in den Konzentrationslagern kam es 1948 zur Erklärung der Menschenrechte. Mit diesen verpflichten sich die Unterzeichnerstaaten die Einhaltung der Menschenrechte auf ihrem Staatsgebiet zu garantieren. Dazu gehören Freiheitsrechte, Würde, körperliche Unversehrtheit und Religionsfreiheit. Auch das Recht auf Asyl im Falle politischer oder sonstiger Verfolgung gehört dazu.
Der dem NS-Vokabular entstammende Begriff Gutmensch, den die Pegiden gerne nutzen, die selbst viele Menschenrechte für andere leugnen aber dies für den Ausdruck ihrer Meinungsfreiheit halten, ist sehr passend bis heute für alle Humanisten eigentlich. So gesehen bin ich gerne ein Gutmensch, auch wenn mir jegliche multikulturelle Naivität fremd ist und ich es für wichtiger halte im Sinne der Aufklärung zu wirken, statt die dummen Sachsen zu besiegen. Wer dort siegen will, könnte Teile des Bundeslandes nur an Polen oder Ungarn abtreten, wo sich viele ihrer Gesinnung gemäß auch wohler fühlten, was aber derzeit nicht ernsthaft zur Debatte steht. Als Humanist bin ich für mehr Bildung, die auch denen im Tal der Ahnungslosen den Horizont öffnen könnte. Wird Zeit brauchen und viel Nerven vermutlich kosten, ist aber der einzige Weg, der dem humanistischen Menschenbild des Grundgesetzes entspricht, als Befreiung aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit, der einzigen Perspektive eines künftigen Humanismus für alle Menschen, wagen wir zu denken.
jens tuengerthal 19.1.2017
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