Montag, 3. September 2018

Dorfleben

Wie betrachtet das Dorfleben
Wer sich aus der Einsamkeit
Wieder in Gemeinschaft begibt
Wann ist er Teil wann nicht mehr

Thoreau lebte viele Monate allein
Zurückgezogen aus Concord dem
Dorf in Neuengland seiner Heimat
Noch benachbart am Waldensee

Fast täglich ging Thoreau dennoch
Hinüber ins Dorf um es zu sehen
Teils um Menschen zu treffen oder
Dinge noch wo nötig zu erledigen

Einmal wurde er bei einem dieser
Spaziergänge ins Dorf verhaftet
Obwohl er nur zum Schuster wollte
Weil er seine Steuern verweigerte

Er sah sich zum Ungehorsam dabei
In Steuerangelegenheiten verpflichtet
Weil er die Sklaverei nicht mittragen
Wollte die Menschen wie Vieh hielt

Moralisch ein konsequenter Kantianer
Nur seinem Gewissen Untertan musste
Thoreau die Steuerschuld verweigern
Weil der Staat ihm unmoralisch schien

Viel schrieb er darüber in seinem Buch
Über die Pflicht zum Ungehorsam gegen
Den Staat in jener Zeit vor dem Bürgerkrieg
Der die Vereinigten Staaten fast zerriß

Nach einem Tag kam Thoreau wieder frei
Holte die Schuhe vom Schuster und ging
Wieder zurück zum Waldensee wo er dann
Auf einem Hügel Himbeermittagessen aß

Jeder Dorfbesuch ist für ihn auch einer im
Museum menschlichen Lebens dessen Teil
Er durch sein Leben im Wald nicht mehr war
Das er also amüsiert betrachten konnte

Kehrte ich nach Tagen in der Wildnis auch
Wieder in ein Dorf zurück oder in die Heimat
Schien mir viel gewohntes plötzlich fremd
Mein Blickwinkel hatte sich geändert

So beobachtete Thoreau wie manche dort
Einen solchen Appetit auf Neuigkeiten haben
Dass sie den ganzen Tag nur darauf warten
Als die groben Mühlsteine des Tratsches

Auch ich kenne aus allen Regionen in die
Das Leben mich mehr oder weniger willig
Verführte diese Menschen die gern alles
Mit ihrem Filter weitergeben wollen

Solche fanden sich in ländlichen Gegenden
Wie unter den Nachbarn meiner Eltern auch
Oder in unseren Kiezen genauso die stets
Dörfer in Städten für sich bilden wie in Berlin

Immer wenn du einen Ort besser kennst
Wird jede Großstadt zum Dorf mit den
Überall gleichen Riten und Gewohnheiten
Bei denen sich Menschen beobachten

So gesehen wohne ich nun die 18 Jahre
Die ich in Berlin lebe bereits im sechsten
Dorf in einem Bezirk auch wenn diese
Sehr nah aneinander grenzen noch

Jedes dieser Dörfer hat viel mehr Bewohner
Als die große Fläche von Thoreaus Concord
Wo teilweise die Grundstücke schon größer
Als hier ganze eigene Kieze in Berlin sind

Könnte amüsiert beschreiben wie sehr sich
Die Menschen hinter den Fenstern oder die
Auf der Straße von einem zum anderen so
Unterscheiden wie Botanik nach Breitengraden

Viele tausend Kilometer die ich nun durch
Die Wildnis der Großstadt Berlin lief ließ
Erkennen wie wenig es dieses Berlin gibt
Was immer nur viele Dörfer wohl sein wird

Hier schließe ich meine Haustür stets ab
Wobei ich mich manchmal frage wofür
Bücher sind in Berlin nichts wert und sonst
Gibt es nichts mir wertvolles dort zu stehlen

Doch die Gewohnheit der Großstadt wie
Angst vermutlich um unnötiges Eigentum
Verführt mich zu Schutzmaßnahmen die
Nie welche waren wie Montaigne lehrte

Wer klauen will wird es tun und wenn
Gesichert meine Schlösser beschädigen
Sicherheit ist eine ewige Illusion die sich
Gut verkaufen aber nie erwerben lässt

Thoreau ließ alle Türen bei sich offen
Ein Buch wurde ihm in der Zeit entwendet
Vermutlich weil der Homer zu golden glänzte
Ansonsten kein Schaden und kein Verlust

Dafür die große Freiheit ohne alle Angst
Voller Vertrauen in die Gesellschaft zu leben
Die noch besser wäre wie Thoreau meint
Gäbe es weniger Differenzen im Eigentum

Große Ungleichheit sieht er als die Quelle
Ewiger Ängste und Sorgen wie der Gier
Anderer die viel weniger haben oder sogar
Zu wenig um ganz frei zu überleben

Darüber nachzudenken könnte befreien
Weil wir feststellten was es wirklich braucht
Diebstahl und Raub kommen meint Thoreau
Nur dort vor wo die Unterschiede zu groß

Sollten diejenigen bestraft werden die erst
Durch ungerechte Anhäufung von Eigentum
Zur Kriminalität damit andere anstiften oder
Ist Ungerechtigkeit kein Verbrechen nur Pech

Frei ohne Schloss zu leben macht glücklich
Einmal vergass ich abzuschließen als ich
Für eine Woche meine Wohnung in Berlin
Zum Besuch der Familie verlassen musste

Als ich wieder kam stand die Tür weit offen
Schlimmes ahnend stürzte ich hinein doch
Es war nichts verschwunden zumindest
Habe ich bis heute noch nichts vermisst

Anarchisten sagten einst sogar Eigentum
Sei Diebstahl weil es was eigentlich doch
Allen gehört nach der Natur für sich nimmt
Was viele bis heute sehr schockierte wohl

Durch den kleinen Wohlstand haben wir
Uns lieber an die Ungerechtigkeit gewöhnt
Statt das System zu hinterfragen außer
Nach schlicht totalitär marxscher Manier

Achteten wir im Dorf liebevoll aufeinander
Kümmerten uns wenn nötig auch mal um
Die Güter des anderen bräuchte es wohl
Keinerlei Staat außer der Nachbarschaft

Wie wir dorthin wieder kommen könnten
Ob wir beobachtet wie besorgt gern leben
Oder unabhängig unter ewig Fremden
Scheint eine Frage des Geschmacks

Darüber mehr nachzudenken was uns
Im Leben miteinander glücklich macht
Täte besser als es dem Staat abgeben
Der nur schlechter Kompromiss ist

jens tuengerthal 03.09.2018

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