Freitag, 31. Juli 2020

Bücherzeitreisender

Wie wenig ich in die Welt muss
Die in meiner kleinen Bibliothek
Vollständig genug steht habe ich
Schon wiederholt geschrieben
Spannender aber als die nur
Räumlichen Reisen sind doch
Die Zeitreisen die ich zu gerne
Mit wenigen Schritten am Regal
Im langen Flur unternehme das
In Ausgaben und Werken viele
Jahrhunderte umspannt von vor
Der Weimarer Klassik bis in die
Gegenwart teilweise sogar auch
Wenn diese an Bedeutung oft
Vielfältig vom Markt überschätzt
Nur wenige Meter voneinander
Kann ich mit einem Griff eben
In verschiedene Epochen tauchen
Von der Antike zur Renaissance
Von der Aufklärung in die Romantik
An realen und phantasitschen Orten
Plötzlich ganz real präsent sein
Unabhängig von allen Zeiten dann
In die Sprache der Autoren eintauchen
Wozu mir als Zeitreisenden ein paar
Schritte in meinem Flur genügen
Was bin ich doch für ein glücklicher
Mensch als Leser denke ich der
Nach Laune alle Schranken eben
Seiten umblätternd überwindet
Die Welt und alle Zeit zusammen
Auf wenigen Metern schön gebunden
Ein ruhiges Paradies dem Leser

jens tuengerthal 31.7.20

Kurzschluss

Für viele Gebiete in Spanien gilt
Inzwischen wieder eine Warnung
Des Auswärtigen Amtes dort nicht
Hinzureisen der Corona-Gefahr wegen
Viele geben sich noch überrascht
Als wüssten wir nicht alle längst
Die Zahlen steigen wieder womit
Die zweite Welle begonnen hat
Als sei Urlaub wichtiger als Leben
Meinen manche dennoch aber für
Mallorca gelte es doch noch nicht
Was sogar seriöse Nachrichten
Leider öffentlich bestätigen als ob
Wir es nicht alle besser wüssten
Vom gerade letzten mal erst was
Keine halbes Jahr nun her ist
Es ist dies kein Urlaubsjahr mehr
Stattdessen wird über Testpflicht
Am Flughafen noch diskutiert
Als wüssten wir nicht aus Erfahrung
Was exponentielles Wachstum heißt
Staune ich über den Kurzschluss
Vieler sobald es um Urlaub geht
Hört scheinbar das Denken auf
Die Tourismusindustrie gibt sich
Ahnungslos dabei sollte sie längst
Erkannt haben die Zeiten sind nun
Andere und darauf sollte endlich
Angemessen statt mit Kurzschluss
Wieder weiter wie zuvor reagiert werden
Es gibt kein weiter so heute mehr
Unser Leben wird sich ändern müssen
Corona ist nicht die letzte Plage die
Sich in globaler Welt schnell verbreitet
Lernen wir langfristig endlich umdenken
Schaffen wir konstruktive Alternativen
Die Urlaub in der Ferne ersetzen
Machen langfristig gedacht endlich
Das Hierbleiben zum guten Luxus
Richten wir uns schöner dafür ein
Nehmen wir uns Zeit für bleibendes
Es könnte am Ende schöner sein
Wer langfristig denkt steigt heute
Bereits vom Tourismus um auf
Einrichtung und Luxus morgen
Besser wäre die Bundesregierung
Verpflichtete alle Urlauber nach
Flugreisen zu 2 Wochen Quarantäne
Wie verpflichtenden Tests danach
Das Risiko für andere zu minimieren
Schneller zu sein als letztes mal
Die Briten machen es uns vor
Hinterher wieder jammern wir hätten
Wochen vorher reagieren müssen
Ist genauso ein Kurzschluss nun
Lieber vorsichtiger vorher wie es
Neuseeland vorbildlich vormachte
Wagen wir doch einfach mal zuerst
Vorbildlich und klug zu reagieren
Statt zu spät mir nur Kurzschluss
Als Reaktion auf vorhersehbares
Schrieb ähnliches schon vor Wochen
Langsam reagiert die Regierung auch
Hoffe sehr es geht diesmal schneller
Weiter vorausschauend mehr Leben
Vorab zu retten statt zu riskieren
Lieben wir mehr statt zu reisen
Es könnte lustvoller werden

jens tuengerthal 31.7.20

Ausschlussunsinn

Die SPD versucht mal wieder
Thilo Sarrazin auszuschließen
Füllt damit das Sommerloch
Weil gerade nichts sonst los ist
Berichten alle aktuell darüber
Als hätte das Parteigericht hier
Rechtlich weitere Wirkung noch
Sagte nur was nicht alle längst
Wissen dass er der Partei nur
Peinlich ist sie ihn gern los wäre
Doch wird sie vor Gericht damit
Keinen Erfolg haben können
Weil die Hürden dafür hoch sind
Was Sarrazin an Meinung vertritt
Als Autor den die neue Rechte
Dafür nicht genügend danken kann
Fraglich bleibt warum die Partei sich
Auf den teuren Rechtsstreit der
Wie der Autor ankündigte folgt
Überhaupt jetzt wieder einlässt
Statt Ruhe zu geben und lieber
Antworten auf politische Fragen
Für die Zukunft wieder zu geben
Bedauerlich daran ist vor allem
Dass der SPD nichts besseres
Einfällt Aufmerksamkeit zu finden
Es wird noch Jahre weitergehen
Auch wenn ich dessen Thesen
Als rassistisch ablehne halte ich
Diese zu große Aufmerksamkeit
Für das größere Problem die so
Aus einer Mücke einen Elefanten
Macht der sich genau danach sehnt
Schlagzeilen zu bekommen die
Den Verkauf der Bücher erhöhen
Für parteiinternen Beifall vom stets
Zu lauten linken Flügel wird hier ein
Albernes Schauspiel inszeniert
Wie gut dies nicht mehr als Mitglied
Mittragen zu müssen denk ich mir

jens tuengerthal 31.7.20

Orgasmuss

Ist der Orgasmus ein muss
Seltener Zufall für manche nur
Völlig überschätzt im Alltag
Grund für viele Lügen noch
Der schönste Weg zum Glück
Nur eine Variante beim Sex
Der aus vielmehr besteht
Fragen sich wohl viele mit
Völlig verschiedenen Antworten
Zwischen Frauen und Männern
Bei denen sich viel vorgespielt
Wird um sich glücklich zu machen
Wie seine Ruhe davon zu haben
Langsam wird auch die Forschung
Zum nervus pudendus öffentlich
Die weibliche Potenz verständlich
Machte statt Mythen zu erzählen
Von G-Punkten und anderem Unsinn
Die mehr verunsicherten noch als
Echte Befriedigung je zu schenken
Uns Männer staunend bewundern lässt
Welch Wunder die Frau nach ihrer
Verehrten und geliebten Natur ist
So gibt es verschiedene Wege zum
Glück zusammen je nach jeweils
Körperlicher Anlage der Beteiligten
Die zu erforschen Glück genug wäre
Wagten wir den Weg offen zu gehen
Statt unter dem Zwang des Orgamus
Kommen meinen zu müssen was
Immer das sicherste Hindernis dafür
War sich nur ineinander zu erschöpfen
Statt einander ganz zu genießen wie
Natur es uns frei gern ermöglicht
Wohin zu gelangen aber jeder Zwang
Wie Anspruch hinderlicher ist als
Gemeinsamen Genuss je brächte
Weil es vielleicht nicht alleine darauf
Ankommt zusammen zu kommen
Zeitlicher Zufall der Koinzidenz
Aber sich beschenken zu können
Gegenseitig voller Harmonie dabei
Statt sich etwas nur vorzumachen
Was mehr nach Zwang doch klingt
Als nach Lust so wie manche gern
Die besten überall sein wollen statt
Den Augenblick zu genießen macht
Der Zwang zum Schauspiel unfrei
Wie ich es über Jahre mit der Schönsten
Die immer die Beste sein wollte dabei
Erleben musste und durfte was ich
Für das Paradies lange hielt bis die
Natur mich lehrte es war die Hölle
Von Scheinwelt und Schauspiel nur
Geboren aus virtuellen Welten allein
Was zu überwinden ein Glück wäre
Sich am Genuss miteinander freuen
Ohne Muss und Zwang ist wohl die
Schönste Form des miteinanders
Aus dem alles übrige alleine fließt
Auch über miteinander dann wohl
Befreit von jedem Glück dafür eins
Mit sich und des anderen Natur
Ist der schönste Höhepunkt erreicht
Mehr kann scheint es mir heute
Im Leben nicht erreicht werden
Orgasmus kann und muss nie

jens tuengerthal 31.7.20

Donnerstag, 30. Juli 2020

Liebeszuverlässigkeit

Was ist meine Liebesbilanz nach
Bald fünfzig Jahren die ich nun schon
Auf der Suche nach dem Glück bin
Fragte ich mich und dachte außer
An meine Tochter die wirklich ein
Kind der Liebe geworden auch
Wenn diese Liebe wie manche 
Im Nichts längst verschwand
Längst keine Wunde mehr ist
Lebt sie weiter und überlebt
So zumindest hoffe ich sehr
Weil es so in der Natur liegt
Ihren Vater auch glücklich noch
Mit irgendwie liebevoller Erinnerung
An einen Suchenden der Liebe
Der ich immer war und bleibe so
Liegt nahe dass zählt was blieb
Die Felsen in der Brandung
An denen sich die Wogen brachen
Nach allen Stürmen noch da waren
Jene Leuchttürme auch im Dunkeln
Schaute um mich und wusste nun
Komme was wolle am Ende zählt
Wer blieb und im Sturm da war
Orientierung dem Seemann gab
Alles andere verweht die Zeit
Wie die geküssten Schösse
Die allerschönsten Brüste noch
Die angebeteten Göttinnen auch
An die der Atheist nicht glaubte
Auch wenn er es lange meinte
Weil Träume so real erscheinen
Was bleibt wird zählen weiß ich
Werde nicht weiter bilanzieren
Bevor das Ende irgendwann dann
Relativ sicher sein wird weil zählt
Was zuverlässig war und blieb
Alles andere wird nicht mehr sein
Als eine Illusion der Erinnerung
Im Meer der gezählten Lieben
Weil weniger kalkulierbare Nummern
Irgendeine Bedeutung noch haben
Sondern allein was blieb da ist
Denke ich beruhigt und lasse
Die Stürme sicher im Hafen
Ohne Sorge vorbeiziehen weil
Stürme kommen und gehen
Nur was bleibt ist immer da
Auch wenn nie wirklich vielleicht
So doch zumindest als Ideal
Was zu wissen Sicherheit genug
Denn bei aller Liebe zählt doch
Am Ende nur die Zuverlässigkeit

jens tuengerthal 30.7.20

Berlinerotik

Wechsele im Augenblick gerne zwischen Jens Biskys, Berlin, Biographie einer großen Stadt und Rudolf Borchardts Weltpuff Berlin, was ein historisch wie literarisch besonderes Wechselspiel ist, was zusammen ein großes Bild der Stadt gibt. 

In beiden Büchern geht es zentral um Berlin und die besondere Erotik und Ausstrahlung dieser Stadt, der sich Bisky kulturhistorisch mit weitem Blick und möglichst undogmatisch nähert, während Borchardt sich der Stadt literarisch annimmt, sie zum Schauplatz macht, der mit dem Skandal spielt, aber mehr noch die romanhafte Autobiographie eines aus besten bürgerlichen Verhältnissen stammenden Berliners ist.

Bei Bisky habe ich das späte wilhelminische Kaiserreich, den 1. Weltkrieg, die Weimarer Republik und ihre Krisen bereits weitgehend hinter mir in der Lektüre und las gerade von Goebbels Aufstieg, den Hitler beauftragte die Bewegung in Berlin zu stärken, was durch ständige Randale, wiederholte Provokationen und weitere Polarisierung auch gelang. Warum der Aufstieg der NSDAP kein Zufall war, sondern strategisch geplant und wo die Demokratie dabei wie versagte. Rasant neue Aspekte bringt Bisky nun nicht und wer die deutsche Geschichte  ein wenig kennt, dem wird vieles bekannt vorkommen. Interessant dabei aber ist, wie Bisky betont, das Berlin rot war, auch wenn die Mehrheit in Preußen wie in Berlin demokratisch blieb und der Zuwachs der Radikalen sich auf bestimmte Gebiete beschränkte. Er blendet das bürgerliche Berlin und seine Opposition gegen die sogenannte Machtergreifung dabei bisher relativ stark aus, was sicherlich auch biographisch bei ihm verständlich ist, aber weder einem Joachim Fest noch einem Sebastian Haffner gerecht wird, die eines anderen belehren und wofür später nicht nur aber auch ein Dietrich Bonhoeffer stand.

Relativ neutral berichtet Bisky von dem unguten Bündnis zwischen Kommunisten und Nationalsozialisten beim Generalstreik, der weiter half die Weimarer Demokratie zu unterminieren und die Verhältnisse zu destabilisieren, womit die Radikalisierung beschleunigt wurde, wie Goebbels und Thälmann ungut zusammenwirkten, nur am Rande aber ist vom bürgerlichen Leben die Rede und welche Rolle es spielte, warum die nicht unbegründete Angst vor dem sowjetischen Einfluss und dem von dort geplanten völligen Umbau der Gesellschaft, der eine Zerstörung des Bürgertums mit sich brachte, eine große Rolle beim Erstarken der NSDAP in diesem Milieu spielte, mehr dagegen von den Arbeiteraufständen im roten Wedding und dem kommunistischen Widerstand gegen die Faschisten.

Die gediegene Welt des feinen Westen, in dem das Bürgertum wohnte, wurde zwar in ihrer Entstehung thematisiert und auch bei der Eingemeindung nach Groß-Berlin aber es fehlt im Prozess der Radikalisierung der genaue Blick auf das Problem und seine Entstehung. Auf die Angst einer wohlständigen Welt, alles zu verlieren, die damals viele die Nationalsozialisten und den österreichischen Gefreiten als das kleinere Übel sehen sah, zumal über allem ja Hindenburg scheinbar wachte. Bisky thematisiert mehr die Ermordung von Liebknecht und Luxemburg aber weniger, welche Gefahr die Unruhestifter waren, die eine Räterepublik wollten, gegen die Meinung der Mehrheit, er hält die Solidariserung eines Albert Einstein mit einem Aufruf der radikalen Linken kurz vor Ende der Republik für bedeutender als sich mit den Ursachen der Radikalisierung zu beschäftigen, welche die plötzliche Verbürgerung der anderen Radikalen brachte, die nach zu langen inneren Kämpfen Ruhe versprachen.

Es gibt keine Rechtfertigung für die Blindheit der Deutschen gegenüber diesem Hitler, dem viele  ohne kritisches Denken folgten, weil sie sich von der Mischung aus nationalen und sozialistischen Gedankengut faszinieren ließen aber es verkennt die Verhältnisse, wenn die auch existenzielle Angst vieler Bürger vor der roten Gefahr ausgeblendet wird, um den Verbrecher Hitler gewohnt zu inszenieren.

Wer noch Gespräche mit der älteren Generation führte - da hatte ich doppeltes Glück, mit meinen Großeltern väterlicher wie mütterlicherseits sprechen zu können, deren Verhältnis zur eigenen Geschichte meiner Generation gegenüber entspannter war, als noch mit ihren Kindern, von denen einige ihren Eltern 68 den teils nicht unberechtigten Vorwurf der Mittäterschaft oder des Schweigens gemacht hatten, ohne damit aber einen Diskurs in Gang zu bringen - konnte feststellen, wie sich deren Sicht auf die eigene Geschichte und deren Darstellung mit der Zeit veränderte. Wurde am Anfang noch gelegentlich etwas gerechtfertigt, etwa mit den Autobahnen, dem wirtschaftlichen Aufschwung, den schönen olympischen Spielen und ihre Inszenierung durch Riefenstahl, dem gekränkten Nationalstolz nach dem verlorenen Krieg und manches mehr, suchten sie später, sich rein zu waschen von der Schuld der anderen, bei Fortdauer der nationalkonservativen Überzeugung, waren irgendwann immer mehr in irgendeinem Kontakt mit dem Widerstand oder hatten zumindest ein jüdisches Ehepaar versteckt, worüber den Kindern gegenüber noch geschwiegen wurde.  Es gab einen bürgerlichen Widerstand und mehr Antipathien gegen diese billigen Parteileute, als lange bekannt war und es ist die Mitte der Gesellschaft, die entscheidend die Stabilität tragen muss, deren Radikalisierung ist der Anfang des Problems und deren nichtberücksichtigte Ängste waren die Quelle der Spaltung der Gesellschaft. Daran sollten wir heute auch denken, wenn es darum geht, wie dieses Land künftig geeint werden soll.

 Es ist sicher auch das Verdienst von Marion Dönhoff und ihrem publizistischen Wirken gewesen, dass der Widerstand eine andere Rolle bekam, sich von der angeblichen Schande und dem Verrat befreien konnte, als den ihn der mörderische Richter Freisler inszeniert hatte. Erinnere mich noch, wie mein Großvater mütterlicherseits, der sicher kein Nazi war, sogar empört aufstand, wenn sich Parteigenossen ihrer Verdienste lobten, etwa am 9. November 1938, dem vielfältigen deutschen Datum an dem auch Goebbels seinen langen Weg nach Berlin begann, was schon als gefährlich auch galt, aber merke daran auch mein eigenes Bedürfnis nach Rechtfertigung und Erklärung. Zumindest das Bedürfnis nach einer Erklärung und Rechtfertigung führt weiter als die Ignoranz oder Verharmlosung der Geschichte und so gesehen ist bei großen Teilen zumindest die Sensibilität gewachsen.

Diese bürgerliche Welt beschreibt Bisky nicht als Teilnehmer sondern als bloßer Beobachter und verkennt darum wohl entscheidende Gründe für den Absturz der Weimarer Republik, wie es bisher scheint. Natürlich kennen alle die Geschichte vom Reichstagsbrand, wer auch immer nun wirklich dahinter steckte, er war ein Geschenk für alle Radikalen und die NSDAP wusste es zu nutzen, während die Kommunisten unklar blieben, lieber die SPD anklagten und als Gefahr beschworen, als die wirkliche Gefahr zu erkennen, die auch ihre Politik verursachte, weil sie Teil des Problems waren.

Tief in dieser bürgerlichen Welt verwurzelt aber ist Rudolf Borchardt, der als junger Protagonist aus seinem auch sexuellen Leben berichtet. Da geht er mit einer seiner Geliebten, die wievielte es auch an diesem Tag ist, mag dahinstehen - und der Leser staunt über die schier unendliche Potenz dieses jungen Mannes, der allerdings auch immer wieder wahren Wundern an Frau begegnet, die alle im nächsten Superlativ die Vorgängerin und alles dagewesene übertreffen,doch schafft Borchardt diese Reihe von Steigerungen immer noch liebevoll aussehen zu lassen, gibt auch der fünften oder sechsten Frau am Tag noch das Gefühl von Einmaligkeit, die nie austauschbar ist, was in Zeiten des Online-Dating und der großen Relativität eine hohe Kunst ist, die kaum einer noch wirklich versteht. Die austauschbaren Liebhaberinnen, die ihm auch zahlreiche Briefe, Telegramme, Nachrichten oder sogar Rohrpost, die schnelle Berliner Errungenschaft, zukommen lassen, um die Einmaligkeit des geteilten Momentes zu beschwören und um das nächste Date mit diesem standfesten jungen Herren zu bitten, der alles aufbietet, jeder zu genügen, sich aber zugleich mit seinem Gewissen plagt, das ihm jeden Tag mahnt, es bis auf eine oder zwei alles zu beenden, was mäßig gelingt - im Adlon Essen, wo seine Eltern kürzlich ihre Silberhochzeit gefeiert haben und Herr Adlon ihn persönlich begrüßt, weil Borchardts natürlich im Haus bekannt sind, was so ganz nebenbei ohne alle Eitelkeit einfließt.

Es ist mir diese Welt aus vielen Erzählungen auch der Großeltern gut vertraut, die wert darauf legten, dazu zu gehören, sich das auch, wie Borchardts nur eben diese auf deutlich höherem Niveau, etwas kosten ließen. Leisten konnte sich den Luxus, wer gut erbte oder fleißig war und gut verdiente. Es ist die Welt, in der selbstverständlich mit Hummerzangen und ähnlichem Werkzeug umgegangen wird, weil es diejenigen als dazugehörig eben auch qualifiziert - es ist, auch wenn Borchardt es wohl um die Zeit schrieb, als die NSDAP in Preußen kleine Zugewinne Ende der 20er Anfang der 30er machten konnte und der Autor längst in wechselnden Renaissance Palästen in Italien lebte und dem Duce seine Dante Übersetzung widmete, aber das nur ganz nebenbei, noch die Zeit des Kaiserreichs, in dem dieser bürgerlich ausschweifende Roman spiel, die Zeit des Zauberberg, wie der losen Sitten im Kaiserreich, der manchen Freund und Berater des Hofes in schlechter Presse untergehen ließ, dem Kaiser sehr nah kam.

Borchardt der nonchalant die Sprachen je nach Diskurspartnerin zwischen englisch, französisch, lateinisch und altgriechisch wechselt, tut dies mit großer Eleganz und malt neben den sexuellen Eskapaden, die aber immer für beide Seiten würdevoll beschrieben werden, nichts pathologisch erniedrigendes haben, wie es manche meinen haben zu müssen, um sich auszuleben, fern den eigenen Ressourcen - aber wem stünde es zu über die Lust anderer zu urteilen, erlaubt ist, was gefällt - ein wunderbares Sittengemälde seiner Zeit und vor allem eines der bürgerlichen Gesellschaft und ihrer Werte, die eben auch immer wieder eng mit Bildung und Wohltätigkeit verbunden sind. 

Der fleißige Student, zumindest fleißig in rasendem Tempo datende junge Mann bewegt sich auf dem Niveau seiner Klasse und spielt damit, während die Eltern kurzzeitig von der Sommerfrische am Wannsee zurückkehren, wo auch Liebermanns ihr Sommerhaus hatten, eine andere wohlhabende jüdische Familie, die aber stärker städtisch sozialisiert war. Der große Maler berlinerte zu gerne und konnte dies auch, wenn er aus seinem Haus direkt neben dem Brandenburger trat, während dies im reichen Westen schon weniger üblich nur noch war. Dort bemühten sie sich zumindest um Hochdeutsch und tun es bis heute, während im alten Berlin auch die alte Mundart eher kultiviert wurde, was bis heute hörbar ist. In Dahlem oder Lichterfelde etwa berlinerte kaum noch einer, während in Prenzlauer Berg oder den ärmeren Teilen der heutigen Mitte, es kaum einer nicht tat, was sich durch starken Zuzug relativierte, dennoch gilt die Pflege des proletarischen hier als Ausweis des Angekommenseins während es im goldenen Westen das feine Hochdeutsch war.

Es berlinert bei Borchhardt mal schlichtes Volk, eine Wirtin, die er abkanzelt und die dann hinter ihm und ihr her laut aus dem Fenster schimpft. Das ist nicht immer so und geht auch anders - Liebermann und Zille waren beredte Beispiele für die Verbindung von Hochkultur und Mundart, aber aus der Sicht des gerade erst eingemeindeten reichen Großbürgertums im Westen war der Dialekt eher etwas, was belächelt wurde.

Bin auch in dieser Hochsprachenarroganz aufgewachsen, wenn auch westlicher. Bei uns wurde natürlich kein Dialekt gesprochen, sehe ich von einigen norddeutschen Wendungen ab, die ich erst viel später entdeckte, oder dem Bochumer Tonfall meiner Großmutter väterlicherseits, den ich nie als solchen erkannte, weil wir ja natürlich Hochdeutsch sprachen und bei allen Streitigkeiten wahlweise der Brockhaus oder Meyers zu Rate gezogen wurden, um sich zu beweisen, wer Recht hat. Dieser Bildungsehrgeiz des gerade erst aufgestiegenen Bürgertums, der späteren Bildungsbürger, hatte für sie den klassenmäßigen Unterschied zum einfachen Volk gemacht, auch wenn es natürlich verpönt war, so etwas laut zu sagen oder auch nur zu denken. Das Beherrschen der Volkssprache des Plattdeutschen hilft dem alten Konsul Buddenbrook noch 1848 die Menge zu beruhigen und die Situation zu deeskalieren aber selbstverständlich wurde im Haus von Konsul Buddenbrook Hochdeutsch gesprochen oder französisch mal parliert.

Es sind feine kleine Beobachtungen, die zwischen den vielen Vögeleien dieses Rudolf auftauchen, die die untergehende Welt des Bürgertums feiern und noch einmal aufleben lassen. Er beschreibt damit zeitlos ein Berlin, was Jens Bisky offensichtlich weder wahrnehmen konnte noch wollte. Natürlich berichtete dieser ein wenig über die Sing-Akademie, die 1848 Parlament wurde aber nur am Rande und nebenbei über die bürgerliche Tradition dahinter. Dagegen bewegt sich Rudolf Borchardt als eben dieser in junger Gestalt zwanglos und selbstverständlich in dieser Welt, die einen großen Teil dessen trug, was Berliner Kultur wurde und was die bürgerliche Kultur in Deutschland war, die von der Hanse bis in die Gegenwart reicht. Warum das Gorki nicht Gorki und nicht in diesem Haus bleiben sollte, weil die andere, ältere Tradition für eine demokratische und bürgerliche Stadt viel wichtiger wäre, was sich in dem von den Erben der SED zu oft mitverwalteten Gemeinwesen schwer mit Vernunft durchsetzen läßt bisher, weil Linke wie Rechte schon immer gern lauter schreien als die bürgerliche Mitte, die so auf sich aufmerksam machen muss, es doch mit Stil und dezent versucht und dieser Gesellschaft leistet Borchardt mit seinem Roman einen besseren Dienst als Bisky Berlinmit seinem wirklich netten Buch.

Aber ich verirre mich schon wieder in einem meiner Lieblingsthemen mit erwartbaren Ergebnis, was zumindest für meine Konsequenz spricht, aber nichts über deren ethischen Inhalt verrät und gibt den Rändern mehr Bedeutung ihrer Lautstärke entsprechend, als sie tatsächlich haben sollten, egal an welcher Seite. Was Borchardts Schilderungen der sexuellen Phantasien und Erlebnisse eines jungen Mannes, dessen Potenz lange vor Viagra wirklich unersättlich ist, zu einem eleganten Sittenbild der bürgerlichen Gesellschaft macht, die es in Berlin eben auch gab, im goldenen Westen, aber nicht im sich bis heute gern rauh proletarisch gebenden Osten oder der Mitte. Der Osten zerstörte während der DDR die bürgerliche Kultur, beschimpfte sie als bourgeoise und erhob sich auch intellektuell über die wichtigsten Wurzeln städtischer Kultur, die bürgerliche Gesellschaft, weil Linke lange so tun konnten, als seien sie menschlich überlegen und die bürgerliche Gesellschaft eine Verwandte des Faschismus, die nur einen Moment den proletarischen Kommunismus mehr fürchtete als die nationalen Idioten aber dies mehrheitlich auch schon bald bitter bereute, auch wenn diese Narren leider verbreitete Vorurteile geschickt zu nutzen wussten, um der deutschen hässlichste Seite zu zeigen, den blinden Gehorsam, der auch unmenschlich präzise, zuverlässig und unkritisch funktioniert, Konzentrationslager so verlässlich baute wie Autos, die immer weiter liefen, was nicht umsonst ein lange beliebter Wolfsburger Werbespruch wurde, auch wenn diese damit fast den Anschluss an die Gegenwart verpassten, aber dies auszuführen, hieße sich nun wirklich verzetteln.

Es ist schön, beide Bücher parallel zu lesen und Bisky erzählt auf eine angenehm, plaudernde Art die Geschichte Berlins mit viel Wissen und schönen Details, auch wenn ihm der interne Blick auf das bürgerliche Berlin spürbar abgeht, bemüht er sich ansonsten sichtbar um eine relativ ausgewogene Position, die hier selten und also schon ein Verdienst ist. Borchardt hat nicht den Anspruch Kulturgeschichte zu schreiben in seinem Roman, will nirgendwo gerecht und ausgewogens sein, sondern liefert ein erotisches Skandalon, das die Familie lange zu veröffentlichen verhindern wollte, weil es eben ein internes Sittenbild der bürgerlichen Gesellschaft ist und ihrer ganz persönlichen Sitten, in dem sich jede gutbürgerliche Familie erkannt fühlen kann, auch wenn es 1907 spielt, hat sich daran bis in die Gegenwart wenig geändert, aber schreibt eine vollkommene Kulturgeschichte der besseren Berliner Gesellschaft und ihrer Gewohnheiten mit feinem internen Blick, beschreibt damit, was bei Biskys Blick auf Berlin fehlt und ergänzt ihn so, macht das Bild erst vollständig, indem es die Stützen der Gesellschaft einbezieht. Wie Borchardt dies aber tut und dabei nonchalant die Sexualität, über die dort höchstens hinter vorgehaltener Hand gesprochen wird, lustvoll, scheinbar in den Mittelpunkt stellt, um sie dann doch nur als skandalöse Dekoration der großbürgerlichen Kulturgeschichte zu nutzen, hat eine großartige Eleganz, die bleibt, von der wir bis heute lernen können, in der Sex immer noch meist eine eher einseitige Angelegenheit für viele mit mehr oder weniger gutem Schauspiel war, was endlich zu ändern auch eines Mannes Lebensaufgabe genug sein könnte, läge es nicht an jedem selbst, sein Erleben zu genießen.

jens tuengerthal 30.7.20

Mittwoch, 29. Juli 2020

Bibliothekenwelt

Überall um die Welt gibt es
Bibliotheken voller Schönheit
Die als Horte des Wissens
Archive der Menschheit sind
Sie zeigen den je Zeitgeist
In Architektur und Design
Manchmal gelang auch der
Moderne noch ein nicht nur
Spektakuärer sondern sogar
Wunderschöner Raum wieder
Doch traumhaft bleiben stets
Die Büchertempel aus einer
Längst vergangenen Zeit die
Den Büchern voller Schönheit
Huldigen als seien sie dort die
Heiligtümer nicht nur ihr Inhalt
Lange träumte ich noch davon
Die schönsten Bibliotheken
In aller Welt bereisen zu wollen
Was ich mir als Reise ins Paradies
Der geliebten Bücherwelt vorstellte
Bis ich mich an Heidelberg erinnerte
Die auch eine berühmte Bibliothek
Ihr eigen nannte wo ich im Studium
Vor vielen Jahren häufiger arbeitete
Dort gab es einen Ausstellungsteil
Für Touristen und Bücherforscher
Wie eine normale Bibliothek in der
Die Bücher in Folie geschlagen mit
Stempeln und Etiketten versehen
Längst völlig entstellt worden waren
Um die Funktionalität zu gewähren
So gleichen Bibliotheken dem Leben
Wie in manchem der Liebe wohl auch
Es werden Arbeitsbibliotheken dabei
Sich den Notwendigkeiten beugend
Zu häufig hässlichen Verwahranstalten
Gleichen darin wohl real vielen Ehen
Während schöne Bibliotheken wie die
Von Anna Amalia in Weimar bloß noch
Musealen Charakter haben doch sieht
Der Bücherliebhaber der genau hinschaut
In jeder Bibliothek die einerseits großartig
Vieles für den Erhalt der Bücher tut
Was wurde in Weimar nicht saniert um
Auch angekohlte nasse Bände noch nach
Dem grausamen Band zu retten der die
Geliebte Anna Amalia völlig verwüstete
Damit das Erbe der deutschen Klassik
Dem Untergang preisgegeben hätte
Hier wurde vorbildlich noch gerettet
Doch sieht wer die alten Bände mal
In der Hand hält wie brutal sie lange
Bibliothekare verunstalteten welche
Mit Stempeln und Aufklebern schlicht
Die Buchrücken so verunstalteten
Wie im Inneren ihre Abzeichen noch
Alten Schätzen ordnungshalber hier
Aufdrückten statt sie rein zu halten
Doch ist diese Klage immer eine auf
Relativ hohem Niveau wohl insofern
Niemand mehr zur Bücherretung tat
Über Jahrtausende als Bibliothekare
Doch waren sie es teilweise auch die
Im Auftrag der Kirche unerwünschte
Texte vom Pergament abkratzten um
Seliger Einfalt Platz zu bieten statt der
Lebenszugewandten antiken Philosophie
Die erst in der Renaissance mühsam
Von findigen Köpfen reanimiert wurde
So finden sich in Bibliotheken als Museen
Einige der schönsten Orte der Welt dort
Nett ausgestellt als Altäre des Geistes
Auch wenn dieser unterschiedlich frei
Zugang zum Wissen gewährte denen
Die lesen konnten und hinein durften
So stehen in der alten vatikanischen
Bibliothek die Bücher unsichtbar hinter
Türen weil die Pfaffen dort den Geist
Der Freiheit und Vernunft so fürchteten
Welcher ihr enges Regime infrage stellte
Aber was soll von Rom erwartet werden
Diesem Hort des schlichten Dogmatismus
Der die jüdische Sekte noch verwaltet
Doch auch dort ist der Anteil am Erhalt
Alter Schriften so groß dass sich auch
Dankbarkeit mit der Empörung mischt
Ohne diese gäbe es vieles nicht mehr
Die Welt der Bibliotheken können wir
Heute gut und besser im Netz besuchen
Zu den schönsten Bibliotheken habe ich
Links in meinen Favoriten die alle auch
Ihre größten Schätze immer weiter nun
Einscannen um das Erbe virtuell damit
Sowohl unsterblich wie zugänglich allen
Zu jeder Zeit an jedem Ort zu machen
Was den die Schätze belastenden bloß
Egoistisch eigennützigen Besuch heute
Überflüssig macht und wer Bücher liebt
Surft besser in alten Schätzen statt sie
Durch persönlichen Augenschein noch
Unnötig zu belasten mit Licht und mehr
Die kostbarsten handsignierten Bände
Der kleinen Bibliothek in meinem Heim
Aus der Zeit der Weimarer Klassik noch
Manche sogar ein weniges älter stehen
Meist ungestört sorgsam eingestaubt
Im Regal am besten erhalten zu bleiben
Sie sind eine schöne Dekoration aber
Tatsächlich lese ich viele Klassiker längst
Virtuell weil es bequemer so auch ist
Habe zahlreiche Bildbänder auch der
Schönsten Bibliotheken der Welt die ich
So indirekt immer wieder besuche ohne
Mit dem realen Besuch unnötig zu belasten
Auch Anna Amalia etwa habe ich seit dem
Brand nicht mehr besucht obwohl ich
Mehrfach in Weimar noch war doch
War es weniger die Wartezeit die mich
Der das geliebte Original noch kannte
Aus den frühen neunzigern abschreckte
Als dort nur ein Tourist noch zu sein
Kein Leser sondern Museumsbesucher
Was einer Bibliothek gegenüber mir als
Form der Entweihung auch vorkommt
Lobe es diese Orte schön zu erhalten
Doch tut es keiner von diesen je gut
Wenn viele Besucher sie sehen wollen
Es sollte dies alles virtuell möglich sein
Eine Form des Fernsehens quasi das
Sehnsuchtsorte uns nahe bringt ohne
Die Schätze dort zu gefährden was
Die Methode der Zukunft sein könnte
Um unsere Kultur zu bewahren wie
Jedem zugänglich zu machen eben
Online aber nicht mehr als realer Ort
In dem Touristen herumtrampeln die
Mehr Schaden als Nutzen bringen
Weil Tourismus der allerschlimmste
Terrorismus der Gegenwart ist dessen
Folgen noch Generationen quälen
Niemand muss mehr irgendwo hin
Auch insofern hat Corona heilsame
Wirkung ganz sicher für Bücher
Diese wunderbaren Orte der Kultur
Sollten virtuellen Zugang jedem bieten
Um das gedruckte Erbe der Menschheit
Weiterzutragen aber zugleich eher ein
Schutzort als ein Museum künftig sein
Virtuell in allen Netzen dabei präsent
Kann ich deren Schönheit kaum je
Genug loben doch sollten sie um
Deren Rettung und Wahrung wegen
Allen Zugang noch mehr beschränken
Damit unser Erbe lange erhalten bleibt
Statt massenhafter Willkür ausgesetzt
Zu schnell zu verbleichen wie unklar
Welches Risiko damit anzuziehen
Weil ich schöne Bibliotheken liebe
Besuche ich sie möglichst nicht
Sondern betrachte sie virtuell oder
In vielen schönen Bildbänden weil
Echte Liebe erhält und nicht zerstört
Den Büchern nur bestes will werde ich
Sie weiter als Büchertourist nur von
Ferne lieber betrachten statt mit den
Reisen zu den Sehnsuchtsorten nur
Zu gefährden was ich so schön finde
Auch wenn ich als Bücherliebhaber
Bei jedem Gang in eine Bibliothek
Leide angesichts der dort üblichen
Behandlung der geliebten Bücher
Das erspare ich mir lieber künftig
Schwärme virtuell weiterhin von
Den allerschönsten Bibliotheken
Die ich zu gerne bedichte aber
Stets von Ferne damit sich auch
Künftig uns erhalten bleiben weil
Masse nur virtuell unschädlich ist
Manche merken es erst später

jens tuengerthal 29.7.20

Dienstag, 28. Juli 2020

Bücherurlaub

Während alle Welt irgendwo
Hin in Urlaub fährt nehme ich
Mehr Zeit zum Lesen um so
Zugleich durch Raum und Zeit
Viel größere Reisen täglich
Unternehmen zu können ohne
Irgendwo hin zu müssen dafür
Überall zugleich sein zu können
Als glücklicher Leser bei sich
In der geliebten Bibliothek
Angekommen wie immer auch
Unterwegs zu allen Orten
Die Bücher mir offenbaren
Ohne jeden Stau oder das
Ein- und auspacken bleibe ich
Bei mir im kleinen Paradies
Habe alles was es braucht
Immer um mich und bin
Zugleich alle Grenzen leicht
Überschreitend auch überall
Als eben glücklicher Leser
Entspannt angekommen ohne
Noch je wieder weg zu müssen
Was könnte schöner sein

jens tuengerthal 28.7.20

Montag, 27. Juli 2020

Berlinkultur

Ist oder war Berlin Zentrum der internationalen Kultur?

In den 20er Jahren war Berlin eines der wichtigsten Zentren der internationalen Kulturszene. Hier wirkten innovative Künstler, probierten sich an der Moderne, das Theater beschritt neue Wege und es wurde viel über die Kultur aus dieser Stadt berichtet und gestritten.

Die Rechten beschwerten sich über den Verlust aller Kultur, fürchteten den Untergang des Abendlandes von Berlin aus und die Antisemiten unter ihnen, witterten gleich eine Verschwörung der Juden gegen die alte deutsche Kultur, die es zwar so wie behauptet nie gegeben hatte, aber wollten doch zumindest ihren Kaiser Wilhelm zurück, der sie leichtsinnig in den letzten großen Krieg geführt hatte. Die Kulturszene gab sich eher links, sympathisierte mit der neuen UDSSR nach der russischen Revolution, auch wenn die kulturell unter der Diktatur der Partei auch keine großen Innovationen mehr hervorbrachte, weil totalitäre Regime eben keinen freien Geist brauchen können, der für Kreative so wichtig ist.

Im Deutschland der Weimarer Republik stritten sich Rechte und Linke mit radikalen Parolen um die Vorherrschaft und es gab noch keine Geschichte, die sie eines besseren hätte belehren können, die Mitte wandte sich angesichts der Radikalisierung teilweise angewidert ab. Immer wieder lieferten sich die Radikalen Straßenschlachten untereinander oder mit dem Staat und Berlin als Mittelpunkt von Wachstum der Wirtschaft und Politik war immer vorn dabei.

Manchmal sprachen konservative Richter noch seltsame Urteile gegen die Kunst, deren Freiheit noch nicht im Grundgesetz als Grundrecht garantiert war. Die auch in Berlin beginnende Dada-Bewegung war eines der Opfer dieser Rechtsprechung im Geist des Kaiserreichs. Ein teilweise konservatives Publikum pfiff die Modernen aus im Theater am Gendarmenmarkt oder in der Krolloper an der Spree im Tiergarten. Es wurde viel gestritten und rezensiert. Die Feuilletons waren lebendig und Teil der täglichen Diskussionen, es passierte etwas in Berlin, immer wieder entstand neues und Bewegungen nahmen hier ihren Ausgang, die längst in die Kunst- oder Kulturgeschichte eingegangen sind.

In vielen Kellern entstanden Clubs, in denen Jazzer spielten und Berlin tanzte wie wild gege Armut und Verzweiflung nach dem Krieg an. Arm aber sexy, was Klaus Wowereit 80 Jahre später als typisch für Berlin prägte galt in den verrückten 20ern noch viel mehr in allen Bereichen der Kunst war Berlin damals wie im Nachtleben weltweit führend und auch wenn die Berliner Clubszene, bis Corona sie stoppte, sich zumindest einen weiten Ruf gemacht hat, stellt sich die Frage, wo wir heute kulturell im übrigen stehen, ob Berlin noch innovativ ist, weil arm aber sexy oder nur noch seine Geschichte verwaltet, auch der Sex zwar frei aber museal wird.

Die Tendenz zur Glorifizierung der eigenen Geschichte gehört zu den immer noch Leidenschaften der Berliner, auch wenn sie sich inzwischen Erinnerungsorte des Schreckens und der Schande an prominenter Stelle schufen, gilt, was Fontane über die Berliner und die Märker schrieb, die sich gerne überschätzen und Kleinigkeiten für großartig halten, besonders, wenn sie diese anbieten. Darum redet sich Berlin immer noch gerne groß und hält sich für den Mittelpunkt der Welt, was genauso typisch deutsch die anderen Bundesländer und ihre mehr oder weniger provinziellen Nester gern infrage stellen und keinesfalls gönnen.

So redet Berlin gerne über sich, wenn auch nicht ganz so wie Hamburg, was sich für eine Perle hält, um über die meist feucht neblige Lage hinwegzutäuschen und Bedeutung zu gerieren, die seit dem Untergang der Hanse auch nur noch aus Erinnerung besteht, die ein wenig schnieke gehalten wird, warum sie Berlin gern mit gerümpfter Nase schmuddelig nennen, was daran liegen könnte, dass es hier für gewöhnlich weniger regnet aber dafür mehr märkischer Sand durch die Straßen weht, auf dem hier alles mehr oder weniger stabil gebaut wurde. Aber wen interessiert schon Hamburg, wenn von Berlin und seiner Kultur die Rede ist, außer den genannten Hamburgern natürlich mit gewohnheitsmäßiger horizontaler Beschränkung.

Doch wissen die Berliner, wenn sie ausnahmsweise ehrlich sind, dass ihre Stadt eigentlich ein Haufen Dörfer ist, die wenig oder nichts miteinander zu tun haben und die an den Rändern auch nicht mehr Kultur aufweisen als sonstige Provinz. Doch im Zentrum und um dieses herum ballt sich einiges, was sich auf dem Gebiet der Kunst zu profilieren sucht und irgendwie überleben die Galerien und sonstigen Kulturstätten auch, lassen wir mal Corona beiseite, wo noch offen ist, wer am Ende überlebt, wie das eben bei lebensgefährlichen Krankheiten so ist, denn der Kultur der Hauptstadt raubt dieser Virus schon die Luft zum Atmen und es droht, wenn nicht noch weiter beatmet wird, vielen Kulturprojekten mangels Publikum und Möglichkeiten der Erstickungstod.

Das betrifft die Kulturbereiche Theater, Oper, Kabarett, Musikszene und alles, was nur in Mengen und meist in geschlossenen Räumen stattfindet. Die Galerien in Mitte werden wohl überleben können, ihr Besuch mit Maske ist zumindest möglich, sie können wieder handeln und viel des Kunsthandels findet ohnehin längst im Netz statt. Wie Schauspieler, Sänger und Musiker, soweit sie nicht staatlich bezahlt werden, die Krise überleben, wird sich zeigen, ob unsere Ämter sie mit Arbeitsverteilung beschäftigen und von ihrer Kunst wegbringen oder Geduld und Nachsicht zeigen, könnte hier entscheidend sein.

Fragt sich nur, ob dieser Tod der Kultur schon die Geburt einer neuen ist?

Doch das geistige Berlin und die kreative Szene murren zwar, aber sie brodeln weiter und das vielleicht sogar mehr als je. So könnte diese Krise einen innovativen Schub bringen, mit dem keiner gerechnet hat und der das kreative Potenzial dieser Stadt, die nun monatelang und wer weiß wie bald wieder und wie lange noch, auf sich gestellt war, enorm befeuert. Es fehlen einige Formen des öffentlichen Ausdrucks, weil auch Off-Theater nichts aufführen können, nahezu keine Konzerte stattfinden, Massenpublikum noch nicht erwünscht ist, aber die teilweise schon schläfrige und sonst gut gepolsterte Kulturszene der Stadt könnte in dieser existenziellen Krise einen enormen Innovativsschub erfahren. 

Die Besinnung zwingt zur Auseinandersetzung mit sich und seinem Schaffen, was guter Kunst und Kreativität selten schadet. Mit der nun beginnenden zweiten Wellen und den erwartbaren Reaktion nach Rückkehr der Urlauber, die ein neues Risiko bringen, wird diese Phase der Besinnung nochmal bis vermutlich mindestens zum Frühjahr verlängern, was der Hauptstadtkultur, so laut sie jammert, weil alle Darsteller betroffen sind und ihre Häuser, soweit nicht staatlich getragen, vor dem Konkurs stehen, erstaunlich gut tun könnte.

Bin kein Anhänger der notwendigen Dialektik und der Katharsis des Leidens als Voraussetzung großer Kunst - diese braucht zuallererst Freiraum, in dem Könner sich entfalten können und Gönner, die dies tragen wollen, den nachhaltigen Wert erkennen. Doch könnte diese Krise und das mit ihr verbundene Ende vieler Ablenkungen im kreativen Bereich potenzierend wirken, etwas neues freisetzen, was an Innovativkraft dem Geist der 20er gleicht. Die AfD tut mir ihrer Empörung und ihrer gutdeutschen Spießigkeit in allen Verlautbarungen, der Szene damit den größtmöglichen Gefallen. Zum einen kann sich diese als oppositionell definieren, auch wenn das antifaschistische Vokabular, was noch aus DDR-Zeiten stammt, dabei so lächerlich ist, wie diese piefig und staubig war, gleicht eher dem antifaschistischen Schutzwall, sperrt also Gedanken in schlichte Muster ein, was noch niemanden gut tat, zum anderen ist Aufregung und Diskussion das beste, was Kultur passieren kann, um zu gestalten und im Mittelpunkt des Diskurses zu stehen, nachdem sich die rituelle Skandalisierung langsam festgelaufen hatte.

Ob die Berliner Kulturszene sich in der Zeit der Besinnung aus dem Würgegriff mit gnädiger Gießkanne der SED-Nachfolgeorganisation, die sich innovativ Linke nennt, befreien kann und wieder unabhängiger kreativ wird, werden wir bemerken. Es könnte zumindest spannender werden als gut verwaltete rituelle Linksspießigkeit, der alles kreative völlig fehlt und was die Hauptstadtkultur teilweise in eine träge Masse verwandelte und nicht umsonst ist das ZK, der sich Linke nennenden Partei nun direkt neben der Volksbühne, die diesen Kurs mit wenig Innovation trägt, viel erwartbares ablieferte, bis zu den berechenbaren Skandalen der Übernahme. Es ist etwas wie der linke Schrebergarten von Mitte und der Bergbewohner, die gerne nackt und laut im Theater in ihrer schon vorhandenen Ideologie bestätigt werden.

Was würde eine bürgerliche Opposition gegen diese kulturelle Macht der ehemaligen Staatspartei der DDR kreativ auf die Beine stellen, wohin sollte die Bühne der Zukunft weisen, was sind die spannenden Themen jenseits bekannter linker Korrektheit und der so erwartbaren Tabubrüche, die längst gähnen ließen? 

Wie könnte eine neue kreative Gruppe sich jenseits des linken Mainstream etablieren, könnten Jünger oder Davila hier neu gelesen werden oder wächst etwas ganz neues jenseits aller Erwartungen aus der Zeit der Isolation heran?

Das Schreiben und das Denken verändert sich in dieser Zeit, in der wir auf uns geworfen sind und vielleicht wird manchen, die bisher nur Kultur konsumierten, plötzlich klar, wie rituell öde das ganze wurde und das es etwas neues braucht, um wieder im Mittelpunkt des Interesses zu stehen. 

Wurde in den 20ern erstmals das Bühnenbild auch bei Klassikern abstrahiert, könnten wir uns heute fragen, was die wirklichen Fragen der Zeit sind. Wie wichtig die zunehmende Impotenz aus Übersättigung für die Mitte der Gesellschaft wird, bringt das Thema der Sexualität in den Blickpunkt, was zusammen mit einem sich völlig verändernden Bild der Rollen von Männern und Frauen eine entscheidende Rolle spielen könnte. 

Wo bleibt das Gefühl nach der freien Verfügbarkeit im Online-Dating?

Wie echt muss die Sexualität sein, nicht zur Bühnenpornographie zu verkommen?

Was macht die bildende Kunst aus dem eingesperrt sein?

Wie veränderte sich der Ausfluss der Dichter und Autoren?

Zunächst, kann ich von mir berichten, lähmte die Krise und die Ruhe fast, bis sie zur neuen Normalität wurde, total auf sich zurück warf, manche Krisen sogar potenzieren konnte, dann aber wurde langsam deutlich, in welch besonderer Zeit wir gerade leben, Wie berichtens- und bedichtenswert diese auch ist.

Die Berliner Kultur war schläfrig und relativ museal, von seltenen Ausnahmen abgesehen, doch die Krise bietet eine ungeheure Chance wieder ganz vorne mitzuschreiben und mit zu gestalten, aus dieser besonderen Stadt mit ihrem eigenen Tempo, entsprechend der Berliner Langsamkeit, die alle gerne leugnen, indem sie nie Zeit haben. Eine sich traditionell links gebende Kulturszene hatte sich in einer Art Vetternwirtschaft eingerichtet und brachte anständiges und sehenswertes aber nichts neues, was den Schwung der Zeit nutzte.

Nun ist eine andere Zeit angebrochen und es ist möglich, dass Berlin gerade aufgrund der krisenhaften Situation und dem Scheitern vieler etablierter Etablissements aufgrund der Schließung, eine neue freie Energie entfaltet, die kreativ jenseits der Fördermittelanträge ist, weil wir alle auf uns geworfen sind und sehen müssen, wie wir mit dieser Situation der anderen Welt geistig umgehen. Wie wird mit der sozialen Verantwortung umgegangen, wer gibt sich trotzig und uneinsichtig, wo wächst kreatives Potenzial gerade aus der Krise und den Veränderungen, die sie bringt.

Berlin war schläfrig und gut verwaltet geworden, eine ehemalige Staatspartei, die sich gern oppositionell gibt, um zu verdecken, dass sie das Vermögen der SED als Basis hatten, verwaltete die Kultur nach alter Gewohnheit. Unklar nur, warum sich früher oppositionelle Theater kaufen ließen, aber es lebt sich eben gut und sicherer so und es galt ja als Hochkultur, was da abgeliefert wurde, nur innovativ war es nicht, griff nicht den Geist der Zeit auf, der eine AfD entstehen ließ, außer in gewohnten antifaschistischen Mustern, die dem Treiben der DDR eher glichen als modernem Theater in einer Demokratie, also linksspießig nur waren.

Sehen wir Corona als Chance wieder ganz vorne in der Kultur eine Rolle zu spielen, innovativ zu gestalten, statt sich gut verwalten zu lassen, was der Kultur noch nie gut tat. Natürlich ist es etwas gewagt, fast selbstmörderisch sich gegen die traditionellen Muster in der Krise aufzulehnen, neues zu beginnen, um am Puls der Zeit zu sein, aber was wäre Kultur wert, wenn sie nicht aufs Ganze geht, alles riskierte?

So war Berlin lange eine gut verwaltete Stadt, in der die Erben der SED gern kulturell die erste Pfeife bliesen und die Kultur nicht merkte, wem sie da auf den Leim ging - nun könnte sich manches ändern und es beschäftigen sich alle genug mit sich und haben Sex, statt zu tanzen, dass es gute Chancen gibt, hier etwas neues entstehen zu lassen, was die Zeit prägt und mitgestaltet, wie es das Berlin der 20er in großer Freiheit tat, bis der nationalsozialistische Stumpfsinn mit dem beschränkten Österreicher alle Kreativität und Freiheit erstickte. Ein wenig Polarisierung durch fragwürdige vegane Köche und ähnliche Halblichtgestalten kann trotz deren Unterbelichtung dabei nicht schaden, im Gegenteil, es ist der Nährboden der kommenden kreativen Entwicklung, die hoffentlich endlich wieder Wege weist, statt sie erwartungsgemäß vorzubeten.

jens tuengerthal 27.6.20

CoronasophIe

Welche Chancen bietet Corona
Fragt sich jetzt angesichts der
Zweiten Welle von Infektionen
Da uns der Virus sicher noch
Bis ins nächste Frühjahr wohl
Zumindest bis zum Impfstoff
Der seine Zeit eben braucht
Weiter auch beschäftigen wird
Wir unser Leben nun daran
Anpassen müssen um so
Gut wie nur möglich damit
Weiter leben zu können
Die Ressourcen zu nutzen
Welche freigesetzt werden
Dies moralisch richtig zu tun
Ein allgemeines sittliches Konzept
Dafür in Zukunft zu entwickeln
Wird geistig die große Aufgabe
Etwas nicht zu dürfen für eine
Sicher längere Zeit scheint
Zunächst als ein Mangel
Gegenüber dem gewollten
Doch bietet dieser enorme
Chancen für ein besseres Leben
Was notwendiges mit nützlichem
Vereint die Prioritäten verschiebt
Uns zugleich auch auf Mängel
Im ökonomischen System hinweist
Was die Möglichkeit gibt uns nun
Nachhaltig darauf vorzubereiten
Mehr im Home Office zu arbeiten
Was den Lebensstandard ändert
Die eigene Umgebung wird dann
Wichtiger um sich wohl zu fühlen
Was neue Märkte wachsen lässt
Während andere Branchen damit
Schrumpfen müssen weil sich der
Bedarf der Menschen auch ändert
Fragt sich wie eine Volkswirtschaft
Darauf gesund reagieren kann
Wie ohne ständige Krisen künftig
Nachhaltigkeit entscheidend wird
Wie Energie lokal gewonnen wird
Einem vernetzten System das
Dezentral selbständig ist kein
Lockdown sofort mehr droht wie
Dafür die Fleischindustrie sich als
Permanente Risikoquelle erledigt hat
Was neue Märkte wachsen lässt
Die Umstände unseres Lebens
Haben sich dauerhaft geändert
Darüber klagen ändert nichts
Die Chance nutzen dagegen schon
Dies kommt zum Kern der neuen
Coronasophie die konstruktivistisch
Eine Krise als Möglichkeit zur
Veränderung zum besseren nutzt
Sich auf Potentiale konzentriert
Statt Mängel zu kompensieren
Was im alten System gefangen hält
Während die Natur uns längst ihre
Veränderten Bedingungen diktiert
Die wir besser nutzen lernten statt
Erledigtes noch zu stabilisieren
Wer so gestaltet hat viel mehr Kraft
Als die ewigen Bremsklötze aus
Zeiten vor der Krise je bieten
Die neuen Ziele konstruktiv zu
Erreichen streben gibt Spielraum
Zur kreativen Gestaltung darin
Wer dabei philosophisch denkt 
Ist besser auf kommende Krisen
Vorbereitet denn dies war nur
Ein erster Virus der uns schnell
Die Wirkung der Globalisierung
Bei der Verbreitung offenbart
Weitere schlimmere kommen
Darum müssen wir ändern was
Das Risiko potenziert wie auch
Langfristig vorbereitet sein auf
Eine mögliche ähnliche Krise
In der wir mit geistigem Rüstzeug
Weniger panisch reagieren werden
Sondern besonnen und sicher
Die Chancen nutzen können
Welche in jeder Verzögerung liegt
So gibt Corona wie die infolge
Langfristige Veränderung des
Lebens eine große Chance
Sofern wir uns geistig rüsten
Damit die Zukunft zu gestalten
Der sittliche Maßstab dabei ist
Wie zu allen Zeiten richtig der
Kategorische Imperativ womit
Die aufgeklärte Mündigkeit der
Handelnden vorausgesetzt wird
Auch wenn dies vielen noch
Fern zu liegen scheint in ihrem
Unreflektierten Gehorsam bietet
Die Krise die große Chance des
Angemessenen Handelns auch
In der wie für die Gemeinschaft
Warum es richtig ist bestimmte
Freiheiten zugunsten des so
Zu rettenden Lebens auch mal
Beschränken zu dürfen weil
Leben über allem stehen muss
Wie unsinnig das Argument ist
Ein Innehalten gefährde auch
Leben weil es die Fehler im
System als Argument nimmt
Dieses weiter zu erhalten
Was jeder Logik entbehrt
Sondern nur darauf hinweist
Wo es im System Probleme
Wie Reformbedarf noch gibt
Die moralische Begründung
Warum um jeden Preis die
Entscheidung über Leben
Nicht an bloßer Möglichkeit
Der Versorgung liegen darf
Stellt wichtige ethische Fragen
Die zu beantworten eine große
Chance bietet sich über das
Verhältnis zum Tod klar zu werden
Letzte Fragen zu beantworten
Die vorher theoretisch nur waren
Dies geistige Potential der Krise
Nutzen wie umsetzen bietet
Der Philosophie eine Chance
Wieder auch gestaltend an
Gesellschaftlicher Entwicklung
An erster Stelle teilzunehmen

jens tuengerthal 26.7.20

Sonntag, 26. Juli 2020

Wellenweise

Lange wurde nur gemunkelt
Über die drohende 2. Welle
Von Corona nun ist sie da
Die Zahl der Infektionen steigt
Was mit Urlaubern aus den
Risikogebieten geschieht ist
Dabei noch völlig unklar
Viel zu früh fühlten sich viele
Sicher wollten Urlaub machen
Wie immer und lang geplant
Großbritannien preschte vor
Gemeinsam mit Norwegen
Ordneten sie Quarantäne an
Für alle Spanien Heimkehrer
Wären wir irgend vernünftig
Wüssten wir was nun droht
Steigende Infektionen schon
Bevor Menschen zurück sind
Alles gibt sich erstmal überrascht
Als hätte noch keiner vorher was
Vom exponentiellen Wachstum gehört
Hoffen wir auf ein Umdenken bevor
Wieder zu viele sterben müssen
Urlaub zuhause wird die neue
Perspektive der Verantwortung
Nächstes Jahr reden wir weiter 
Wenn ein Impfstoff Sicherheit gibt
Bis dahin können wir viel sparen
Es uns hier schöner machen
Statt in die Ferne zu streben
Vielleicht merken die Menschen
Wie schön es zuhause sein kann
Wird es viel besser als erwartet
Bringt Corona ein Umdenken
Es könnte der Welt wie uns
Besser tun als je vorstellbar
Genießen wir was ist wie es ist
Dann wird alles gut so sein

jens tuengerthal 26.7.20

Samstag, 25. Juli 2020

Berlinsexy

Ist Berlin wirklich sexy und was macht es wenn dazu?

Berlin sei arm aber sexy stellte der frühere regierende Bürgermeister Klaus Wowereit einmal fest und prägte damit einen wichtigen Begriff, der bei vielen hängen blieb, zum geflügelten Wort im Gespräch über die Stadt wurde, viele Menschen hierher zog.

An der Armut hat sich bis jetzt nicht viel geändert, die Menge der Menschen in der Stadt wächst weiter, die der Arbeit außer der öffentlichen nicht proportional. In der Corona-Krise hat, was Berlin lange für viele anziehend gemacht hat, die Club-Szene zu sterben begonnen und noch kann keine Entwarnung gegeben werden. Es könnte also düster werden und die Zukunft schlecht aussehen, wenn Berlin eine seiner größten Attraktionen verliert, zumindest langfristig nicht öffnen kann.

Ist die Stadt dann immer noch sexy oder am Ende nur noch arm und auf immer mehr Hilfe angewiesen, ein ewiger Sozialhilfeempfänger, der nicht konstruktiv wirtschaften kann?

Es fehlt zwar etwas ohne die Clubs aber nie schien Berlin aktiver auf Partnersuche zu sein als gerade im aktuellen Chaos, betrachte ich die vielen Dates in den Cafés und rechne ich die eigenen Erlebnisse in dieser Zeit außerhalb der Zeit mit. Eine Stimmung, die etwas unwirtlich ist, die anfänglich zu Dates in Parks verführte, beim Wein oder Tee, was ich immer noch deutlich bevorzuge, weil die Bars und Cafés diesbezüglich überschätzt werden und meist weniger schnell natürliche Nähe zulassen als eine Bank im Park aber auch die Cafés sind von den sichtbar noch unerfahreneren Suchenden wieder gut gefüllt, alles sucht nach Abwechslung und viele sind in dieser Situation noch paarungswilliger als zuvor.

Diese Stimmung ist dem aufmerksamen Beobachter, was der Flaneur in der Stadt ja immer sein sollte, spürbar. Über all diesen immer wieder, wenn leider auch vermutlich genauso oft scheiternden, Paarungsversuchen schwebt eine große Sehnsucht nach Nähe, gelegentlich vielleicht auch nach Ankommen und Gefühl, immer aber untergründig nach Sex, auch wenn es viele nie aussprechen und sich lieber in altbekannten Floskeln der gegenseitigen Erkundung ergehen, die meist schnell beide langweilen, wie nicht zielführend sind.

Natürlich ist jede Konstellation anders und wird Mann, wenn er mit zumindest geringen Mengen an Verstand gesegnet ist, versuchen, auf Frau einzugehen, sie bewundern, etwas anschwärmen, wie sehr er dabei spielerisch übertreiben darf, ist wohl auch eine Typfrage und dem einen gehen die schönen Worte leichter über die Zunge, der andere sollte sich vorher einen Plan machen und vorm Spiegel lockere Komplimente üben, die Wesen und Geist des Gegenübers angemessen sind, aber das Thema Sex ist meist beflügelnder noch und schafft eine entspannte Nähe, sofern es nicht mit platten Fragen vorprescht, bei der jede irgendwie interessante Frau nur die Augen verdrehen kann, wenn nicht schon ihr Hormonhaushalt durch den bloßen Anblick ihres Gegenübers jeden Boden unter den Füßen verlor, wovon aber besser keiner ausgehen sollte.

Über Sex nüchtern und wissenschaftlich zu reden, was halb desinteressiert aber dennoch professionell und erfahren klingt, ist nach meiner zugegeben relativ geringen Erfahrung immer das effektivste Mittel die Stimmung zu entspannen und sich irgendwie anzunähern, aber hier geht es ja weniger um Datingtipps für leidende Singles oder persönliche Erfahrungen als um die Stimmung, die in dieser armen Stadt, in der immer mehr um ihre irgend Existenz ringen, sexy sein könnte und damit einen Beitrag zum relativ erhöhten Beischlafkoeffizienten gegenüber anderen Regionen bringt.

In den 20ern als die Stadt weltweit als sexy galt, ein Zentrum der Kunst war, die sich hier in wilden neuen Formen entfaltete, war es das neue Tempo dieser Großstadt, die gerade erst durch Eingemeindung zur riesigen Metropole geworden war, der Berlinbeschluss für Insider, was sie sexy und attraktiv für viele machte. Manche rasen immer noch durch die Stadt, versuchen alles zu sehen und wundern sich, wenn sie nichts vom Sex-Appeal mitbekommen haben, weil der heute gerade auch in der Verzögerung liegt.

Natürlich hat, wer wichtig ist, nie Zeit, hetzt von einem Termin zum anderen, um überall seine eminente Bedeutung bestätigt zu bekommen, was aber im Ergebnis selten zu einem glücklichen erfüllten Leben führt, sondern höchstens zu einer großen Karriere mit zunehmender Impotenz. 

Was macht das Leben in dieser Stadt anders und was ist besonders sexy daran?

Es ist die Ruhe mit der Menschen um nahezu jede Uhrzeit vor oder in Cafés frühstücken oder direkt daneben ihren Wein zum Feierabend genießen, nach einem vielleicht hektischen Arbeitstag. Da sitzen sie gemeinsam vor den Cafés oder in den Parks, vor den Spätis und schlürfen ihre jeweiligen Getränke und plaudern dabei und genau das ist vermutlich einer der Schlüssel zum Verständnis der Stimmung, die innehält und in einer Zeit ewiger virtueller Verfügbarkeit, sich die Zeit nimmt, den Augenblick zu genießen, ein wenig zu träumen und einfach da zu sein, auch wenn es natürlich kaum einer zugibt.

Vermutlich gibt es in Berlin so viele schlechte Liebhaber und Liebhaberinnen wie überall auf der Welt, machen die meisten Menschen nie die erfüllende, selige Erfahrung eines schönen Sexlebens und verkehren nur sexuell miteinander, weil es eben dazu gehört und erledigt werden muss. Dies ist schon beim ersten Date erkennbar und wie oft denke ich, wenn ich an den Cafés vorüber flaniere, spart es euch doch, so wird es nur für beide Seiten frustrierend, macht es richtig, lasst euch ganz darauf ein und genießt, was sein kann, weil die Stadt in ihrer verzögerten Existenz, die immer noch irgendetwas hinterherläuft, den idealen Nährboden dafür bietet, frei genug ist.

Die Freiheit ist ein wichtiger Schlüssel, warum auch das lockere Gespräch über Sex und seine Umsetzung so wichtig ist, eine entspannte irgendwie schon sexuelle Atmosphäre schaffen kann, was heute auch für Mann immer eine Gratwanderung sein kann, damit sich bloß niemand belästigt fühlt, empfiehlt es sich, ganz nüchtern fast wissenschaftlich mit offenen Karten zu spielen, um zu sehen, was möglich ist und sich ergibt, statt altem Versteckspiel weiter zu huldigen. Noch wichtiger aber ist die Freiheit im Lebensstil und miteinander, die eine solch sexy Atmosphäre viel leichter kreieren kann als das Anerkennungsstreben einer formelleren Gesellschaft, in der Menschen weniger sind, wie es ihrer Natur entspricht.

Das wunderbare an Berlin, was es vielen anderen Städten voraus hat, hier kann jeder sein, wie er will und es gibt weniger formale Grenzen, wer wo hin geht und was dazu trägt, um anerkennt oder ausgegrenzt zu werden, es ist nahezu alles irgendwie überall möglich und so kann jeder kommen, wie es einem gerade am besten entspricht und sich seiner Natur nach geben, was den meisten am ehesten liegt und auch den natürlichsten Weg zu einer erotischen Begegnung eröffnet. Was jeder kann, macht noch nicht jeder, viele verkleiden sich dennoch, um seltsamen Ansprüchen zu genügen und was normal ist, unterscheidet sich auch von Kiez zu Kiez ein wenig, aber grundsätzlich ist die Toleranz hier größer als irgendwo sonst, ob ich im Smoking oder eher abgerissen irgendwo erscheine, spielt keine Rolle und wen es stört, der hat den besonderen freien Geist dieser Stadt noch nicht verstanden, kann es eben noch nicht ganz genießen. Amüsanterweise erinnert die Art der Damen sich zu schminken und zu kleiden in Charlottenburg oder Wilmersdorf bis nach Dahlem hinau eher an Düsseldorf und München aber auch das darf hier sein.

Passiert etwas außergewöhnliches, in egal welche Richtung, heißt es dazu schlicht, dit ist eben Berlin, keiner regt sich auf alle lachen und es geht weiter, als wäre nichts passiert. Diese Gelassenheit gegenüber dem Chaos, ist es die Berlin auch so sexy macht und die nichts zu ernst nimmt und wenn etwas daneben geht, dann geht es eben morgen irgendwie weiter, vielleicht mit kleinem Kater aber eben weiter wie immer, weil es ja immer weitergeht in dieser Stadt, als wäre nichts passiert. Kurzzeitige kollektive Betroffenheit ist hier eher die Ausnahme und so hat die Schließung der Clubs, trotz peinlicher Demo dagege, Berlin nicht weniger sexy gemacht sondern im Gegenteil nur das Areal, in dem sich Menschen sonst austoben und ablenken beschränkt, es kommen weniger Touristen, was die Kassen der Stadt empfindlich trifft aber den Berliner erstmal nicht stört, im Gegenteil, dafür haben Menschen mehr Zeit, sich miteinander und dann auch mit Sex zu beschäftigen.

Während in den 20ern ein Franz Hessel sich als Flaneur noch als radikalen Gegenpol zur rasenden und geschäftigen Stadt darstellte, ist der Flaneur heute nicht mehr der rasenden Stadt hinterher, auch wenn manche immer noch meinen, sie müssten hektisch tun und kämen mit ihrer Arbeit nicht hinterher, wobei lautes Klagen über Überforderung ohnehin eine märkische und berlinische Spezialität ist, wie uns schon Fontane lehrte, sondern ihre reinste Verkörperung, lebt, was sie sexy macht und damit der echte Genießer dieser Stadt jenseits der Zeit, die noch ärmer gerade wird aber denen in ihr, mangels anderer Ablenkung, auch noch sexyer sein kann, wenn sie sich darauf einlassen, zu sehen was ist und nicht, woher sie auch hierher kamen, denn irgendwie kommen ja fast alle hier irgendwo her, nur die schlechte Gewohnheit des Klagens und der permanenten Überforderung übernehmen, die schon immer hierher gehörte, ohne dass sie einer zu ernst nähme.

In Berlin muss nichts, aber alles kann und das ist eigentlich sexy genug, ein Leben in Ausschweifungen zu genießen, denn was könnte je mehr sein?

jens tuengerthal 24.7.20

Freitag, 24. Juli 2020

Stadtverplanung

Was macht Stadtplanung gut und wo schafft sie Probleme?

Städte haben ihre Baumeister, die das Bild der Stadt prägten, planten wie gebaut werden sollte, die Richtlinien vorgaben und damit Städten im Werden oder Wandel ihre Form gaben. In Berlin etwas ist Hobrecht sehr präsent, wo die schönen Altbauten stehen, Plätze und Parks angelegt wurden. Wie später noch Martin Wagner, der Bruno Taut beauftragte, welcher die Hufeisensiedlung in Britz entwarf oder die Wohnstadt Carl Legien, benannt nach einem Gewerkschaftsführer, im Osten des Prenzlauer Berg. Die letzten beiden Siedlungen sind heute Weltkulturerbe und gelten als vorbildlich durchdacht und wertvoll, gut gebaut. Bekannt aus Berlin wurden in dieser Zeit noch die Gartenstadt Falkenberg, die Großsiedlung Siemensstadt und die im Stil der Neuen Sachlichkeit errichtete Weiße Stadt in Reinickendorf. Neben Wagner und Taut wirkten dort noch Hans Scharoun, Walter Gropius und anderen nicht ganz so bekannte Namen und prägten mit ihrer Bauweise und dem Anspruch dabei das Bild Berlins und des Wohnens in der Stadt.

Walter Gropius wurde auch zum Namensgeber und Planer der Großwohnsiedlung Gropiusstadt, einem sozialen Wohnungsbau voll hässlich anonymer Hochhäuser, der schon lange ein sozialer Brennpunkt ist, wie die Leser von Christiane F. wissen. Hier kam der ursprünglichen Planung noch der Mauerbau in die Quere, der die möglichen Flächen im damaligen Westen eng begrenzte, warum die Planung um sechstausend Wohnungen erweitert wurde, die dann mangels Fläche am Boden in die Höhe gebaut wurden, da mehr Wohnungen auch mehr Soziale Einrichtungen erforderten, die auf beschränktem Raum nur durch immer höhere Bauten realisiert werden konnten. Statt der von Gropius ursprünglich geplanten maximal fünf Etagen hat das höchste Wohngebäude dort 30 Etagen, was auch ohne Adam Riese das sechsfache ist und es fragt sich, wie haften sollte, wer so etwas genehmigt, und prägte den anonymen Schluchtencharakter der Siedlung, wie er sich auch voller Grauen im immerhin grünen Marzahn zeigt. Die hohe Verdichtung und der primär soziale Wohungsbau führte neben der noch von Le Corbusier geplanten Sozialstruktur der Siedlung, die sich als weitgehend untauglich erwies, dazu, dass dort ein Problemgebiet ungeahnter Tragweite entstand. Dennoch folgten viele andere Städte dem Vorbild und bauten Hochhaussiedlungen ins Grüne oder an den Rändern, um Wohnraum zur Verfügung zu stellen und hofften die sozialen Strukturen würden plangemäß greifen, was sie nahezu nie taten. Problembereiche entstanden um diese Siedlungen im ganzen Land, eine tragbare Lösung dafür ist bisher nicht in Sicht. Die Menschen wurden in Silos gesteckt, die wechselnden Plänen folgten und dort allein gelassen, während die Politik heute deren Wahlverhalten oder die hohe Kriminalität und sich generativ verstetigende soziale Abhängigkeit beklagt, statt über die Wurzel des Problems, die verfehlte Planung, kritisch nachzudenken.

Neben diesen verunglückten Versuchen im Westen wie im Osten Menschen in Massen nach Plan siedeln zu lassen, sind es die großen Bauten und Entwürfe in der Mitte, die das Bild Berlins in der Welt vor allem prägen. Vom Brandenburger Tor über Museumsinsel und Schloss, vom unsäglichen Dom lieber zu schweigen, der besser abgerissen würde, nicht länger das Weltkulturerbe der Museumsinsel zu verschandeln. Dort stehen harmonisch miteinander lauter Unikate. Auch der Alexanderplatz war immer wieder Gegenstand der Stadtplanung und hat seine heutige hässliche Form und in der Wirkung asoziale Form in der Zeit der DDR erhalten, die dafür mit der Karl Marx Allee ihrem Propheten und Heilsbringer eine fast potemkinsche Märchenstraße im Anschluss an den Platz baute, während sie sich ansonsten eher in unsäglichen Plattenbauten erging, den Kindern von Mangel und Phantasielosigkeit mit vorgeblich sozialem Anspruch, den manche, der alten Lüge totalitärer Regime noch aufsitzend, als positives Erbe hochhalten, was es nie war.

Große Baumeister wie Schinkel und Langhans prägten das Stadtbild im 19. Jahrhundert, bis an dessen Ende die Harmonie durch wilheminischen Größenwahn wieder teilweise verschandelt wurde, die noch unter Friedrich Wilhelm IV. dem Schloß eine unpassende Kuppel aufsetzte, die wir dem Humboldt Forum besser erspart hätten, was dessen Akzeptanz in östlichen und linken Kreisen vermutlich erhöht und uns manch überflüssige Diskussion über einen guten Plan erspart hätte. Wie so manche heiße Diskussionen zu Neubauten und Abrissen eher entbehrlich waren als produktiv für die Entwicklung der Stadt, nie ein Ergebnis brachten, noch bringen können,

Ähnliche Beispiele könnten aus anderen Städten gebracht werden, soweit sie Raum zur Gestaltung hatten und nicht im Ring ihrer früher Mauern weitgehend erhalten blieb und damit dem Denkmalschutz näher stand als der Stadtplanung. Das nach der Zerstörung im pfälzischen Erbfolgekrieg wieder aufgebaute Heidelberg hat dadurch eine harmonisch schöne Altstadt, der dafür ein asozialer moderner Platz vorangesetzt wurde, der sogenante Bismarckplatz, dessen Disfunktionalität ein wunderbarer Spiegel der Fehlplanung ist.

Was schöner und besser wäre, streitet vermutlich jede Generation neu, Schöner als in den durchgeplanten Siedlungen lebt sich bis heute in Altbauten, viele. die für Planungen der Moderne Verantwortung trugen, lebten immer eher in schönen Altbauten, statt in ihren teils sehr quadratischen Entwürfen.

Wer sich wundert, dass sich Menschen der Ästhetik ihrer Umgebung anpassen und ihren Wohnraum entsprechend erleben und behandeln, hart und brutal werden, obwohl doch alles so gut gedacht war, glaubt vermutlich auch, er könne deren Leben der Umgebung entsprechend planen und meint, klare Planung bringe geordnete Menschen hervor. So regte sich in der Presse der 30er Jahre mancher von der Ästhetik der Tautschen Bauten begeisterte Kritiker darüber auf, wie plüschig doch die Menschen in ihren klaren geradlinigen Wohnungen sich einrichteten, wie sie es wagen konnten Gardinen oder Vorhänge in die sauberen Linien zu bringen, Möbel im Gelsenkirchener Barock mit Nippes verunziert, in diesen mustergültig modernen Siedlungen aufzustellen, zu denen doch höchstens kühles Bauhaus oder Corbusiers Sessel passten. 

So deutlich wie dieses Beispiel zeigt wenig das Scheitern der Moderne und ihrer vermeintlichen Geradlinigkeit am Menschen, der nicht in diese Umgebung passt, weil er nicht nur nach einem Prinzip lebt, sondern, wie es gerade gefällt und in den sozialen Wohungsbauten der Gropisstadt weniger Anhänger der klassischen Moderne und eines reduziert edlen Stils lebten, sondern ganz normale Menschen mit all ihren spießigen Gewohnheiten, die nicht zu berücksichtigen, eine Planung ohne den Menschen ist, also unmenschlich und verfehlt bleibt, so nett es gedacht war.

Habe nicht den besseren und besten Plan, wie Menschen leben sollten, sah ich auch nie als meine Aufgabe an. Doch bemerke ich die Folgen der Fehlplanung auf das Sozialverhalten der Menschen, die zwischen den anonymen Schluchten leben, ob in der Gropiusstadt, in Lichtenberg, Marzahn oder im märkischen Viertel und, um mal ein anderes Beispiel zu nennen, im Heidelberger Emmertsgrund. Nach dem Erwachen aus den Menschen verplanenden Träumen der 50er bis 70er brauchen wir bis heute sehr viele Sozialarbeiter, um die dort siedelnden Menschen zu integrieren, ein soziales Leben in asozialer Umgebung zu ermöglichen.

So gesehen hat die verfehlte Stadtplanung zumindest als Arbeitsbeschaffungsprogramm für viele Sozialpädagogen gewirkt, um auch mal etwas positives zum Hochhausbau zu bemerken, den ich ästhetisch immer noch als einen brutalen Angriff auf das Geschmacksempfinden sehe. Natürlich gibt es einige wenige schöne Hochhäuser in den großen Städten dieser Welt, die als Büros dienen und dem knappen Raum durch Höhe gerecht werden wollen. Als zeitweiser Arbeitsplatz mögen sie tauglich sein, als Lebensraum sind sie es nicht und das zeigte sich, wenig erstaunlicherweise, immer wieder.

Wo die Masse zum Problem wird und wir ihr durch unmenschliche Bauten gerecht werden wollen, versuchen wir an der falschen Stelle zu lösen. Es wird mit dem bekannt falschen Mittel versucht, eine Lösung zu finden, die keine sein kann und die in ihrer Brutalität das vorige nur verschlimmert, warum es an der Zeit wäre, endlich umzudenken.

Die Antwort auf ein Problem mit der Masse heißt weniger Wachstum, konstruktive Schrumpfung, um wieder den angemessenen Platz für jeden finden zu können. Leider ist unsere Ökonomie nach einem kranken Modell auf permanentes Wachstum eingestellt und hat noch nicht gelernt, von Reduktion und Nachhaltigkeit wirklich zu profitieren. Dem entsprechen fehlkontruierte Sozialsysteme, die mit einem auf Wachstum der Bevölkerung fußenden Generationenvertrag die Menschen schon zu lange belügen und ihr Geld zwangsweise verschwenden lassen.

Mehr Langsamkeit als Wertfaktor und Luxus zu entdecken, wird dabei so wichtig sein wie eine andere Betrachtung der Wertschöpfung. Die Corona-Krise und ihre Folgen haben uns sehr deutlich vorgeführt, wohin das Wachstumsdogma führt, wenn aus externen Gründen ein zeitweiser Stopp oder ein Umdenken nötig ist. Die Ökonomie ist nicht darauf eingestellt und reagierte eher panisch auf die Stille und Ruhe, die konstruktiver hätte genutzt werden können, um danach wieder im alten Tempo mit den gleichen Methoden aufzudrehen, bei noch nicht absehbarer Zahl von Konkursen. 

Wir packen Menschen wie Ölsardinen eng gestapelt in Hochhäuser, fliegen sie zur Erholung auf überfüllte Inseln mit Sonne, wo sie sich wieder am Strand stapeln dürfen und das ganze für ein Glück und die Erfüllung halten sollen und es fragt sich, welcher Geist hinter solchen Perspektiven steckt, ob der Menschen, die in dieser Industrie mitspielen, je über das, was sie tun noch nachdenken oder es schlicht die Fortsetzung der Wohnfolter ist, die Menschen in den Urlaub treibt, wo sie in neuen Silos zeitweise Seligkeit suchen und doch nur in anderer Umgebung fortsetzen, was ihnen zuhause schon aufgezwungen würde.

Vermutlich könnte es eine ganze Branche in den Konkurs treiben, wenn Menschen mal innehielten, um nachzudenken, statt sich ständig irgendwo mit irgendwas ablenken und bespaßen zu lassen, entdeckten, was wichtig ist, um sich wohl zu fühlen und was nur eine neue Variante des brutalen Angriffs auf unsere Ruhe und unser Wohlbefinden ist, die uns denken lässt, wir müssten dieses oder jenes noch gesehen haben, hier oder dort gewesen sein, statt endlich das wichtigste zu entdecken, die Zufriedenheit mit weniger und dem, was ist, womit das Leben zum entspannten Genuss statt zur ewigen Hetze werden könnte - aber vermutlich werden diese Worte in den Ohren der Urlauber verhallen, die lieber beschäftigt und unterhalten werden, weil sie das Glück der Zufriedenheit mit sich nicht kennen, auch wenn es ihnen gelegentlich in bezahlten Yoga-Kursen von dortigen Lehrern vorgebetet wird und die lieber weiter powern, um sich diesen oder jenen Luxus leisten zu können, als käme es darauf irgend an.

Das Sozialverhalten der Menschen entspricht in vielem der Art, in der sie leben, genau getaktet, von hier nach dort hetzend, in Konservendosen eingesperrt, gönnen sie sich gerne etwas, was den Mangelzustand noch verstetigt, statt eine konstruktive Lösung durch Innehalten und Ruhe zu bringen. Der Siedlungsbau hat seinen Ausfluss im Massentourismus gefunden, es ist eine logische Konsequenz, die so absurd ist, zumal dies noch Erholung genannt wird, dass es jedem kritisch denkenden Betrachter auffallen müsste und zur Umkehr bringen sollte, um wieder echte Ruhe und Entspannung in sich zu finden, statt irgendwo danach zu fahnden, im weniger statt im mehr, alles zu haben. So sehe ich im Sozialverhalten der Menschen den Spiegel unserer Siedlungen und es scheint an der Zeit, kritisch darüber nachzudenken, um konstruktiv etwas zu ändern, weil der bisherige weg offensichtlich nicht zielführend sein kann.

Versuche das seit einigen Jahren relativ konsequent zu leben und Entspannung in meiner kleinen Bibliothek als Welt in der Welt zu finden. Dies dauerhaft teilen zu können, wäre sicher noch schöner, doch lassen die dafür nötigen Kompromisse daran zweifeln, ob ein solcher Plan sinnvoll sein kann und darum lieber die gelegentliche Teilung maßvoll zu genießen wäre. Reduziere die sonstigen Bedürfnisse immer mehr und bin damit immer zufriedener. Muss nirgendwo mehr hin, noch ständig neues oder mehr haben. Dinge werden möglichst nur erneuert, wenn sie kaputt sind, auf Haltbarkeit wird Wert gelegt.

Verbreitete sich diese Lebensform, die nahezu nichts braucht und mit wenig zufrieden ist, wäre dies für die momentane Industrie, die ständig neue Produkte am Markt platzieren muss, eine Katastrophe, weil unsere Ökonomie so funktioniert, wie sie funktioniert und Menschen lieber als Ölsardinen in Siedlungen leben, um einmal im Jahr oder häufiger noch als Ölsardinen wieder kollektiv in der Sonne zu braten oder an Liften anzustehen und das Vergnügen nennen, während sie sich in ihrer Freizeit von Maschinen in Studios bewegen lassen und das für gut und gesund halten.

Es beginnt bei manchen ein gewisses Umdenken, nahezu jeder lobt sich für die Nachhaltigkeit in seinem speziellen Bereich, deretwegen sich dann die Urlaubsausnahme gestattet wird, die das bekannt ungesunde in anderer Umgebung mit noch negativeren Folgen fortsetzt und also ist dieses sogenannte Umdenken, der Geländewagenfahrer, die nun Biomilch kaufen, nichts wert, ändert nichts, sondern ist nur der erworbene Ablassbrief und zeugt von einem schlicht katholischen Denken, das auf Vergebung und Deantwortung beruht statt auf Konsequenz und kritischem Denken, ethisch wertlos ist, nichts ändert.

Wie einfach und schön könnte das Leben sein, achteten Menschen mehr auf ihr Leben, machten sich ihren Alltag schöner, entschleunigten, statt sich mehr zu bewegen aber solange wir Menschen mit Gewalt in grässliche Konserven zwingen, müssen wir uns über das Ergebnis nicht wundern und vielleicht könnte die Stadtplanung in Zukunft mehr darüber nachdenken, denn der schönste Urlaub soll in den eigenen Wänden beginnen.

jens tuengerthal 24.7.20

Donnerstag, 23. Juli 2020

Sexwert

Was macht Sex wertvoll und wann wird er wirklich gut?

Sex ist alltäglich geworden, überall verfügbar und online findet sich immer jemand mit irgendwie ähnlichen Leidenschaften, so absurd sie auch sein mögen, haben wir in Berlin für alle Varianten stets große Auswahl. So gesehen könnte, was Rudolf Borchardt schon für seine Jugend zu Beginn des Jahrhunderts noch im Kaiserreich als Weltpuff Berlin so wunderbar als eigene Geschichte beschrieb, das Leben in Berlin das sexuelle Paradies sein, in dem jeder stets glücklich durch die Straßen schwebt.

Dies ist offensichtlich nicht der Fall. Schaue ich in die Gesichter auf den Straßen oder vor den Cafés, wo sich die neuen Online-Dates erkennbar treffen, sieht kaum einer glücklich und befriedigt aus, auch wenn viele Sex haben und vielleicht sogar mehr als in anderen Städten, weil die erreichbare Auswahl groß genug ist.

Woran liegt das, fragte ich mich, wenn ich mal wieder glücklich durch die Straßen schwebte als hätte ich gekifft, was ich nicht tue, weil ich die Wirkung der hormonellen Droge wesentlich reizvoller finde und vor allem nachhaltig gesünder und in jeder Beziehung stärkend.

Aber auch ich kenne Begegnungen, die langweilig und unbefriedigend sind, selbst wenn beide dabei irgendwie zum Höhepunkt kamen, dennoch keine Erfüllung fanden, jedoch inzwischen auch umgekehrt genug Fälle, wo es auch ohne den letzten Schritt erfüllend und befriedigend war, weil du ganz beieinander warst und Lust geschenkt bekamst, durch die Freude deines Gegenübers, was Glück genug für lange Zeit schon sein kann. Finde es inzwischen spannender Lust und Befriedigung einer Frau schenken zu können als sie auf männlich schlichte Art selbst zu suchen, was immer und einfach ginge, während die Sexualität der Frau für mich als Mann immer noch ein komplexes Wunder ist, dem ich gerne als Zauberer nicht nur mit Worten aber gern mit der Zunge diene.

Dieses Gefühl der höheren Potenz der Frauen, die dennoch aus vielen Begegnungen unbefriedigt gehen, weil vielen Männern wohl die eigene Befriedigung wichtiger als die der Partnerin ist, die mehr Aufmerksamkeit und Hingabe erfordert, hatte ich schon lange und bin froh, dass diese irgendwie Ahnung inzwischen nicht nur praktisch sondern auch wissenschaftlich durch die Forschung zum nervus pudendus bestätigt wurde. Diesem großartigen Schwellkörper, der das männliche Glied in allen Fähigkeiten überragt, der von der Klitoris zur Wirbelsäule läuft und dem zu huldigen eine Ehre jedem Mann, der Frauen liebt, sein sollte, weil sich erst dann die wahren, bebenden Wunder offenbaren, die in Erinnerung bleiben, wenn dein Gegenüber vor Glück zitternd und eben bebend oder sogar, bei Stimulation der richtigen Stellen, überlaufend, erfüllt in deinen Armen liegt und du weißt, es wohl, auch als eher grobmototischer Mann, nicht ganz falsch gemacht zu haben, verleiht eine viel tiefere Befriedigung, als die schnelle Nummer, die nur zum Höhepunkt reitet, ohne den Weg und seine Umgebung genießen zu können.

Diese Dankbarkeit in den Augen der glücklichen sexuellen Partnerin, ist für mich inzwischen der größte Schatz, nur noch zu übertreffen durch den seltenen gemeinsamen Höhepunkt, der aber auch nur das Ergebnis eines wilden Ritts eher ist und nur der Gipfel eines langen Weges, der wie alle Gipfel sich erstmal toll anfühlt aber nicht diese nachhaltige Zufriedenheit hinterlässt, die der Blick einer dankbaren Geliebten schenkt, eine der schönsten der vielfältigen Arten der Liebe, die eben schenken möchte und nicht sich im anderen befriedigen will, weil sie selbstlos glücklich macht.

Den sportlichen Ehrgeiz des Zusammenkommens hatte ich früher sehr, hielt es für den Gipfel der Genüsse, das einzig wahre, und kann doch inzwischen sagen, es fühlt sich toll an, ist aber nur ein winziger Moment, hat nicht das lange Nachbeben, das eine selige Partnerin erfüllt und glücklich in deinen Armen liegen lässt. Erstrebenswert, wo es möglich ist, aber deutlich überschätzt,  weil dabei jeder bei sich bleibt, einer sich zwar auf den anderen konzentrieren muss, hinterlässt es nicht diese große andauernde Erfüllung, auch wenn es für ein Lächeln auf dem Weg durch die Straßen allemal reicht, nicht schlecht geredet werden soll, schon wunderbar ist, aber eben nur ein Teil der großen Möglichkeiten und der Offenbarung, die dir die Anbetung der weiblichen Sexualität schenken kann, die in all ihrer Komplexität und Vielfalt viel mehr das ganze Wesen erfasst, als das bloße Vögeln, was viele schon für den Gipfel der Genüsse halten.

Vor allem die hohe Kunst der Liebe, die dem anderen selbstlos Glück schenken will, statt es auch für sich zu suchen, ist auch eine innere Offenbarung, die tiefer geht als der nur zum gemeinsamen Orgasmus strebende Sex. Ist nett, kommt bei Harmonie miteinander irgendwann von alleine, aber macht den Sex nicht besonders wertvoll sondern die Hingabe an den anderen, das Bedürfnis, ihn zu beglücken, die über sich und die eigenen Bedürfnisse hinauswächst, ist es, die nachhaltig und dauerhaft glücklich macht, länger strahlen lässt als eigene Befriedigung.

Es ist die hingebungsvolle Verwöhnung der Frau auch die beste Voraussetzung zum gemeinsamen Glück, weil sie eben erst den nervus pudendus so anschwellen lässt, dass dieser intravaginal oder anal stimuliert werden kann. Die schnelle Nummer entspricht schlichterer männlicher Sexualität, ist reizvoll, führt zu schneller meist einseitiger Befriedigung, aber ist nur ein Vorspiel des Wunders, was dann geweckt kann und das den Sex dauerhaft wertvoll macht.

Braucht guter Sex ein Vorspiel fragen manche, natürlich nicht, du kannst, wenn du heiß genug bist, auch einfach loslegen, zumal das schönste Vorspiel im Kopf beginnt, nur wird es eben meist nur zu einseitiger Befriedigung führen und nicht das Wunder weiblicher Sexualität mit seiner das ganze Wesen erfassenden Wirkung offenbaren und jene glückliche Dankbarkeit erzeugen können, die den Sex wertvoll erst macht. Was andere nur Vorspiel nennen, ist dann Teil des sexuellen Geschenks aneinander und fließt in den Akt an sich hinein, der keine so entscheidende Rolle mehr spielt, was für Männer im fortgeschrittenen Alter deren Standkraft auch gelegentlich dem Alkohol geschuldet, nicht immer so zuverlässig ist, wichtig sein kann.

Manche geben dann den Sex auf und sind frustriert mit ihrer auch prostatabedingten Schwäche, andere freuen sich mehr an neuen Wegen, die erst das große und bleibende Glück offenbaren, was vielleicht vielen Paaren im Alter ganz neue Hoffnung geben könnte. Wertvoller Sex ist derjenige, der von Liebe zum Sex getragen ist, also dem anderen selbstlos schenken will und wer daraus zum gemeinsamen Glück nebenbei findet, kann sich freuen, doch habe ich mit den Jahren gelernt, der höheren Potenz der Frauen mehr zu huldigen, die häufiger und intensiver mit dem ganzen Körper an verschiedensten Orten können, als wir Männer mit unserem relativ schlichten Zauberstab genannten Sexualorgan und das viel größere Glück ihrer Dankbarkeit mehr zu genießen als das kurzfristige der Befriedigung im anderen, auf das ich in jugendlicher Naivität früher guten Sex reduzierte und freue mich ganz nebenbei, dass die Forschung mein Gefühl nun wissenschaftlich bestätigt hat und es also Zeit für ein Umdenken in der Sexualität ist. Wertvoll war sie, wenn die Partnerin dankbar in meinen Armen nachbebt, alles andere ist ganz nett aber nicht das Wunder, das es zu entdecken gilt und dem zu huldigen, wohl der schönste Gottesdienst immer ist.

jens tuengerthal 23.7.20

Liebesfreiheit

Was ist die Liebe und wie kann sie glücklich machen?

Früher träumte ich von großer Liebe und wollte mit der einen alles teilen und bis ans Ende meiner Tage absolut glücklich sein, dachte eine zeitlang, es gäbe die eine tatsächlich, wollte nie mehr eine andere, bis das Glück plötzlich verschwand und ich merkte wie wenig blieb.

Nicht aus dem Nichts und nicht ohne Gründe, alles im Universum geschieht mit Ursache und Wirkung und auch das Scheitern einer Liebe kündigt sich, mit Abstand betrachtet, der einem in der Liebe normalerweise immer fehlt, lange vorher in Kleinigkeiten des Alltags an. So auch da und mein Versuch diese absolute und unvernünftige Liebe aus den Extremen in eine ausgeglichene Realität zu holen, um sie wirklich dauerhaft leben zu können, war schon der Anfang des Scheiterns, weil sie absolut liebte, in allem absolut war und sich nichts anderes vorstellen konnte, sich nicht mehr geliebt fühlte und so ließ ich, ohne es zu wollen, scheitern, was ich zu retten versuchte, weil es so und überhaupt nicht gehen konnte, weil es unfrei und voller Zwang war, wie es der absoluten Liebe eben entspricht, die einem alles sein will, was keiner einem anderen je sein kann oder sein wollen sollte.

Aus dieser Erfahrung zu lernen, habe ich lange gebraucht. Zunächst schob ich das Scheitern auf verschiedenste Gründe, machte mir Vorwürfe, zweifelte am Leben und verzweifelte am weiteren Sein ohne, was mir unvorstellbar schien. Dabei wusste ich längst, es konnte nicht gut gehen, wie es war, wurde zur Hölle so vermutlich für beide, sicher jedenfalls für mich, weil es eine unfreie Liebe war, die von Kontrolle und Zwang lebte, absolut im Anspruch war, von ihrer Seite von rasender Eifersucht geprägt, die mich wütend und wahnsinnig machte und schließlich resignieren ließ.

Ob es wirkliche eine Liebe war oder nur eine Illusion von Paarbeziehung mit Sex, habe ich mich damals nie gefragt, zu extrem war alles zwischen permanenter Suiziddrohung, wenn du mich verlässt, hieß es immer wieder, extremer Hingabe und rasender Wut - es blieb zwischen diesen Extremen keine Zeit in Ruhe nachzudenken und sich zu fragen, was will ich eigentlich, wo soll es hingehen und wie kann es, auf Dauer gut gehen. Beim ersten Versuch eine gewisse Normalität zu erreichen, scheiterte die Beziehung, die nicht normal sein konnte.

Ob die Liebe je normal sein kann oder immer ein Ausnahmezustand voller Begehren und großer Gefühle sein muss, wäre die nächste Frage, doch zuvor möchte ich darüber nachdenken, was die Liebe eigentlich ist und wann sie wie glücklich machen kann - zumindest konnte ich auf Dauer nicht in diesen Extremen leben, warum ich, ohne es zu wollen, vermutlich die Flucht zur Normalität ergriff, die, vernünftig betrachtet, in dieser Konstellation nur scheitern konnte, was mich vermutlich gerettet hat.

Die Liebe ist ein Gefühl starker Zuneigung und innerer Verbundenheit. Was genau sie kennzeichnet, belegt oder ausmacht, ist so umstritten wie die Menschen unterschiedlich sind und es ist müßig, sich darüber noch mehr Gedanken zu machen. Erich Fried dichtete einst so klar wie treffend, es ist, was es ist und das genügt eigentlich. 

Hier ist vor allem wichtig, die Liebe ist ein Gefühl. Es mag zwar physische Auswirkungen haben, bestimmte Hormone freisetzen, neurologische Reaktionen hervorrufen, die messbar sind, also auch belegbar sein aber zuerst ist sie ein Gefühl, etwas in unserem Kopf, was durch nichts belegbar ist als unsere Liebeserklärung oder eben entsprechendes Verhalten, was darauf schließen lässt. An die Liebe muss ich also glauben, um mit ihr glücklich zu werden. Fehlt es am Glauben, an das Gefühl, mangelt es an der wichtigsten Bedingung der Liebe.

Es gibt Versuche Liebe durch große Geschenke oder Erklärungen auch schriftlicher Form zu belegen, diese dienen allerdings meist eher dem schlechten Gewissen als der Liebe Auch die Ehe als institutionalisierte Form der Liebe ist dem Gefühl eher abträglich und könnte als umgekehrte Prüfung verstanden werden. Was sogar dies übersteht, scheint auf Dauer angelegt, auch wenn wir gewohnheitsmäßig das andere versichern, was aber auch rituell bedingte Gewohnheit sein könnte, die vielfach das kritische Denken im Alltag ersetzt.

Was immer zählt, ist das Gefühl, was eben manchmal verloren geht, wie Erich Kästner es so wunderbar traurig für das Paar im Café bedichtete, das beieinander saß und dem die Liebe verloren ging, wie anderen ein Stock, Hut oder Schirm. Das ist tragisch und ergreifend, manchmal nicht zu begreifen, weil doch eben noch alles so schön schien, aber es ist dann auch einfach so und keiner könnte je nur den einen Grund benennen. Es ist die Summe der Ereignisse, die Liebe sich verflüchtigen lässt. Die Ehe und ihr formaler Rahmen, der die Scheidung teuer macht, also die Trennung erschwert, soll dem vorbeugen, wenn auch auf der Liebe eigentlich feindliche paradoxe Weise, eben juristisch aber das ist Juristen vermutlich nicht erklärbar, die meinen alles sei regelbar und müsste geregelt sein, um zu funktionieren.

Wo aber nichts als Gefühl die Basis sein soll, nicht wie bei früher arrangierten Ehen noch viele andere Gründe, bedarf es zuerst des Glaubens an dieses, wo dieser fehlt, hat schon das Gefühl einen Mangel, der durch nichts ausgleichbar ist.

Weil wir es gewohnt sind, Beziehungen und Ehe mit Liebe zu verwechseln oder gleichzusetzen, müssen wir uns über deren Scheitern nicht wundern, weil wir eine von verschiedensten Faktoren beeinflusste Konstellation auf ein Gefühl allein stellen wollen, aber zugleich nur aus diesem begründete Dinge wie Treue und anderes dort sanktionierten, ist dieses Besitzdenken aus der Zeit der gestifteten Ehen, die der Versorgung und der Vermögenswahrung dienten neben der Fortpflanzung und die von den Regeln des Aberglaubens stärker geprägt waren als von Vernunft, für viele zu einem legitimen Gefühl geworden, halten sie Eifersucht, also der Liebe ferne Missgunst, für in der Liebe begründet, obwohl sie dessen Gegenteil ist und eigentlich nur zeigt, dass es an Liebe mangelt und dafür formale Prinzipien als Ersatz beschworen werden, die beides lächerlich machen.

Wer eifersüchtig ist, glaubt nicht mehr an das Gefühl. Egal, ob es Gründe für diesen Zweifel gibt oder nicht, betrügt der eifersüchtige Partner damit den anderen zuerst, weil er misstraut und damit den Kern der Liebe, den Glauben an ein Gefühl infrage stellt. Bei diesem Satz werden viele schwer schlucken und manche laut widersprechen wollen, was aber nur an einem Mangel logischen Denkens liegt und fehlender Konsequenz, die leider häufiger vorkommen als echte Liebe.

Ob ich es schön finde, wenn mein Partner sexuelle oder emotionale Erfahrungen auch mit anderen teilt, ist eine andere Frage und kann Gegenstand von Vereinbarungen zur Ordnung einer Beziehung sein. Dann kann eine offene Beziehung geführt werden oder nicht. Das hat aber mit der Frage der Liebe und ihrem Ende nichts zu tun.

Sofern Liebe der Glaube an das Gefühl ist, betrügt die Liebe zuerst wer nicht mehr an das Gefühl glaubt und darum eifersüchtig ist oder wegen irgendwelcher austauschbarer sexueller Handlungen meint, seine Ansprüche geltend machen zu müssen. Dies ist ein Verhalten, was wir aus dem Tierreich kennen, wobei die Schimpansen Männchen zwar scharf auf ihr Weibchen aufpassen, dieses aber versucht sich mit so vielen Männchen wie möglich zu paaren, um den Erfolg sicherzustellen und die soziale Sicherheit für die Kinder zu haben. Da sich dann viele männliche Tiere für Väter halten können, sind diese weniger gefährdet von dem einen oder anderen aus Eifersucht totgebissen zu werden. So dient dort die vermeintliche Monogamie der Weibchen des ranghöchsten Affen, nur dessen interner Machtdemonstration, während deren tatsächliche Polygamie dem Schutz des Nachwuchses dient.

Es gibt die Eifersucht also auch im Tierreich. Was vielen derer, die sich diesem Egoismus hingeben, Grund genug ist, ihr Gefühl für legitim zu halten, gar zu meinen ohne ein gewissen Maß an Eifersucht fehle einer Liebe die Leidenschaft. Doch zeigt diese unsinnige Verwechslung nur wie tief die Fehleinschätzung geht, die Rudelverhalten und Machtspiele in sozialen Beziehungen mit einem Gefühl verwechseln, dass, wie schon immer wieder betont, nur auf dem Glauben an ein Gefühl beruht, was sie durch ihr Verhalten schon negiert haben.

Es gibt nichts, was eine Liebe retten kann, wenn es am Glauben an das Gefühl fehlt. Zwar gibt es viele Methoden eine Beziehung am Leben zu erhalten, wenn der Glaube fehlt, weil dies der sozialen Stabilität der Gesellschaft, die auf Familien gegründet ist, dient, doch sind dies nur Versuche die Gesellschaft zu retten, den Glaube an das Gefühl können sie nicht retten, aber viele leben dafür in Beziehungen anstatt. Dies funktioniert auch besser als ständige hochemotionale Trennungen, die dem Aufwachsen der Kinder schaden und so besteht ein Interesse der Gemeinschaft Beziehungen auch ohne Glaube an das Gefühl aufrecht zu erhalten und sich dafür einzureden, dieses könne ja wiederkehren oder die Eifersucht sei legitim oder begründet, was sie nie ist oder sein kann.

Wenn die Eifersucht da ist, fehlt es am Glauben an die Liebe und also an dieser im Kern, dann geht es nur noch darum, die Machtbefugnisse aus einer Beziehungskonstellation einzusetzen, um den anderen zu kontrollieren und zu wunschgemäßen Verhalten zu zwingen. Mit Liebe hat das nichts mehr zu tun, sondern mit Macht, Rache und Durchsetzung. Diese Negation der Liebe bei gleichzeitiger Betonung, es geschähe ja nur aus verletztem Gefühl, ist ein ständiges Paradoxon, mit dem wir uns gewöhnt haben zu leben, statt uns zu fragen, was dahinter steckt und warum es darum absurd ist.

Liebe ist ein positives, zugewandtes Gefühl, das dem anderen gut will. Es existiert nur im Glauben. Jeder andere Liebesbeweis kündet eigentlich nur vom mangelnden Glauben an das, was die Liebe im Kern ist, etwas nicht belegbares, an das ich positiv glaube oder nicht. Über Bedingungen einer Beziehung können Partner Verhandlungen führen, bei denen sie sich auf ein für beide Seiten tragbares Ergebnis einigen sollten. Das hat nichts mit Liebe zu tun, sondern allein mit der Frage, wie ich eine Beziehung im Alltag realisiere. Diese Verwechslung zu beenden und die Liebe von den lächerlichen Beziehungskämpfen frei zu halten, wäre ein echter Dienst an der Liebe, um das große Gefühl als solches zu würdigen. Davon sind wir in der Realität leider noch sehr weit entfernt.

Wenn ich liebe, vertraue ich auf das Gefühl. Tue ich das nicht mehr, brauche ich nicht mehr von Liebe reden, sondern kann nur versuchen, eine Beziehung aus anderen Gründen zu retten, der die Liebe längst verloren gegangen ist, was wieder vielen nicht gefallen wird, die es anders gewohnt sind aber damit sich wie die Liebe belügen und sich nur immer wieder wundern, warum sie in der Liebe nicht glücklich werden, die sie mit Beziehung verwechseln.

Glücklich macht die Liebe, wenn sie geteilt wird und darin Erfüllung findet. Voraussetzung der Teilung ist der Glaube an die Liebe des anderen. Dieser kann auch durch nichts belegt werden als den Glauben. Alle Gaben, die dies bestätigen sollen, von getauschten Ringen bis zu schriftlichen Versprechungen sind nur Ausdruck mangelnden Glaubens und wachsender Zweifel, die eigentlich vom nahen Ende der Liebe eher künden, konsequent gedacht.

Es gelten allerdings gesellschaftlich teilweise andere Bedingungen und so werden bestimmte Verhaltensweisen erwartet, die dem Bekenntnis zur Liebe dienen sollen, auch wenn sie in Wirklichkeit eher das Gegenteil belegen, weil sie Zweifel am Glauben an die Liebe widerlegen sollen, der Beweisführung des Unbeweisbaren dienen und damit vom Gegenteil logisch künden. Hier kann wie bei der Ehe argumentiert werden, wenn eine Liebe auch diesen widersinnigen Unsinn übersteht, der meist eher aus konventionellem Gehorsam ohne nachdenken geschieht, wird sie stark genug sein. 

Leider ist das Argument hier wie dort falsch. Es hat mit der Sache der Liebe nichts zu tun. Rechtfertigt nur ein konventionelles Verhalten und ist eine bloß unreflektierte Gewohnheit, die unaufgeklärtem Handeln entspricht. Unaufgeklärt ist, wer sich nicht aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit befreit hat. Unmündig ist, wer nicht aus eigenem Entschluss handelt, also vorliegend dem reinen Gefühl folgt, sondern Konventionen folgt, statt die Richtigkeit an seinem Gewissen zu messen. Selbstverschuldet ist dies, wenn es nicht aus Dummheit sondern aus Faulheit geschieht. Nur der Umkehrschluss könnte zulässig sein: Wer sich im Bewusstsein der Untauglichkeit der Ehe für die Liebe dennoch der Konvention unterordnet, um einen höheren Zweck damit zu erreichen, könnte aufgeklärt handeln. Es soll auch auf dem weiten Feld der Liebe solche Fälle geben und wem stünde schon ein Urteil über die Liebe zu, wenn diejenigen sich sicher sind.

Egal ob nun wirklich aufgeklärt und also mündig aus Liebe geheiratet werden kann, wäre die wichtigere Frage, nachdem klar ist, was Liebe ist und warum Eifersucht eher vom Ende der Liebe kündet, als der Versuch anderweitige Sexualität vor der Liebe zu verbergen, die im Gegenteil eher sogar als Beweis für eine solches Gefühl gewürdigt werden könnte, wären wir es nicht gewohnt unsere Emotionen anderweitig einzuordnen und würden nicht viele Lust und Liebe verwechseln, Trieb und Gefühl gelegentlich durcheinander bringen, ob mehr oder weniger Suche nach Triebbefriedigung in der Partnerschaft oder neben ihr nun von größerer Liebe oder mangelnder Erfahrung kündet,, falls nicht eben schon belegt worden wäre, dass die Eifersucht die der Liebe schädlichere Tat ist, weil sie mehr am Glauben zweifelt als die bloßen Konventionen widersprechende Tat, die in unserer Gesellschaft eben zufällig ans Gefühl gebunden ist, was mit der Moral der herrschenden Sekte des Christentums zu tun hat und deren Absolutheitsanspruch in Sachen Liebe. Wer Sex mit Liebe kennt und dabei sogar noch geteilte Befriedigung erfahren durfte, wird wissen, dass alles andere unwichtiger Sport nur ist, der nicht weiter der Rede wert ist. Aber der Vorgang des Sex als Form der körperlichen Befriedigung hat nichts mit Liebe zu tun. Es geht mit oder ohne und geht auch für sich selbst, mit welchen Gedanken dabei auch immer.

All dies zeigt, wie absurd die Eifersucht ist, die meint, sie kämpfe um die Liebe, die sie in Wirklichkeit aber negiert, weil ihr der Glaube als existenzielles Merkmal fehlt und dies alles nur, um eine Konvention aus christlicher Dogmatik zum Sexualverhalten zu verteidigen, die das Gegenteil von Liebe als Gefühl in vielem ist und nebenbei noch die Ordnung der Beziehung mit dem ihr zugrunde liegenden Gefühl verwechselt.

Eifersucht war für mich nie ein Problem, weil ich immer wusste, du bist zusammen, weil du es willst und wenn du es nicht mehr willst, kannst du es auch lassen. Sexueller Trieb und seine schnelle Befriedigung sagt nichts über die Enge einer gewachsenen emotionalen Beziehung aus. Wenn ich in einer Beziehung glücklich und zufrieden bin, habe ich nie ein anderes Bedürfnis. Gelegentliche Ausnahmen, die dem Trieb und der Natur geschuldet sind, sollten auch so betrachtet werden und schaden nicht, im Gegenteil, denke ich inzwischen. Wen ich liebe, der würde ich auch immer gönnen, mal einer Laune zu folgen und dafür nicht die Liebe verspielen zu wollen, die viel kostbarer ist. Dabei ist mein Bedürfnis dahingehend inzwischen relativ gering geworden und doch hielte ich harmlosen schnellen Sex, der mich aber ohnehin nicht interessiert, immer für wesentlich unwichtiger als eine intensive emotionale Beziehung.

Aber darum geht es ja nur am Rande in diesem Essay, das sich schon viel zu sehr der Eifersucht und der Aufklärung darüber, wer dabei die Liebe zuerst verleugnet, widmet, als dem Titelthema der Liebesfreiheit, auch wenn dies schon zwischen den Zeilen gelesen werden konnte. 

Sind wir frei zu lieben, oder folgen wir einer höheren oder hormonellen Bestimmung füreinander dabei, fragt sich nur, wer seinen Kant nicht kennt und noch unaufgeklärt katholisch liebt, statt aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit wie oben geschildert befreit. Wären wir nicht frei, auch wenn uns nicht alle Gründe dafür bewusst und manche Hormone uns wie fremdgesteuert handeln lassen, wäre die Liebe als Entscheidung füreinander wertlos. Dies mag noch an der traditionellen Gleichsetzung von Ehe oder Beziehung mit Liebe liegen, die viele verkennen ließ, dass es bei dieser praktischen Beziehung nicht primär um Gefühle ging, sondern diese nur zusätzlich daran gehängt wurden als Verzierung. Ohne Freiheit der Gefühle keine Liebe. Folglich ist die Liebe auch allen Bedingungen feindlich gesinnt. Sie ist, was sie ist und genügt sich. Wer Liebe an Bedingungen knüpft, liebt nicht mehr, sondern versucht unter konventionellen Bedingungen seine Interessen im Machtkampf durchzusetzen.

Glücklich macht die Liebe, die gegenseitig erfüllt, egal in welchem Bereich, was auch immer sich wie und wo gut tut, dabei teilen kann. Wer das alles mit einer Person kann, mag sich glücklich preisen, es zu wollen, ist aber sicher zum scheitern verurteilt, weil kein Mensch den Erwartungen entsprechen kann, die jemand an sein eigenes Glück hat, wie die Erwartungen ohnehin jede Liebe töten, da sie nur im Kopf desjenigen mit Erwartungen existieren, also logisch nur enttäuscht werden können und damit die permanente Frustration in sich tragen. Auf den Partner für alles zu hoffen, ist das sichere Unglück, weil es gleich der Erwartung in der Liebe, schon die sichere Enttäuschung in sich trägt. 

Damit die Liebe sich jenseits aller Erwartung und sicheren Enttäuschung entfalten kann, um zu voller Größe zu finden, die das größte Glück bescheren kann, bedarf sie völliger Freiheit. Wer der Liebe eine Chance geben will, verleiht ihr erwartungslos Flügel, hofft auf nichts bestimmtes in einer Person, sondern freut sich am möglichen, wie es sich zeigt. Manchmal soll sie dann tatsächlich zeigen, hab ich schon raunen gehört.

Wer nun meint, diese Definition der Liebe sei zu eng und damit fielen die meisten Lieben durch, was nicht gerecht wäre, hat etwas falsch verstanden. Die Liebe kann alles und sein, wie sie es will, was sie ohnehin tut. Aber wer im Alltag mit der Liebe leben will, sollte sich klar sein, was Liebe ist, wo sie gefährdet ist und wie wir sie schützen können. Dazu gehört auch, gegen alle Gewohnheit, zu sagen, Eifersucht gefährdet nicht die Liebe sondern ist Ausdruck für ihr längst Ende, auch wenn wir eine Beziehung aus Gewohnheit noch weiterführen können, wie so vieles im Leben, was weder aufrichtig ist, noch dem Gewissen genügt aber schon immer so gemacht wurde. Zeit darüber nachzudenken, es infragezustellen, um der Liebe wegen, die viel seltener ist als viele sagen, um glücklicher zu lieben.

jens tuengerthal 22.7.20