Als der französische Präsident sich heute mit dem deutschen traf, speisten sie im Molkenrain, jenem Landgasthoft in dem Truffaut einst auch Jules und Jim drehte. Die Geschichte einer auch deutsch-französischen Liebe im Dreieck, die im Paris der Belle Epoque beginnt, von wunderbaren Bildern lebt und leider tödlich endet, als Catherine sich in den Tod stürzt und Jim, den Franzosen mit sich reißt. Ihr liegt der Roman des Franzosen Henri-Pierre Roché zugrunde, der von der wahren Liebesgeschichte zwischen ihm und Helen Hessel und deren Mann Franz Hessel erzählt. Der letztere, heute, auch dank der Verfilmung zum Glück wieder, ein angesehener Schriftsteller, ist der Vater von Stéphane Hessel, dem Diplomaten und Autoren, der berühmt gewordenen Schrift “Empört Euch!”, in der er, der Mitautor der Erklärung der Menschenreche, an der er als Assistent nach seiner Entlassung aus dem Lager Buchenwald, in das der Résistance Kämpfer bis Kriegsende eingesperrt war, die Menschen zum Widerstand aufruft und somit vielen als geistiger Vater der Occupy Bewegung gilt und anderen Protestbewegungen in der Finanzkrise. Ein an Symbolen trächtiges Treffen also, bei dem Gauck seine Größe zeigte und über das Gefühl der Freundschaft sprach, einer Liebe, die auf vielen Toten ruht und doch Europa trägt und weiter tragen soll.
Mein Urgroßvater, seinerzeit jüngster preußischer Schuldirektor zu Hannover meldete sich auch 1914 freiwillig und starb schon in den ersten Tagen auf einem der Schlachtfelder bei Verdun, einmal habe ich sein Grab besucht in diesem Meer von Gräbern, nahe der ehemaligen Schützengräben. Ein Toter halt, wie Millionen andere auch, meinen damals jungen Großvater brachte es daraufhin nach Lichterfelde, die kaiserliche Kadettenanstalt, wo er viele Freundschaften knüpfte, die ihn später beinahe den Kopf kosteten, den Enkel aber mit Stolz erfüllten, weil er die Wurzel seines Widerstands gegen Hitler war, auch wenn er als kaisertreuer Rechter mir politisch eher fern schien, brachte ihn diese Kameradschaft und noch manche andere spätere Geschichten irgendwie auf Gördelers Listen und darauf nach dem Attentat vom 20. 1944 Juli an die Ostfront, aber das ist eine andere Geschichte, um die es hier weniger geht, als was dieser Großvater tat, dessen Vater vor Verdun vom Erbfeind totgeschossen wurde. Als Sohn einer armen Kriegerwitwe studierte er in Jena Jura und Volkswirtschaft und verdiente sich sein Geld als Zigaretten und Streichholzverkäufer auf der Leipziger Messe, um damit dann ein Jahr zum Studium im Paris der 20er zu finanzieren. Er liebte Paris und den Geist der Zeit, die Freiheit der Franzosen und die Liebe, die er nach Gerüchten, denen er lächelnd nicht widersprach sehr genossen haben soll, bis er meine Großmutter kennenlernte, wie er immer wieder betonte. Auch wenn sich dieser Absolutismus nach seinem Tod auch als eines der vielen Gerüchte im Leben herausstellte, hat diese Zeit in Frankreich seinen Geist geprägt und nach dem zweiten großen Krieg, in dem er dann Offizier war, kehrte er irgendwann als Diplomat in die Stadt seiner Liebe zurück für die NATO und ritt des morgens im Bois des Bologne aus, lernte dabei einen französischen Offizier kennen, dem er, wie sie feststellten, wohl in der Schlacht einmal gegenüber lag und lapidar stellten beide fest, wie gut, dass wir uns damals nicht totschossen, der ihm aber auch von seiner Liebe zu Trakehnern vorschwärmte und gemeinsam planten sie vielleicht einmal nach Trakehnen zu fahren, woraus zwar nichts wurde, die europäischen Grenzen blieben Zeit seines Lebens noch andere, jedenfalls solange er aktiv reisen konnte, aber einen europäischen Traum von am Ende geteilter Liebe zeigt.
Eine kleine Familiengeschichte über die innige Liebe zwischen Deutschen und Franzosen und ihre Umwege passt zu diesem Tag, an dem wir an das große Morden erinnern, das heute vor hundert Jahren zwischen Deutschland und Frankreich wieder begann und uns zugleich staunend über die Näher wundern, die wir als Brüder in Europa heute fanden. Es ist dies auch eine Geschichte der großen Staatsmänner, die diese Freundschaft bauten, wie Adenauer und des Gaulles, Kohl und Mitterand, aber nur auch, denn es ist vielmehr die Geschichte einer Liebe im Dreieck und einer zwischen den Zeilen, die über die Konventionen hinwegsieht und sich trotz des Pomps der offiziellen Beziehungen manchmal ganz fein zwischen den Bürgern findet und zart verführt.
Darum sei nach der Anekdote über meinen Großvater noch die Geschichte meines lieben, leider längst verstorbenen Freunds Fréderic erzählt, eines Straßburgers, der im Kaiserreich geboren, als das Elsass noch deutsch war, im 1. Weltkrieg als sehr junger Soldat an die Front musste, nicht auf seine französischen Vettern schießen wollte, dessertierte und von den Franzosen freudig begrüßt nun gegen seine deutschen Vettern in den Krieg geschickt wurde, sich verletzte, um Versetzung in die Kolonien bat, um nicht auf die Vettern schießen zu müssen, der stattgegeben wurde und so den ersten Krieg überlebte. Beim nächsten Krieg geriet er schnell nun wieder in deutsche Gefangenschaft und wurde, da er darum bat, nicht auf die eigenen Vettern schießen zu müssen, oder auch nur weil Kriegsgefangene als Kanonenfutter auch mißbraucht wurden, an die Ostfront geschickt, dort wiederum gelang ihm zu Fuß aus der südlichen Ukraine an der Grenze zu Georgien, die Flucht gen Persien, von wo aus er sich zu den Truppen Frankreichs in Afrika durchschlug und dort gegen den bis heute berühmten Rommel kämpfte, leider wieder in Gefangenschaft geriet, vielleicht auch zum Glück, denn er überlebte ja, jenen Rommel wohl sogar persönlich sprach, sich scheinbar als Doppelagent bewarb und dazu, einige Zeit später, wieder gen Frankreich geschickt werden sollte, wo inzwischen nach der Landung Alliierten ein intensiver Kampf auch der Résistance tobte, der er sich sofort anschloss, um sein Land von der Herrschaft der Nazis zu befreien. Er war sich immer sicher gewesen, dass die deutschen Offiziere in Afrika aus dem Kreis um Rommel, die ihn vorgeblich als Spion gegen Frankreich auf die Reise schickten, genau wussten, was sie taten, als sie ihn in die Heimat schickten, es ihr Beitrag war, den sie als treue Offiziere leisten konnten. Er war überzeugter Europäer, lebte in seiner Heimat Straßburg noch lang, wurde über hundert Jahre und seine große Liebe zum pfälzischen Saumagen, die er mit dem ehemaligen Kanzler Kohl teilte, führte ihn noch oft in die Pfalz, von der er sagte, sie sei, wie das Elsaß eine europäisch geprügelte Landschaft, immer wieder den Besitzer in Erbfolgekriegen gewechselt, zerstört und verwüstet und sich doch hüben wie drüben beim guten Schoppen so nah.
Über Deutschland und Frankreich schreiben, heißt über die Liebe schreiben. Es ist eine gewachsene Liebe und sie hat viele kleine, wunderbare Liebesgeschichten inzwischen. Reden wir über die Liebe und leben wir sie - die Geschichte meiner französichen Geliebten würde den Rahmen sprengen, hat vor allem nichts mit dem Krieg mehr zu tun, zum Glück und ist darum hier völlig entbehrlich, auch nicht ohne Dramen, kann sie vielleicht erzählt werden, wenn der andere Krieg vor hundert Jahren endete, die Beteiligten über alles lächeln können, dann schon über siebzig. Wie immer es nun in und mit Europa weiter geht, vergessen wir nicht die Geschichten der Liebe zu erzählen, um uns zu merken, wie schön wir es miteinander haben, lieber zu vergessen, was uns schon immer am anderen störte, denn eine Geschichte der Liebe erzählen, ist schon für sich ein Glück, sie weiter leben zu dürfen, unsere Chance und diese ist es, die Europa so schön macht, nicht der Euro und nicht Brüssel - reden wir über die Liebe, es könnte Europa attraktiver machen, auch hundert Jahre nach Ausbruch des 1. Weltkrieges, in dem der Urgroßvater fiel und aus dem sein Sohn lernte, wir müssen uns lieben, in jeder Hinsicht.
jt 3.8.14
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