Dienstag, 28. Mai 2024

Heimathafen

Heimathafen

Mit dem Wort Heimat komme ich
Nicht wirklich zurecht noch an
Frage mich wo die liegen soll
Was eine solche ausmacht

War dieses Jahr für zwei Monate
Zur Pflege meiner Mutter in deren
Haus in dem ich auch zehn Jahre
Geschätzt lebte was weniger ist

Als die nun bald 24 Jahre in Berlin
Auch weniger als 14 am Helmholtzplatz
Weniger als die 15 in Frankfurt sogar
Nur mehr als das eine Jahr in Bremen

Obwohl zufällig da noch geboren
Bekomme ich dort im Norden doch
Irgendwie Heimatgefühle auch weil
Mutter und Großmutter von da sind

Den Schnack oder die Art zu reden
Wie vieles dort klingt für mich vertraut
Aber habe nie bewusst dort gelebt
Sind nur Urlaubserinnerungen

Die hessische Mundart lernte ich noch
Bei Jugendfeuerwehr und Samaritern
Kurpfälzisch blieb mir völlig fremd stets
Bis ich eine Pfälzerin seltsam liebte

Berlinerisch nahm ich nie wirklich an
Nur Sprüche zum Spaß mal aber ich
Bin kein Berliner sondern bewohne
Eine Bibliothek die in Berlin steht

Wüsste keinen Ort wo auch die
Umgebung so nett ist wie hier
Aber eigentlich wäre mir egal
Wo meine Bibliothek steht

Vielleicht nicht gerade Bayern
Was mir nicht erst seit der Lektüre
Der Buddenbrooks fern lag aber
Auch nur ein Vorurteil wohl ist

Auch Neufünfland als der rechte
Osten der Republik liegt mir eher
Fern als Wohngegend egal wo
Obwohl ich Weimar so liebe

Wüsste nicht wo außer hier ich
Leben und mich wohlfühlen könnte
Vielleicht Bremen Hamburg Lübeck
Frankfurt Mainz oder Heidelberg

Heidelberg doch lieber nicht denk ich
Provinzposse zwischen Bergen am
Neckar romantisch noch verklärt mehr
Ein Friedhof überholter Erinnerungen

Doch gefühlt ist es mir völlig egal
Solange ich meine Bibliothek habe
Wie genug Ruhe zum Lesen dazu
Weil Heimat für mich geistig ist

Es gibt keinen Ort den ich so nenne
Noch einen wo es mich hin zöge
Hier am Platz ist schon in Ordnung
Aber es gibt Bücher die es sind

Der Heimathafen in dem ich gerne
Ankomme steht voller Bücher die
Eine Leseheimat mir sind statt der
Anderen Menschen sind es Bände

Die Teams einiger Bars sind schon
Mit der Zeit vertraut geworden aber
Das wechselt immer wieder auch
Nach deren wie meiner Laune

Bücher dagegen sind nie launisch
Sie sind beständig verlässlich also
Ganz anders als alle Frauen die
Sonst schönster Grund zu leben

Eine Bibliothek als Heimathafen
Ist ein Ort der Einkehr wie Ruhe
Des Rückzugs wie der Lektüre
Steckt dabei voller Geschichten

Gelegentlich verlagere ich mal
Einige Bücherstapel um neue
Wege im Chaos zu finden doch
Eigentlich soll sich nichts ändern

Andere wollen sich alle paar Jahre
Neu einrichten oder umräumen
Renovieren und ähnlicher Unsinn
Eine Bibliothek braucht nur Ruhe

So darf mein Heimathafen wie das
Bücher eben so machen mich gerne
Überleben was immer meine Erbin
Dann damit anfangen kann

Da ich dann nicht mehr bin ist
Es mir völlig gleichgültig wie alles
Was mich nichts mehr angeht
Womit ich Gelassenheit gewann

Habe keine geografische Heimat
Bin in Berlin auch nur zu Gast
Würde nie sagen dass ich ein
Berliner bin obwohl es so ist

Dafür habe ich eine Bibliothek
Die Zuhause für ein Leben ist
Alles enthält was ich lesen wollte
Zufriedenheit damit schenkt

jens tuengerthal 27.5.24

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen