Freitag, 15. August 2014

Containervolk

Nun werden wieder unter großem Gemurmel die Container der unsäglichens Big Brother Sendung möglichst prominent besetzt und das dumme Fernsehvolk freut sich auf die massenkompatible Beobachtung der Normalität wie dem Kult der Belanglosigkeit, auch wenn es eigentlich immer nur um Sex geht. Was nicht schlimm wäre, würde dieser Wunsch zumindest gehörig befriedigt und nicht nur angereizt, was jeder kundige heute im Internet mit drei Griffen findet, bleibt im öffentlichen Privatfernsehen unsichtbar, es wird nur durch ehemalige Pornosternchen als Teilnehmer ein wenig mehr getriggert, die Vati dann goggeln darf, um Mutti heimlich die scharfen Bilder zu zeigen - oder so ähnlich.

Es wird ein Familienerlebnis und ganze Siedlungen sprechen über die Ereignisse ausgiebig, vom Supermarkt bis zur Arztpraxis, wo entsprechende bunte Zeitschriften genau dies näher beleuchten und mit unwichtigen Mutmaßungen unterlegen. Diese seltsame Brüdersendung, die an ein Buch erinnert, das diese Horrorvision der totalen Überwachung noch als Vision der Ferne Zukunft schildert, Orwells 1984, das uns als Alptraum galt, bis es zur Unterhaltung wurde, die alle amüsiert, zumindest die Masse wohl, glauben wir den Quoten dieses Irrsinns, der offenbart, warum die NSA und der britische Geheimdienst mit ihrer totalen Überwachung, die über Google auch in unseren Feuermeldern sitzt, unter anderem, uns über unsere Telefone und Rechner anschaut, niemanden mehr stören.

Es wird sich amüsiert an der geistlosen Beobachtung anderer bei ebenso höchst geistloser Tätigkeit und dabei macht es nichts, wenn du selbst so beobachtet wirst, du schaust ja auch zu und also was soll es, ist doch lustig und im übrigen real. Wer Big Brother schaut und sich darüber amüsiert, macht sich damit zum Befürworter der totalen Überwachung, verharmlost eine dramatische Situation und wer dem in den Medien Raum gibt, handelt als Mittäter der Überwacher - bei BILD wundert das nun niemand und beim Spiegel, der sich in Stürmer auch umbenennen könnte, nach der einseitigen Berichterstattung zu MH17 und der Krise um die Ukraine, auch nicht mehr.

Das Containervolk ist ein Haufen von Idioten, der sich unterhaltsam weichspülen lässt mit dem Skandal, der ihnen keiner mehr ist, sondern eben ganz normal. Angesprochen auf das unglaubliche sind sich die Zuschauer sicher, es ginge ja nur um Unterhaltung, die seien ja freiwillig da, bekämen viel Geld dafür und so wäre doch alles nur lustig.

Wundert sich wer, wie schnell die Welle der Empörung im Nichts verebbte, als klar wurde, die NSA und künfitg auch der BND schneiden möglichst das gesamte Internet mit, die totale Beobachtung ist keine ferne Horrorvision sondern längst Realität und NSA Mitarbeiter schauen sich zum Spaß, als quasi Porno den Sex anderer an, die nichts davon ahnen.

Gut, nun kann keiner mehr sagen, er ahnte nichts davon, beobachtet zu werden, wir wissen es alle, Snowden sei Dank und Putin, der ihm Asyl gewährt ein Lob -  aber ändert sich etwas?

Nein, diese idiotischen Sendungen haben die letzten Reste von Widerstand aus dem Hirn ihres Publikums gespült, das gerne im Freizeitpark lebte und sich bestens unterhalten fühlt, selbst mal Beobachter zu sein, da macht es auch nichts, eigentlich selbst ein Leben im Container zu verbringen. Außerdem ist das ja Spaß und was die Geheimdienste tun, soll der Sicherheit dienen - unklar ist nur welcher Sicherheit.

Beobachtung hat nachweislich nie die Sicherheit erhöht, kein Attentat verhindert, nur die Menschen durchsichtiger und damit kontrollierbar gemacht. Es ist ein schmaler Grat zwischen Erleichterung des Alltags durch Computer, Unterhaltung und der Aufgabe wichtiger Grundrechte. Big Brother, diese hirnlose Sendung für geistig offenbar Unterprivilegierte hat die Massen erreicht. Es ist normal geworden, was hier geschieht, keinen kümmert es, wer Zeit und Lust hat schaut zu, ist ja nur Spaß und das andere dient nur der Sicherheit und was es bedeutet vollständig beobachtet und kontrolliert zu sein, wird den Menschen erst klar, wenn die Unbequemlichkeit im Alltag spürbar wird.

Das Volk fühlt sich denen in den Containern verwandt, kein Grund zur Aufregung also, Ball flach halten und nicht alle, die es schauen, können so blöd sein, wie es scheint, aber es gibt auch keinen Beweis für das Gegenteil, leider. Wie lebte sich, wenn tatsächlich eine Mehrheit so blöd wäre, dies gut zu finden und normal, nicht bemerkte, wozu sie damit benutzt werden, frage ich mich, der ich ohne Fernseher lebe. Aber will ich das wirklich wissen oder lebe ich lieber weiter mit der Illusion, es wäre alles nicht so schlimm, jeder Mensch hätte die Chance, sich zu bilden, kritisch zu denken - auch wenn langsam offensichtlich wird, der größte Teil hat daran weder Interesse noch wird er sich je darum bemühen.

Wenn ich also annehme, die Leute, die das schauen, wären zu kritischem Denken fähig, frage ich mich, warum und wie sie so etwas schauen können, ohne dass ihnen die Parallele zur NSA und anderen Diensten auffällt. Studien zum Thema haben leider immer wieder bewiesen, von denen, die öffentlich zugeben, dies zu sehen, hat nahezu keiner ein kritisches Bewusstsein der Situation. Die Antworten gleichen sich immer - wieso, ist doch nur Spaß, soll doch unterhalten, ist doch voll witzig, die bekommen doch Geld dafür. Die Gegenfrage, ob es ihnen nicht komisch vorkommt, dass die NSA und andere Dienste, es bei ihnen Zuhause genauso machten oder zumindest jederzeit könnten, so sie auffielen, wird, wo sie noch verstanden wird, was weniger mit der Haarfarbe zu tun hat als scheinbar mit der Zahl der Farben im Haar, meist irritiert mit, ach bei mir gibt es doch nichts zu schauen, beantwortet. Gelegentlich auch mit einem, na dann leben wir halt alle im Container, gefolgt von so etwas wie Lachen, sollte wohl komisch sein. Kaum einer der Befragten, die selber diese Sendung sahen oder es zugaben, hatte ein kritisches Bewusstsein zum Zusammenhang mit der Tätigkeit der NSA und der Verharmlosung infolge - wo es ihnen zu erklären versucht wurde, reagierte der größte Teil genervt, hörte nicht mehr zu oder wandte sich ab.

Es ist kein kritisches Bewusstsein bei der Mehrheit erkennbar. Anders verhält es sich bei einer kleinen Gruppe, die schon vorher kritisch dachten, aber auch unter diesen ist der Anteil derer, die einen Zusammenhang sehen, verschwindend gering.

Studien sind die Huren, derer die ihre Fragen stellen, sie sind das Gegenteil von kritischem Bewusstsein sondern wollen durch große Zahlen verbindliche Aussagen herstellen. Nuancen der Veränderung in der Bewertung oder Fragestellung können ein Ergebnis umkehren. Die Meinung, die sich jemand bildet, hängt zusätzlich vom Grad der Vorbildung und der zugänglichen Information ab. Nichts spricht dafür, dass es hier einen tauglichen Durchschnitt gibt, dennoch wird er gebildet, um ihn mehrheitsfähig zu machen. Die Statistik ist neben der berieselnden medialen Unterhaltung der zweite wichtige Baustein kollektiver Verblödung - wir passen uns der Masse mehr an, als sie sich uns und fügen uns so den Moden, dem Gesetz der großen Zahlen und wer es außergewöhnlich mutig in einem Bereich schafft, sich über die Mode hinwegzusetzen, eigenes trägt oder sich auffällig verhält, wird sich dafür in anderen um so angepasster verhalten, weil ja eine Auffälligkeit genügt im Leben, was alles besondere im breiten Durchschnitt je nach seiner Auswahl verschwinden lässt.

So verhält es sich beim Massenphänomen Big Brother, das ein Skandal ist, eine Entwürdigung und Verharmlosung, eine kollektive Verblödung und Ausdruck größter Stumpfsinnigkeit - aber was soll ich sagen, selbst wenn es ein Zuschauer liest, bis hierhin kommt, in der Masse verschwinden auch die kritischen Töne und die kritische Masse, die diese widerliche unmenschliche Containersendung im Interesse der Verharmlosung der normalen geheimdienstlichen Tätigkeit, bemerken ließe - es interessiert schlicht keine Sau, ist Unterhaltung, längst normal, wie eben überall abgehört zu werden, wenn nötig oder gefährlich und manchmal werden noch Witze darüber gemacht, dass ja immer wer mithört und die NSA oder der BND gegrüßt und es scheint als begriffe keiner, was es bedeutet in einer solchen Gesellschaft zu leben.

Warum ich soviel klüger sein sollte, als all die anderen, die sich nur unterhalten lassen und sich gut amüsieren dabei, weiß ich auch nicht. Wie es mein Glück mehren soll, ist noch unklarer, es auszublenden, fällt leider dennoch schwer und daher bleibt die Frage bestehen, wie soll sich ein Volk gegen die Überwachung wehren und für die Freiheit kämpfen, das kein Problem damit hat, sich an der unwürdigen eben Big Brother Beobachtung anderer zu ergötzen. Das ist die eigentlich schlimme Diagnose, die auf die Erkenntnis folgt, es bringt nichts, sich über die Dummheit der anderen aufzuregen, vor allem, ohne zu wissen, ob die eigene Fähigkeit zur Erkenntnis größer ist - es wird sich nichts ändern, weil die Leute ihren Spaß haben und nichts ändern wollen.

Big Brother ist ein Abbild des normierten Containervolkes, das sich auf einer Ebene unterhalten lässt, die gerade jetzt, jeden kritisch denkenden Menschen empören müsste, würde es etwas bringen, sich aufzuregen, wäre die Masse der Idioten nicht schon so groß, dass die kleinen Aufreger dahinter verschwinden. Im Ergebnis neige ich also, so sehr es mir missfällt, immer mehr dazu, zu sagen, lass sie doch und ziehe dich zurück, vielleicht finden sich ja noch Gleichgesinnte, die es ähnlich sehen und für die das alles nicht normal ist - momentan gehen sie in der schieren Masse der Idioten unter und dafür lohnt es sich nicht, viel Stimme oder Zeit zu opfern - eine also Kapitulation der Aufklärung vor der schieren Masse der Blödheit - welch Perspektive für unsere Zukunft, aber das ist eben im medialen Zeitalter das Gesetz der großen Zahlen.
jt 15.8.14

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