Ist die Liebe etwas vernünftiges oder ihrem Wesen nach notwendig unvernünftig und wo vernünftig keine Liebe mehr sondern eben ihr Gegenteil, etwas Vernünftiges, fragt sich beim Umgang mit der Liebe und der Betrachtung ihrer immer wieder schmerzvollen Folgen für alle Teilnehmer.
Führten wir eine Statistik unseres Liebeslebens und würden die glücklichen Momente mit den unglücklichen vergleichen, würden wir vielleicht eine schockierende Statistik offenbaren - nur ob diese irgendwas je ändern würde, ist unklar, lebt doch die Liebe immer von der nicht endenden Hoffnung alles würde irgendwann besser und uns das große Glück in dieser, vielleicht einer anderen oder überhaupt offenbar.
Scheinbar ist das Gefühl stärker als alle Vernunft und lässt uns auch gerne immer wieder nur aus dem Bauch und völlig unvernünftig in eine Affäre stürzen, um den Augenblick, den wir gern verweilen ließen, völlig zu genießen. Ein aus epikuräischer Sicht insofern sinnvolles Verhalten, als es ja im Leben nur darum geht, es so sehr wie möglich zu genießen und wo wir diesem Antrieb im Vertrauen auf die Liebe folgen, scheinen wir auf einem guten Weg, zum Glück zu sein.
Betrachten wir aber auch nicht nur statistisch die gelungenen, glücklichen Beziehungen und die Umstände ihres Scheiterns, spricht immer mehr dagegen, dass uns dies tatsächlich gelingt. Seit wir unsere Partner nur noch nach dem Gefühl wählen und die Vernunft dabei eine immer kleinere Rolle spielt, nimmt die Zahl der Scheidungen in einem exorbitanten Maß zu, scheint das dauerhafte Zusammenleben in der Familie in der Gesellschaft immer mehr zu einem Auslaufmodell zu werden. Dabei war es eine sichere soziale Konstruktion, die Sicherheit bot, wo der Staat dies noch nicht tat, es gäbe also in Zeiten drohender Kriege und sozialer Unsicherheit immer mehr Gründe, dieses bewährte soziale Modell als vernünftig zu prüfen, aber als gut und edel gilt nicht erst seit Shakespeares Romeo und Julia wer seine Liebe auch gegen die Familie durchsetzt und dafür zur Not aus dem nur begrenzten Leben scheidet.
Die noch verbliebenen wenigen Fälle in denen Vernunft und Liebe sich zusammenfinden und zu einer im Alltag dauerhaft glücklichen Beziehung führen, betrachten wir zwar voller Bewunderung, aber letztlich nur des großen Gefühles wegen, dass beide vebindet und alle Krisen überstand. Selten oder nie wird zu den Jubiläen einer Ehe, sei es nun in Silber oder Gold die Vernunft gefeiert, die eigentlich den entscheidenden Ausschlag für ein Gelingen gibt, in ihrer Fähigkeit Kompromisse zu schließen. Es ist der romantische Kult des Gefühls, der alles überlagert, ohne das angeblich nichts ginge, was uns unser Wesen teilweise verleugnen lässt und so gilt uns die vernünftige Ehe oder die Vernunft als Faktor zur Führung einer solchen noch heute als eher verpönt, wo uns doch die Tatsachen immer mehr darauf hinweisen, dass die Konzentration auf das Gefühl zu einem Ungleichgewicht führt, das viele Beziehungen schnell scheitern lässt, weil sie auch natürliche, emotionale Schwankungen für ein Problem der Liebe als Ganzes halten.
Dabei gibt es keine gelungene Beziehung, die nicht auch von Kompromissen getragen wird, ist die Wahl rein nach dem Gefühl auch in der Liebe eine, die den halben Menschen so sehr verleugnet, wie die Leugnung einer emotionalen Bindung und Anziehung. Wenn wir beim Kochen eines guten Gerichtes nur den einen Teil betonen, weil er uns aus dem Gefühl heraus näher liegt und den anderen vernachlässigen, den es für ein gelungenes Mahl zu gleichen Teilen braucht, können wir mit soviel Liebe kochen, wie wir nur wollen, es wird nicht schmecken und erstaunlich scheint mir immer noch, warum wir meinen, in der Ehe oder bei der Liebe käme es nicht darauf an, dass im Verhältnis unserer natürlichen Eigenschaften Ausgewogenheit besteht.
Sich verlieben ist wunderschön und wird meist dennoch nur dem halben Menschen, also nur seinem Gefühl zugute gehalten, dabei gibt es viele vernünftige Gründe, dies zu tun und die Folgen möglichst zu genießen oder wo dies eben nicht möglich ist, gerade mit Hilfe der Vernunft einen anderen Weg einzuschlagen. Natürlich habe ich mich schon unglücklich verliebt oder die scheinbar glückliche Liebe verwandelte sich unerwartet in eine unglückliche und in meiner romantischen Hilflosigkeit gab ich der wohl auch natürlichen Neigung nach, dass Leben fliehen zu wollen, mich dem Schmerz ganz hinzugeben, den Liebeskummer voller Inbrunst zu zellebrieren, was nun wirklich völlig unvernünftig und gänzlich ungeeignet ist, mein Glück zu mehren. Dennoch und auch wenn ich versuchte mir dies bewusst zu machen, folgte das Gefühl hier einem scheinbar natürllichen dunklen Drang, der sich eher damit beschäftigt unser Glück zu zerstören.
Nachdem die dunklen Kräfte des Gefühls beinahe die Oberhand behalten hätten, der Suizid als einzig noch vernünftiger Weg schien, auch wenn es nur um ein Gefühl ging und nichts mit Vernunft zu tun hatte, da die Situation in keinster Weise geeignet war, mein Glück zu mehren, schien es mir in dem Moment völlig logisch, ohne xy nicht weiter leben zu können oder zu wollen und aus dem Werther ist bekannt, wohin uns dieser einseitige Kult des Gefühls führt, wie wenig er auf lange Sicht betrachtet geeignet ist, unser Glück zu mehren.
Schon höre ich den Einwand, aber wenn es um Liebe, also ein Gefühl geht, dann kann es doch nur richtig sein, dem Gefühl zu folgen, da der Verstand nie versteht, um was es dabei eigentlich geht, als sei ich verliebt oder unglücklich liebend nur noch ein halber Mensch und müsste alle Vernunft von mir abspalten, ihr verbieten, sich zu meinem Glück oder eben Unglück zu äußern, weil ein nicht einseitig erlebtes Gefühl schon ein Unglück an sich wäre. Seit ich also dem Dunkel des emotionalen Absolutismus gerade noch entstieg, der die Neigung hat, uns völlig gefangen zu nehmen und der keine Nebenbuhler duldet, am wenigsten die Vernunft, genieße ich die Harmonie der beiden Teile so ausgewogen wie möglich, um die Dinge so zu genießen, wie es kommt. Dies scheint mir sehr vernünftig und löst ein harmonisches Wohlgefühl aus.
Was ich mich nur frage, warum wir in Dingen der Liebe, gerade wenn wir nach unserem Glück dabei streben, ein so großes Mißtrauen gegenüber der Vernunft hegen. Warum bechneiden wir gern einen wichtigen Teil unseres Lebens, der unser tägliches Überleben sichert, um uns einem nur halbem Gefühl hinzugeben, denn wie sollte ein Gefühl als nur unvernünftiges Wabern in uns existieren, wenn es keine logischen und vernünftigen Wurzeln in unserer Natur hat, in unserem eben Streben nach Glück.
Seltsamerweise haben viele Menschen die Neigung, ihr Leben noch mit einer erdachten Existenz außer sich bereichern zu wollen, die im hiesigen Kulturkreis besonders eng mit dem Gefühl der Liebe verbunden ist, die dann nicht mehr als eine Eigenschaft des Einzelnen und eine Äußerung seines autonomen Geistes verstanden wird, sondern als eine Gabe von außen, auf deren Existenz der so Gläubige keinen Einfluss hat. Logisch hat diese Liebe nichts mehr mit der Vernunft zu tun, auch wenn es immer wieder Versuche gab jene erdachte Existenz durch vermeintlich reale Wunder zu beweisen oder die vermeintliche Wahrheit zu begründen.
Historisch betrachtet folgte auf die Aufklärung, eine Zeit in der die Vernunft und der freie Geist der Renaissance wieder hochgehalten wurden, die Menschen sich auch dank Kants strenger Logik geistig von der Herrschaft der Götter, die vielen noch absolut schien aus der dunklen Zeit der Glaubenskriege, befreien konnten. Wenn auch nicht in Zahlen wohl viele, sondern in Zahlen vermutlich nur eine kleine Gruppe, eine geistige Elite wohl, aber es war ein erster Schritt, der Verbreitung fand und sich in Lexika audrückte, in der französischen Revolution kulminierte, was im aufgeklärten Absolutismus noch seinen Weg suchte und bis heute um den richtigen Weg ringt, wie wir an der Beteiligung des Gefühls. also des Glaubens an aktuellen Kriegen nur zu gut sehen.
Den ersten Schritt zur Befreiung der Menschen aus dem Gefängnis der externen emotionalen Macht, die alles beherrschte und kontrollierte, tat Europa, nach einem aus Sicht der Vernunft sehr dunklen Mittelalter, die Renaissance und sie geistig führend ein Text, der wohl Ende des 14. Jahrhunderts wiederentdeckt wurde und aus römisch republikanischer Zeit stammend, es wagte, die Existenz höhrerer Wesen völlig in Frage zu stellen, eine Seele aus der Natur heraus leugnete und den Lesern logisch natürlich herleitete, warum es keinen Grund gibt, den Tod nicht zu fürchte, nicht auch wenn er alles beendet, sondern gerade deshalb. Die Rede ist hier von, die geneigten Leser werden es ahnen, von Lukrez de rerum natura - von den Dingen der Natur.
Es mag damit jeder halten, wie es ihm gerade gefällt und ihn glücklich macht. Niemand soll etwas aufgeben, was ihn erfüllt und zufrieden macht. Aber die Möglichkeit Leben auch anders zu denken, die Existenz als solche als Glück genug zu definieren, sich von allem außer uns zu lösen, um unser eben endliches Streben in engen Grenzen als Glück an und für sich zu verstehen, ist ein weiterer wunderbarer und ach so vernünftiger Schritt zur Befreiung aus der Sklaverei der Vorurteile und der Unterworfenheit unter etwas außer mir, gibt uns die Chance, befreit zu genießen, was ist und was wir uns schaffen und begreifen können. Wer sich im engen Rahmen der Vorurteile glücklicher findet, eine Macht über sich braucht, die alles lenkt, möge damit glücklich werden, nur weil mein Verstand zu beschränkt ist, zu verstehen, wie das glücklich machen kann und wozu diese Erfindung dient, heißt das nicht, es könnte anderen nicht ganz anders erscheinen, in ihrem Gefühl, das sich im Rahmen des Glaubens glücklicher oder sicherer fühlt, als so haltlos in nur beschränkt irdischer Existenz, die sich allein aus der Natur ableitet, die eben bloß logisch funktioniert, ganz natürlich eben.
Vielleicht aber kann diese Option zur Befreiung des Gefühls von allen Mächten außer mir, wie sie Lukrez im Geiste des Epikur so treffend beschrieb, helfen unser Gefühl im Einklang mit unserer vernünftigen Natur zu erleben, so dazu führen, die Liebe zu genießen und dennoch in ihr wie sie betreffend, vernüntige Entscheidungen zu fällen. Viel spricht dafür diese Betrachtung der Liebe als eine aus Gefühl und Vernunft zusammengesetzte Eigenschaft, die logisch ist wie alle Natur, auch wenn wir ihre Logik nicht immer begreifen müssen oder ich zumindest dies in der Enge meines Horizontes kann, zu begreifen und alle geringe Erfahrung bisher spricht dafür, dass diese Betrachtung uns leichter glücklich macht und mehr Dauer im Glück sichert als die immer nur einseitige Betrachtung des reinen Gefühls, wie uns die seit der Romantik oder exakter wieder mit dem Sturm und Drang dominierte und in ihrem Absolutismus zur Verzweiflung führte. Warum also nicht sagen, die Liebe sei als etwas natürlich Vernünftiges zu betrachten. Vielleicht könnte es viele Beziehungen retten, uns vor manchen Irrtümern logisch bewahren, uns im ganzen mit dem was wir lieben glücklicher machen, weil wir merken wie sehr sich Vernunft und Gefühl im Einklang befinden, statt uns einer unsinnigen einseitigen Dominanz zu unterwerfen und was mehr als glücklich zu sein, können wir je erreichen wollen?
jt 11.8.14
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