Montag, 29. Februar 2016

Frauenliebe 026

Eheversprecher



Meine zweite Verlobung wurde eher ein Versprecher als die sich vorab versprochene Ehe, was vermutlich weniger am Mut als an der Kenntnis voneinander lag.

So springe ich rasend schnell zwischen den Zeiten, überspringe mal eben zwanzig Jahre, lande von den wilden Studienzeiten, die relativ beschaulich waren, verglichen, in der fast Gegenwart meiner Suche und schreibe nun über die Liebe mit über vierzig zu einer nahezu ebenso alten, die Sehnsucht danach anzukommen und die Irrtümer in Träumen.

Kann über meine zweite Verlobte nichts schlechtes sagen, will es zumindest nichts, wozu auch?

Eigentlich kann ich nichts über sie sagen, weil ich nichts weiß oder mir des wenigen nicht einmal sicher bin, Wer war sie überhaupt, was bewegte sie und wovon träumte sie, als vom gemeinsamen Urlaub und einer Hochzeit irgendwo?

Wir lernten uns über eine Internetdatingagentur kennen, die bei meiner ersten Verlobung noch keiner kannte. Dateten uns nach kurzem Briefwechsel via Whatsapp in einem Café um die Ecke am Platz, an dem ich lebe und zu dem ich gerne viele meiner Frauen in den letzten fünf Jahren bestellte, das den so passenden Namen Liebling trug.

Achtete stets darauf, falls ich mehrere an einem Tag datete, sie nicht im selben Café zu treffen, sondern hier zu wechseln, es gab ja genug an dem Platz, an dem ich wohne, denn einmal, ganz im Anfang meiner Singlezeit als Platzbewohner war es mir passiert, dass ich in einem sehr geschätzten Café mit drei verschiedenen Frauen an einem Wochenende sehr innig war und das Gerede, das folgte, der relativ ruinierte Ruf, der zwar bekanntlich ungeniert leben ließ, war nicht, was ich erstrebte auf der Suche nach der großen Liebe.

Zwar lebte ich als Mann damit besser und leichter denn ich als Frau es würde, so konservativ ist unsere Gesellschaft aller gegenteiligen Bekundungen zum Trotz immer noch, doch wollte ich ja nicht Trophäen sammeln, auch nicht den Eindruck sondern war ein Minnesänger auf der Suche nach der großen Liebe, zumindest sah ich mich so, bis die Richtige kam und alle Suche endete.

Als ich meine später zweite Verlobte zum ersten mal traf, war das Café, in das ich eigentlich wollte bereits überfüllt und so gingen wir in mein Lieblingscafé, das ich mir eigentlich noch hatte aufsparen wollen, denn ich ging ja nicht mit jedem Date in mein Lieblingscafé sondern nur mit denen, bei denen zumindest mir es ein wenig ernst war oder wo ich keinerlei Absichten verfolgte und darum zumindest sicher ein nettes Café wollte.

Die bald schon zweite Verlobte hatte mich nicht gerade in Begeisterung gestürzt mit ihren Bildern vorab. Sie wirkte nett, nicht dumm aber ich hatte nicht viel erwartet und meist zeigte es sich ja auch erst im Bett, was daraus werden konnte - als ich jene das erste mal traf, liefen noch zwei oder drei andere parallel, bei denen ich mich irgendwann entscheiden musste, was werden sollte aber noch ließ ich es laufen, gab es keinen Grund zur Eile.

Aber sie reizte mich auch und sie erinnerte mich äußerlich ein wenig an meine Mutter als junge Frau, was eigentlich Warnung genug hätte sein können, wäre ich nicht so leichtgläubig in Frage der Liebe und hätte sie nicht erfolgreich die sicherste Taktik angewendet einen Mann zu binden.

Das erste Gespräch plätscherte etwas dahin, das von mir eigentlich avisierte Sofa, das imnmer eine schnellere Annäherung ermöglichte, war leider reserviert oder besetzt und so saßen wir auf zweien der dort typischen Sesselchen, wie es sie auch schon in den 60ern gab - zwischen uns als Tischchen, einen Teewagen im Design der gleichen Zeit mit einem Telefon aus der Zeit als bloße Deko darauf. Es war schwarz, mit einem riesigen Hörer aus altem Kunststoff mit einer altengerechten großen Tastatur. Sie scherzte ein wenig und meinte, es erinnerte an den Ball der einsamen Herzen. Wir befragten uns und zumindest ihre Herkunft aus Thüringen weckte sofort meine Begeisterung.

Und während ich dies schreibe, sitze ich wieder bald nach Mitternacht im selbigen Café und lasse Erinnerung und Gedanken treiben, wohin immer sie mich nun führen, selten ist mein Schreiben so real präsent und doch schon eine bloße Historie.

War doch einer meiner Vettern gerade mit einer sehr süßen Thüringerin frisch verheiratet, kam doch meine Familie von da, zumindest väterlicherseits, zumindest ursprünglich, seit fast 800 Jahren, auch wenn ich wenig mehr als die Zahl darüber wusste, gab es gleich einen Punkt der verband, uns zur Brücke wurde und wieviel mehr noch als wir uns unsere Liebe zu Weimar und dem Park an der Ilm erzählten. Wir plauderten also nett und die Liebe zu Weimar, das in Form seiner Bibliothek auch über dem Eingang zu meinem Schlafzimmer hängt, während es bei ihr neben der Schlafzimmertür hing, wie wir noch in Unkenntnis der je Räumlichkeiten einander lachend erzählten.

Die Liebe zu Weimar, dem Goethehaus, dem Park an der Ilm, das schien mir eine tiefe innige Verbindung zu sein, versprach viel und irgendwie ähnelte sie ja schon meiner Mutter mit ihren schwarzen Haaren zu blauen Augen, ihrer sehr schlanken Gestalt, die allerdings kleiner war als die meiner Mutter nur gerne hohe Absätze trug, wie ich erst später bemerkte, dem nahezu nichts an formschönen Busen, wie ich es gerne mag, das sie aber in sehr schöne Büstenhalter ansprechend packte, wovon ich noch nichts ahnte.

Es gab Momente, da fand ich mein Date wunderschön und fühlte ich mich ihr innig verbunden, dann wieder, wie im plötzlichen Wechsel, schien sie mir alt, sie war aber drei Monate jünger als ich, hatte auch bei der Online Agentur nicht gemogelt, im Gegensatz zu so vielen Frauen, sondern einfach ihr wirkliches Alter angegeben, vor dem manche zurückschreckten, die meinten eine Dame wird nie vierzig oder ähnlichen Unsinn. Wie sie überhaupt immer sehr rational wirkte, die Krankenschwester, die nach dem Ende der DDR Soziologin geworden war, weil sie in der DDR nicht Medizin studieren durfte und ich bis heute nicht weiß, was sie emotional tief bewegte oder rührte.

War also ein wenig hin- und hergerissen zwischen dem Begehren des ersten Moments, das ich bei fast jeder verspüren konnte und davon, dass sie eigentlich so überhaupt nicht mein Typ war, so in gar nichts, bis auf ihre Leidenschaft für schöne teure Wäsche und die Liebe zu Weimar, die wiederum ein Traum war und uns zu einem bewegten, der bodenlos blieb. Wir saßen in dem Café, in dem ich nun darüber schreibe, es war gerade Ende November, Anfang Dezember und es passierte nichts.

Wenn ich ihre Hände berühren wollte, zog sie diese bald wieder zurück, wich den Berührungen, zu denen ich neige und die mir ein schneller Gradmesser der realen Verbindung und ihrer Möglichkeiten nicht unangenehm berührt aus, unternahm aber auch nichts, was mich darin bestätigt oder mir eine Aussicht über den weiteren Verlauf des Abend geben könnte.

Es passierte an diesem ersten Abend nichts und da ich in der folgenden Woche meine Tochter bei mir hatte, verabschiedeten wir uns am Ende für den nächsten Sonntagabend, Nikolaus, den 6. Dezember, wo sie zwar schon eine Einladung hatte, sich aber am späteren Abend mit mir treffen wollte und diesmal wirklich im Café Liebling.

Als ich sie zum Abschied küssen wollte, sagte sie, nie beim ersten Date, da wäre sie konsequent und das hätte sie noch nie getan und ich argumentierte noch ein wenig, erzählte von meiner Erfahrung, dass ich mit der Mutter meiner Tochter am ersten Abend im Bett landete, auch wenn diese das zuerst nicht wollte, aber wenn es stimmte, stimmte es und das hätte immerhin neuneinhalb Jahre gehalten. Aber sie war nicht zu überzeugen und blieb dabei - wir verabschiedeten uns nur mit einem Kuss auf die Wangen, auch wenn wir doch schon über den Weimartraum gesprochen hatten und ich mich sehr verbunden fühlte. Sie reizte mich nun sehr, erschien mir viel schöner als der erste kritische Blick es mir offenbart hatte, ich wollte sie und war, auch durch die Umstände gezwungen, bereit mich zu gedulden.

Sie kam in einem schlichten schwarzen Kleid, was mir ausnehmend gut gefiel, ich mochte Frauen im Kleid und dieses hatte sie sogar selbst genäht, schon ein wenig angeheitert für ihre Verhältnisse, da sie dort zum guten Essen bereits einige Gläser Wein genossen hatte. Sie kam zuverlässig und pünktlich, was sie überhaupt gut beschrieb. Zuverlässig, klar und offen, dachte ich.

Wir plauderten nett, sie erzählte von dem Essen, wehrte die Berührungen diesmal nicht mehr ab und irgendwann wagte ich es, sie einfach zu küssen. Und sie erwiderte den Kuss, etwas seltsam und unbeholfen mit weit offenem Mund, als küsste sie das erste mal, was offensichtlich nicht der Fall war, denn ein wenig hatten wir uns ja schon von unseren bisherigen Versuchen erzählt und da war es geschehen. Ich verliebte mich in diese Frau aus Thüringen, die so nüchtern war und wenig leidenschaftlich wirkte und der Eindruck täuschte nicht wirklich, wie ich später feststellte aber das wird noch zu erzählen sein.

Aus dem ersten Kuss wurde eine immer innigerer, ich streichelte sie, soweit es im Café gerade noch ging und sie mich dort ließ und ich freute mich auf das, was nun hoffentlich kommen würde und irgendwann als wir bereits die Grenze des im Café auch mit dem schönen Namen Liebling noch möglichen bereits überschritten hatten, brachen wir auf, um zu mir zu gehen, der ich ja um die Ecke wohnte.

Wir landeten schnell im Bett und ich freute mich an ihrer wirklich schönen Unterwäsche und ihrem schlanken wohltrainierten Körper, sie war Läuferin, wie sie mir schon erzählt hatte und wir schliefen das erste mal miteinander und es wurde wie so oft bei den ersten malen, aufregender des ob als des wie wegen und für beide weniger befriedigend als erhofft, aber so etwas musste wachsen, das sagte mir meine Erfahrung inzwischen. Beim ersten mal bestand sie noch auf ein Kondom, danach nie wieder und ich mochte ihren Geschmack, es schien alles ohne große Leidenschaft gut so und ich hoffte nun endlich die gefunden zu haben, bei der ich bleiben konnte.

Sie blieb bei mir, was mir gefiel, dachte ich doch schon lange, dass es mehr auf das beieinander schlafen als auf das miteinander schlafen ankommt, um ein Gespür füreinander zu bekommen, Und ich schlief wunderbar neben ihr, traumlos, wenn ich mich richtig erinnere aber glücklich und tief und wachte gut erholt wieder auf mit ihr in meinem Arm.

Nicht jede Frau konnte mit mir in meinem 1m breiten Bett schlafen, es war für mich wie ein Test, ob es ginge, auch wenn es manchen wie eine Zumutung erschien, sie meckerte nicht sondern schlief einfach bei mir und am Morgen, diesmal schon ohne Gummi mit mir und es war ok. Nicht die große wilde Leidenschaft, aber das konnte ja noch kommen und war ja vielleicht auch ganz gut so. Zuviel davon ließ eben auch schnell leiden, machte einen verrückt und führte nicht unbedingt in eine gute Beziehung, die mir mit ihr ganz vernünftig betrachtet möglich erschien, zumal wir schon bevor wir im Bett landeten wieder von unserer Liebe zu Weimar sprachen und ihrem Traum im Park an der Ilm zu heiraten, was wir scherzhaft noch ein wenig, sogleich verabredeten.

Nach dem ersten gemeinsamen Frühstück, bei dem die Kaffeetrinkerin das erste und einzige mal mit mir Tee trank, brachte ich sie zu ihr - sie wohnte unweit, fußläufig noch gut erreichbar in dem Kiez, in dem ich früher mit der Mutter meiner Tochter lebte und wie ich dann feststellte, keine 100m Luftlinie entfernt. Auf dem Weg zu ihr wurden wir auf dem überquerten Weihnachtsmarkt schon beobachtet von einer Liebe des Sommers zuvor und ihrer Freundin, die ich auch kannte, die ich aber, da schon verliebt verblendet übersah.

Ihre Wohnung gefiel mir sehr gut, große Fenster, eine offene Küche und geschmackvoll dezent eingerichtet. Wir landeten wieder im Bett und zuvor entdeckte ich noch ihr Anna Amalia Bild, gerahmt und neben dem Eingang ins Schlafzimmer mit einem 1,5m breiten Bett, nur etwas wenig Bücher, aber das war ich ja gewohnt.

Nach diesen intensiven ersten Tagen folgte eine lange Trennung, auch dadurch begründet, dass sie auswärtige Termine mit ihrem Büro hatte und ich dann wieder meine Tochter bei mir hatte und dann wurde sie noch länger, weil sie ins heimische Erfurt fuhr, um ihre Mutter zu pflegen und ihren fast blinden Vater zu betreuen, was mir sehr gefiel, diese soziale Selbstverständlichkeit und der Sinn für Familie und so schrieben wir uns via Whatsapp und telefonierten nahezu jeden Abend zumindest.

Kaum verbunden, schon getrennt wuchs aus dem noch Nichts gleich etwas großes, ich hörte mir ihre Klagen und ihre Sorgen über ihre Mutter an, die eine schwere Krebsoperation vor sich beziehungsweise dann gerade hinter sich hatte und sehr mühsam wieder ins Leben zurückfand, ohne noch Mut für dieses zu haben, leidend und sie hilflos und wütend auf Ärzte und Schwestern, viel im Krankenhaus oder mit dem fast blinden Vater allein klagte mir ihr Leid und ich bewunderte sie dafür, wollte ihr zumindest dieses Gefühl geben, um sie zu stärken, versuchte ihren Blick auf das gute psychologisch zu lenken, von dem sie nichts sah, weil es der Mutter einfach schlecht ging, sie immer mehr abnahm und immer schwächer wurde und bemerkte nicht wie sehr sie ihrer klagenden Mutter wörtlich glich.

Für meinen konstruktivistischen Ansatz hatte sie nicht viel übrig aber sie wusste es sehr zu schätzen, dass ich für sie da war, ihr zuhörte und sie stärken wollte, ganz im Gegensatz zu ihrem Exfreund, der sich nie um ihre Familie gekümmert hatte, der immer nur lesen wollte und mit dem es nichts gemeinsames wurde.

Knapp ein Jahr hatte diese, ihre vorige Beziehung gedauert, die sie im Oktober bevor wir uns im Dezember kennenglernt hatten, beendete und es war ihre erste Beziehnung nach sieben Jahren ohne gewesen und ihre Sehnsucht ein Leben zu teilen mit Sorgen und Glück war so groß wie meine und wir steigerten uns immer mehr in die Illusion einer Liebe hinein, einander über Weimar gefunden zu haben.

Später erfuhr ich, woher ihre Liebe zu Weimar resultierte - sie war dort defloriert worden als Geliebte eines verheirateten Piloten, der sie sich eine zeitlang hielt, später noch einmal, als sie schon lange woanders lebte, keine Krankenschwester mehr war. Goethe und die Weimarer Klassik waren für sie eher die Dekoration der Stadt in der sie ihr erstes mal erlebte, wo sie sich in einen Mann verliebte, der sie zu nichts als Geliebte wollte und dem sie es zeigte, wenn sie doch noch und noch dazu dort heiraten würde.

So sagte sie es nie, wie sie überhaupt wenig bis nichts von ihren Gefühhlen erzählte und ich wenig von ihr erfuhr, was sie bewegte und wovon sie träumte außer gemeinsamen Urlaub, sie liebte Cluburlaube, war aber auch zu Kompromissen bereit, hauptsache raus und weg, warm, sonnig und Meer oder Pool. Da hätte ich sofort hellhörig werden sollen und überhörte es doch nur.

Wir sahen uns vom 7. Dezember bis zum 30. an dem ich nach Berlin zurückkehrte einmal auf einen Kuss an einer Straßenecke während ich mit meiner Tochter Fußball schaute und diese Pause schuf eine Sehnsucht und Lust, die wenig mit dem zu tun hatte, was war und die in der Wirklichkeit nie ein Echo fand, die aber für sich betrachtet, wie jede Sehnsucht auch traumhaft war und damit die Basis schuf für das, was mich an ihren Geburtstag den großen Schritt ein zweites mal wagen ließ, um ihre Hand anzuhalten, ihr den Ring überzustreifen.

Zuvor hatten wir uns am 30. Dezember wiedergesehen und es wurde schön und im überschaubaren Rahmen leidenschaftlich. Sylvester kochten wir zusammen schön, sie hatte die genau abgezählten Zutaten im Kochhaus besorgt, übernahm die Regie und es wurde ganz zauberhaft, bis wir um Mitternacht beschlossen einen Gang um den Block zu machen. Dort trafen wir dann, erwartungsgemäß, ich hatte noch einen anderen Weg gehen wollen, ihnen nicht zu begegnen, aber sie wollte es nicht und verstand es nicht, wolllte sich an meiner Seite präsentieren, meine Tochter mit ihrer Mutter und deren Freunden, die zusammen gefeiert hatten und auf der Straße standen.

Meine Tochter war sauer, sie trennte die Welten gerne, wollte mich nicht begrüßen, ignorierte mich und auch meine Ex schaute mich und die Frau an meiner Seite eher wie einen Feind an und ich litt wie ein Hund, was sie nicht verstand. Es war doch nichts und bestand kein Grund zur Aufregung. Aber es regte mich auf und ich, der ich voller Liebe beschlossen hatte, bevor ich zurück kam, mit dem Rauchen aufzuhören, wenn wir uns wiedersähen, also schon einen Tag auf Entzug war und wir stritten uns über Kleinigkeiten und sie zeigte mir gegenüber eine Mißachtung, die sie vermutlich nie so sah,sondern nur ganz nüchtern normal fand, die für mich unerträglich war. Es ging um Geld und Beruf und ich fühlte mich so bloßgestellt wie blamiert und sie dachte sich nichts dabei.

So ließ ich den Streit eskalieren, forderte eine Entschuldigung für etwas, was sie nicht verstand und wollte voller Gefühl einfach raus, es brodelte in mir und ich ging mit dramatischer Szene für immer. Kaufte mir Zigaretten und setzte mich bei eisiger Kälte in den nahen Park an dem Platz, an dem ich so lange gewohnt hatte und war unendlich einsam, während um mich gefeiert wurde. Schrieb ihr, aber es kam keine Antwort und irgendwann machte ich mich doch auf den Weg nach Hause und telefonierte in der Nacht noch lange mit zwei meiner Ex, die voller Verständnis waren und mich liebevoll trösteten in der Einsamkeit der Jahreswende.

Diese großen Tage, auf die sich viele Menschen so sehr freuten, konnten schrecklich sein. Nie fühltest du dich einsamer als da, wenn alle fröhlich waren und Party machten, während du niemanden und nichts mehr hast, außer die glühenden Zigaretten, an denen ich mich fast ketterauchend festhielt, wie ich es nach der Trennung von der Mutter meiner Tochter wieder begonnen hatte.

Ja, ich wollte aufhören, aber doch nicht so und nicht unter diesen Bedingungen. Es fanden sich im halben Jahr dieser Liebe keine Gründe mehr, mehr am Leben zu hängen und den langsamen Freitod, der das Rauchen für einen Asthmatiker war, zu beenden, es fehlte die Sehnsucht und ihre Erfüllung, sagte ich mir und täuschte mich damit vermutlich.

Das Drama endete am nächsten Tag. Wir vertrugen uns wieder, verbrachten schöne Tage, ich schlief wunderbar und war glücklich, doch nicht schon wieder dabei gescheitert zu sein, dass alles übrige unwichtig wurde und ich versuchte mich, von meiner neuen Muse dichtend inspirieren zu lassen, aber es kam wenig und was kam, mit großer Welle, voller Lust und Zärtlichkeit, fand keine entsprechende Würdigung, wir verstanden uns einfach nicht wirklich, aber das gestand ich mir, der ich doch schon so lange verzweifelt nach der Richtigen gesucht hatte, natürlich nicht ein.

So kam ihr Geburtstag und wir verlobten uns. es war ein wenig romantisch, ich schenkte ihr Bücher, Wäsche, Strümpfe und den goldenen Ring und wir gingen am Abend zusammen Essen und es wurde nett.

Die erste, spontane Reaktion meiner Tochter, die auch einige ihrer Vorgängerinnen kennengelernt hatte, war, die ist langweilig, was mich empörte und ich auf kindlichen Trotz gegen die Herzdame ihres Vaters, die nicht ihre Mutter war, schob, erwies sich als sehr weise und vorausschauend.

Es passierte wenig dramatisches in den nächsten Monaten, ich startete den kurzen Versuch zu Joggen, beeindruckte sie damit, dass ich um 6h aufstand und meine Runde lief, aber glücklich machte mich das nicht, es war nicht meine Welt und ich fand keine Befriedigung dabei. Dort aber wo ich Befriedigung finden wollte, fand ich sie auch nicht, es blieb ein Bemühen, weil ich sie nicht spürte, sie konnte dabei nicht kommen, wie sich herausstellte, wäre angeblich nur einmal irgendwann, aber ich könnte sie ja danach streicheln und das wäre völlig ok für sie, sie kannte es nicht anders und ich versuchte alles, es zu ändern.

Die Versuche wurden irgendwann ein wenig verkrampft weil sie sich unter Erwartungsdruck fühlte und mir der Sex nur bedingt Spaß machte, weil ich das Gefühl hatte, es sei nur gegenseitiges Onanieren ohne ein gemeinsames Gefühl der Erfüllung. Davon frustriert sprach ich mit Freundinnen darüber, die mich natürlich alle je ihrem persönlichen Interesse an mir entsprechend berieten, darunter auch eine ihrer Vorgängerinnen, die sich noch sehr um mein Herz bemühte und machte also, was ich nie tun sollte, wenn ich eine glückliche Beziehung führen wollte, was ich aber zugleich schlechten Gewissens auch erkannte und gerne ändern wollte, wenn ich könnte.

Suchte das Gespräch mit ihr, die es seltsam fand über Sex zu reden, dabei keine großen Bedürfnisse hatte, noch große Leidenschaft entwickelte und ich entwickelte eine Theorie nach der anderen, wie dies Problem zu lösen sei.Sie verspottete meine Theorien, sie war eben so und damit konnte ich leben oder nicht, ändern würde sie sich nicht und auch sonst eher nichts.

Zu dieser Zeit gab es einige wissenschaftliche Publikationen, die durch die Presse gingen und mich in meiner Sicht unterstützten. Nachdem italienische Neurologen behauptet hatten, der weibliche Orgasmus sei rein klitoral, widersprachen andere mit der Lehre vom G-Punkt und all meine Erfahrung widersprach dem auch - es gab ja Frauen, das wusste ich, die konnten vaginal kommen und anal und an der dort Kontraktion, die sich ankündigte, spürte ich das und stellte mich dann darauf ein, kam auch und das möglichst immer gemeinsam.

Davon erzählte ich ihr, das feste Ziel im Auge, in ihren Po zu kommen, sie dazu zu überreden, um der geteilten Lust wegen, auszuprobieren, was sie bisher abgelehnt hatte, weil es ihr unangenehm war, sie nicht wusste, wozu es gut sein sollte, warum sollte sie auch da etwas empfinden, wenn sie schon vorne nichts empfand und da eben nichts bei ihr passierte.

Sie sagte sie fände es schon schön, manchmal war sie auch ein wenig leidenschaftlich und stöhnte, zumindest am Anfang, später wurde das immer weniger. Leidenschaft erlebte ich nur noch zweimal bei ihr, als wir es auf ihrem Sofa taten und die Nachbarn, wenn sie schauten uns alle dabei hätten beobachten können und einmal als sie mich in Strümpfen empfing und ich sie in ihrer Küche kurz von hinten, wenn auch vorne, im Stehen nahm, sonst wurde es halt erledigt. Vor dem Einschlafen, ich befriedigte mich auf irgendwas sinnliches konzentriert mit schlechtem Gewissen deshalb in ihr und sie ließ sich danach oder davor von mir befriedigen. Davor vermieden wir meist, da sie dann noch weniger fühlte und ich nichts mehr fühlte, sie keinerlei Leidenschaft mehr spielte und es nur ertrug meinen Wunsch ihr von der anderen Seite näher zu kommen genervt zurückwies.

Versuchte es dann wieder mit der Vernunft und erklärte ihr, dass sie immer, wenn ich sie streichelte, und ich dabei immer auch ihren Po streichelte, dort kam und kontraktierte, während in ihrer Vagina nichts passierte, wie es sich ja auch für meinen Schwanz anfühlte.

Diese eher sportlichen Aktionen des Sex führten dann auch zu jenem Streit, nach dem wir uns trennten, sie sich eigentlich von mir trennte, auch wenn ich Schluss gemacht hatte, aber es eigentlich doch nicht so ganz wollte oder doch, aber dessen war ich eben noch nicht sicher.

Das wunderbare Schlafen neben ihr und die Gewohnheit hielten uns dann fast ein halbes Jahr zusammen obwohl ich schon längst vorher hätte gehen sollen, wenn ich meiner Vernunft folgte und auf mein Gefühl gehört hätte.

Schon als wir das erste mal oralen Sex hatten, also beide, nicht nur ich sie leckte zu ihrem Vegnügen, was ich von Anfang zu ihrer Befriedigung und Freude getan hatte, sondern auch sie mir einen blies, sprang sie danach auf, spuckte über dem Klo aus, spülte sich den Mund aus und kam dann wieder zurück zu mir, der ich völlig geschockt war und mich zutiefst dadurch erniedrigt fühlte, wie konnte sie nur. Ich hatte sie immer geleckt und geküsst, auch wenn sie, die meinte, sie schwitze normal nicht, sich nur alle drei Tage duschte und es am dritten Tag, oder wenn sie ihre Tage hatte, schon recht intensiv im Geschmack war und sie sprang auf und spuckte mein gutes Sperma aus, wo war ich da nur gelandet, konnte das wirklich sein?

Wir haben das dann noch einmal probiert, ich versuchte sie danach zu küssen, aber sie wollte nicht, sie wollte sich säubern davon und so verzichtete ich künftig auf diese erniedrigende Behandlung meinerseits, hätte vermutlich auch gar nicht mehr in ihren Mund spritzen können vor schlechtem Gewissen und Unwillen. Spätestens hier hätte ich gehen sollen und uns weitere Bemühungen ersparen können, eigentlich wusste ich das, entweder du magst den Geschmack des anderen, er macht dich heiß und der Orgasmus des je anderen ist ein Glück für dich, oder du kannst es dir völlig sparen.

Wir haben es uns nicht gespart und traute zu lange meiner anderen Theorie, dass die neben der ich gut schlafe, auch gut für mich ist, statt dem sicheren, besseren Wissen zu trauen. Wie ich überhaupt zur Theorienbildung beim Sex neige und immer wieder versuchte ihr meine nervus pudendus anus Verbindungstheorie nahe zu bringen, statt zu sehen, sie wollte es einfach nicht, weil sie keine Leidenschaft beim Sex kannte, wir nicht zusammen passten, sie auch im Bett einfach langweilig war und wir den Sex, wenn wir uns sahen zwar fast täglich erledigten aber eben nur erledigten vor dem Einschlafen miteinander und auf dessen Ergebnis ich zu lange zuviel wert gelegt hatte.

Der letzte große Streit entzündete sich wieder daran, ich befriedigte sie zärtlich und leidenschaftlich mit der Zunge, einen Finger in ihrem Po, auch wenn ihr Schoß mal wieder nicht frisch geduscht eher intensiv schmeckte, was taten wir nicht alles aus Liebe, dann drehte sie ich um und meinte, sie sei jetzt müde und wolle schlafen und ich lag mit meiner relativ riesigen Errektion unbefriedigt da und es brach aus mir heraus, was sich über die Monate angestaut hatte, wie sehr mich der lauwarme Sex frustrierte und ihr Ausspucken mich beleidigt hatte, wie wenig sie sich bemühte, die alles nur geschehen ließ. Es war völlig müßig, sie dafür zu beschimpfen, sie konnte nichts dafür, sie tat, was sie konnte, war kein schlechter Mensch, uns verband nur nichts, sie hatte keine geistigen Welten, ich lebte nur in diesen, sie verstand meine Lyrik nicht wirklich, las nicht die Liebe, Leidenschaft und den großen Kosmos in mir daraus heraus.

Sie träumte vom gemeinsamen Urlaub, der mich nicht interessierte, für den ich kein Geld ausgeben wollte, das ich lieber in Bücher investierte, wenn ich denn welches zufällig hatte, ich träumte von Liebe, Leidenschaft und Familie, von geistigen Welten und Büchern - am Anfang hatte ich ihr noch vorgelesen, sogar den geliebten Lukrez und sie hatte angeregt zugehört, dann hatte sie lieber auf ihrem Tablett im Bett gesurft, um nach Ferienwohnungen oder Angeboten für den Urlaub zu suchen, da hatte es sich auch schon erledigt und wir trugen nur noch Ringe für ein Versprechen, das keinen Hintegrund mehr hatte.

Uns war die Liebe verloren gegangen, die wir real nie teilten und sie bemerkte es nach dem Streit ganz nüchtern und nahm die Trennung an, die ich ausgesprochen hatte, wie erleichtert und ich kämpfte noch verzweifelt und irgendwie verlassen um sie, die mich nicht verstand, in der all meine Verse kein Echo fanden, mit der ich keine geistigen Welten teilte, die nie meine Bücher gestreichelt oder bestaunt hatte, die mir fremd blieb und mir dennoch so weh tat, das ich Momente dachte, ich wolle nicht mehr weiter, was natürlich albern war.

So endete die zweite Verlonbung im Nichts, das sie vermutlich immer war und das nur aus verschiedenen Projektionen, die sich nie deckten, zu einer großen schmerzvollen Sache wurde. Mit Abstand sage ich nun, ich habe sie nie geliebt, sondern nur die Idee von der Liebe und Weimar, die ich mit ihr hatte. Sie brach den Kontakt völlig ab, was ich befremdlich fand, nach einem halben Jahr in dem wir fast jede Nacht zusammen schliefen und viele Sorgen miteinander teilten, aber ich genügte ihr nicht, war nicht ihr Niveau, wie sie in einem abschließenden Gespräch sagte und als sie dann bemerkte, wie mich ihre ganz nüchterne und sachliche Aussage beleidigte und empörte, wie diese geistlose Frau es wagen konnte, mir gegenüber von Niveau zu sprechen, ergänzte sie mit bestem Willen vermutlich, ohne etwas böses zu denken, vermute ich heute, wahrscheinlicher noch sogar ohne überhaupt etwas dabei zu denken, weil ihr das eben nicht so lag, sie meine das nur finanziell und damit war es erledigt.

Die erste Verlobung endete, die zweite fast zwanzig Jahre später auch und es blieb von dieser nichts, was ich vertiefen müsste als die Theorien zur Sexualität, die in der Praxis aber meist völlig irrelevant sind, weil es eben passt oder nicht und es passte nicht und wie so oft im Leben sind alle guten Dinge drei, aber vom Ende der Suche sollte ich erst am Ende erzählen und lasse mich nun von den Gedanken treiben, von wem und was ich als nächstes von der Suche nach Liebe erzählen werde und was zur Brücke über den Jahrzehnten meîner Sehnsucht wird.

Wünsche dieser zweiten Verlobten, sie möge noch irgendwann die Leidenschaft und Liebe für sich entdecken, die eben bedingungslos ist, große Hoffnungen kann ich ihr da angesichts ihrer Neigung nicht machen, aber was weiß ich schon von ihr und den Frauen überhaupt, nichts und darum ist es schön, die Suche aufgeben zu können, wenn sich eins zum anderen fand, statt in ewigen Versuchen neue Theorien zu verifizieren.

Die Liebe kennt für mich keine Bedingungen und Kriterien nach denen ich abwäge, sie ist und ist, wenn sie ist völlig bedingungslos für ein Leben, als ginge es nicht anders. Das es anders geht, habe ich in diesem Kapitel erfahren und jede Erfahrung bringt uns ja auch irgendwie weiter und ist gut so, warum ich nicht undankbar bin, auch wenn, was echolos blieb keine Spuren hinterließ und vielleicht deshalb spurlos verschwand. Es war mir dies völlig fremd aber vielleicht passte es so und vermutlich ist ihre Sicht eine gänzlich andere, wenn sie denn eine solche dazu hat, was ich weder weiß noch mich mehr frage, weil es unerquicklich ist im echolosen Nichts etwas finden zu wollen. Wo nichts war, bleibt nichts, ist nichts zu bedauern und die verlorenen Träume haben nichts miteinander zu tun gehabt, nur schön so träumen zu können und um das Ziel zu wissen.
jens tuengerthal 28.2.2016

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