Dienstag, 26. Juli 2016

Kulturgeschichten 0301

Nationalsagen

Was macht nationalen Stolz aus
Wozu braucht es das überhaupt
Ist es schädlicher als nützlich je
Ein lächerliches Überbleibsel nur

Manche Symbole sind doppelt besetzt
Wie etwa Verdun das Nachbarn einte
In großen Gesten geteilter Trauer als
Zeichen neuer Freundschaft in Zukunft

Fahnen werden gerne geschwenkt etwa
Zu Sportereignissen oder als Demonstration
Wie sie 1989 den Willen zur Einheit trugen
Dahingestellt ob es um mehr als Bananen ging

Spannend wird es wenn die Ereignisse noch
Gegensätzlich besetzt von Untergang wie Sieg
Die alten Geschichten vom Krieg neu erzählen
Den Nachbarn gegeneinander noch führten

Mit Polen dem inzwischen europäischen Partner
Hatte Deutschland lang ein schwieriges Verhältnis
Dreimal wurden die Polen aufgeteilt zwischen
Russland Österreich und Preußen noch

Dies im 18. und 19. Jahrhundert unter den großen
Maria Theresia Katharina und Friedrich II. zuerst
Gäbe Grund genug für Misstrauen wohl bis heute
Die Angst der Polen vor Putin spricht dazu Bände

Verträge sichern nun die verschobenen Grenzen
Beim Nachbarn im Osten der bis Oder-Neiße geht
Weil Stalin im Osten etwas raubte dafür dazu noch
Ein halbes Ostpreußen als Präsent dazu erhielt

Preußen wurde als der Bösewicht ausgemacht
Nach dem 2. Weltkrieg von den Siegern nachdem
Der Österreicher von Berlin aus die Welt verwüstete
Was nicht logisch aber zumindest konsequent war

Ohne Preußen gab es kein Ostpreußen mehr
Das ehemals Deutschordensland wurde aufgeteilt
Zwischen den Russen die Königsberg erhielten
Als eher eisfreien Hafen und den Polen im Süden

Dies Ostpreußen das Land der Pruzzen war noch
Einst Namensgeber für Preußen geworden denn
Die Kurfürsten der Mark Brandenburg aus dem
Schwäbischen Haus Hohenzollern waren es nicht

Einer der vielen Friedriche unter den dort Kurfürsten
Wollte König werden und kaufte den Titel im Osten
Nannte sich König in Preußen wie das Land des
Früher Deutschen Ordens damals schon hieß

Damit wurde er Friedrich I. dem ein Friedrich Wilhelm
Folgte dessen Sohn Friedrich als II. berühmter wurde
Dem noch drei Friedrich Wilhelme folgten bis noch zwei
Wilhelms und ein Friedrich III. sogar Kaiser spielten

Der Alte Fritz oder große Friedrich war es der dann
Durch polnische Teilung die Landbrücke baute noch
Zwischen Osptreußen und der Mark Brandenburg
Darum erst König von Preußen wurde

Wie war dies Ordensland an die märkischen Kurfürsten
Einst gekommen die doch ihre Kurwürde noch für gute
Bewirtung des Kaisers zu Nürnberg als Burgherren
Großzügig verliehen bekommen hatten - durch Dotation

Der Orden löste sich als überflüssig erkannt auf denn
Zur Christianisierung des Ostens gegründet war er wohl
Nicht mehr benötigt nach Maximilian dem letzten Ritter
Endete die Ritterzeit ohnehin als bloß Anekdote

So hatten sie wieder um die Ecke über Nürnberg doch
Das Land im Osten um Königsberg geerbt mit Seen
Feldern und Küste voller Schönheit und Weite nahe
Den baltischen Staaten eine Insel in Polen eher

Dies Erbe eines Ordenslandes wurde möglich da der
Letzte Ordensmeister ein Hohenzoller wie üblich schon
Den kirchlichen Besitz schlicht säkularisierte als bloß
Landinsel die nicht nach Polen gehen sollte

Dies bloß nicht nach Polen hing auch mit der Geschichte
Des Ordens zusammen der seine schlimmste Niederlage
Am 26. Juli 1410 bei Tannenberg erlitt worauf Belagerung
Der Marienburg folgte die aber noch scheiterte

Die Schlacht wurde auch für Ritterszeiten ein grausames
Gemetzel bei dem bis zu 100.000 auf dem Feld blieben
Nur noch vergraben werden konnten davon wohl auch
Mindestens 200 Ordensritter ein arger Aderlass

Die Gründe für den Verlust wie ausführliche Schriften
Über die Aufstellung der Ritterheere die Überlegenheit
Der Polen im Bündnis mit den Litauern oder die Sage
Von Heiligen über dem Schlachtfeld lese wer mag

Für meinen Teil langweilte mich dies Geraune um
Den rechten Weg der Polen zum Sieg doch eher
Auch wenn die zwei Schwerter in Erinnerung als
Symbol polnischer Freiheit noch bis heute galten

Zwei Schwerter sind es weil die Ordensritter
In herablassender Arroganz den Polen statt
Üblicher Sitte ein Schwert vor der Schlacht
Deren zwei übergaben was sich rächte

Hochmut kommt vor dem Fall und ähnliche
Sprüche mehr sind hinreichend bekannt
Verraten mehr über pädagogischen Eifer als
Der Aufklärung weiter dienlich zu sein

Die Polen nennen ihr Nationalheiligtum
Das ihnen so wertvoll wie den Serben noch
Ihr Amselfeld die Schlacht bei Grunwald
Wie es östlich gesinnte DDR auch lehrte

Ob die Niederlage am Tod des Hochmeisters
Wie des Fall seines Banners lag oder doch
An der Kopflosigkeit ohne Führung ist offen
Eingekesselt wurde das Ordensheer zerstört

Den Polen diente dieser Sieg gegen den lange
Mächtigen Orden mit dem sie über viele Jahre
Rang um die Vorherrschaft im Nordosten als
Große nationale Sage und wurde wie all diese

Ein grausames Gemetzel mit tausenden Toten
Das zwar die Vorherrschaft brach aber sonst
Nichts wirklich einbrachte als die Plünderei
Den gerade Siegern in die Hand gab noch

Die Deutschen hätten die Schande von Tanneberg
Die den Deutschen Orden der den Osten einst
Christianisieren wie erobern wollte besser wohl
Vergessen statt sie noch tilgen zu wollen

Im von romantischem Rittergeist verklebten
19. Jahrhundert war diese Geschichte eine
Von großer nationaler Bedeutung und Polen
Wie ihre Freiheit wurden erst 1848 respektiert

Schlimmer noch wurde es unter dem unsäglichen
Wilhelm II. der sich noch lieber inszenierte damit
Keiner bemerkte seine körperliche Behinderung
Stand den geistigen Mängeln nur wenig nach

Das schließlich Hindenburg im Ersten Weltkrieg
Mit einem Etappensieg gegen Russland zum
Helden von Tannenberg wurde gab der ollen
Rittergeschichte den gruselig nationalen Tonfall

Auf Hindenburg als Reichspräsident folgte Hitler
Der kleine möchtegerngroße Führer aus Austria
Ließ Hindenburg an der Tannnenberg Kultstätte
Mit typischem Nazi-Kitsch noch beerdigen

Es passte in die Sage der Nazis vom nordischen
Volk das mit ihnen käme um die Ritter im Osten
Wieder zu rächen das Ordensland zu befreien
Rache zu üben an den Siegern von 1410

So sollte der Sieg vom August 1914 endlich
Die Schmach des Deutschen Ordens tilgen
Erwähnte Hitler schon in Mein Kampf die
Kolonisation des Ostens als nationales Ziel

Heinrich Himmler der Reichsführer SS ordnete
Nach dem Warschauer Aufstand die völlige
Zerstörung Warschaus an das seit 700 Jahren
Den Osten blockiere und seit Tannenberg störe

Warschau gibt es heute noch Himmler hat sich
Bei Kriegsende in alliierter Gefangenschaft selbst
Getötet nachdem ihn sein Führer zuvor als untreu
Noch entlassen hatte ging er arbeits- und ehrlos unter

Die Erinnerung an die gleiche Schlacht die noch dazu
Verschieden genannt wird könnte uns vom relativen Wert
Nationaler Denkmäler wie nationalen Gedenkens wohl
Leicht überzeugen ginge es dabei vernünftig zu

Leider geht es in der nationalen Frage selten um
Verstand oder Vernunft als um ein nur romantisches
Gefühl wie auch der Nationalstaat ein Kind der Romantik
Als bloßes Illusionsgebilde noch immer ist

Wir fiebern mit Nationalmannschaften weil Soldaten
Nur selten noch schicke Helden sind wie sie die USA
In Top Gun gut bezahlt als Propaganda zelebrierten
Nachdem Vietnam das Bild lange real beschmutzte

Es gibt gute Gründe dies Land zu lieben wenn wir
Nach Weimar blicken Goethe oder Mann lesen uns
An Gutenbergs Erfindung wie Dürers Kunst erfreuen
Schlösser und Burgen andächtig gern besichtigen

Liebe dies Land auch in seinen Wäldern wie an
Den Küsten meerumtost genau wie auf Flüssen
Oder Seen seine Landschaften wie auch seine
Architektur in Geschichte und Gegenwart teils

Als nationaler Kulturliebhaber bin ich Patriot
Liebe dieses Land sehr ohne zu konkurrieren
Mit Frankreichs traumhafter Gothik oder der
Architektur und Malerei in Italiens Renaissance

Verstehe viele die ihre Heimat lieben
Wie das etwas über Kultur hinaus sein soll
Bleibt mir ein ewiges Rätsel wohl wobei
Der Sport als Kulturabart hier auch zählt

Liebe Bibliotheken mit Büchern jeder Sprache
Die ich nicht lesen können muss um den Ort
Als Wunderwerk des Wissens zu schätzen
Unter Büchern mich zuhause zu fühlen immer

Das Kaiserreich dem der Deutsche Orden einst
Diente war das Heilige Römische Reich das erst
Sehr spät deutsche Nationen noch im Plural
Dazu ergänzte denn eine Nation gab es nicht

Tannenberg ist preußische Erinnerung mit Polen
Wenn auch der Deutsche Orden global wie national
Über die lokalen Staaten hinaus dachte so ist auch
Einer der die Niederlage verantwortet ein Badener

Hindenburg der Held von Tannenberg war selbst
Ostpreuße von der Herkunft her und so als Sohn
Eines ostelbischen Gutsbesitzers im Militär groß
Geworden von Königgrätz bis Versailles 1871

Seine Taten und Siege waren nicht sonderlich
Heldenhaft nur der erste von Tannenberg wurde
Groß inszeniert um ihn zur Kultfigur zu machen
Militärisch leistete er nichts außergewöhnliches

Dennoch entmachtete er mit Ludendorf gemeinsam
Von 1916 bis 1918 quasi Kaiser Wilhelm II. völlig
Hatte also die Katastrophe zu verantworten warum
Rätselhaft blieb wie deutsche Republik ihn wählte

Die von Hindeburg mit Charisma geleitete OHL war
Quasi die Reichsregierung ohne dies irgendwie
Jemals festzulegen oder zu regeln wurde schlicht
Pragmatisch durchregiert was vielen klug schien

Die auch aus Kreisen um ihn verbreitete Dolchstoßlegende
Nach der Deutschland im Feld ungeschlagen erst
Durch die Revolution zuhause den Dolch in den Rücken
Gestoßen bekam und verlor spricht dabei Bände

Dieser Unsinn machte Hitler mächtig den Hindenburg
Abschätzig lange nur den österreichischen Gefreiten
Nannte dessen proletarische Partei der Adlige ablehnte
Was ihm eine besondere Rolle noch immer gab

So erzählte meine Großmutter mir immer noch
Von der Verehrung für Hindenburg mit der sie
Aufwuchs die noch dazu Nachbarin Hindenburgs
Damals in Hannover gutbürgerlich wohl war

Wie sie ihm mit sieben Jahren die Blumen reichte
Als er aus dem Felde heim kam und Hindenburg
Die Kleine in seine Kutsche bat nach Hause fuhr
Glaube ich war sie das stolzeste Mädchen der Stadt

Auch mein Urgroßvater der niemals Nazi war
Dafür sogar mal im Gefängnis kurz saß hatte
Den Chef der OHL wohl geschätzt als er damals
Im Geschwader Richthofen des roten Barons flog

So entstehen auch Familiensagen in nationaler Sache
Mit denen ich groß wurde in denen meine Großmutter
Von ihren Streichen und Heldentaten als Kind erzählte
Sie waren kaisertreu national aber nie Nazis sagte sie

Eine Sage erzählt wie sie mit einer Freundin damals
Zum Mai-Aufmarsch in Bremen am Kippenberg dem
Damals besten Mädchengymnasium die Fahne tauschte
Von schwarz-rot-gold in schwarz-weiß-rot als Streich

Was einen heute in Nazi Nähe rückte war damals klar
Deutschnational und bürgerlich und fern diesen Proleten
Von Braunhemden die sich mit den Roten prügelten
Irgendwo dazwischen lag wohl die Mitte im Land

Mit der Friedensbewegung aufgewachsen wie der
Schuld von Auschwitz der Verantwortung danach
Horkheimers und Adornos Kritik der Aufklärung
Im Gewissen wie Celans Todesfuge präsent

Der andere Großvater war nachdem sein Vater
Vor Verdun früh fiel als Offizier dort und preußischer
Schuldirektor  im Zivilberuf noch Kadett in Lichterfelde
Hielt Preußen zeitlebens hoch und die Treue

Beide Großväter dachten eher deutschnational
Die Nazis waren ihnen zuwider als Proleten
Sie fügten sich in das System und leisteten
Im kleinen Rahmen ihre Art Widerstand

Es gehört zur nationalen Geschichte diese auch
Typische Familiengeschichte irgendwo dazwischen
Die zu überleben versuchten im Terror des Systems
Dabei widerstanden wo sie nur konnten im kleinen

Der eine später ein Jahrzehnt in Kriegsgefangenschaft
Der andere im Kontakt mit der Resistance brach auch
Nach dem Krieg mit seinem Bruder der Nazi war und
Sich nach dem Krieg wieder der Kirche zuwandte

Beide Großväter akademische Turner noch auf den
Spuren von Turnvater Jahn auch unterwegs waren
National und stolz darauf auf eine Art die nicht mehr
War nach dem Zweiten Weltkrieg sie blieben konservativ

Beide nie in einer Partei aus Gründen wählten wohl
Liberal oder konservativ niemals links was ihnen
Vom Wesen her völlig fern lag als noch vor dem
Krieg im Kaiserreich geborene Kinder anderer Zeit

Staunte als meine Tochter beim Fußball als
Echter Fan eine Fahne wollte um sie zu schwenken
Ihr Zimmer damit schmückte als kleines Mädchen
Die Hymne mit Hand auf dem Herz mitsang

Bin in den 70ern in einem Zwiespalt aufgewachsen
Meine Großeltern Patrioten der alten Schule der eine
Auch darum Schiedsrichter bei Olympia in München
Der andere dafür Diplomat für die NATO hier und dort

Die Freunde aus friedensbewegten Familien lebten
Manchmal schon in WGs in denen Poster hingen
Von kommunistischen Revolutionären oder die
NATO als amerikanischer Feind bereits galt

In den 80ern dann zwischen Starbahn West
Greenpeace Wackersdorf und Familienstolz
Etwas besonderes zu sein erwachsen geworden
Habe ich mich lange gefragt was ich wohl bin

Nach der Wende Weimar lieben gelernt
Den Osten immer wieder besucht durch
Die Seen gepaddelt an der Küste geradelt
In Thüringen mich innig wieder verliebt

Thüringen wo die Wurzeln der Familie lagen
Gerüchteweise seit 1298 irgendwo zwischen
Gotha und Weimar als Gutsbesitzer oder Pastoren
Ein Bibliothekar ist auch noch dabei

Diese Bindung an das grüne Land inmitten
In dem mir das Herz aufging beim durchfahren
Ließ mich immer wieder annehmen auch eine
Von da passte egal wie sie wäre zu mir

So seltsam kommt nationales Denken zustande
Selten beobachten wir es an uns direkt noch
Die drei Thüringerinnen mindestens denen ich
Zeitweise mein Herz schenkte blieben fremd

Weiß nicht ob es daran lag dass sie eigentlich
Aus einem anderen Land kamen oder doch nur
Im Wesen dieser irgendwie anderen Personen
Die dennoch große Sehnsucht in mir weckten

Die Brücken zur Familie sind mir noch wichtig
Bis ins Herz und das die Liebe gerade nun
Aus Mecklenburg kommt wo der Vater geboren
Wie ein Onkel lebt geht mir näher als vieles

Ist dies ganz persönliche Empfinden national
Wird es das erst im größeren Kontext oder
Warum geht mir in Weimar schon in Gedanken
Das Herz einfach auf und läuft freudig über

Sehe ich Fahnen auf der Fanmeile fühle ich
Eher Befremden würde dort nie in den Massen
Je baden wollen doch eim Goethe- oder
Buddenbrockhaus fühle ich warm Heimat

Drucke von Menzel und Liebermann um mich
In den innersten Räumen ist mir die Geschichte
Von der ich so gerne erzähle wohl sehr nah
Doch ist das alles nun wirklich national
jens tuengerthal 26.7.2016

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