Samstag, 16. Dezember 2023

Zugwelt

Zugwelt

Im Zug sitzend zieht die Welt
Rasend vorbei sehe nur die
Vorübereilenden Orte die oft
Um den Bahnhof weniger schön
Gerade an Weimar unbemerkt
Fast vorbeigefahren wo ich doch
Immer sonst hielt auf meinen
Reisen gen Süden wenn ich
Einen Halt bestimmen konnte
Den Geheimrat zu grüßen wie
Der Kultur dort zu gedenken
Einen Tee mit Blick auf das
Goethehaus zu trinken was
Erhebend meditative stets war
Doch im Zug ist keine Kultur
Die Ruhe und Zeit braucht im
Vorübereilen zu nichts wird
So gibt es Zugvögel die stets
Zwischen Winter und Sommer
Quartiere und Heimat wechseln
Wüsste nicht mal wo meine liegt
Außer in meiner kleinen Bibliothek
Sehe etwas von den Orten wenn
Es etwas langsamer durch diese
Nun rollt aber es bleiben nur
Fassaden wie nun Eisenach
Was so vieles in sich birgt
Von dem ich nichts sehe
Weil es beim Reisen nur
Darum geht von B nach W
Also von der Abfahrt zur
Ankunft zu kommen was
Seltsam fremd mir scheint
Nun hält der Zug mitten in
Schon wieder von Wäldern
Umgebener Landschaft die nun
Stehend angenehm ruhig wird
Doch schon rollt es weiter
Die Welt aus dem Zug gesehen
Fliegt ungerührt vorbei in viel
Zu hohem Tempo um sie als
Beschränkter Mensch zu spüren
Reiste ich langsamer dauerte
Die Reise viel länger noch
Was mir noch ferner läge
Aber hätte viel mehr vom
Dazwischen was mir nahe liegt
Wie im Sommer letzten Jahres
Als ich mit dem Deutschland Ticket
Durch das Land über viele Stunden
Gemütlicher tuckerte allerdings
Meist ohne Netz wie unbequemer
Als die rasende Reise hier
Die Welt aus dem Zug fliegt
Weiter an mir vorbei während
Die Sonne immer höher steigt
Nur gelegentlich noch mir ins
Gesicht scheint auf der Fahrt
Durch den Thüringer Wald
In dem die Vorfahren einst
Hausten bevor sie in Städte
Zogen etwas zu werden
Denke ich und fühle mich dem
Sanft hügeligen Thüringen
Auch außerhalb von Weimar
Tief innig verbunden ohne
Je hier gelebt zu haben außer
In Generationen vor mir in der
Väterlichen Linie nur was nun
Fragen könnte wieweit hier die
Genetischen Wurzeln noch mit
Dem Gefühl Schabernack treiben
Ginge es nicht um die Zugwelt
Was bleibt von dem an dem ich
Nur vorübereile noch spielt es je
Eine Rolle im Leben außer auf
Dem Weg vorbeigefahren zu sein
Finde Zugfahren sehr angenehm
Weniger anstrengend als alles
Die vermutlich beste Art doch
Fragte ich mich schon als ich im
Zug von Vancouver nach Toronto
Quer durch Kanada fuhr vor vielen
Jahren im letzten Jahrhundert noch
Was davon blieb das ganze Land
Aus dem Zug gesehen zu haben
Viel weniger als was die Bücher
Über die kanadische Wildnis die ich
Mit Begeisterung einst las in mir
An Spuren hinterließen was mich
Fragen lässt ob ich nicht Weimar
Viel näher komme wenn ich die
Hervorragende Biografie von
Reemtsma über Wieland lese
Oder Goethe selbst wie auf
Die Bilder von Anna Amalia
In meiner Bibliothek schaue
Was ich bejahen würde warum
Reisen mir fern und Lesen nahe
Liegt was naheliegend nun war
Aber erklärt warum die Zugwelt
Die mich immer wenn ich etwas
Vor dem Fenster entdecke aus
Der Ruhe der Betrachtung reißt
Weil wir weiter rollen so fern liegt
Wie die eigene Bibliothek nahe
Aber es soll Menschen geben
Die gerne reisen um etwas
Von der Welt gesehen zu haben
Was nach meinem Gefühl ein
Absurdes Vorhaben ist weil die
Ständige Bewegung gerade das
Ankommen bei uns verhindert
So genieße ich den Blick aus
Dem Fenster auf das ruhende
Land und leide zugleich am
Nichts was bleibt weil alles
Im weiterrollen verschwindet

jens tuengerthal 16.12.23

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