Freitag, 8. Juli 2022

Neuneuroreise

Neuneuroreise

Mit der Eisenbahn von Berlin aus nach
Heidelberg kannte ich schon dachte ich
Sonst fünf Stunden mit dem ICE heute
Knapp elf Stunden mit dem 9 Euro Ticket
Sieben mal umsteigen mit wechselnden
Gesichtern wie kleinen Aufregern dabei
Zuerst blieb die Straßenbahn stehen
Weil die Polizei ein Auto abschleppte
War sicher den ersten Zug bereits
Verpasst zu haben aber dann kam
Dieser elf Minuten später als erwartet
So ging die Zugfahrt wie geplant los
Fand sogar gleich einen Sitzplatz 
Wenn auch im Gang dafür zwischen
Zwei schönen jungen Damen zunächst
Mit der einen zur rechten ich plauderte
Wie ihr Staunen über die lange Reise
Lächelnd genoss denn tatsächlich
Kam ich mir wie ein Reisender vor
Was mir sonst so völlig fern liegt
Die junge Dame stieg bald aus
Und ich widmete mich der Lektüre
Des Mann ohne Eigenschaften bis
Das erste Abenteuer der Reise begann
Ein junger Brandenburger ohne Maske
Fühlte sich durch den Hinweis eines
Anderen Fahrgastes der mutmaßlich
Ein Berliner Student mit Freundin war
So provoziert dass er eine Schlägerei
Mit dem größeren älteren jungen Mann
Beginnen wollte wobei ihn eine so
Resolute wie korpulente Dame von
Mittlerem Alter aufforderte endlich
Zu verschwinden und selbst aufstand
Der Dichter blieb Beobachter der Szene
Die sich direkt vor ihm abspielte aber
Hielt sich angesichts der Wut des
Fanatischen Knaben lieber zurück
Nun unbeschädigt darüber zu dichten
Der rasende Knabe nutzte noch seine
Bauchtasche den Studenten zu prügeln
Während dessen den Tränen nahe
Freundin den ihren zurückhielt der sich
Das Theater nicht gefallen ließ
Als die resolute Dame sich schließlich
Mit ihrem ganzen Umfang erhob
Ergriff der junge Brandenburger doch
Lieber die Flucht aber nicht ohne
Diese wütend zu beschimpfen wie
Seinen frisch erworbenen Sandwich
Dem Studenten nach zuwerfen dessen
Inhalt sich im Waggon wie auf der
Jacke eines bis dato unbeteiligten
Älteren Herren verteilte worauf sich
Alle Anwesenden kollektiv empörten
Wie den Knaben verurteilten nach
Dessen verschwinden noch eine
Aus dem Klo nebenan auftauchte
Die sich aus Furcht eingeschlossen hatte
Bis die laute Szene vorüber war
Die uns Anwesenden berichtete
Sie kenne den Knaben der wie sie
Was an ihrem Äußeren erkennbar war
Aus Brandenburg stamme worauf
Eine neue Welle der Solidarität
Diesen Teil des Zuges überrollte
Der Rest der Fahrt bis Magdeburg
Verlief unaufgeregt lesend sich dafür
Den emotionalen Aufregungen der
Akteure im Roman innig widmend
Ab Magdeburg saßen mir dann zwei
Sympathische junge Damen direkt
Gegenüber die sich gleich in ihre
Bücher vertieften die eine ethnologisch
Über das Wesen der Magier
Die andere in Platos Staat was
Beides zum Gespräch einlud so
Kurz die je Lektüre unterbrach wie
Belegte Reisen kann doch bilden
Wobei der schöne Anblick gegenüber
Für das schauerliche Wetter draußen
Mehr als genug entschädigte ginge es
Auf Reisen um solche Kleinigkeiten je
In Sangerhausen zwar zu spät angekommen
Aber passend in den Zug nach Kassel
Auf dem Gleis gegenüber gestiegen
Der auch verspätet kam und so noch 
Zeit für eine Zigarette unter dem mal
Nicht verregneten Himmel ließ dabei erfuhr
Der Dichter noch dass die junge Dame
Bis dato Psychologie in Berlin studiert
Aber nun zu irgendwas wie Skandinavistik
Wechseln wollte dann verloren sich
Die kurz gekreuzten Wege im nächsten
Regionalexpress wieder der uns über
Den Harz und Nordhausen gen Kessel
Bringen wird unter einem Himmel
Dessen Wolken immer näher kommen
Unter grauem Himmel ging es hoch
Durch die Berge bis es schien wir
Führen im trüb regnerischen Grau
Mitten durch die Wolken aber wie
Gut tut der Regen dem Land wie
Den hier wunderbaren Wäldern die
Wie die Wiesen saftig grün sind
Nun eine halbe Stunde auf den Zug
Nach Frankfurt in Kassel warten
Tief hängende Wolken mit Wind
Hier auf der Höhe lassen es 
Neblig ungemütlich scheinen
Die ruhige Fahrt im nicht zu vollen
Regionalzug gen Frankfurt mit
Genug Platz in der vierer Gruppe
Langsam reißt der Himmel auf
Während der ruhigen Fahrt durch
Das schöne Hessenland zwar 
Mag eine Fahrt von elf Stunden
Relativ lang sein aber auch hier
Wieder gutes Netz und Steckdose
Also ein guter Platz zum Schreiben
Viele sind mit ihren Telefonen ruhig
Beschäftigt einige lesen und nun
Scheint die Sonne in den Zug
Alle Anschlüsse passten bisher
Lässt es sich für neun Euro gut
Durch Deutschland reisen auch
Wenn einen halben Tag dauert
Was sonst in fünf Stunden geht
Aber vielleicht gefällt es mir darum
So gut als Entdeckung der Langsamkeit
Die den Blick für die Schönheit weckt
Kein Chaos sondern ruhiger Gang
So könnte das Ticket eine neue
Kultur für unser Land wecken
Aber ich urteile lieber wenn ich
Irgendwann in der Kurpfalz bin
Gerade schauert es wieder dafür
Sehen Wiesen und Wälder saftig
Grün und gesund aus beim Blick
Gen Süden sehe ich die Sonne
Schon wieder durch die Wolken
Wie eine Götterdämmerung brechen
Ansonsten rolle ich durch Hessen
Ohne das irgendwas passierte
In strahlendem Sonnenschein durch
Die alte Heimat Wetterau wie auch
Bad Vilbel gerollt wo der Bahnhof
Wie die Umgebung eine Baustelle ist
Staune wie schnell Welten sich ändern
Nun rollt die Bahn gen Frankfurt
Während die Sonne über dem nahen
Taunus mit den Wolken spielt
Die Hochhäuser schon im Blick
Rollen wir durch die grüne Seite
Frankfurts langsam gen Bahnhof
Kommen hoffentlich pünktlich um
Den nächsten Zug zu kriegen
Während neben mir Kleingärten
Die manche warum auch immer
Mögen achtlos vorbei ziehen
Der Zug kam pünktlich an auch
Das letzte Umsteigen klappte gut
Nun geht es mit noch einem
Prächtigen Sonnenuntergang
Gen Heidelberg wo mich der
Herr Papa als Chauffeurs erwartet
Nun bereits in Zwingenberg
Nähern wir uns hörbar der Kurpfalz
Deren Hauptstadt Heidelberg war
Bevor sich zu Prag vieles änderte
Mag dieses ruhige Tempo auch
Wennb es nach elf Stunden reicht
Für einem Nichtreisenden habe ich
Die lange Reise ohne jeden Proviant
Bisher gut überstanden nun kommt
Bensheim an der Bergstraße was
Noch in Hessen liegt beim einst so
Berühmten Kloster Lorch danach
Noch Heppenheim und dann wird
Bei Weinheim die Landesgrenze
Nach Baden Württemberg kurz
Vor Heidelberg überschritten
Im Rücken spüre ich die Fahrt
Vielleicht zu wenig gelesen
Beim nächsten mal gibt es wieder
Genug Proviant für die Reise aber
Es geht auch einfach so und das
Macht Leben doch gelassen
Eine lange Fahrt neigt sich dem
Ende zu Neuneuroreisen geht
Sogar elf Stunden mit Maske

jens tuengerthal 7.7.22

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