Samstag, 20. Februar 2016

Kulturgeschichten 0131

Nationalträumer

Vor den Wellen der Flüchtlinge war Ungarn
Nicht einig mit dem Europa zu dem es
Nur noch unbedingt gehören wollte als Teil
Auch wenn diese Nation immer besonders war

Im Angesicht des fortdauernden Stroms von
Immer mehr Menschen die vor Krieg und Armut
Aus dem Süden fliehen ist sich Österreich dann
Plötzlich inhaltlich doch wieder einig mit Ungarn

Nur Kanzlerin Merkel steht in Europa noch als
Einsamer Fels des guten Willens für Flüchtlinge
Doch zieht auch Deutschland die Grenzen enger
Angesichts begrenzter sozialer Kapazitäten

Ob diese das reichste Land Europas tatsächlich
Überfordert oder nur innenpolitisch kapitulieren
Wird vor den Parolen der ängstlichen Rechten
Die um das Abendland fürchten ist noch offen

Die Ungarn jedenfalls fürchten sich noch mehr
Wählten an die Macht was hier nur Opposition
Die eher vom Verfassungsschutz überwacht
Demokraten als anrüchig zumindest gelten

Ungarn lange hin und her geworfen zwischen
Osmanischem Reich und Österreich dessen Teil
Es war rang schon 1848 um seine Freiheit die
Magyaren unabhängig von Österreich sahen

Einer der Führer des Aufstandes von 48 war
Graf Gyula Andrássy der dem Tod nur durch
Flucht nach Paris entging am 17. Februar 1867
Jedoch wurde Andrássy zum Ministerpräsident

Gekürt wurde er dazu von Kaiser Franz Joseph
Mit diesem und seiner Frau Sissi stand Andrássy
Sehr gut manche munkelten über die beiden
Den heißblütigen Ungarn und die Kaiserin mehr

Die Wahl des ehemals verfolgten Revolutionärs
Der aber beim Volk sehr populär war diente dem
Österreichisch-Ungarischen-Ausgleich durch
Die das Kaisertum Doppelmonarchie wurde

Das k.u.k.-Reich entstand nach der Niederlage
Von 1866 gegen Preußen bei Königgrätz im
Deutschen Krieg der Franz-Joseph zwang die
Nationalitätenfrage im Vielvölkerstaat zu lösen

Die Beschränkung der Autonomie der
Ungarischen Krone nach 1848 als noch
Der Aufstand niedergeschlagen wurde
Führte nun zum Widerstand des Adels

Führende Schichten beteiligten sich daran
Über die nicht absolutistisch hinwegregiert
Werden konnte warum es zum Kompromiss
Kam der im ungarischen Reichstag mündete

Die vereinbarte Realunion zwischen dem noch
Herrschenden Österreich und dem nicht mehr
Beherrschten Ungarn wurde so spruchreif erst
Andrássy ungarischer Repräsentant im k.u.k

Als dieser begleitete er das Kaierpaar in persona
Auf manche Auslandsreisen wie bei vielen der
Öffentlichen Auftritte wurde zum Gesicht Ungarns
Das verbunden neben dem Kaiserpaar stand

Unter der Regierung von Graf Andrássy die
Am 15. März dem König Treue schwor wurden
Siebenbürgen und das Banat wieder mit Ungarn
Vereint vom wieder hergestellten Reichstag

Nach den Verhandlungen war Ungarn
Innenpolitisch quasi unabhängig geworden
Es gab gemeinsame Ministerien und wenige
Die der Kaiser noch autonom verwaltete

Nach Ende des 1. Weltkrieges wurde mit der
Auflösung des Kaiser- und Königreiches auch
Die Realunion für aufgelöst erklärt vom noch
Kaiser Karl I. dem letzten seiner Art in Österreich

Ob die leichte Unterdrückung oder beschränkte
Autonomie unter der k.u.k. Krone dem Balkan
Wie Europa besser getan hätte als was folgte
Ist die müßige Betrachtung eines Träumers

Wie präsent aber ist die Nation gerade wieder
Wo sich kleine kulturelle Einheiten fürchten
Sie könnten ohne Fremdenfeindlichkeit einfach
Untergehen weil es ihnen besser geht

So zeigen die gerade Sieger der Geschichte
Die auch grausame Kriege überstanden
Keinerlei Mitgefühl aus Angst um ihren neuen
Wohlstand als Heilslehre der Gegenwart

Wie überhaupt postideologisch immer mehr
Das Geld die Träume und Ideologien ersetzte
Was gut sein kann weil weniger fanatisch wohl
Aber auch nie mehr als bloß Geld sein wird

Nur was wird es wo sich die liberale
Wohlstandsideologie ohne jede Ethik
Mit der Religion von der Nation mischt
Ohne eine irgendwie Bindung an etwas

Ist was aus Teilen der Sachsen wurde
Wie die dort Ideologie von der Nation
Die sich schützen müsse vor allem
Fremden eine Verliererideologie

Warum haben viele Menschen Angst
Das was sie für groß und wichtig
Eigentlich halten könnte einfach
Hinter Aberglauben verschwinden

Die Retter des Abendlandes verraten
Von Clausnitz bis Dresden wie überall
Was sie zu verteidigen vorgeben warum
Sich fragt was sie eigentlich wollen

Die Nation ist eine späte Mißgeburt
Aus der Identität gezogen werden sollte
Wie zuvor aus Region oder Klasse
Bis sie sich ungefragt verselbständigte

Bei den Verhandlungen zu Brüssel just
Zu Brexit und Flüchtlingen zeigte sich
Wie fern Europa der Einigkeit noch ist
Warum es aber dennoch funktioniert

Ob die Rosinenpickerei einzelner schon
Wieder ein Zeichen für die Sehnsucht
Nach mehr Wohlstand ist wäre fraglich
Oder ist es normale Dialektik einer Ehe

Kann was in Brüssel mühsam erreicht
Falls im Sommer die Briten zustimmen
Eine Perspektive geben für die Zukunft
Oder ist es die Beerdigung der Union

Ist das Privileg des Ausstiegs beim
Immer mehr statt einem immer neuen
Schon der Untergang der Union oder
Eine Besinnung im kritischen Moment

Sofern Europa keine Lösungen findet
In der Frage der Flüchtlinge wie des
Sozialen Ausgleichs entsprechend der
Anerkannten Menschenrechte bleibt wenig

Graf Andrássy ist eine romantische
Gestalt des 19. Jahrhunderts der für
Viele Ungarn zum Held wurde doch
Sind viele Helden heute wenig wert

Warum fürchten sich Menschen vor
Anderen die zu ihnen strömen um das
Leben zu genießen das sie selber doch
Verteidigen wollen in ihrem Nationalismus

Ist diese Ängstlichkeit Ausdruck von
Nationalem Stolz oder eher Feigheit
Die nur verrät sie sind verglichen eher
Nichts wert als nationaler Abschaum

Zeigt Größe wer sich vor Fremden nur
Fürchtet oder würde eine große Nation
Wie eine abendländische Kultur wenige
Millionen Muslime leicht integrieren

Was offenbart dann die offenbare Angst
Vor verglichen wenigen Fällen in denen
Die Integration auch Probleme aufwirft
Als das Gefühl selbst zuwenig zu sein

Warum verbindet sich solche Angst
Zuwenig zu sein gerne mit Nation
Warum ist die Antwort darauf Hass
Wo war solcher je zielführend

Während ein größerer Teil der Nation
Seine Scham über einen kleinen Teil
Der vielfach östlich lebt äußert fragt
Sich was Nation warum wert ist

Bin ich als Goethefreund wie Weimar
Liebhaber schon national macht mich
Kant moralisch zum Ostpreußen oder
Max Stirner mich zum Anarchisten

Bin ich als geborener Bremer immer
Ein Hanseat auf Land oder machte
Die Begeisterung für Büchner mich
Später eher zum Hessen wieder

Von Hessen zog ich in die Kurpfalz
In der ich danach am längsten blieb
Bis er mich nach Berlin trieb wo ich
Nun schon am längsten lebe

Werde ich zum Preußen weil ich die
Ideen der preußischen Aufklärung wie
Die Architektur von da schätze oder
Bin ich als Bewunderer Jüngers national

Ist Luther der alte Antisemit wie große
Reformator ein Vorbild der Nation weil
Er die Sprache für die Bibel erst einte
Oder ist Nation auch ohne Aberglauben

Was ist wenn Nation der Aberglaube ist
Der uns ohne Inhalte oder Werte schon
Zu lange mörderisch gebannt hat statt
Über menschlich verbindendes zu grübeln

Wäre ein ganzes nicht erst wenn sich
Morgenland und Abendland vereinen
Um sich einen schönen Tag zu machen
Statt um Vorrang zu streiten weiter
jens tuengerthal 20.2.16

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