Montag, 3. August 2020

Bücherleben

Lebe mit Büchern zusammen
Sie sind die zuverlässigsten Freunde
Treffe sie nach jeweiliger Stimmung
Wir unterhalten uns immer angeregt
Wird mir eines langweilig lasse ich es
Solange liegen bis die Lust kommt
Darin weiter zu lesen weil es nun
Gerade zu meinen Gedanken passt
Früher las ich Bücher nacheinander
Kam ich in einem nicht mehr weiter
Las ich so lange eben nicht mehr
Infolge natürlich viel weniger auch
Heute nehm ich einfach ein anderes
Aus den mich umgebenden Stapeln
In denen sich immer etwas findet
Falls ausnahmsweise doch nicht
Gehe ich an die Regale um dann
Nach Laune eines zu nehmen
Was gerade gut zu mir passt
Lektüre muss nicht erledigt werden
Sie ist eine mich bereichernde Lust
Die früher Scheu bloß nicht zu viele
Bücher auf einmal zu lesen habe ich
Durch die Lektüre von Montaigne
Verloren der ebenso eklektisch 
Nach Laune auswählt was gefällt
Seinen Gedanken nützlich ist
Weil Bücher für mich Reisen sind
In die dort beschriebenen Welten
Wechsel ich Ort Stimmung und Geist
Nach dem was mir gerade entspricht
Schlage ich dann ein Buch wieder auf
Beginnen wir die Unterhaltung dort
Wo wir beim letzten mal unterbrachen
So lebe ich mit den Büchern und sie
Zugleich nach meinen Launen mit mir
Nichts muss erledigt werden mehr
Dafür werden Gespräche fortgesetzt
Ohne dabei den Faden zu verlieren
Oder Nichtigkeiten auszutauschen
Wie es beim Wiedersehen üblich
Wenn wir uns formelhaft unterhalten
Reisen ist darum für mich nervig
Müsste entscheiden welche Bücher
Mitzunehmen sind und zu meiner
Dann Stimmung gerade passen
Was meistens dann nicht da ist
Oder ich nehme viel zu viel mit
Verstehe heute weshalb Montaigne
Sich in seinen Turm völlig zurückzog
So lasse ich mich von dem anregen
Was gerade am besten zu mir passt
Die Gedanken lesend weiter trägt
Warum Lesen und Schreiben für mich
In einem engen Zusammenhang steht
Gerne lese ich kleine Abschnitte nur
Um dann im nächsten Buch wieder
Einige Seiten zu verschlingen die
Den Gedanken Flügel zum nächsten
Verleihen was weitere Welten öffnet
Flaniere dabei lesend durch Zeiten
Wie Räume zugleich die beflügeln
Zusammenhänge mir offenbaren
Die Welt immer neu eröffnen
Manchmal fragen mich Besucher
Ob ich all die Bücher gelesen hätte
Lache dann nur und sage fast nichts
Was nahezu der Wirklichkeit entspricht
Tatsächlich lese ich wenige zu Ende
Auch um kein Ende lesend zu finden
Aber in vielen immer wieder gerne
Manche auch zum wiederholten male
So sie mir auf die eine oder andere Art
Neu oder anders interessant erscheinen
Lese etwa den Montaigne heute
Ganz anders als in den neunzigern
In denen meine Ausgabe erschien
Entdecke im Zauberberg immer neue
Bisher übersehene Details was auch
Für die Dinge der Natur von Lukrez gilt
Es ist ein Wiedersehen alter Freunde
Doch fragte mich jemand ob ich den
Lukrez oder den Montaigne kenne
Bis zum Ende verschlungen hätte
Würde ich nach dem Gefühl sagen
Nie nur ein wenig darin gelesen
Eben hier und da wie es passte
So ändert sich vermutlich nichts
Von dem was Montaigne schrieb
Aber für mich scheint es immer so
Weil ich ihn meiner Entwicklung nach
Unterschiedlich lese und dank meiner
Manchmal gnädigen Vergesslichkeit
Wie neu wieder wahrnehmen kann
Auch wenn ich ihn wie Lukrez häufig
Ohne es zu beabsichtigen zitiere wie
Durch seine Gedanken angeregt
Texte schreibe aus denen ich ihn höre
Weit unter seinem Niveau natürlich
Dazu fehlt mir die klassische Bildung
Ähnlich geht es mir auch bei Diderot
Der vielbändig hier herumsteht aber
Immer nur ausschnittsweise gelesen
So kann ich über manches reden
Was meine Gedanken gut ergänzt
Aber habe doch wenig ganz gelesen
Sondern werde im Leben mit Büchern
Mit zunehmenden Alter immer unsteter
Wollte ich früher alle Klassiker mal lesen
Habe ich solche Ziele längst aufgegeben
Bin froh wenn ich weiß wo ungefähr was
Die Gedanken ergänzendes steht
Lebe mit den Büchern und gestehe
Die wenigsten ganz gelesen zu haben
Dafür in immer mehr eingetaucht zu sein
Als beschränkter Abschnittsleser der
Nichts lesend zu erledigen hat sondern
Sich mit Büchern nur launig unterhält
Wie andere im Café plaudernd sitzen
Wo ein Gedanke zum nächsten führt
Neue Wege miteinander beschreiten
Die uns unklar wohin führen werden
So habe ich das Leben im Café nun
Gegen das im Bücherturm getauscht
Frage mich was sonst reizen sollte
Habe alles da und bin zufrieden im
Leben mit den Büchern um mich
Frage nicht mehr was mir fehlt
Habe ein Leben mit Büchern
Mehr findet sich nirgendwo

jens tuengerthal 2.8.20

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