Montag, 3. August 2020

Liebessuche

Lässt sich Liebe suchen
Taugt das Netz je dazu
Einen Partner zu finden
Das Herz zu verlieren
Glücklich zu werden
Könnte ich mich fragen
Der beides dort fand
Große Liebe wie infolge
Schlimmsten Liebeskummer
Auch wenn auf realer Basis
Kann das Gefühl doch schon
Im virtuellen Raum seine ersten
Wurzeln schlagen aus denen
Liebe schönste Blüten treibt
Was mir de Frage stellte wie
Realistisch die Liebe noch ist
In Zeiten des Online-Dating
Ist sie eine virtuelle Illusion
Produkt unserer Phantasie
Oder ist sie unverändert stets
Weil der elektronische Brief
Nichts am emotionalen Inhalt
Verändert und sich in Worte
Wie zwischen Zeilen zu verlieben
Was könnte Dichtern näher liegen
So hardern zwar manche immer
Mit dem Online-Dating als einer
Völlig unrealistischen Begegnung
Doch denke ich sich in Worten
Die zuvor geschrieben wurden
Zu begegnen kommt sich näher
Als manch reale Begegnung je
Geht tiefer dabei weil es uns als
Schreibende mit Gefühl offenbart
Auch wenn manche wortlos dabei
In Zeichen als Ersatz flüchten die
Beliebig und schnell austauschbar
Während Verse und Worte genau
Zum Gegenüber gesucht werden
So denke ich es lässt sich manches
An Gefühl bereits virtuell entdecken
Füreinander auch physisch gefühlt
Feuer und Flamme werden sofern
Frau sich Mann ausgesucht hat
Er ihre Phantasien damit erfüllt
Was mehr als einmal gelang wo
Eine mich für interessant befand
Selten oder nie jedoch wenn ich
Meinte wählen zu wollen wer doch
Perfekt zu mir passen müsste was
Eher in Enttäuschung endete weil
Auch im Netz gilt Damenwahl hat
Stets Vorrang vor Männerträumen
Habe es aufgegeben zu kämpfen
Freue mich wo ich gewollt werde
Nehme es dankbar entgegen und
Tue das zum Schein der Eroberung
Nötige auch wenn jeder weiß es ist
Stets die Dame die wählt während
Der Gentleman sich dazu verbeugt
Um es zu genießen wie es sein soll
So sage ich heute die Suche nach
Liebe ist völlig unsinnig für Männer
Aber wird von Frauen erfolgreicher
Betrieben und als eben nur Mann
Erkenne ich die Natur als solche an
Suche nicht sondern lasse finden
Auch wenn Damen zu gerne das
Gegenteil dabei beteuern sogar
Den ersten Schritt in fast allem
Immer noch von uns erwarten
Weil wir in Liebesdingen doch so
Schrecklich konventionell bleiben
Es ist wie es ist mit der Liebe
Nahezu immer das gleiche nach
Einer gewissen kleinen Erfahrung
Frauen suchen sich Männer die dann
Ihre Rolle entsprechend spielen dürfen
Will mich nicht darüber beklagen nur
Sollte sich keiner für Don Giovanni
Halten sondern lieber wie Casanova
Alle verehren und diejenige die ihn will
Wird ihn schließlich doch wählen
Am Spiel der Liebe ändert sich nichts

jens tuengerthal 3.8.20

Büchersammler

Sammler sind eigentümliche Wesen
Freuen sich an vollständigen Reihen
Jagen dafür auch Einzelstücken nach
Zahlen Unsummen für eine Hoffnung
Lieben was sie ihre Sammlung nennen
Habe verschiedene Sachen gesammelt
Als Kind Briefmarken vom Großvater
Dazu angestiftet wie beschenkt doch
Seine Leidenschaft hielt nicht lange
So wenig wie die für Wiking-Autos
Frauen ersetzten beide sehr schnell
Was ich bis jetzt nie bereut habe auch
Wenn manche lebensgefährlich wurde
Oder größte Schmerzen verursachte
Doch ohne Risiko bleibt kein Reiz aber
Die Liebe ist keine wirkliche Sammlung
Vor allem hast du selten diese noch
Gemeinsam da es meistens viel eher
Um Ausschließlichkeit dabei geht was
Zwar bei Einzelstücken der große Kick
Des Sammelns ist aber zu den Lieben
Doch irgendwie nicht passt zumal jede
Zumindest doch einige als Unikate die
Natürlich jede für sich schon war auch
Für die Ewigkeit gedacht war die nur
Real bescheideneres Maß hatte als
Das Lebe im übrigen warum ich nie
Frauen sammelte im Gegenteil nur
Die eine wahre stets für immer wollte
So illusorisch es auch war gab es
Dem vielfältigen Lebensweg noch mehr
Hoffnung als Realismus gut täte aber
Bücher die ich schon sehr früh liebte
Sammel ich immer noch irgendwie
Fraglich nur ob ich ein Sammler bin
Kann selten genug davon bekommen
Wenn der arme Poet ausnahmsweise
Selten genug Geld hat gibt er es zu gern
Für Bücher wieder aus und könnte also
Ein Büchersammler sein fehlte mir nicht
Das Jagd-Gen dabei genauso wie der
Absolute Wunsch nach Vollständigkeit
Habe einige Bände der Anderen Bibliothek
Doch möchte ich weder alle unbedingt
Manche interessieren mich gar nicht
Noch strebe ich wieder ein Abo an was
Der Lustleser in mir eher stressig fand
Mag es gerne etwas unvollkommen nur
Schön gebunden natürlich am liebsten
Einige Reihen aber ohne jede Leidenschaft
Alle davon haben zu müssen sondern nur
Jene die mich gerade besonders reizen
Auch ein Jäger der auf Flohmärkten wie
Angestochen Exemplare entdecken muss
Bin ich nie gewesen würde vielleicht wenn
Einiges für Diderots Enzyklopädie zahlen
Aber tue nichts dafür und vermisse nichts
Ohne diesen großen Schatz der Aufklärung
So fehlt mir das fiebrige des Sammlers ganz
Den eine Entdeckung zur nächsten treibt
Bin lieber mit dem zufällig ergänzten Bestand
Als Spiegel des Geistes relativ zufrieden um
Glücklich mit dem was ist sein zu können
Was ich wichtiger finde als ein unbedingtes
Haben wollen was mir völlig abgeht mich
Als Konsumwahn eher anwidern würde
Wie mir der sportliche Ehrgeiz völlig fehlt
Mit anderen es um die Wette zu tun übt
Keinerlei Reiz mehr auf mich aus weil
Die Zufriedenheit mir viel wichtiger ist
Warum auch die ewigen Verrenkungen
Zum immer mehr mir fremd bleiben
Was in der Liebe genauso stets war
Fände sich eine die es auch aushält
Mit dem ehrgeizlosen Genießer dem
Große Gefühle wie geistige Bewegung
Vollkommen zum Glück genügen ganz
Abgesehen von der gelegentlichen
Gemeinsamen Bewegung als Paar
Aber auch da inzwischen ohne jeden
Ehrgeiz die Sammlung zu vergrößern
Eher mit dem Wunsch nach Bestand
Der manchen vermutlich fremd bleibt
So bin ich wohl kein Büchersammler
Bloß ein Liebhaber schöner Exemplare
Als hoffentlich immer Genießer denn
Auf was sonst käme es schon an

jens tuengerthal 3.8.20

Bücherleben

Lebe mit Büchern zusammen
Sie sind die zuverlässigsten Freunde
Treffe sie nach jeweiliger Stimmung
Wir unterhalten uns immer angeregt
Wird mir eines langweilig lasse ich es
Solange liegen bis die Lust kommt
Darin weiter zu lesen weil es nun
Gerade zu meinen Gedanken passt
Früher las ich Bücher nacheinander
Kam ich in einem nicht mehr weiter
Las ich so lange eben nicht mehr
Infolge natürlich viel weniger auch
Heute nehm ich einfach ein anderes
Aus den mich umgebenden Stapeln
In denen sich immer etwas findet
Falls ausnahmsweise doch nicht
Gehe ich an die Regale um dann
Nach Laune eines zu nehmen
Was gerade gut zu mir passt
Lektüre muss nicht erledigt werden
Sie ist eine mich bereichernde Lust
Die früher Scheu bloß nicht zu viele
Bücher auf einmal zu lesen habe ich
Durch die Lektüre von Montaigne
Verloren der ebenso eklektisch 
Nach Laune auswählt was gefällt
Seinen Gedanken nützlich ist
Weil Bücher für mich Reisen sind
In die dort beschriebenen Welten
Wechsel ich Ort Stimmung und Geist
Nach dem was mir gerade entspricht
Schlage ich dann ein Buch wieder auf
Beginnen wir die Unterhaltung dort
Wo wir beim letzten mal unterbrachen
So lebe ich mit den Büchern und sie
Zugleich nach meinen Launen mit mir
Nichts muss erledigt werden mehr
Dafür werden Gespräche fortgesetzt
Ohne dabei den Faden zu verlieren
Oder Nichtigkeiten auszutauschen
Wie es beim Wiedersehen üblich
Wenn wir uns formelhaft unterhalten
Reisen ist darum für mich nervig
Müsste entscheiden welche Bücher
Mitzunehmen sind und zu meiner
Dann Stimmung gerade passen
Was meistens dann nicht da ist
Oder ich nehme viel zu viel mit
Verstehe heute weshalb Montaigne
Sich in seinen Turm völlig zurückzog
So lasse ich mich von dem anregen
Was gerade am besten zu mir passt
Die Gedanken lesend weiter trägt
Warum Lesen und Schreiben für mich
In einem engen Zusammenhang steht
Gerne lese ich kleine Abschnitte nur
Um dann im nächsten Buch wieder
Einige Seiten zu verschlingen die
Den Gedanken Flügel zum nächsten
Verleihen was weitere Welten öffnet
Flaniere dabei lesend durch Zeiten
Wie Räume zugleich die beflügeln
Zusammenhänge mir offenbaren
Die Welt immer neu eröffnen
Manchmal fragen mich Besucher
Ob ich all die Bücher gelesen hätte
Lache dann nur und sage fast nichts
Was nahezu der Wirklichkeit entspricht
Tatsächlich lese ich wenige zu Ende
Auch um kein Ende lesend zu finden
Aber in vielen immer wieder gerne
Manche auch zum wiederholten male
So sie mir auf die eine oder andere Art
Neu oder anders interessant erscheinen
Lese etwa den Montaigne heute
Ganz anders als in den neunzigern
In denen meine Ausgabe erschien
Entdecke im Zauberberg immer neue
Bisher übersehene Details was auch
Für die Dinge der Natur von Lukrez gilt
Es ist ein Wiedersehen alter Freunde
Doch fragte mich jemand ob ich den
Lukrez oder den Montaigne kenne
Bis zum Ende verschlungen hätte
Würde ich nach dem Gefühl sagen
Nie nur ein wenig darin gelesen
Eben hier und da wie es passte
So ändert sich vermutlich nichts
Von dem was Montaigne schrieb
Aber für mich scheint es immer so
Weil ich ihn meiner Entwicklung nach
Unterschiedlich lese und dank meiner
Manchmal gnädigen Vergesslichkeit
Wie neu wieder wahrnehmen kann
Auch wenn ich ihn wie Lukrez häufig
Ohne es zu beabsichtigen zitiere wie
Durch seine Gedanken angeregt
Texte schreibe aus denen ich ihn höre
Weit unter seinem Niveau natürlich
Dazu fehlt mir die klassische Bildung
Ähnlich geht es mir auch bei Diderot
Der vielbändig hier herumsteht aber
Immer nur ausschnittsweise gelesen
So kann ich über manches reden
Was meine Gedanken gut ergänzt
Aber habe doch wenig ganz gelesen
Sondern werde im Leben mit Büchern
Mit zunehmenden Alter immer unsteter
Wollte ich früher alle Klassiker mal lesen
Habe ich solche Ziele längst aufgegeben
Bin froh wenn ich weiß wo ungefähr was
Die Gedanken ergänzendes steht
Lebe mit den Büchern und gestehe
Die wenigsten ganz gelesen zu haben
Dafür in immer mehr eingetaucht zu sein
Als beschränkter Abschnittsleser der
Nichts lesend zu erledigen hat sondern
Sich mit Büchern nur launig unterhält
Wie andere im Café plaudernd sitzen
Wo ein Gedanke zum nächsten führt
Neue Wege miteinander beschreiten
Die uns unklar wohin führen werden
So habe ich das Leben im Café nun
Gegen das im Bücherturm getauscht
Frage mich was sonst reizen sollte
Habe alles da und bin zufrieden im
Leben mit den Büchern um mich
Frage nicht mehr was mir fehlt
Habe ein Leben mit Büchern
Mehr findet sich nirgendwo

jens tuengerthal 2.8.20

Sonntag, 2. August 2020

Sexliebe

Sex und Liebe schienen mir die schönste Kombination, die denkbar und erlebbar ist und ich vertrat dies theoretisch voller Überzeugung so sehr, wie ich es praktisch lebte. Alles andere schien mir müßig und so fand ich den Sex mit Prostituierten, die wenigen male, die ich von Freunden ins Bordell eingeladen wurde, langweilig und uninteressant, weil das entscheidende Element des großen Gefühls fehlte. Unerfüllter Sex wies für mich darauf hin, dass emotional etwas nicht stimmen konnte. Manches ließ ich darum scheitern, dahingestellt, ob das vielleicht gut so war und zugleich schien mir eine sexuell erfüllte Beziehung als der Himmel auf Erden, auch wenn es natürlich nur eine, wenn auch wichtige, Nebensache in der Beziehung ist, war sie doch für mich der wichtigste Schlüssel zum Glück.

Als ich auf die Forschung zum nervus pudendus aufmerksam wurde und zu verstehen begann, dass große Teile des weiblichen Sexualorgans innerlich liegen, konzentrierte ich mich auf dieses Thema und das Wunderwerk der Natur, das sie sich mit der Klitoris und dem langen Nerv und Schwellkörper hinter ihr geschaffen hatte. Das war faszinierend, schützte aber dennoch nicht vor langer Täuschung und falschen Illusionen, denen ich mich voller Gefühl zu gerne hingab, in der Überzeugung, wo ich mit ganzem Herzen liebte, würde ich auch den großartigsten Sex erleben, was zwar emotional so schien aber körperlich schlichter Unsinn war, weil Sex und Liebe eigentlich nichts miteinander zu tun haben, es keine sexuelle Beziehung gibt.

Natürlich haben wir meistens mit jemandem Sex, mit dem wir in irgendeiner Beziehung stehen, wie immer wir diese heute auch nennen, aber über die Qualität des Sex und die Befriedigung, die dieser seiner Natur nach erstrebt, sagt dies nichts aus und damit hat es nichts zu tun. Sex kann partnerschaftlich und voller Bemühen um den anderen ablaufen, von Gefühl getragen sein und einem die Illusion geben, all dies geschähe nun aus Liebe. Tatsächlich hat das eine mit dem anderen aber nichts zu tun.

Das Streben nach Befriedigung ist ein rein egoistischer Vorgang. So es in seltenen Fällen gleichzeitig gelingt, war dies gutes timing und fühlt sich hinterher noch schöner an, hat aber mit der Nervenkontraktion, die als Gipfel des sexuellen Reizes ausgelöst wird, nichts zu tun. In diesem Moment sind wir ganz bei uns und müssen das auch sein, um Befriedigung zu finden, alles andere ist die postkoitale Illusion, die uns unsere soziale Erziehung und der Traum von Liebe eingibt. Lange gab ich mich der Illusion hin und lebte sie auch, erst durch die orgiastische Kontraktion der Frau zum Höhepunkt geführt zu werden, was nett und gemeinsam klingt aber eher ein dennoch als ein deshalb war. Beim Höhepunkt sind wir mit uns allein, kommen als kleine geile Egoisten und wenn nicht, haben wir keinen.

Darum gibt es keine sexuelle Beziehung zwischen Menschen sondern nur Menschen, die in einer sonstigen Beziehung stehen und sich zum Sex als egoistischen Vorgang, wenn er echt sein soll, zusammenfinden. Dieser ist gut, wenn er für beide befriedigend ist. Die Illusion, es wäre noch schöner, dem Partner Befriedigung zu schenken, ist eine emotionale Krücke, die nichts mit dem Sex an sich zu tun hat. Tue das aus emotionalen Gründen gerne, es ist mir eine Ehre und Freude gewesen, Frauen möglichst nachhaltig und häufig zu befriedigen, bis das Beben begann. Doch lebe ich dabei ein Gefühl aus, oder klammere mich an ein verloren geglaubtes Gefühl und habe keinen Sex, finde logisch selten oder nie Befriedigung dabei, um die es beim Sex als physischen Vorgang geht. Habe also keinen Sex per definitionem, liebe nur.

Somit habe ich von Liebe geblendet den Sex als natürlichen Vorgang emotional überlagert, meine natürlichen Bedürfnisse für die der jeweiligen sexuellen Partnerin zurückgestellt, weil ich ein guter Liebhaber sein wollte und vergaß darüber, was Sex der Natur nach ist, ließ ein Gefühl den physischen Vorgang mit erwartbaren Folgen ersetzen. Es ging mir nicht mehr darum, mich zu befriedigen, sondern Glück zu schenken. Dies bestätigt mir zumindest, das ich ein großer Liebender bin, ein guter Liebhaber wurde ich damit noch nicht, auch wenn sich selten eine beschwerte, fehlte mir der nötige Egoismus, der den Sex erst gut macht, weil er nach eigener Befriedigung sucht, die sich nur nebenbei aus nicht sexuellen Gründen noch um den Partner sorgt und wenn es zufällig passt.

Die Erkenntnis, dass Sex immer egoistisch bleibt und sein muss, wenn er funktionieren soll, hat etwas sehr befreiendes. Natürlich ist es emotional und sozial schön als emanzipierter Mann Frauen beglücken zu wollen und deren Befriedigung über die eigene zu stellen und ich fühlte mich dabei gut. So manche wusste, diese andere Art zu schätzen aber für mich wurde Sex zu einer sozialen Handlung, bei der meine Befriedigung immer uninteressanter war und deutlich gesagt, hatte ich damit eigentlich jahrelang keinen wirklichen Sex mehr, weil mich auch das wissenschaftliche Interesse am weiblichen Orgasmus, die unendliche Potenz der Frauen und anderes so sehr faszinierte, dass ich meine Befriedigung völlig zurückstellte und uninteressant fand.

Diese der Natur ferne Reaktion war praktisch natürlich kontraproduktiv und ich erinnere mich gut, wie abstrus ich es früher fand, wenn Frauen, die nicht dabei kamen, mir erzählten, es wäre ihnen nicht so wichtig, es ginge mehr um Zärtlichkeit und Nähe, wie ich daraufhin alles versuchte, dies zu ändern und ihnen zumindest auf verschiedenste Art manuell Befriedigung zu schenken, auch wenn ich frustriert war, dass dies nie zusammen gelang. Dennoch habe ich aus der idiotischen Überzeugung Sex verbunden mit Liebe sei das größte, eigentlich das gleiche gemacht, den triebhaften sexuellen Egoismus unterdrückt, um Frau Befriedigung zu schenken, was technisch relativ erfolgreich war, aber dennoch unbefriedigt ließ, impotent immer häufiger machte.

Die Betonung des Gefühls als Wertfaktor beim Sex machte es leichter, sich der Illusion hinzugeben, es sei alles gut und richtig so, dankbar zuckende Liebste im Arm, schienen den Weg zu bestätigen, der eine bloße Verkennung von Tatsachen war, in die Irre führte und mich vermutlich endgültig impotent gemacht hätte, wie Casanova im Alter klagte, würde nicht irgendwann das kritische Denken wieder einsetzen und die philosophische Lektüre half dabei.

Sex und Liebe sind zwei Dinge, die nicht vereinbar sind. Sie können gemeinsam auftreten und geben ein unvergleichlich schönes Gefühl, doch funktionieren sie nur unabhängig voneinander, wenn wir uns egoistisch um unsere Befriedigung bemühen, finden wir sie und wenn wir dabei noch aus Liebe oder auch mit schlechtem Gewissen noch an unseren Partner denken, kann es gegenseitig schön werden, was dann den Namen guter Sex erst verdient.

Die Vermischung von Liebe und Sex führt dagegen zu einer beidem abträglichen Reaktion, die nur Unzufriedenheit hinterlässt. Es ist nicht moralisch schlecht, die Dinge so zu genießen, wie sie sind. Sex als egoistischen Vorgang der nach Befriedigung strebt und Liebe als ein altruistisches Gefühl, was dem anderen gut will. Beides ist menschlich und gehört zu uns, es kommt nur auf das richtige Gleichgewicht an und alles zu seiner Zeit zuzulassen.

Spannend wäre noch, zu fragen, woher die ungesunde Vermischung kam, ob meine übertriebene Reaktion auch ein Produkt der me too Debatte ist, in der ich als Mann, der Frauen liebt und ihnen immer gut will, nicht als Egoist dastehen wollte, der sich in Frauen nur befriedigt, wie so viele meiner Geschlechtsgenossen es nach Aussage von zahlreicher meiner Liebhaberinnen bloß tun. Genau das Gegenteil war mein Ziel. Wollte Befriedigung und Glück schenken, meinen Egoismus zurückstellen, um zu zeigen, es geht auch ganz anders und ist viel schöner, was zwar eine sozial vielleicht noch anerkennenswerte Reaktion war, die von viel Gefühl getragen wurde, aber mit Sex und vor allem mit gutem Sex nichts zu tun hat.

Es gibt keine sexuelle Beziehung, Menschen tun sich nur zum Sex zusammen, weil die eigene Befriedigung so noch besser erreicht werden kann. Durch die damit teilweise verbundene Möglichkeit der Zeugung neuen Lebens und in Übereinstimmung mit der christlichen Doppelmoral wurde dem ganzen ein emotionaler Mantel umgehängt, der mit dem Vorgang an sich nichts zu tun hat, diesem eher abträglich ist, und so konsequent auch den für die meisten Frauen nach der Natur des nervus pudendus eigentlich befriedigenderen Analverkehr pönalisierte, woraus über Jahrhunderte die Mehrheit der Frauen den Sex unbefriedigt ertrug und ihre Hingabe als Ausdruck von Liebe sah. In den siebzigern wurde den Frauen dann eingeredet, es gäbe einen G-Punkt, den es physiologisch nicht gibt, es gibt nur die Stelle, an welcher der nervus pudendus bei einem geringen Prozentsatz der Frauen die Vagina, wenn angeschwollen und also erregt, berühren kann, wodurch diese beim vaginalen Verkehr Befriedigung erlangen konnten. Aber das waren immer wenige und der große Rest täuschte vor, damit ihre Begatter nicht enttäuscht waren, es so von ihnen erwartet wurde, vieles in der Sexuallität unausgesprochen bleibt und so zu seltsamem Verhalten führte.

Befreit festzustellen, selbst auf einem völligen Irrweg aus Liebe gelangt zu sein, die alles nur für die je Liebste wollte aber nicht an seine Natur und ihren Egoismus dachte, den es braucht, um zu funktionieren, sehe ich, wie wichtig es ist, unterschiedliche Dinge auch verschieden zu betrachten, nicht ungleiches miteinander zu vermengen. Sex ist dann gut, wenn er befriedigt und das erfordert eine gehörige Portion Egoismus dabei, auch wenn wir lernen uns diesen abzutrainieren, um sozial gut zu funktionieren, geliebt zu werden, hat dies langfristig nur zur Folge, dass beide irgendwie unbefriedigt bleiben und sich den Sex als natürlichen Vorgang auch sparen können, der auf die Erleichterung und Entspannung durch Befriedigung zielt.

Vermische nicht mehr Gefühl und Sex, sondern trenne es streng. Beim Sex bin ich ein nach Befriedigung strebendes Tier. Weil ich dennoch ein ganzer Mensch bin, zu dem auch seine Gefühle gehören, Frauen liebe und eine Erziehung genoss, die Frauen wert schätzt. halte ich das Tier ein wenig im Zaum oder bemühe mich zumindest auch um meine Partnerin, aber ich vermische nie wieder Gefühl und Sex, die nichts miteinander zu tun haben, auch wenn es geistige Nähe und Vertrauen erleichtern, sich auch in den Trieben fallen zu lassen.

So muss sich der Philosoph erst klar machen, was andere, ihrer Natur einfach folgend, bloß tun, weil es eben so ist, der Trieb zur Befriedigung drängt und das auch soll. Indem der egoistische Sex sein darf, wie er ist und das Gefühl dennoch bestehen darf, kann es, wenn es mal passt, guten Sex geben, alles übrige ist etwas anderes, vom Liebesdienst bis zur sozialen Dienstleistung für die Partnerin. Vielleicht wäre es leichter, mit der Natur glücklich zu werden, wenn wir sie nehmen, wie sie ist.

Bei einer meiner besonders innig geliebten Liebsten, hat es mich immer etwas enttäuscht gehabt, dass sie beim Orgasmus ganz bei sich war, nicht küsste oder umarmte, sondern sich auf mir befriedigte und völlig auf sich konzentrierte. Fand das befremdlich im Vergleich zu ihrer sonstigen emotionalen Anhänglichkeit, weil ich Liebe und Sex vermischte. Heute sage ich, sie hat es genau richtig gemacht. Sie hat sich für sich befriedigt und anders geht es ohnehin nicht, manchmal ist nur die Geilheit so groß, dass wir uns sogar beim Kommen noch der Illusion hingeben können, wir täten aus Liebe, was wir einfach aus körperlichen Bedürfnissen heraus tun. Von allem anderen zu schweigen, war zumindest diese Reaktion gut und gesund, meine Vermischung dagegen pathologisch und führte zum erwartbaren Ergebnis.

So musste ich erst fast fünfzig werden, eine wunderbare, bebende Liebhaberin haben, mit der ich keine Beziehung habe, um zu lernen, Sex ist egoistisch und hat mit Liebe nichts zu tun, was für meine Natur früher selbstverständlich war, auch wenn ich dabei, ob meines Egoismus beim Sex häufig ein schlechtes Gewissen hatte. Die Liebe macht das gemeinsame Erlebnis und Leben schön, trägt auch über verunglückten Sex mal hinweg, aber mit dem Sex an sich hat sie nichts zu tun, weil Liebe altruistisch ist, während das Streben nach Befriedigung logisch egoistisch bleibt. So hätte ich aus lauter Liebe lange beinahe meine Potenz verspielt, die sich ansonsten noch ziemlich unersättlich anfühlt, weil ich Frauen, gut tun wollte, sie liebe und ein wunderbarer Liebhaber sein wollte, der sein Bestes dafür aufgab was ein ziemlich idiotisches Geschenk wäre. 

Wie schön ist es, noch im fortgeschrittenen Alter durch philosophische Lektüre unter anderem von Michel de Montaigne und Alain de Bottons Über die Liebe wieder zu erkennen, wie gut doch die Natur eingerichtet ist und wie idiotisch es ist, sich als Mensch über sie hinwegsetzen zu wollen, was nur krank machen kann. Sex als egoistisches Streben nach Befriedigung und Liebe als altruistisches Schenken wollen, können sich gut ergänzen und zu wunderbarster Harmonie führen, ihre Vermischung ist Murks und nur Ausdruck von Impotenz, zu der sie auch führt und so ist es manchmal gut das Gute zu überwinden, um zu sich zu finden und am Ende mit allem und allen glücklicher sein zu können.

jens tuengerthal 2.8.20

Samstag, 1. August 2020

Leserinnenlust

Habe es schon lang gemerkt
Zeit darüber auch zu dichten
Lesende Frauen finde ich viel
Erotischer als alle anderen
Lief um den Platz und sah
Wieder einige mit Buch im Café
Egal was sie nun dabei lasen
Zumindest hatten sie Bücher
Was sie für mich sinnlicher
Als all die anderen machte
Die mit Telefonen nur spielen
Egal wie schön angezogen
Zog die Lektüre bei mir mehr
Natürlich heißt es noch nichts
Nur ein Buch zu halten oder
Irgendwas zu lesen dennoch
Bemerkte ich wie Leserinnen
Eine erotische Wirkung haben
Die Verbindung Frau und Buch
Auf mich sinnlicher wirkt als
An heißen Tagen wie heute
Gerne gezeigte Unterwäsche
Ist auch schön und reizvoll
Präsentieren sich genug hier
Zur Freude der Flaneure aber
Eine Leserin fesselt mich mehr
Reizt mich als solche wirklich
Macht neugierig auf die Frau
Gibt nicht nur den kurzen Kick
Sondern scheint vielversprechend
Das mag Unsinn sein wird vielen
Die zufällig gerade nicht lesen
Sicher nicht gerecht beanspruche
Dabei auch keinerlei Objektivität
Aber freue mich an lesenden Frauen
Als Flaneur im Vorübergehen
Was genügt Leben zu genießen
Mit Büchern am Platz im Sommer

jens tuengerthal 1.8.20

Pandemienie

Heute demonstrierten die Leugner
Von Corona und der Pandemie
In Berlin für ihre Freiheit die sie
Durch die Regierung gefährdet
Sehen wobei die Polizei sie nun
Am weiteren hindert und auflöst
Weil sich die Demonstranten nicht
An Hygienevorschriften hielten
Gegen die sie demonstrierten
Im Gegenteil sogar diejenigen
Die sich korrekt verhielten noch
Als Maskenträger beschimpften
Wie mit Maske runter damit zum
Illegalen Widerstand aufforderten
Asoziales Verhalten Freiheit nennen
Nun mag es welche geben unter
Den Demonstranten die wirklich
Nicht rechtsradikal waren oder
Meinten sie verteidigten die Freiheit
Weil sie nicht begriffen haben wie
Frei wir sind und was Pandemie
Die sie leugnen bedeuten kann
Als stürben nicht Hunderttausende
Aufgrund zu großem Leichtsinn
Wie in den USA derzeit sichtbar
Könne das Leben normal werden
Solange es keinen Schutz gibt
Ohne auf Extremisten einzugehen
Genügt die Lebensgefahr völlig
Diesen Unsinn zu verurteilen
Wer seine kleine Freiheit nun
Für wichtiger hält als den Schutz
Gefährdeter vor Lebensgefahr
Handelt grob fahrlässig wider
Alle Vernunft warum Mitleid nur
Den Polizisten gehört die diesen
Asozialen Widerstand auflösen
Wir achten die Meinungsfreiheit
Aber solche Narren sollten doch
Für die von ihnen verursachte Gefahr
Mindestens persönlich haften
Berlin erträgt auch diesen Unsinn
Aber besser wäre es strenger noch
Gegen diesen Widerstand vorzugehen
Der sein Vergnügen über Leben stellt
Um Verantwortung klar zu stellen
Es geht nicht um Freiheit dabei
Sondern gefährdet Leben anstatt

jens tuengerthal 1.8.20

Sagenhaftes

Lese gerade Sagen wieder
Die ganz alten Geschichten
Die vom Ursprung erzählen
Aus der bremischen Heimat
Wo ich zufällig geboren wurde
Wie aus Mecklenburg wieder
Betrachte sie viel weniger
Literarisch denn als Schüssel
Zum Denken ohne alle Zeit
Nicht als mythisches Märchen
Was sie sicher immer sind
Dafür als Dechiffrierung der
Gedanken jenseits aller Zeit
Was bleibt kommt wie war
Verorte mich als Heimatloser
In ihnen und lasse sie leben
Als wesentlich wie natürlich 
Zurück im Norden damit der
Immer ein Gefühl von Heimat
Mehr gab als jeder andere Ort
Ist es die geistige Sommerreise
Zeitgemäß nur seitenweise
Kehre ich heim und bleibe da
Um von da zu erzählen wo
Einst für mich alles anfing
Tauche in dortigen Geist ein
Kenne manches längst erzählt
Als Sagen auch der Familie
Von Großmüttern erzählt die
Selbst fast sagenhaft waren
Womit die Welten sich wieder
Am Ursprung vermischen
Wessen Schoß auch immer
Einst l'origine du monde war
Im weiten Feld der Sagen

jens tuengerthal 1.8.20

Freitag, 31. Juli 2020

Bücherzeitreisender

Wie wenig ich in die Welt muss
Die in meiner kleinen Bibliothek
Vollständig genug steht habe ich
Schon wiederholt geschrieben
Spannender aber als die nur
Räumlichen Reisen sind doch
Die Zeitreisen die ich zu gerne
Mit wenigen Schritten am Regal
Im langen Flur unternehme das
In Ausgaben und Werken viele
Jahrhunderte umspannt von vor
Der Weimarer Klassik bis in die
Gegenwart teilweise sogar auch
Wenn diese an Bedeutung oft
Vielfältig vom Markt überschätzt
Nur wenige Meter voneinander
Kann ich mit einem Griff eben
In verschiedene Epochen tauchen
Von der Antike zur Renaissance
Von der Aufklärung in die Romantik
An realen und phantasitschen Orten
Plötzlich ganz real präsent sein
Unabhängig von allen Zeiten dann
In die Sprache der Autoren eintauchen
Wozu mir als Zeitreisenden ein paar
Schritte in meinem Flur genügen
Was bin ich doch für ein glücklicher
Mensch als Leser denke ich der
Nach Laune alle Schranken eben
Seiten umblätternd überwindet
Die Welt und alle Zeit zusammen
Auf wenigen Metern schön gebunden
Ein ruhiges Paradies dem Leser

jens tuengerthal 31.7.20

Kurzschluss

Für viele Gebiete in Spanien gilt
Inzwischen wieder eine Warnung
Des Auswärtigen Amtes dort nicht
Hinzureisen der Corona-Gefahr wegen
Viele geben sich noch überrascht
Als wüssten wir nicht alle längst
Die Zahlen steigen wieder womit
Die zweite Welle begonnen hat
Als sei Urlaub wichtiger als Leben
Meinen manche dennoch aber für
Mallorca gelte es doch noch nicht
Was sogar seriöse Nachrichten
Leider öffentlich bestätigen als ob
Wir es nicht alle besser wüssten
Vom gerade letzten mal erst was
Keine halbes Jahr nun her ist
Es ist dies kein Urlaubsjahr mehr
Stattdessen wird über Testpflicht
Am Flughafen noch diskutiert
Als wüssten wir nicht aus Erfahrung
Was exponentielles Wachstum heißt
Staune ich über den Kurzschluss
Vieler sobald es um Urlaub geht
Hört scheinbar das Denken auf
Die Tourismusindustrie gibt sich
Ahnungslos dabei sollte sie längst
Erkannt haben die Zeiten sind nun
Andere und darauf sollte endlich
Angemessen statt mit Kurzschluss
Wieder weiter wie zuvor reagiert werden
Es gibt kein weiter so heute mehr
Unser Leben wird sich ändern müssen
Corona ist nicht die letzte Plage die
Sich in globaler Welt schnell verbreitet
Lernen wir langfristig endlich umdenken
Schaffen wir konstruktive Alternativen
Die Urlaub in der Ferne ersetzen
Machen langfristig gedacht endlich
Das Hierbleiben zum guten Luxus
Richten wir uns schöner dafür ein
Nehmen wir uns Zeit für bleibendes
Es könnte am Ende schöner sein
Wer langfristig denkt steigt heute
Bereits vom Tourismus um auf
Einrichtung und Luxus morgen
Besser wäre die Bundesregierung
Verpflichtete alle Urlauber nach
Flugreisen zu 2 Wochen Quarantäne
Wie verpflichtenden Tests danach
Das Risiko für andere zu minimieren
Schneller zu sein als letztes mal
Die Briten machen es uns vor
Hinterher wieder jammern wir hätten
Wochen vorher reagieren müssen
Ist genauso ein Kurzschluss nun
Lieber vorsichtiger vorher wie es
Neuseeland vorbildlich vormachte
Wagen wir doch einfach mal zuerst
Vorbildlich und klug zu reagieren
Statt zu spät mir nur Kurzschluss
Als Reaktion auf vorhersehbares
Schrieb ähnliches schon vor Wochen
Langsam reagiert die Regierung auch
Hoffe sehr es geht diesmal schneller
Weiter vorausschauend mehr Leben
Vorab zu retten statt zu riskieren
Lieben wir mehr statt zu reisen
Es könnte lustvoller werden

jens tuengerthal 31.7.20

Ausschlussunsinn

Die SPD versucht mal wieder
Thilo Sarrazin auszuschließen
Füllt damit das Sommerloch
Weil gerade nichts sonst los ist
Berichten alle aktuell darüber
Als hätte das Parteigericht hier
Rechtlich weitere Wirkung noch
Sagte nur was nicht alle längst
Wissen dass er der Partei nur
Peinlich ist sie ihn gern los wäre
Doch wird sie vor Gericht damit
Keinen Erfolg haben können
Weil die Hürden dafür hoch sind
Was Sarrazin an Meinung vertritt
Als Autor den die neue Rechte
Dafür nicht genügend danken kann
Fraglich bleibt warum die Partei sich
Auf den teuren Rechtsstreit der
Wie der Autor ankündigte folgt
Überhaupt jetzt wieder einlässt
Statt Ruhe zu geben und lieber
Antworten auf politische Fragen
Für die Zukunft wieder zu geben
Bedauerlich daran ist vor allem
Dass der SPD nichts besseres
Einfällt Aufmerksamkeit zu finden
Es wird noch Jahre weitergehen
Auch wenn ich dessen Thesen
Als rassistisch ablehne halte ich
Diese zu große Aufmerksamkeit
Für das größere Problem die so
Aus einer Mücke einen Elefanten
Macht der sich genau danach sehnt
Schlagzeilen zu bekommen die
Den Verkauf der Bücher erhöhen
Für parteiinternen Beifall vom stets
Zu lauten linken Flügel wird hier ein
Albernes Schauspiel inszeniert
Wie gut dies nicht mehr als Mitglied
Mittragen zu müssen denk ich mir

jens tuengerthal 31.7.20

Orgasmuss

Ist der Orgasmus ein muss
Seltener Zufall für manche nur
Völlig überschätzt im Alltag
Grund für viele Lügen noch
Der schönste Weg zum Glück
Nur eine Variante beim Sex
Der aus vielmehr besteht
Fragen sich wohl viele mit
Völlig verschiedenen Antworten
Zwischen Frauen und Männern
Bei denen sich viel vorgespielt
Wird um sich glücklich zu machen
Wie seine Ruhe davon zu haben
Langsam wird auch die Forschung
Zum nervus pudendus öffentlich
Die weibliche Potenz verständlich
Machte statt Mythen zu erzählen
Von G-Punkten und anderem Unsinn
Die mehr verunsicherten noch als
Echte Befriedigung je zu schenken
Uns Männer staunend bewundern lässt
Welch Wunder die Frau nach ihrer
Verehrten und geliebten Natur ist
So gibt es verschiedene Wege zum
Glück zusammen je nach jeweils
Körperlicher Anlage der Beteiligten
Die zu erforschen Glück genug wäre
Wagten wir den Weg offen zu gehen
Statt unter dem Zwang des Orgamus
Kommen meinen zu müssen was
Immer das sicherste Hindernis dafür
War sich nur ineinander zu erschöpfen
Statt einander ganz zu genießen wie
Natur es uns frei gern ermöglicht
Wohin zu gelangen aber jeder Zwang
Wie Anspruch hinderlicher ist als
Gemeinsamen Genuss je brächte
Weil es vielleicht nicht alleine darauf
Ankommt zusammen zu kommen
Zeitlicher Zufall der Koinzidenz
Aber sich beschenken zu können
Gegenseitig voller Harmonie dabei
Statt sich etwas nur vorzumachen
Was mehr nach Zwang doch klingt
Als nach Lust so wie manche gern
Die besten überall sein wollen statt
Den Augenblick zu genießen macht
Der Zwang zum Schauspiel unfrei
Wie ich es über Jahre mit der Schönsten
Die immer die Beste sein wollte dabei
Erleben musste und durfte was ich
Für das Paradies lange hielt bis die
Natur mich lehrte es war die Hölle
Von Scheinwelt und Schauspiel nur
Geboren aus virtuellen Welten allein
Was zu überwinden ein Glück wäre
Sich am Genuss miteinander freuen
Ohne Muss und Zwang ist wohl die
Schönste Form des miteinanders
Aus dem alles übrige alleine fließt
Auch über miteinander dann wohl
Befreit von jedem Glück dafür eins
Mit sich und des anderen Natur
Ist der schönste Höhepunkt erreicht
Mehr kann scheint es mir heute
Im Leben nicht erreicht werden
Orgasmus kann und muss nie

jens tuengerthal 31.7.20

Donnerstag, 30. Juli 2020

Liebeszuverlässigkeit

Was ist meine Liebesbilanz nach
Bald fünfzig Jahren die ich nun schon
Auf der Suche nach dem Glück bin
Fragte ich mich und dachte außer
An meine Tochter die wirklich ein
Kind der Liebe geworden auch
Wenn diese Liebe wie manche 
Im Nichts längst verschwand
Längst keine Wunde mehr ist
Lebt sie weiter und überlebt
So zumindest hoffe ich sehr
Weil es so in der Natur liegt
Ihren Vater auch glücklich noch
Mit irgendwie liebevoller Erinnerung
An einen Suchenden der Liebe
Der ich immer war und bleibe so
Liegt nahe dass zählt was blieb
Die Felsen in der Brandung
An denen sich die Wogen brachen
Nach allen Stürmen noch da waren
Jene Leuchttürme auch im Dunkeln
Schaute um mich und wusste nun
Komme was wolle am Ende zählt
Wer blieb und im Sturm da war
Orientierung dem Seemann gab
Alles andere verweht die Zeit
Wie die geküssten Schösse
Die allerschönsten Brüste noch
Die angebeteten Göttinnen auch
An die der Atheist nicht glaubte
Auch wenn er es lange meinte
Weil Träume so real erscheinen
Was bleibt wird zählen weiß ich
Werde nicht weiter bilanzieren
Bevor das Ende irgendwann dann
Relativ sicher sein wird weil zählt
Was zuverlässig war und blieb
Alles andere wird nicht mehr sein
Als eine Illusion der Erinnerung
Im Meer der gezählten Lieben
Weil weniger kalkulierbare Nummern
Irgendeine Bedeutung noch haben
Sondern allein was blieb da ist
Denke ich beruhigt und lasse
Die Stürme sicher im Hafen
Ohne Sorge vorbeiziehen weil
Stürme kommen und gehen
Nur was bleibt ist immer da
Auch wenn nie wirklich vielleicht
So doch zumindest als Ideal
Was zu wissen Sicherheit genug
Denn bei aller Liebe zählt doch
Am Ende nur die Zuverlässigkeit

jens tuengerthal 30.7.20

Berlinerotik

Wechsele im Augenblick gerne zwischen Jens Biskys, Berlin, Biographie einer großen Stadt und Rudolf Borchardts Weltpuff Berlin, was ein historisch wie literarisch besonderes Wechselspiel ist, was zusammen ein großes Bild der Stadt gibt. 

In beiden Büchern geht es zentral um Berlin und die besondere Erotik und Ausstrahlung dieser Stadt, der sich Bisky kulturhistorisch mit weitem Blick und möglichst undogmatisch nähert, während Borchardt sich der Stadt literarisch annimmt, sie zum Schauplatz macht, der mit dem Skandal spielt, aber mehr noch die romanhafte Autobiographie eines aus besten bürgerlichen Verhältnissen stammenden Berliners ist.

Bei Bisky habe ich das späte wilhelminische Kaiserreich, den 1. Weltkrieg, die Weimarer Republik und ihre Krisen bereits weitgehend hinter mir in der Lektüre und las gerade von Goebbels Aufstieg, den Hitler beauftragte die Bewegung in Berlin zu stärken, was durch ständige Randale, wiederholte Provokationen und weitere Polarisierung auch gelang. Warum der Aufstieg der NSDAP kein Zufall war, sondern strategisch geplant und wo die Demokratie dabei wie versagte. Rasant neue Aspekte bringt Bisky nun nicht und wer die deutsche Geschichte  ein wenig kennt, dem wird vieles bekannt vorkommen. Interessant dabei aber ist, wie Bisky betont, das Berlin rot war, auch wenn die Mehrheit in Preußen wie in Berlin demokratisch blieb und der Zuwachs der Radikalen sich auf bestimmte Gebiete beschränkte. Er blendet das bürgerliche Berlin und seine Opposition gegen die sogenannte Machtergreifung dabei bisher relativ stark aus, was sicherlich auch biographisch bei ihm verständlich ist, aber weder einem Joachim Fest noch einem Sebastian Haffner gerecht wird, die eines anderen belehren und wofür später nicht nur aber auch ein Dietrich Bonhoeffer stand.

Relativ neutral berichtet Bisky von dem unguten Bündnis zwischen Kommunisten und Nationalsozialisten beim Generalstreik, der weiter half die Weimarer Demokratie zu unterminieren und die Verhältnisse zu destabilisieren, womit die Radikalisierung beschleunigt wurde, wie Goebbels und Thälmann ungut zusammenwirkten, nur am Rande aber ist vom bürgerlichen Leben die Rede und welche Rolle es spielte, warum die nicht unbegründete Angst vor dem sowjetischen Einfluss und dem von dort geplanten völligen Umbau der Gesellschaft, der eine Zerstörung des Bürgertums mit sich brachte, eine große Rolle beim Erstarken der NSDAP in diesem Milieu spielte, mehr dagegen von den Arbeiteraufständen im roten Wedding und dem kommunistischen Widerstand gegen die Faschisten.

Die gediegene Welt des feinen Westen, in dem das Bürgertum wohnte, wurde zwar in ihrer Entstehung thematisiert und auch bei der Eingemeindung nach Groß-Berlin aber es fehlt im Prozess der Radikalisierung der genaue Blick auf das Problem und seine Entstehung. Auf die Angst einer wohlständigen Welt, alles zu verlieren, die damals viele die Nationalsozialisten und den österreichischen Gefreiten als das kleinere Übel sehen sah, zumal über allem ja Hindenburg scheinbar wachte. Bisky thematisiert mehr die Ermordung von Liebknecht und Luxemburg aber weniger, welche Gefahr die Unruhestifter waren, die eine Räterepublik wollten, gegen die Meinung der Mehrheit, er hält die Solidariserung eines Albert Einstein mit einem Aufruf der radikalen Linken kurz vor Ende der Republik für bedeutender als sich mit den Ursachen der Radikalisierung zu beschäftigen, welche die plötzliche Verbürgerung der anderen Radikalen brachte, die nach zu langen inneren Kämpfen Ruhe versprachen.

Es gibt keine Rechtfertigung für die Blindheit der Deutschen gegenüber diesem Hitler, dem viele  ohne kritisches Denken folgten, weil sie sich von der Mischung aus nationalen und sozialistischen Gedankengut faszinieren ließen aber es verkennt die Verhältnisse, wenn die auch existenzielle Angst vieler Bürger vor der roten Gefahr ausgeblendet wird, um den Verbrecher Hitler gewohnt zu inszenieren.

Wer noch Gespräche mit der älteren Generation führte - da hatte ich doppeltes Glück, mit meinen Großeltern väterlicher wie mütterlicherseits sprechen zu können, deren Verhältnis zur eigenen Geschichte meiner Generation gegenüber entspannter war, als noch mit ihren Kindern, von denen einige ihren Eltern 68 den teils nicht unberechtigten Vorwurf der Mittäterschaft oder des Schweigens gemacht hatten, ohne damit aber einen Diskurs in Gang zu bringen - konnte feststellen, wie sich deren Sicht auf die eigene Geschichte und deren Darstellung mit der Zeit veränderte. Wurde am Anfang noch gelegentlich etwas gerechtfertigt, etwa mit den Autobahnen, dem wirtschaftlichen Aufschwung, den schönen olympischen Spielen und ihre Inszenierung durch Riefenstahl, dem gekränkten Nationalstolz nach dem verlorenen Krieg und manches mehr, suchten sie später, sich rein zu waschen von der Schuld der anderen, bei Fortdauer der nationalkonservativen Überzeugung, waren irgendwann immer mehr in irgendeinem Kontakt mit dem Widerstand oder hatten zumindest ein jüdisches Ehepaar versteckt, worüber den Kindern gegenüber noch geschwiegen wurde.  Es gab einen bürgerlichen Widerstand und mehr Antipathien gegen diese billigen Parteileute, als lange bekannt war und es ist die Mitte der Gesellschaft, die entscheidend die Stabilität tragen muss, deren Radikalisierung ist der Anfang des Problems und deren nichtberücksichtigte Ängste waren die Quelle der Spaltung der Gesellschaft. Daran sollten wir heute auch denken, wenn es darum geht, wie dieses Land künftig geeint werden soll.

 Es ist sicher auch das Verdienst von Marion Dönhoff und ihrem publizistischen Wirken gewesen, dass der Widerstand eine andere Rolle bekam, sich von der angeblichen Schande und dem Verrat befreien konnte, als den ihn der mörderische Richter Freisler inszeniert hatte. Erinnere mich noch, wie mein Großvater mütterlicherseits, der sicher kein Nazi war, sogar empört aufstand, wenn sich Parteigenossen ihrer Verdienste lobten, etwa am 9. November 1938, dem vielfältigen deutschen Datum an dem auch Goebbels seinen langen Weg nach Berlin begann, was schon als gefährlich auch galt, aber merke daran auch mein eigenes Bedürfnis nach Rechtfertigung und Erklärung. Zumindest das Bedürfnis nach einer Erklärung und Rechtfertigung führt weiter als die Ignoranz oder Verharmlosung der Geschichte und so gesehen ist bei großen Teilen zumindest die Sensibilität gewachsen.

Diese bürgerliche Welt beschreibt Bisky nicht als Teilnehmer sondern als bloßer Beobachter und verkennt darum wohl entscheidende Gründe für den Absturz der Weimarer Republik, wie es bisher scheint. Natürlich kennen alle die Geschichte vom Reichstagsbrand, wer auch immer nun wirklich dahinter steckte, er war ein Geschenk für alle Radikalen und die NSDAP wusste es zu nutzen, während die Kommunisten unklar blieben, lieber die SPD anklagten und als Gefahr beschworen, als die wirkliche Gefahr zu erkennen, die auch ihre Politik verursachte, weil sie Teil des Problems waren.

Tief in dieser bürgerlichen Welt verwurzelt aber ist Rudolf Borchardt, der als junger Protagonist aus seinem auch sexuellen Leben berichtet. Da geht er mit einer seiner Geliebten, die wievielte es auch an diesem Tag ist, mag dahinstehen - und der Leser staunt über die schier unendliche Potenz dieses jungen Mannes, der allerdings auch immer wieder wahren Wundern an Frau begegnet, die alle im nächsten Superlativ die Vorgängerin und alles dagewesene übertreffen,doch schafft Borchardt diese Reihe von Steigerungen immer noch liebevoll aussehen zu lassen, gibt auch der fünften oder sechsten Frau am Tag noch das Gefühl von Einmaligkeit, die nie austauschbar ist, was in Zeiten des Online-Dating und der großen Relativität eine hohe Kunst ist, die kaum einer noch wirklich versteht. Die austauschbaren Liebhaberinnen, die ihm auch zahlreiche Briefe, Telegramme, Nachrichten oder sogar Rohrpost, die schnelle Berliner Errungenschaft, zukommen lassen, um die Einmaligkeit des geteilten Momentes zu beschwören und um das nächste Date mit diesem standfesten jungen Herren zu bitten, der alles aufbietet, jeder zu genügen, sich aber zugleich mit seinem Gewissen plagt, das ihm jeden Tag mahnt, es bis auf eine oder zwei alles zu beenden, was mäßig gelingt - im Adlon Essen, wo seine Eltern kürzlich ihre Silberhochzeit gefeiert haben und Herr Adlon ihn persönlich begrüßt, weil Borchardts natürlich im Haus bekannt sind, was so ganz nebenbei ohne alle Eitelkeit einfließt.

Es ist mir diese Welt aus vielen Erzählungen auch der Großeltern gut vertraut, die wert darauf legten, dazu zu gehören, sich das auch, wie Borchardts nur eben diese auf deutlich höherem Niveau, etwas kosten ließen. Leisten konnte sich den Luxus, wer gut erbte oder fleißig war und gut verdiente. Es ist die Welt, in der selbstverständlich mit Hummerzangen und ähnlichem Werkzeug umgegangen wird, weil es diejenigen als dazugehörig eben auch qualifiziert - es ist, auch wenn Borchardt es wohl um die Zeit schrieb, als die NSDAP in Preußen kleine Zugewinne Ende der 20er Anfang der 30er machten konnte und der Autor längst in wechselnden Renaissance Palästen in Italien lebte und dem Duce seine Dante Übersetzung widmete, aber das nur ganz nebenbei, noch die Zeit des Kaiserreichs, in dem dieser bürgerlich ausschweifende Roman spiel, die Zeit des Zauberberg, wie der losen Sitten im Kaiserreich, der manchen Freund und Berater des Hofes in schlechter Presse untergehen ließ, dem Kaiser sehr nah kam.

Borchardt der nonchalant die Sprachen je nach Diskurspartnerin zwischen englisch, französisch, lateinisch und altgriechisch wechselt, tut dies mit großer Eleganz und malt neben den sexuellen Eskapaden, die aber immer für beide Seiten würdevoll beschrieben werden, nichts pathologisch erniedrigendes haben, wie es manche meinen haben zu müssen, um sich auszuleben, fern den eigenen Ressourcen - aber wem stünde es zu über die Lust anderer zu urteilen, erlaubt ist, was gefällt - ein wunderbares Sittengemälde seiner Zeit und vor allem eines der bürgerlichen Gesellschaft und ihrer Werte, die eben auch immer wieder eng mit Bildung und Wohltätigkeit verbunden sind. 

Der fleißige Student, zumindest fleißig in rasendem Tempo datende junge Mann bewegt sich auf dem Niveau seiner Klasse und spielt damit, während die Eltern kurzzeitig von der Sommerfrische am Wannsee zurückkehren, wo auch Liebermanns ihr Sommerhaus hatten, eine andere wohlhabende jüdische Familie, die aber stärker städtisch sozialisiert war. Der große Maler berlinerte zu gerne und konnte dies auch, wenn er aus seinem Haus direkt neben dem Brandenburger trat, während dies im reichen Westen schon weniger üblich nur noch war. Dort bemühten sie sich zumindest um Hochdeutsch und tun es bis heute, während im alten Berlin auch die alte Mundart eher kultiviert wurde, was bis heute hörbar ist. In Dahlem oder Lichterfelde etwa berlinerte kaum noch einer, während in Prenzlauer Berg oder den ärmeren Teilen der heutigen Mitte, es kaum einer nicht tat, was sich durch starken Zuzug relativierte, dennoch gilt die Pflege des proletarischen hier als Ausweis des Angekommenseins während es im goldenen Westen das feine Hochdeutsch war.

Es berlinert bei Borchhardt mal schlichtes Volk, eine Wirtin, die er abkanzelt und die dann hinter ihm und ihr her laut aus dem Fenster schimpft. Das ist nicht immer so und geht auch anders - Liebermann und Zille waren beredte Beispiele für die Verbindung von Hochkultur und Mundart, aber aus der Sicht des gerade erst eingemeindeten reichen Großbürgertums im Westen war der Dialekt eher etwas, was belächelt wurde.

Bin auch in dieser Hochsprachenarroganz aufgewachsen, wenn auch westlicher. Bei uns wurde natürlich kein Dialekt gesprochen, sehe ich von einigen norddeutschen Wendungen ab, die ich erst viel später entdeckte, oder dem Bochumer Tonfall meiner Großmutter väterlicherseits, den ich nie als solchen erkannte, weil wir ja natürlich Hochdeutsch sprachen und bei allen Streitigkeiten wahlweise der Brockhaus oder Meyers zu Rate gezogen wurden, um sich zu beweisen, wer Recht hat. Dieser Bildungsehrgeiz des gerade erst aufgestiegenen Bürgertums, der späteren Bildungsbürger, hatte für sie den klassenmäßigen Unterschied zum einfachen Volk gemacht, auch wenn es natürlich verpönt war, so etwas laut zu sagen oder auch nur zu denken. Das Beherrschen der Volkssprache des Plattdeutschen hilft dem alten Konsul Buddenbrook noch 1848 die Menge zu beruhigen und die Situation zu deeskalieren aber selbstverständlich wurde im Haus von Konsul Buddenbrook Hochdeutsch gesprochen oder französisch mal parliert.

Es sind feine kleine Beobachtungen, die zwischen den vielen Vögeleien dieses Rudolf auftauchen, die die untergehende Welt des Bürgertums feiern und noch einmal aufleben lassen. Er beschreibt damit zeitlos ein Berlin, was Jens Bisky offensichtlich weder wahrnehmen konnte noch wollte. Natürlich berichtete dieser ein wenig über die Sing-Akademie, die 1848 Parlament wurde aber nur am Rande und nebenbei über die bürgerliche Tradition dahinter. Dagegen bewegt sich Rudolf Borchardt als eben dieser in junger Gestalt zwanglos und selbstverständlich in dieser Welt, die einen großen Teil dessen trug, was Berliner Kultur wurde und was die bürgerliche Kultur in Deutschland war, die von der Hanse bis in die Gegenwart reicht. Warum das Gorki nicht Gorki und nicht in diesem Haus bleiben sollte, weil die andere, ältere Tradition für eine demokratische und bürgerliche Stadt viel wichtiger wäre, was sich in dem von den Erben der SED zu oft mitverwalteten Gemeinwesen schwer mit Vernunft durchsetzen läßt bisher, weil Linke wie Rechte schon immer gern lauter schreien als die bürgerliche Mitte, die so auf sich aufmerksam machen muss, es doch mit Stil und dezent versucht und dieser Gesellschaft leistet Borchardt mit seinem Roman einen besseren Dienst als Bisky Berlinmit seinem wirklich netten Buch.

Aber ich verirre mich schon wieder in einem meiner Lieblingsthemen mit erwartbaren Ergebnis, was zumindest für meine Konsequenz spricht, aber nichts über deren ethischen Inhalt verrät und gibt den Rändern mehr Bedeutung ihrer Lautstärke entsprechend, als sie tatsächlich haben sollten, egal an welcher Seite. Was Borchardts Schilderungen der sexuellen Phantasien und Erlebnisse eines jungen Mannes, dessen Potenz lange vor Viagra wirklich unersättlich ist, zu einem eleganten Sittenbild der bürgerlichen Gesellschaft macht, die es in Berlin eben auch gab, im goldenen Westen, aber nicht im sich bis heute gern rauh proletarisch gebenden Osten oder der Mitte. Der Osten zerstörte während der DDR die bürgerliche Kultur, beschimpfte sie als bourgeoise und erhob sich auch intellektuell über die wichtigsten Wurzeln städtischer Kultur, die bürgerliche Gesellschaft, weil Linke lange so tun konnten, als seien sie menschlich überlegen und die bürgerliche Gesellschaft eine Verwandte des Faschismus, die nur einen Moment den proletarischen Kommunismus mehr fürchtete als die nationalen Idioten aber dies mehrheitlich auch schon bald bitter bereute, auch wenn diese Narren leider verbreitete Vorurteile geschickt zu nutzen wussten, um der deutschen hässlichste Seite zu zeigen, den blinden Gehorsam, der auch unmenschlich präzise, zuverlässig und unkritisch funktioniert, Konzentrationslager so verlässlich baute wie Autos, die immer weiter liefen, was nicht umsonst ein lange beliebter Wolfsburger Werbespruch wurde, auch wenn diese damit fast den Anschluss an die Gegenwart verpassten, aber dies auszuführen, hieße sich nun wirklich verzetteln.

Es ist schön, beide Bücher parallel zu lesen und Bisky erzählt auf eine angenehm, plaudernde Art die Geschichte Berlins mit viel Wissen und schönen Details, auch wenn ihm der interne Blick auf das bürgerliche Berlin spürbar abgeht, bemüht er sich ansonsten sichtbar um eine relativ ausgewogene Position, die hier selten und also schon ein Verdienst ist. Borchardt hat nicht den Anspruch Kulturgeschichte zu schreiben in seinem Roman, will nirgendwo gerecht und ausgewogens sein, sondern liefert ein erotisches Skandalon, das die Familie lange zu veröffentlichen verhindern wollte, weil es eben ein internes Sittenbild der bürgerlichen Gesellschaft ist und ihrer ganz persönlichen Sitten, in dem sich jede gutbürgerliche Familie erkannt fühlen kann, auch wenn es 1907 spielt, hat sich daran bis in die Gegenwart wenig geändert, aber schreibt eine vollkommene Kulturgeschichte der besseren Berliner Gesellschaft und ihrer Gewohnheiten mit feinem internen Blick, beschreibt damit, was bei Biskys Blick auf Berlin fehlt und ergänzt ihn so, macht das Bild erst vollständig, indem es die Stützen der Gesellschaft einbezieht. Wie Borchardt dies aber tut und dabei nonchalant die Sexualität, über die dort höchstens hinter vorgehaltener Hand gesprochen wird, lustvoll, scheinbar in den Mittelpunkt stellt, um sie dann doch nur als skandalöse Dekoration der großbürgerlichen Kulturgeschichte zu nutzen, hat eine großartige Eleganz, die bleibt, von der wir bis heute lernen können, in der Sex immer noch meist eine eher einseitige Angelegenheit für viele mit mehr oder weniger gutem Schauspiel war, was endlich zu ändern auch eines Mannes Lebensaufgabe genug sein könnte, läge es nicht an jedem selbst, sein Erleben zu genießen.

jens tuengerthal 30.7.20

Mittwoch, 29. Juli 2020

Bibliothekenwelt

Überall um die Welt gibt es
Bibliotheken voller Schönheit
Die als Horte des Wissens
Archive der Menschheit sind
Sie zeigen den je Zeitgeist
In Architektur und Design
Manchmal gelang auch der
Moderne noch ein nicht nur
Spektakuärer sondern sogar
Wunderschöner Raum wieder
Doch traumhaft bleiben stets
Die Büchertempel aus einer
Längst vergangenen Zeit die
Den Büchern voller Schönheit
Huldigen als seien sie dort die
Heiligtümer nicht nur ihr Inhalt
Lange träumte ich noch davon
Die schönsten Bibliotheken
In aller Welt bereisen zu wollen
Was ich mir als Reise ins Paradies
Der geliebten Bücherwelt vorstellte
Bis ich mich an Heidelberg erinnerte
Die auch eine berühmte Bibliothek
Ihr eigen nannte wo ich im Studium
Vor vielen Jahren häufiger arbeitete
Dort gab es einen Ausstellungsteil
Für Touristen und Bücherforscher
Wie eine normale Bibliothek in der
Die Bücher in Folie geschlagen mit
Stempeln und Etiketten versehen
Längst völlig entstellt worden waren
Um die Funktionalität zu gewähren
So gleichen Bibliotheken dem Leben
Wie in manchem der Liebe wohl auch
Es werden Arbeitsbibliotheken dabei
Sich den Notwendigkeiten beugend
Zu häufig hässlichen Verwahranstalten
Gleichen darin wohl real vielen Ehen
Während schöne Bibliotheken wie die
Von Anna Amalia in Weimar bloß noch
Musealen Charakter haben doch sieht
Der Bücherliebhaber der genau hinschaut
In jeder Bibliothek die einerseits großartig
Vieles für den Erhalt der Bücher tut
Was wurde in Weimar nicht saniert um
Auch angekohlte nasse Bände noch nach
Dem grausamen Band zu retten der die
Geliebte Anna Amalia völlig verwüstete
Damit das Erbe der deutschen Klassik
Dem Untergang preisgegeben hätte
Hier wurde vorbildlich noch gerettet
Doch sieht wer die alten Bände mal
In der Hand hält wie brutal sie lange
Bibliothekare verunstalteten welche
Mit Stempeln und Aufklebern schlicht
Die Buchrücken so verunstalteten
Wie im Inneren ihre Abzeichen noch
Alten Schätzen ordnungshalber hier
Aufdrückten statt sie rein zu halten
Doch ist diese Klage immer eine auf
Relativ hohem Niveau wohl insofern
Niemand mehr zur Bücherretung tat
Über Jahrtausende als Bibliothekare
Doch waren sie es teilweise auch die
Im Auftrag der Kirche unerwünschte
Texte vom Pergament abkratzten um
Seliger Einfalt Platz zu bieten statt der
Lebenszugewandten antiken Philosophie
Die erst in der Renaissance mühsam
Von findigen Köpfen reanimiert wurde
So finden sich in Bibliotheken als Museen
Einige der schönsten Orte der Welt dort
Nett ausgestellt als Altäre des Geistes
Auch wenn dieser unterschiedlich frei
Zugang zum Wissen gewährte denen
Die lesen konnten und hinein durften
So stehen in der alten vatikanischen
Bibliothek die Bücher unsichtbar hinter
Türen weil die Pfaffen dort den Geist
Der Freiheit und Vernunft so fürchteten
Welcher ihr enges Regime infrage stellte
Aber was soll von Rom erwartet werden
Diesem Hort des schlichten Dogmatismus
Der die jüdische Sekte noch verwaltet
Doch auch dort ist der Anteil am Erhalt
Alter Schriften so groß dass sich auch
Dankbarkeit mit der Empörung mischt
Ohne diese gäbe es vieles nicht mehr
Die Welt der Bibliotheken können wir
Heute gut und besser im Netz besuchen
Zu den schönsten Bibliotheken habe ich
Links in meinen Favoriten die alle auch
Ihre größten Schätze immer weiter nun
Einscannen um das Erbe virtuell damit
Sowohl unsterblich wie zugänglich allen
Zu jeder Zeit an jedem Ort zu machen
Was den die Schätze belastenden bloß
Egoistisch eigennützigen Besuch heute
Überflüssig macht und wer Bücher liebt
Surft besser in alten Schätzen statt sie
Durch persönlichen Augenschein noch
Unnötig zu belasten mit Licht und mehr
Die kostbarsten handsignierten Bände
Der kleinen Bibliothek in meinem Heim
Aus der Zeit der Weimarer Klassik noch
Manche sogar ein weniges älter stehen
Meist ungestört sorgsam eingestaubt
Im Regal am besten erhalten zu bleiben
Sie sind eine schöne Dekoration aber
Tatsächlich lese ich viele Klassiker längst
Virtuell weil es bequemer so auch ist
Habe zahlreiche Bildbänder auch der
Schönsten Bibliotheken der Welt die ich
So indirekt immer wieder besuche ohne
Mit dem realen Besuch unnötig zu belasten
Auch Anna Amalia etwa habe ich seit dem
Brand nicht mehr besucht obwohl ich
Mehrfach in Weimar noch war doch
War es weniger die Wartezeit die mich
Der das geliebte Original noch kannte
Aus den frühen neunzigern abschreckte
Als dort nur ein Tourist noch zu sein
Kein Leser sondern Museumsbesucher
Was einer Bibliothek gegenüber mir als
Form der Entweihung auch vorkommt
Lobe es diese Orte schön zu erhalten
Doch tut es keiner von diesen je gut
Wenn viele Besucher sie sehen wollen
Es sollte dies alles virtuell möglich sein
Eine Form des Fernsehens quasi das
Sehnsuchtsorte uns nahe bringt ohne
Die Schätze dort zu gefährden was
Die Methode der Zukunft sein könnte
Um unsere Kultur zu bewahren wie
Jedem zugänglich zu machen eben
Online aber nicht mehr als realer Ort
In dem Touristen herumtrampeln die
Mehr Schaden als Nutzen bringen
Weil Tourismus der allerschlimmste
Terrorismus der Gegenwart ist dessen
Folgen noch Generationen quälen
Niemand muss mehr irgendwo hin
Auch insofern hat Corona heilsame
Wirkung ganz sicher für Bücher
Diese wunderbaren Orte der Kultur
Sollten virtuellen Zugang jedem bieten
Um das gedruckte Erbe der Menschheit
Weiterzutragen aber zugleich eher ein
Schutzort als ein Museum künftig sein
Virtuell in allen Netzen dabei präsent
Kann ich deren Schönheit kaum je
Genug loben doch sollten sie um
Deren Rettung und Wahrung wegen
Allen Zugang noch mehr beschränken
Damit unser Erbe lange erhalten bleibt
Statt massenhafter Willkür ausgesetzt
Zu schnell zu verbleichen wie unklar
Welches Risiko damit anzuziehen
Weil ich schöne Bibliotheken liebe
Besuche ich sie möglichst nicht
Sondern betrachte sie virtuell oder
In vielen schönen Bildbänden weil
Echte Liebe erhält und nicht zerstört
Den Büchern nur bestes will werde ich
Sie weiter als Büchertourist nur von
Ferne lieber betrachten statt mit den
Reisen zu den Sehnsuchtsorten nur
Zu gefährden was ich so schön finde
Auch wenn ich als Bücherliebhaber
Bei jedem Gang in eine Bibliothek
Leide angesichts der dort üblichen
Behandlung der geliebten Bücher
Das erspare ich mir lieber künftig
Schwärme virtuell weiterhin von
Den allerschönsten Bibliotheken
Die ich zu gerne bedichte aber
Stets von Ferne damit sich auch
Künftig uns erhalten bleiben weil
Masse nur virtuell unschädlich ist
Manche merken es erst später

jens tuengerthal 29.7.20

Dienstag, 28. Juli 2020

Bücherurlaub

Während alle Welt irgendwo
Hin in Urlaub fährt nehme ich
Mehr Zeit zum Lesen um so
Zugleich durch Raum und Zeit
Viel größere Reisen täglich
Unternehmen zu können ohne
Irgendwo hin zu müssen dafür
Überall zugleich sein zu können
Als glücklicher Leser bei sich
In der geliebten Bibliothek
Angekommen wie immer auch
Unterwegs zu allen Orten
Die Bücher mir offenbaren
Ohne jeden Stau oder das
Ein- und auspacken bleibe ich
Bei mir im kleinen Paradies
Habe alles was es braucht
Immer um mich und bin
Zugleich alle Grenzen leicht
Überschreitend auch überall
Als eben glücklicher Leser
Entspannt angekommen ohne
Noch je wieder weg zu müssen
Was könnte schöner sein

jens tuengerthal 28.7.20

Montag, 27. Juli 2020

Berlinkultur

Ist oder war Berlin Zentrum der internationalen Kultur?

In den 20er Jahren war Berlin eines der wichtigsten Zentren der internationalen Kulturszene. Hier wirkten innovative Künstler, probierten sich an der Moderne, das Theater beschritt neue Wege und es wurde viel über die Kultur aus dieser Stadt berichtet und gestritten.

Die Rechten beschwerten sich über den Verlust aller Kultur, fürchteten den Untergang des Abendlandes von Berlin aus und die Antisemiten unter ihnen, witterten gleich eine Verschwörung der Juden gegen die alte deutsche Kultur, die es zwar so wie behauptet nie gegeben hatte, aber wollten doch zumindest ihren Kaiser Wilhelm zurück, der sie leichtsinnig in den letzten großen Krieg geführt hatte. Die Kulturszene gab sich eher links, sympathisierte mit der neuen UDSSR nach der russischen Revolution, auch wenn die kulturell unter der Diktatur der Partei auch keine großen Innovationen mehr hervorbrachte, weil totalitäre Regime eben keinen freien Geist brauchen können, der für Kreative so wichtig ist.

Im Deutschland der Weimarer Republik stritten sich Rechte und Linke mit radikalen Parolen um die Vorherrschaft und es gab noch keine Geschichte, die sie eines besseren hätte belehren können, die Mitte wandte sich angesichts der Radikalisierung teilweise angewidert ab. Immer wieder lieferten sich die Radikalen Straßenschlachten untereinander oder mit dem Staat und Berlin als Mittelpunkt von Wachstum der Wirtschaft und Politik war immer vorn dabei.

Manchmal sprachen konservative Richter noch seltsame Urteile gegen die Kunst, deren Freiheit noch nicht im Grundgesetz als Grundrecht garantiert war. Die auch in Berlin beginnende Dada-Bewegung war eines der Opfer dieser Rechtsprechung im Geist des Kaiserreichs. Ein teilweise konservatives Publikum pfiff die Modernen aus im Theater am Gendarmenmarkt oder in der Krolloper an der Spree im Tiergarten. Es wurde viel gestritten und rezensiert. Die Feuilletons waren lebendig und Teil der täglichen Diskussionen, es passierte etwas in Berlin, immer wieder entstand neues und Bewegungen nahmen hier ihren Ausgang, die längst in die Kunst- oder Kulturgeschichte eingegangen sind.

In vielen Kellern entstanden Clubs, in denen Jazzer spielten und Berlin tanzte wie wild gege Armut und Verzweiflung nach dem Krieg an. Arm aber sexy, was Klaus Wowereit 80 Jahre später als typisch für Berlin prägte galt in den verrückten 20ern noch viel mehr in allen Bereichen der Kunst war Berlin damals wie im Nachtleben weltweit führend und auch wenn die Berliner Clubszene, bis Corona sie stoppte, sich zumindest einen weiten Ruf gemacht hat, stellt sich die Frage, wo wir heute kulturell im übrigen stehen, ob Berlin noch innovativ ist, weil arm aber sexy oder nur noch seine Geschichte verwaltet, auch der Sex zwar frei aber museal wird.

Die Tendenz zur Glorifizierung der eigenen Geschichte gehört zu den immer noch Leidenschaften der Berliner, auch wenn sie sich inzwischen Erinnerungsorte des Schreckens und der Schande an prominenter Stelle schufen, gilt, was Fontane über die Berliner und die Märker schrieb, die sich gerne überschätzen und Kleinigkeiten für großartig halten, besonders, wenn sie diese anbieten. Darum redet sich Berlin immer noch gerne groß und hält sich für den Mittelpunkt der Welt, was genauso typisch deutsch die anderen Bundesländer und ihre mehr oder weniger provinziellen Nester gern infrage stellen und keinesfalls gönnen.

So redet Berlin gerne über sich, wenn auch nicht ganz so wie Hamburg, was sich für eine Perle hält, um über die meist feucht neblige Lage hinwegzutäuschen und Bedeutung zu gerieren, die seit dem Untergang der Hanse auch nur noch aus Erinnerung besteht, die ein wenig schnieke gehalten wird, warum sie Berlin gern mit gerümpfter Nase schmuddelig nennen, was daran liegen könnte, dass es hier für gewöhnlich weniger regnet aber dafür mehr märkischer Sand durch die Straßen weht, auf dem hier alles mehr oder weniger stabil gebaut wurde. Aber wen interessiert schon Hamburg, wenn von Berlin und seiner Kultur die Rede ist, außer den genannten Hamburgern natürlich mit gewohnheitsmäßiger horizontaler Beschränkung.

Doch wissen die Berliner, wenn sie ausnahmsweise ehrlich sind, dass ihre Stadt eigentlich ein Haufen Dörfer ist, die wenig oder nichts miteinander zu tun haben und die an den Rändern auch nicht mehr Kultur aufweisen als sonstige Provinz. Doch im Zentrum und um dieses herum ballt sich einiges, was sich auf dem Gebiet der Kunst zu profilieren sucht und irgendwie überleben die Galerien und sonstigen Kulturstätten auch, lassen wir mal Corona beiseite, wo noch offen ist, wer am Ende überlebt, wie das eben bei lebensgefährlichen Krankheiten so ist, denn der Kultur der Hauptstadt raubt dieser Virus schon die Luft zum Atmen und es droht, wenn nicht noch weiter beatmet wird, vielen Kulturprojekten mangels Publikum und Möglichkeiten der Erstickungstod.

Das betrifft die Kulturbereiche Theater, Oper, Kabarett, Musikszene und alles, was nur in Mengen und meist in geschlossenen Räumen stattfindet. Die Galerien in Mitte werden wohl überleben können, ihr Besuch mit Maske ist zumindest möglich, sie können wieder handeln und viel des Kunsthandels findet ohnehin längst im Netz statt. Wie Schauspieler, Sänger und Musiker, soweit sie nicht staatlich bezahlt werden, die Krise überleben, wird sich zeigen, ob unsere Ämter sie mit Arbeitsverteilung beschäftigen und von ihrer Kunst wegbringen oder Geduld und Nachsicht zeigen, könnte hier entscheidend sein.

Fragt sich nur, ob dieser Tod der Kultur schon die Geburt einer neuen ist?

Doch das geistige Berlin und die kreative Szene murren zwar, aber sie brodeln weiter und das vielleicht sogar mehr als je. So könnte diese Krise einen innovativen Schub bringen, mit dem keiner gerechnet hat und der das kreative Potenzial dieser Stadt, die nun monatelang und wer weiß wie bald wieder und wie lange noch, auf sich gestellt war, enorm befeuert. Es fehlen einige Formen des öffentlichen Ausdrucks, weil auch Off-Theater nichts aufführen können, nahezu keine Konzerte stattfinden, Massenpublikum noch nicht erwünscht ist, aber die teilweise schon schläfrige und sonst gut gepolsterte Kulturszene der Stadt könnte in dieser existenziellen Krise einen enormen Innovativsschub erfahren. 

Die Besinnung zwingt zur Auseinandersetzung mit sich und seinem Schaffen, was guter Kunst und Kreativität selten schadet. Mit der nun beginnenden zweiten Wellen und den erwartbaren Reaktion nach Rückkehr der Urlauber, die ein neues Risiko bringen, wird diese Phase der Besinnung nochmal bis vermutlich mindestens zum Frühjahr verlängern, was der Hauptstadtkultur, so laut sie jammert, weil alle Darsteller betroffen sind und ihre Häuser, soweit nicht staatlich getragen, vor dem Konkurs stehen, erstaunlich gut tun könnte.

Bin kein Anhänger der notwendigen Dialektik und der Katharsis des Leidens als Voraussetzung großer Kunst - diese braucht zuallererst Freiraum, in dem Könner sich entfalten können und Gönner, die dies tragen wollen, den nachhaltigen Wert erkennen. Doch könnte diese Krise und das mit ihr verbundene Ende vieler Ablenkungen im kreativen Bereich potenzierend wirken, etwas neues freisetzen, was an Innovativkraft dem Geist der 20er gleicht. Die AfD tut mir ihrer Empörung und ihrer gutdeutschen Spießigkeit in allen Verlautbarungen, der Szene damit den größtmöglichen Gefallen. Zum einen kann sich diese als oppositionell definieren, auch wenn das antifaschistische Vokabular, was noch aus DDR-Zeiten stammt, dabei so lächerlich ist, wie diese piefig und staubig war, gleicht eher dem antifaschistischen Schutzwall, sperrt also Gedanken in schlichte Muster ein, was noch niemanden gut tat, zum anderen ist Aufregung und Diskussion das beste, was Kultur passieren kann, um zu gestalten und im Mittelpunkt des Diskurses zu stehen, nachdem sich die rituelle Skandalisierung langsam festgelaufen hatte.

Ob die Berliner Kulturszene sich in der Zeit der Besinnung aus dem Würgegriff mit gnädiger Gießkanne der SED-Nachfolgeorganisation, die sich innovativ Linke nennt, befreien kann und wieder unabhängiger kreativ wird, werden wir bemerken. Es könnte zumindest spannender werden als gut verwaltete rituelle Linksspießigkeit, der alles kreative völlig fehlt und was die Hauptstadtkultur teilweise in eine träge Masse verwandelte und nicht umsonst ist das ZK, der sich Linke nennenden Partei nun direkt neben der Volksbühne, die diesen Kurs mit wenig Innovation trägt, viel erwartbares ablieferte, bis zu den berechenbaren Skandalen der Übernahme. Es ist etwas wie der linke Schrebergarten von Mitte und der Bergbewohner, die gerne nackt und laut im Theater in ihrer schon vorhandenen Ideologie bestätigt werden.

Was würde eine bürgerliche Opposition gegen diese kulturelle Macht der ehemaligen Staatspartei der DDR kreativ auf die Beine stellen, wohin sollte die Bühne der Zukunft weisen, was sind die spannenden Themen jenseits bekannter linker Korrektheit und der so erwartbaren Tabubrüche, die längst gähnen ließen? 

Wie könnte eine neue kreative Gruppe sich jenseits des linken Mainstream etablieren, könnten Jünger oder Davila hier neu gelesen werden oder wächst etwas ganz neues jenseits aller Erwartungen aus der Zeit der Isolation heran?

Das Schreiben und das Denken verändert sich in dieser Zeit, in der wir auf uns geworfen sind und vielleicht wird manchen, die bisher nur Kultur konsumierten, plötzlich klar, wie rituell öde das ganze wurde und das es etwas neues braucht, um wieder im Mittelpunkt des Interesses zu stehen. 

Wurde in den 20ern erstmals das Bühnenbild auch bei Klassikern abstrahiert, könnten wir uns heute fragen, was die wirklichen Fragen der Zeit sind. Wie wichtig die zunehmende Impotenz aus Übersättigung für die Mitte der Gesellschaft wird, bringt das Thema der Sexualität in den Blickpunkt, was zusammen mit einem sich völlig verändernden Bild der Rollen von Männern und Frauen eine entscheidende Rolle spielen könnte. 

Wo bleibt das Gefühl nach der freien Verfügbarkeit im Online-Dating?

Wie echt muss die Sexualität sein, nicht zur Bühnenpornographie zu verkommen?

Was macht die bildende Kunst aus dem eingesperrt sein?

Wie veränderte sich der Ausfluss der Dichter und Autoren?

Zunächst, kann ich von mir berichten, lähmte die Krise und die Ruhe fast, bis sie zur neuen Normalität wurde, total auf sich zurück warf, manche Krisen sogar potenzieren konnte, dann aber wurde langsam deutlich, in welch besonderer Zeit wir gerade leben, Wie berichtens- und bedichtenswert diese auch ist.

Die Berliner Kultur war schläfrig und relativ museal, von seltenen Ausnahmen abgesehen, doch die Krise bietet eine ungeheure Chance wieder ganz vorne mitzuschreiben und mit zu gestalten, aus dieser besonderen Stadt mit ihrem eigenen Tempo, entsprechend der Berliner Langsamkeit, die alle gerne leugnen, indem sie nie Zeit haben. Eine sich traditionell links gebende Kulturszene hatte sich in einer Art Vetternwirtschaft eingerichtet und brachte anständiges und sehenswertes aber nichts neues, was den Schwung der Zeit nutzte.

Nun ist eine andere Zeit angebrochen und es ist möglich, dass Berlin gerade aufgrund der krisenhaften Situation und dem Scheitern vieler etablierter Etablissements aufgrund der Schließung, eine neue freie Energie entfaltet, die kreativ jenseits der Fördermittelanträge ist, weil wir alle auf uns geworfen sind und sehen müssen, wie wir mit dieser Situation der anderen Welt geistig umgehen. Wie wird mit der sozialen Verantwortung umgegangen, wer gibt sich trotzig und uneinsichtig, wo wächst kreatives Potenzial gerade aus der Krise und den Veränderungen, die sie bringt.

Berlin war schläfrig und gut verwaltet geworden, eine ehemalige Staatspartei, die sich gern oppositionell gibt, um zu verdecken, dass sie das Vermögen der SED als Basis hatten, verwaltete die Kultur nach alter Gewohnheit. Unklar nur, warum sich früher oppositionelle Theater kaufen ließen, aber es lebt sich eben gut und sicherer so und es galt ja als Hochkultur, was da abgeliefert wurde, nur innovativ war es nicht, griff nicht den Geist der Zeit auf, der eine AfD entstehen ließ, außer in gewohnten antifaschistischen Mustern, die dem Treiben der DDR eher glichen als modernem Theater in einer Demokratie, also linksspießig nur waren.

Sehen wir Corona als Chance wieder ganz vorne in der Kultur eine Rolle zu spielen, innovativ zu gestalten, statt sich gut verwalten zu lassen, was der Kultur noch nie gut tat. Natürlich ist es etwas gewagt, fast selbstmörderisch sich gegen die traditionellen Muster in der Krise aufzulehnen, neues zu beginnen, um am Puls der Zeit zu sein, aber was wäre Kultur wert, wenn sie nicht aufs Ganze geht, alles riskierte?

So war Berlin lange eine gut verwaltete Stadt, in der die Erben der SED gern kulturell die erste Pfeife bliesen und die Kultur nicht merkte, wem sie da auf den Leim ging - nun könnte sich manches ändern und es beschäftigen sich alle genug mit sich und haben Sex, statt zu tanzen, dass es gute Chancen gibt, hier etwas neues entstehen zu lassen, was die Zeit prägt und mitgestaltet, wie es das Berlin der 20er in großer Freiheit tat, bis der nationalsozialistische Stumpfsinn mit dem beschränkten Österreicher alle Kreativität und Freiheit erstickte. Ein wenig Polarisierung durch fragwürdige vegane Köche und ähnliche Halblichtgestalten kann trotz deren Unterbelichtung dabei nicht schaden, im Gegenteil, es ist der Nährboden der kommenden kreativen Entwicklung, die hoffentlich endlich wieder Wege weist, statt sie erwartungsgemäß vorzubeten.

jens tuengerthal 27.6.20

CoronasophIe

Welche Chancen bietet Corona
Fragt sich jetzt angesichts der
Zweiten Welle von Infektionen
Da uns der Virus sicher noch
Bis ins nächste Frühjahr wohl
Zumindest bis zum Impfstoff
Der seine Zeit eben braucht
Weiter auch beschäftigen wird
Wir unser Leben nun daran
Anpassen müssen um so
Gut wie nur möglich damit
Weiter leben zu können
Die Ressourcen zu nutzen
Welche freigesetzt werden
Dies moralisch richtig zu tun
Ein allgemeines sittliches Konzept
Dafür in Zukunft zu entwickeln
Wird geistig die große Aufgabe
Etwas nicht zu dürfen für eine
Sicher längere Zeit scheint
Zunächst als ein Mangel
Gegenüber dem gewollten
Doch bietet dieser enorme
Chancen für ein besseres Leben
Was notwendiges mit nützlichem
Vereint die Prioritäten verschiebt
Uns zugleich auch auf Mängel
Im ökonomischen System hinweist
Was die Möglichkeit gibt uns nun
Nachhaltig darauf vorzubereiten
Mehr im Home Office zu arbeiten
Was den Lebensstandard ändert
Die eigene Umgebung wird dann
Wichtiger um sich wohl zu fühlen
Was neue Märkte wachsen lässt
Während andere Branchen damit
Schrumpfen müssen weil sich der
Bedarf der Menschen auch ändert
Fragt sich wie eine Volkswirtschaft
Darauf gesund reagieren kann
Wie ohne ständige Krisen künftig
Nachhaltigkeit entscheidend wird
Wie Energie lokal gewonnen wird
Einem vernetzten System das
Dezentral selbständig ist kein
Lockdown sofort mehr droht wie
Dafür die Fleischindustrie sich als
Permanente Risikoquelle erledigt hat
Was neue Märkte wachsen lässt
Die Umstände unseres Lebens
Haben sich dauerhaft geändert
Darüber klagen ändert nichts
Die Chance nutzen dagegen schon
Dies kommt zum Kern der neuen
Coronasophie die konstruktivistisch
Eine Krise als Möglichkeit zur
Veränderung zum besseren nutzt
Sich auf Potentiale konzentriert
Statt Mängel zu kompensieren
Was im alten System gefangen hält
Während die Natur uns längst ihre
Veränderten Bedingungen diktiert
Die wir besser nutzen lernten statt
Erledigtes noch zu stabilisieren
Wer so gestaltet hat viel mehr Kraft
Als die ewigen Bremsklötze aus
Zeiten vor der Krise je bieten
Die neuen Ziele konstruktiv zu
Erreichen streben gibt Spielraum
Zur kreativen Gestaltung darin
Wer dabei philosophisch denkt 
Ist besser auf kommende Krisen
Vorbereitet denn dies war nur
Ein erster Virus der uns schnell
Die Wirkung der Globalisierung
Bei der Verbreitung offenbart
Weitere schlimmere kommen
Darum müssen wir ändern was
Das Risiko potenziert wie auch
Langfristig vorbereitet sein auf
Eine mögliche ähnliche Krise
In der wir mit geistigem Rüstzeug
Weniger panisch reagieren werden
Sondern besonnen und sicher
Die Chancen nutzen können
Welche in jeder Verzögerung liegt
So gibt Corona wie die infolge
Langfristige Veränderung des
Lebens eine große Chance
Sofern wir uns geistig rüsten
Damit die Zukunft zu gestalten
Der sittliche Maßstab dabei ist
Wie zu allen Zeiten richtig der
Kategorische Imperativ womit
Die aufgeklärte Mündigkeit der
Handelnden vorausgesetzt wird
Auch wenn dies vielen noch
Fern zu liegen scheint in ihrem
Unreflektierten Gehorsam bietet
Die Krise die große Chance des
Angemessenen Handelns auch
In der wie für die Gemeinschaft
Warum es richtig ist bestimmte
Freiheiten zugunsten des so
Zu rettenden Lebens auch mal
Beschränken zu dürfen weil
Leben über allem stehen muss
Wie unsinnig das Argument ist
Ein Innehalten gefährde auch
Leben weil es die Fehler im
System als Argument nimmt
Dieses weiter zu erhalten
Was jeder Logik entbehrt
Sondern nur darauf hinweist
Wo es im System Probleme
Wie Reformbedarf noch gibt
Die moralische Begründung
Warum um jeden Preis die
Entscheidung über Leben
Nicht an bloßer Möglichkeit
Der Versorgung liegen darf
Stellt wichtige ethische Fragen
Die zu beantworten eine große
Chance bietet sich über das
Verhältnis zum Tod klar zu werden
Letzte Fragen zu beantworten
Die vorher theoretisch nur waren
Dies geistige Potential der Krise
Nutzen wie umsetzen bietet
Der Philosophie eine Chance
Wieder auch gestaltend an
Gesellschaftlicher Entwicklung
An erster Stelle teilzunehmen

jens tuengerthal 26.7.20

Sonntag, 26. Juli 2020

Wellenweise

Lange wurde nur gemunkelt
Über die drohende 2. Welle
Von Corona nun ist sie da
Die Zahl der Infektionen steigt
Was mit Urlaubern aus den
Risikogebieten geschieht ist
Dabei noch völlig unklar
Viel zu früh fühlten sich viele
Sicher wollten Urlaub machen
Wie immer und lang geplant
Großbritannien preschte vor
Gemeinsam mit Norwegen
Ordneten sie Quarantäne an
Für alle Spanien Heimkehrer
Wären wir irgend vernünftig
Wüssten wir was nun droht
Steigende Infektionen schon
Bevor Menschen zurück sind
Alles gibt sich erstmal überrascht
Als hätte noch keiner vorher was
Vom exponentiellen Wachstum gehört
Hoffen wir auf ein Umdenken bevor
Wieder zu viele sterben müssen
Urlaub zuhause wird die neue
Perspektive der Verantwortung
Nächstes Jahr reden wir weiter 
Wenn ein Impfstoff Sicherheit gibt
Bis dahin können wir viel sparen
Es uns hier schöner machen
Statt in die Ferne zu streben
Vielleicht merken die Menschen
Wie schön es zuhause sein kann
Wird es viel besser als erwartet
Bringt Corona ein Umdenken
Es könnte der Welt wie uns
Besser tun als je vorstellbar
Genießen wir was ist wie es ist
Dann wird alles gut so sein

jens tuengerthal 26.7.20

Samstag, 25. Juli 2020

Berlinsexy

Ist Berlin wirklich sexy und was macht es wenn dazu?

Berlin sei arm aber sexy stellte der frühere regierende Bürgermeister Klaus Wowereit einmal fest und prägte damit einen wichtigen Begriff, der bei vielen hängen blieb, zum geflügelten Wort im Gespräch über die Stadt wurde, viele Menschen hierher zog.

An der Armut hat sich bis jetzt nicht viel geändert, die Menge der Menschen in der Stadt wächst weiter, die der Arbeit außer der öffentlichen nicht proportional. In der Corona-Krise hat, was Berlin lange für viele anziehend gemacht hat, die Club-Szene zu sterben begonnen und noch kann keine Entwarnung gegeben werden. Es könnte also düster werden und die Zukunft schlecht aussehen, wenn Berlin eine seiner größten Attraktionen verliert, zumindest langfristig nicht öffnen kann.

Ist die Stadt dann immer noch sexy oder am Ende nur noch arm und auf immer mehr Hilfe angewiesen, ein ewiger Sozialhilfeempfänger, der nicht konstruktiv wirtschaften kann?

Es fehlt zwar etwas ohne die Clubs aber nie schien Berlin aktiver auf Partnersuche zu sein als gerade im aktuellen Chaos, betrachte ich die vielen Dates in den Cafés und rechne ich die eigenen Erlebnisse in dieser Zeit außerhalb der Zeit mit. Eine Stimmung, die etwas unwirtlich ist, die anfänglich zu Dates in Parks verführte, beim Wein oder Tee, was ich immer noch deutlich bevorzuge, weil die Bars und Cafés diesbezüglich überschätzt werden und meist weniger schnell natürliche Nähe zulassen als eine Bank im Park aber auch die Cafés sind von den sichtbar noch unerfahreneren Suchenden wieder gut gefüllt, alles sucht nach Abwechslung und viele sind in dieser Situation noch paarungswilliger als zuvor.

Diese Stimmung ist dem aufmerksamen Beobachter, was der Flaneur in der Stadt ja immer sein sollte, spürbar. Über all diesen immer wieder, wenn leider auch vermutlich genauso oft scheiternden, Paarungsversuchen schwebt eine große Sehnsucht nach Nähe, gelegentlich vielleicht auch nach Ankommen und Gefühl, immer aber untergründig nach Sex, auch wenn es viele nie aussprechen und sich lieber in altbekannten Floskeln der gegenseitigen Erkundung ergehen, die meist schnell beide langweilen, wie nicht zielführend sind.

Natürlich ist jede Konstellation anders und wird Mann, wenn er mit zumindest geringen Mengen an Verstand gesegnet ist, versuchen, auf Frau einzugehen, sie bewundern, etwas anschwärmen, wie sehr er dabei spielerisch übertreiben darf, ist wohl auch eine Typfrage und dem einen gehen die schönen Worte leichter über die Zunge, der andere sollte sich vorher einen Plan machen und vorm Spiegel lockere Komplimente üben, die Wesen und Geist des Gegenübers angemessen sind, aber das Thema Sex ist meist beflügelnder noch und schafft eine entspannte Nähe, sofern es nicht mit platten Fragen vorprescht, bei der jede irgendwie interessante Frau nur die Augen verdrehen kann, wenn nicht schon ihr Hormonhaushalt durch den bloßen Anblick ihres Gegenübers jeden Boden unter den Füßen verlor, wovon aber besser keiner ausgehen sollte.

Über Sex nüchtern und wissenschaftlich zu reden, was halb desinteressiert aber dennoch professionell und erfahren klingt, ist nach meiner zugegeben relativ geringen Erfahrung immer das effektivste Mittel die Stimmung zu entspannen und sich irgendwie anzunähern, aber hier geht es ja weniger um Datingtipps für leidende Singles oder persönliche Erfahrungen als um die Stimmung, die in dieser armen Stadt, in der immer mehr um ihre irgend Existenz ringen, sexy sein könnte und damit einen Beitrag zum relativ erhöhten Beischlafkoeffizienten gegenüber anderen Regionen bringt.

In den 20ern als die Stadt weltweit als sexy galt, ein Zentrum der Kunst war, die sich hier in wilden neuen Formen entfaltete, war es das neue Tempo dieser Großstadt, die gerade erst durch Eingemeindung zur riesigen Metropole geworden war, der Berlinbeschluss für Insider, was sie sexy und attraktiv für viele machte. Manche rasen immer noch durch die Stadt, versuchen alles zu sehen und wundern sich, wenn sie nichts vom Sex-Appeal mitbekommen haben, weil der heute gerade auch in der Verzögerung liegt.

Natürlich hat, wer wichtig ist, nie Zeit, hetzt von einem Termin zum anderen, um überall seine eminente Bedeutung bestätigt zu bekommen, was aber im Ergebnis selten zu einem glücklichen erfüllten Leben führt, sondern höchstens zu einer großen Karriere mit zunehmender Impotenz. 

Was macht das Leben in dieser Stadt anders und was ist besonders sexy daran?

Es ist die Ruhe mit der Menschen um nahezu jede Uhrzeit vor oder in Cafés frühstücken oder direkt daneben ihren Wein zum Feierabend genießen, nach einem vielleicht hektischen Arbeitstag. Da sitzen sie gemeinsam vor den Cafés oder in den Parks, vor den Spätis und schlürfen ihre jeweiligen Getränke und plaudern dabei und genau das ist vermutlich einer der Schlüssel zum Verständnis der Stimmung, die innehält und in einer Zeit ewiger virtueller Verfügbarkeit, sich die Zeit nimmt, den Augenblick zu genießen, ein wenig zu träumen und einfach da zu sein, auch wenn es natürlich kaum einer zugibt.

Vermutlich gibt es in Berlin so viele schlechte Liebhaber und Liebhaberinnen wie überall auf der Welt, machen die meisten Menschen nie die erfüllende, selige Erfahrung eines schönen Sexlebens und verkehren nur sexuell miteinander, weil es eben dazu gehört und erledigt werden muss. Dies ist schon beim ersten Date erkennbar und wie oft denke ich, wenn ich an den Cafés vorüber flaniere, spart es euch doch, so wird es nur für beide Seiten frustrierend, macht es richtig, lasst euch ganz darauf ein und genießt, was sein kann, weil die Stadt in ihrer verzögerten Existenz, die immer noch irgendetwas hinterherläuft, den idealen Nährboden dafür bietet, frei genug ist.

Die Freiheit ist ein wichtiger Schlüssel, warum auch das lockere Gespräch über Sex und seine Umsetzung so wichtig ist, eine entspannte irgendwie schon sexuelle Atmosphäre schaffen kann, was heute auch für Mann immer eine Gratwanderung sein kann, damit sich bloß niemand belästigt fühlt, empfiehlt es sich, ganz nüchtern fast wissenschaftlich mit offenen Karten zu spielen, um zu sehen, was möglich ist und sich ergibt, statt altem Versteckspiel weiter zu huldigen. Noch wichtiger aber ist die Freiheit im Lebensstil und miteinander, die eine solch sexy Atmosphäre viel leichter kreieren kann als das Anerkennungsstreben einer formelleren Gesellschaft, in der Menschen weniger sind, wie es ihrer Natur entspricht.

Das wunderbare an Berlin, was es vielen anderen Städten voraus hat, hier kann jeder sein, wie er will und es gibt weniger formale Grenzen, wer wo hin geht und was dazu trägt, um anerkennt oder ausgegrenzt zu werden, es ist nahezu alles irgendwie überall möglich und so kann jeder kommen, wie es einem gerade am besten entspricht und sich seiner Natur nach geben, was den meisten am ehesten liegt und auch den natürlichsten Weg zu einer erotischen Begegnung eröffnet. Was jeder kann, macht noch nicht jeder, viele verkleiden sich dennoch, um seltsamen Ansprüchen zu genügen und was normal ist, unterscheidet sich auch von Kiez zu Kiez ein wenig, aber grundsätzlich ist die Toleranz hier größer als irgendwo sonst, ob ich im Smoking oder eher abgerissen irgendwo erscheine, spielt keine Rolle und wen es stört, der hat den besonderen freien Geist dieser Stadt noch nicht verstanden, kann es eben noch nicht ganz genießen. Amüsanterweise erinnert die Art der Damen sich zu schminken und zu kleiden in Charlottenburg oder Wilmersdorf bis nach Dahlem hinau eher an Düsseldorf und München aber auch das darf hier sein.

Passiert etwas außergewöhnliches, in egal welche Richtung, heißt es dazu schlicht, dit ist eben Berlin, keiner regt sich auf alle lachen und es geht weiter, als wäre nichts passiert. Diese Gelassenheit gegenüber dem Chaos, ist es die Berlin auch so sexy macht und die nichts zu ernst nimmt und wenn etwas daneben geht, dann geht es eben morgen irgendwie weiter, vielleicht mit kleinem Kater aber eben weiter wie immer, weil es ja immer weitergeht in dieser Stadt, als wäre nichts passiert. Kurzzeitige kollektive Betroffenheit ist hier eher die Ausnahme und so hat die Schließung der Clubs, trotz peinlicher Demo dagege, Berlin nicht weniger sexy gemacht sondern im Gegenteil nur das Areal, in dem sich Menschen sonst austoben und ablenken beschränkt, es kommen weniger Touristen, was die Kassen der Stadt empfindlich trifft aber den Berliner erstmal nicht stört, im Gegenteil, dafür haben Menschen mehr Zeit, sich miteinander und dann auch mit Sex zu beschäftigen.

Während in den 20ern ein Franz Hessel sich als Flaneur noch als radikalen Gegenpol zur rasenden und geschäftigen Stadt darstellte, ist der Flaneur heute nicht mehr der rasenden Stadt hinterher, auch wenn manche immer noch meinen, sie müssten hektisch tun und kämen mit ihrer Arbeit nicht hinterher, wobei lautes Klagen über Überforderung ohnehin eine märkische und berlinische Spezialität ist, wie uns schon Fontane lehrte, sondern ihre reinste Verkörperung, lebt, was sie sexy macht und damit der echte Genießer dieser Stadt jenseits der Zeit, die noch ärmer gerade wird aber denen in ihr, mangels anderer Ablenkung, auch noch sexyer sein kann, wenn sie sich darauf einlassen, zu sehen was ist und nicht, woher sie auch hierher kamen, denn irgendwie kommen ja fast alle hier irgendwo her, nur die schlechte Gewohnheit des Klagens und der permanenten Überforderung übernehmen, die schon immer hierher gehörte, ohne dass sie einer zu ernst nähme.

In Berlin muss nichts, aber alles kann und das ist eigentlich sexy genug, ein Leben in Ausschweifungen zu genießen, denn was könnte je mehr sein?

jens tuengerthal 24.7.20