Donnerstag, 25. Februar 2016

Frauenliebe 024

Modelliebe

Als ich begonnen habe meine Liebesgeschichten zu erzählen habe ich es chronologisch angefangen, bis mir beim Erzählen noch andere Geschichten einfielen, die ich in meiner Chronologie vergessen hatte und mich fragte, warum die Erinnerung und das Erzählen von ihr einer strengen Zeitachse folgen sollte. Montaigne lesend wurde mir klar, wieviel wichtiger es ist, assoziativ zu erzählen und Brüken über die Zeiten zu bauen, denn ist es wichtiger, wann etwas war, oder wie es war und in welchem Zusammenhang mir Geschichten nahe kommen, fragte ich mich und mir war plötzlich klar geworden, dass es weniger um eine Historie meiner Lieben geht als die Liebe und das Leben überhaupt und in welchem Zusammenhang es zur Lust steht.

Als ich von meiner ersten afrikanischen Geliebten erzählte, die weit vor der Zeit lag, zu der ich gerade chronologisch erzählte, fiel mir die zweite aus Afrika ein, die ein ähnliches Schicksal erlitt, sogar aus dem direkten Nachbarland Äthiopien kam und das erinnerte mich an ein fast märchenhaftes Abenteuer, das im jungen Frühling begann, nahe dem Tod und über einen Sommer mich in eine andere Welt führte, von der viele träumen, der ich aber am Ende entfloh, weil unter dem Gold der Märchenwelt sich eine mir fremde Welt offenbarte, in der ich lieber nicht bleiben wollte und doch ist es eine Märchengeschichte, die hier und gerade an dieser Stelle nicht fehlen darf in der Sammlung meiner Liebesmärchen.

Bevor ich im unklar allgemeinen nun alles vorwegnehme, beginne ich lieber zu erzählen, wie es sich abspielte und was daraus wurde. Es war im frühen Frühjahr, irgendwann um Ostern herum, ich hatte Semesterferien und arbeitete in der Klinik. Auf der onkologischen Station, die noch im alten Teil der früher Lungenheilstätte lag mit Blick in den Park auf die uralten Ginkos und das dort Schloß, über das schon Goethe schrieb. Am Rande der Stadt, nahe dem Wald gelegen, im früher Schloßpark gebaut, hatte diese Klinik manches, was völlig aus der Zeit fiel.

Eine Lungenheilstätte, in der früher Tuberkulosekranke lagen, wie im Sanatorium Schatzalp in Thomas Manns Meisterwerk der europäischen Kulturgeschichte, dem Zauberberg. Es gab hier alte Operationssäle in denen noch die Geräte standen, wie sie auch im mannschen Sanatorium ausgesehen haben könnten, wo auch die Pneus operiert wurde, die aus der Lunge pfiffen. Operiert wurde hier immer noch aber es gab längst einen Neubau mit einem höchsten technischen Anforderungen genügenden OP und einer modernen Intensivstation. Das war ein typischer moderner Klinikbau, relativ gesichtslos und austauschbar. Hier im Altbau aber, gab es noch die langen Balkone vor allen Zimmern, wo die Ärzte im Sommer auch über den Balkon die Visitenbesuche machen konnten, wie sie es im Sanatorium Schatzalp taten, wenn sie die vorschriftsmäßig in ihre Decken gewickelten Patienten bei der Liegekur besuchten und sich nach der Temperatur erkundigten.

Den Patienten auf meiner Station war oft nicht nach Balkon zumute. Sie bekamen dort ihre Chemo-Therapie und manche waren, wie Mann es nannte, längst mit ihrem Bronchialkarzinom präfinal, also auf dem Weg zu gehen und es ging ihnen meist übel dabei. Die meisten Zimmer gingen auf den langen Balkon, der alle Zimmer miteinander verband, während die Sanitärräume, das Schwestern- wie das Arztzimmer und die Abstellräume zur Schloßparkseite gingen, ohne Balkon. Ein Krankenzimmer aber ging auch zur Nordseite mit Blick in den Park, dort schien selten die Sonne aber es war modern und hatte großzügigere Fenster als die zum Balkon, der von der nächsten Etage überdacht, noch mehr des zwischen den großen Bäumen noch möglichen Lichtes nahm.

Dort starb gerade eine junge Frau, die bereits für inoperabel erklärt worden war, deren ursprünglich Gebärmutterhalskrebs nach der Geburt ihres ersten Kindes ausgebrochen war und bösartig methastasierte. Sie war Mitte Dreißig und hatte schon ein wildes Leben hinter sich, war aus einem Pariser Krankenhaus gekommen, wo sie ihr auch nicht mehr weiterhelfen konnten, um hier zu sterben. Fast täglich kam ihr Mann. Ein sehr gut aussehender, großer, junger und braungebrannter Typ, der so den denkbar größten Gegensatz zu seiner geliebten Frau bildete. Er war Model und er sah, wie auch alle Schwestern und die Ärztinnen tuschelten mehr als gut aus, ein Traumtyp, wie sie meinten, teuer gekleidet, dabei leger und elegant zugleich.

Zum Weinen ging er immer auf den Flur. Die Schwestern sprachen, nachdem sie, als es schon einige Wochen so ging, ihre Scheu verloren hatten, ihm mit leisen Worten Trost zu. Sie machten ihm keine Hoffnung, wozu auch, es ging zu Ende und war nur noch eine Frage der Zeit. Einmal sah ich die Ärztin mit ihm reden und den riesigen, breitschultrigen, schönen Mann mit dem sexy Dreitagebart umarmen und tröstend über den Rücken streicheln. Sie war etwas besonderes, soviel war deutlich und sie bekam viel Besuch meist mit riesigen Blumensträußen oder feinsten Pralinenpackungen, die ihr Mann mit seinem bubenhaften Lächeln schüchtern im Schwesternzimmer abgab. War ja lieb gemeint, aber seine Frau hatte natürlich keinen Hunger. Sie bekam ständig Schmerzmittel und sie dämmerte immer mehr. Die Metastasen waren von der Lunge inzwischen auch ins Hirn gewandert, noch erkannte sie ihn und war meist freundlich, aber die Ärztin hatte ihn gewarnt, dass sich das schnell ändern könnte.

Arbeitete dort als Aushilfe, verteilte Essen, machte Betten, wechselte Verbände und unterhielt mich, wenn Zeit war mit den Patienten, sollte den Schwestern helfen, musste aber nicht die Krankenakten kennen und wusste so zunächst nicht viel über diese Patientin, die wohl mal ein Model gewesen sein soll, wie ich tuscheln hörte, in Paris, eine wusste sogar sie sei  bei Chanel gewessen, hätte aber aufgehört, hatte als Näherin bei den Schauen gearbeitet - aber das waren bis jetzt nur Gerüchte, auch wenn eine wissen wollte, sie habe direkt mit Lagerfeld zusammengearbeitet, sei eines seiner Lieblingsmodelle gewesen, bekannt aus den großen Modezeitungen.

Kannte sie nicht, hatte mich nie für diese Glitzerwelt interessiert, wusste von Lagerfeld eher, dass er eine großartige Bibliothek besäße mit Exemplaren aus Montaignes verstreuter Bibliothek. Dieser Modelkult war mir eher fremd und ich hatte noch nie die Vogue gelesen, noch hatte mich diese Welt interessiert, fand diese laufenden Kleiderständer eher alle viel zu dünn, dachte ich.

Wie schön unsere Patientin war, als sie noch Haare hatte und nicht den Körper voller Narben von all den vorigen Versuchen noch etwas zu retten, hatte ich auf einem Foto auf ihrem Nachttisch gesehen, dass sie mit ihrem Mann und den Zwillingen auf dem Arm zeigte und konnte es selbst bemerken, als ich sie einmal auf ihren Wunsch hin abreiben und waschen sollte. Ihr Mann hatte das zuvor gemacht, aber er war eben ungeübt, hatte ihr weh getan und da hatte sie mit ihm gestritten, nach einer Schwester geklingelt und da diese gerade alle beschäftigt waren, sei es mit einer Übergabe oder mit Kaffeetrinken mit den Ärzten, ging ich zu dieser besonderen Patientin und rieb sie das erste mal mit Franzbranntwein ab. Schob ihr Nachthemd hoch und sah den nun nur noch ausgemergelteren früher schon sehr schlanken Modelkörper nackt vor mir liegen und war zum Glück schon lange genug in der Klinik, mich davon nicht ablenken zu lassen, sondern rieb sie wunschgemäß ab.

So sah ich außer im Playboy das erste mal, ein nacktes Model sterbend nackt vor mir liegen, der ich etwas Linderung mit der Abreibung verschaffen wollte und wusste nun, was es heißt, wenn ein Körper Modelmaße hat und das dies auch in diesem Zustand noch ein schöner Anblick ist.

Unterhielt mich ein wenig mit ihr dabei, sie wollte sich bei mir über ihren Mann beschweren, der sie so grob angefasst hatte, lobte meine zarten Hände dafür aber ich wies dies sofort zurück und verteidigte ihren Mann und schon tat es ihr Leid, dass sie über ihn geschimpft hatte und sie bat mich, ihn zu holen, was ich gerne und sofort tat. Etwas heikel fand ich diese Situation schon und wollte keinen falschen Eindruck erweccken, hatte mir angesichts der moribunden Patientin jeden weiteren Gedanken nicht mal verbieten müssen, es kam gar nicht dazu und so holte ich ihren Mann herein und sie wechselte vom depressiv zornigen Zustand blitzartig in den euphorisch schwärmenden - hatte dem Mann schon leise, als ich ihn holte gesagt, dass diese Schwankungen wohl leider nun normal seien und es jeden treffen könnte.

Ab diesem Tag rief sie mich jeden Tag, wenn ich da war und wollte abgerieben werden als ihr kleiner Luxus, wie sie es nannte. Dann kam ich auf die rettendeIdee, ihren Mann anzulernen. es war ja keine große Kunst eine Patientin mit Franzbranntwein abzureiben, aber ich besprach es mit ihr so, um das Vertrauen der beiden zueinander zu stärken und so kam ich bald nur noch mit der Flasche zu ihr, sie ließ sich von ihrem Mann abreiben und ich versuchte, wenn sie es zuließ, schnell wieder zu verschwinden, um den beiden den Moment der Intimität zu geben, ihrer vielleicht letzten Lust, denn es ging immer weiter bergab, die Ärzte sprachen nur noch von Tagen, höchstens Wochen, so genau wusste keiner, wie lange sie sich noch gegen den Tumor wehren könnte, der sie auffraß.

Die Liebesgeschichte, um die es hier geht, begann einige Tage später, inzwischen war ich ihr vertrauter Pfleger geworden und hatte einige Geschichten von ihr gehört, meist eher von ihrem Mann, weil ihr bald das Sprechen zu schwer fiel. Sie war wirklich Model gewesen, für Lagerfeld und arbeitete nun als seine Näherin bei den Schauen für kleine Korrekturen und Reparaturen, sie waren wohl relativ vertraut gewesen. Ihr Mann war auch Model. Sie hatten sich dort kennengelernt, wollten aber beide weg von da, hatten sich einen Bauernhof in den Vogesen gekauft, den sie wohl nie wieder sehen würde, dachte ich und sagte nur, was für ein schöner Traum für die Kinder.

Nun kamen ihre Freundinnen aus Paris zu Besuch, um sich zu verabschieden, auch wenn sie nicht gehen wollte, zwischendurch  schimpfte, ob das jetzt Abschiedsbesuche seien, sie wolle bald wieder zurück sein. Auch wenn sie eigentlich wusste, was mit ihr war, ihr keiner etwas vorspielte, mussten wir doch nicht die letzte Hoffnung zerstören, die sie sich noch ans Leben klammern ließ.

Nur zwischendurch meinte die Ärztin, was tun wir ihr da an, warum lassen wir sie nicht einfach sterben, damit sie es hinter sich hat, es gab keine Hoffnung und keiner wusste, wie sich ihr Hirn verändern würde, wie sie morgen reagierte, ob sie, wie viele plötzlich aggressiv und böse würde oder ausrastete, mussten wir das ihr und ihrem Mann antun, der darunter noch mehr litt als sie, die es in ihrem Dämmern zwischen Zuständen nur noch teilweise mitbekam.

Eine dieser Freundinnen fiel mir besonders auf, Norddeutsche, blond, wunderschön, groß und schlank natürlich wie alle diese Models die auf unserem Flur mit verheulten Augen herumlungerten in den letzten Wochen, heulten und sich dann auf dem Klo wieder schön schminkten, um mit einem erkämpften Lächeln hineinzugehen, lieb zu ihr zu sein. Abschied zu nehmen, ohne es auszusprechen und ihr noch gut tun wollten und nicht konnten. So viele wunderschöne Frauen auf einem Flur hatte ich noch nie gesehen und das in Gegenwart einer Sterbenden und ich in diesen seltsamen hellblauen Klinikklamotten, die irgendwie an mir runterhingen.

Sie stand weinend auf den Flur und wie vorher die Schwestern bei ihrem Mann berührte ich sie zart an der Schulter und lächelte sie an.

Sie hatte ihr von mir erzählt und mal wieder euphorisch gechwärmt, wofür es keinen Grund gab, ich hatte ja nichts besonderes getan, als eine zufällige Laune zu treffen und was ich tat, tat ich als bloße Aushilfe eher ahnungslos und sicher nicht besser als die dort Schwestern. Aber Sympathie hat nicht unbedingt logische Gründe und ich hatte ihr in einer Krisensituation geholfen, wieder zu ihrem Mann zu finden, den sie rausgeworfen hatte, weil sie gerade diese Laune hatte, die sie im nächsten Moment schon wieder bereute. So waren Patienten mit Hirnmetastasen eben. Es könnte sich im nächsten Moment genauso gegen mich richten und das sie mich besonders mochte, war kein Verdienst, was ich auch ihrer Freundin sagte.

Trotzdem wollte sie gern mit mir reden, hatte den Eindruck gewonnen, ich sei ihre Vertrauensperson, auch wenn ich im Gegensatzu etwa zu den Ärzten keine Ahnung hatte, nur Hilfsdienste leistete, ihr auch nicht helfen konnte, ihre Krankenakte nicht kannte, nur seit sie bevorzugt von mir gepflegt werden wollte, hatte mich die Ärztin noch ein wenig instruiert, zusätzlich hatte ich meinen Vater gefragt, der sie als Fall eher kannte, denn etwas über ihre Vita wusste. Es passte den Schwestern nicht wirklich, dass ich bei dieser Patientin aus der verzauberten Modelwelt der bevorzugte Pfleger war, der ich ja kein Pfleger war, sondern nur billige Aushilfe, ein Student halt, und ich tat alles, ihr zu sagen, dass ich nur eine Aushilfe sei, relativ ahungslos - aber wer wollte einer Sterbenden schon einen Wunsch abschlagen und es würde ja vermutlich nur noch Tage gehen, so nahmen sie es knurrend hin, dass, wenn es dort klingelte ich gehen sollte und machten ihre Witze darüber.

Als sie mich aber mit diesem wunderschönen Model, schließlich sogar im Arm, denn sie schluchzte sehr, auf dem Flur stehen sahen, hatte die Sonderrolle schnell ein Ende und sie sorgten dafür, dass ich sofort mit ganz wichtigen Aufgaben an anderen Orten beschäftigt wurde.

Die Frau in meinem Arm war mehr als schön, ein Traum dachte ich nur und dieser leichte nordische Akzent, der mir so heimatlich vertraut war zwischen all den kurpfälzischen Dialekt sprechenden Menschen hier. Fragte mich, ob ich sie wohl nochmal sehen würde, oder sich Gelegenheit ergab mit ihr zu sprechen, nachdem ich das völlig verschissene Klo geputzt hatte, wozu ich nach der Umarmung abkommandiert wurde.

Doch, oh Wunder, gerade als ich mit den Armen wortwörtlich tief in der Scheiße steckte, kam die Stationsschwester lachend herein und sagte, lass mal, das müsste ich nicht machen, dafür gäbe es andere hier, sie hätte schon Bescheid gesagt, ich sollte zu meiner Patientin, sie hätte nach mir gerufen. Diese Stationsschwester kannte keinen Neid, keine Mißgunst, mochte mich und ich schätzte sie, hatte ihren Fleiß und ihre tolle Art mit den Patienten schon gegenüber meinem Vater oft gelobt, der es wohlwollend wohl weitertrug.

Reinigte mich so gut es ging und versuchte den Geruch von Klo und Exkrementen mit zuviel Desinfektionsmittel zu übertünchen, was, wie ich fürchtete, nicht wirklich gelang und machte mich also vermutlich stinkend auf zu der schwierigen Patientin und vielleicht der Traumfrau in ihrer Gegenwart.

Sie saß auf ihren Bett und die beiden plauderten als wäre es nur der Besuch bei einem Beinbruch und das war gut so. Was sollte auch über den Tod und das Sterben gesagt werden, wenn er da war, waren wir weg, solange wir da sind, ist der Tod noch nicht da und geht uns also nichts an, vielmehr sollten wir jeden Moment genießen, wie es uns nur möglich ist.

Es funkelte in den Augen der Patientin und ich überlegte, was das bedeuten konnte - ihre Freundin schaute mich lächelnd aber eher schüchtern fast nicht an. Da legte sie los, sie wisse ja, dass es bald zu Ende ginge mit ihr, aber, wenn sie jetzt, noch einmal eine Liebe stiften könnte, lebte sie doch irgendwie weiter.

Ahnte, was sie meinen könnte und konnte es doch nicht glauben, schaute von ihr zu ihrer Freundin und da begann es zwischen uns zu glühen, es funkelte wie ein riesiges Feuerwerk in mir und zwischen unseren Augen - da nahm meine Patientin unsere Hände und legte sie ineinander und ich lächelte sie, vermutlich wie ein Idiot selig strahlend, an - nun sollten wir uns wohl küssen, wie in schlechten Filmen am Bett ihrer sterbenden Freundin und fast kamen mir über diesen realen Kitsch die Tränen.

Es trieb mich diese wunderbare Frau zu küssen, sie zu umarmen, ihr nah zu sein, es war wie im Traum, doch zum Glück fiel mir noch ein, das ich im Dienst war und fürchterlich nach Scheiße und Desinfektionsmittel stank, dieser stinkende Kuss der letzte sein könnte, wenn ich ihr zu nahe kam und schon überlegte ich, wie ich diese Situation nun elegant lösen könnte.

Ein traumhaft schönes Model, zu Tränen von unserer Liebesgeschichte gerührt wie ich auch, wollte von mir geküsst werden und ich dachte ich stinke erbärmlich. Es fiel mir keine Ausrede ein und so lachte ich sie an und sagte einfach - am liebsten würde ich dich jetzt küssen aber erstens bin ich im Dienst und zweitens habe ich gerade ein Klo gereingt und stinke fürchterlich.

Wir schauten uns an und plötzlich mussten wir alle lachen und meine Schöne stand auf und umarmte mich. Sie meinte, es sei ihr völlig egal, wie ich gerade rieche, sie wolle das auch und küsste mich einfach, lachte wieder und meinte dann, na ein wenig streng ist das schon und dann ergriff uns das Lachen alle erneut und so wurde unser erster Kuss zugleich der letzte ausgelassene Moment der Patientin, die wenige Tage später starb.

Wir verabredeten uns für nach meinem Dienst - sie wollte mich abholen und dann würden wir schon sehen, was wir machen. Der Tag zog sich noch ewig schien es mir. Nach der Übergabe verzog ich mich zum OP, um zu duschen und kam dann zumindest nicht mehr stinkend in die Halle der Klinik, wo sie mich mit einem Buch in der Hand lesend erwartete.

Begrüßte sie mit, du liest, wie schön und sie schaute mich verwundert an, natürlich, ich lese fast immer, wenn ich nicht Kleider durch die Gegend tragen muss und mir ging das Herz auf und ich lächelte sie wieder selig an, noch immer fassungslos konnte ich nicht glauben, dass dieser Traum von einer Frau wirklich mich wollte, dachte es war vermutlich nur die Laune eines Moments und wir würden vielleicht einen netten Abend verbringen - sie lebte und arbeitete ja in Paris, konnte sich die tollsten Männer aussuchen, was sollte sie von mir wollen. Sie aber lachte mich an und fragte mit einem frechen Lächeln, ob ich noch im Dienst sei oder ich lieber erstmal die Klinik verlassen wollte.

Im Dienst war ich nicht mehr, fühlte mich wie ein König und wollte dieses Wunder von einer Frau, wenn sie es denn wirklich wollte, einfach küssen und tat es.

Es wurde ein leidenschaftlicher erster Kuss, eigentlioch zweiter aber der noch stinkende war dann doch flüchtiger gewesen, im Flur der Klinik während Patienten im Bademantel vom Eingang vorbei schlurften, wohin sie zum Rauchen gingen, als hängende Gestalten mit grauen Gesichtern, die doch den Blick nicht von dieser plötzlichen Leidenschaft der großen wunderschönen Frau abwenden konnten. Hielt sie im Arm bei diesem Kuss, der ewig zu dauern schien und nach meiner Vorstellung nie enden musste - ich mochte ihren Duft und ihren Geschmack, streichelte über ihren Rücken zu ihrem Po, hielt sie dort, wo nahezu nichts war - aber noch standen wir in dieser Klinik, in der ich bekannt war wie ein bunter Hund und so setzte irgendwann wieder der Verstand ein - ich löste mich von ihren Lippen und fragte sie, was wir jetzt machen wollen.

Erwartungsgemäß antwortete sie, was du willst, was mich nicht wirklich weiter brachte aber mir zumindest die Führung gab - wir könnten zu mir fahren oder möchtest du noch was essen, schlug ich fragend vor und sie meinte, Essen wäre gut, sie hätte von einem Restaurant gehört hier, dass sehr gut sein solle, ob ich es kennen würde, es wäre eine Art Weinstube mit feiner Küche, gehörte zu einem guten Weingut und ich ahnte wohin sie wollte und schluckte beim Gedanken an meine bescheidenen Finanzen, dachte aber zugleich, diese Gelegenheit ergibt sich nur einmal im Leben, egal.

Sie wollte mit dem Taxi hinfahren, die ständen ja direkt vor der Tür, meinen Einwand, die Straßenbahn wäre genauso schnell und nur wenig weiter, lachte sie weg und sagte nur, komm mit, wir fahren und dann zahlte sie das Taxi mit der Begründung, sie hätte es gewollt, also könne sie es auch bezahlen.

Wir gingen in diese weithin bekannte Weinstube und sie bestellte sich zum Riesling einen Salat und ich tat es ihr gleich, erfreut die Kosten möglicherweise doch im überschaubaren Rahmen zu halten - Models aßen also tatsächlich eher bescheiden, ich musste mir keine Sorgen machen der Frau aus der Zauberwelt gleich als armer Schlucker gegenüber zu treten, wusste ich doch, was sich für einen Gentleman gehört und wollte sie natürlich einladen.

Auch das ließ sie mit der gleichen Begründung nicht zu, küsste meinen Widerspruch weg und reichte der Bedienung ihre Kreditkarte. Dann flüsterte sie mir ins Ohr, du bist Student und verdienst dir im Krankenhaus etwas dazu, oder?

Sie hatte es gemerkt und war auch sonst sehr aufmerksam, sie hatte sich alles gemerkt und meinte mich küssend umarmend, sie würde sich jetzt auch gerne ein wenig frisch machen und ob ich einverstanden wäre, erstmal in ihr Hotel zu fahren und wieder ging es mit dem Taxi in die Stadt, sie residierte in einem der nobelsten Hotels, direkt gegenüber meinem Seminar und fast wünschte ich mir, es kämen Kommilitonen vorbei, mich mit ihr zu sehen, irgendwer begegnete einem doch immer. Diesmal aber begegnete uns niemand und wir gingen quasi unbeobachtet in ihr Zimmer.

Nach einem ersten Feuer wilder Leidenschaft, die schon im Stehen begann und sich ineinander verschlang bis zum zu schnellen Höhepunkt, wurden wir langsamer und zärtlicher. Sie kannte keine Hemmungen und genoss es, ihren Körper voller Lust einzusetzen - aber stärker noch als die Lust war nach der ersten Explosion die vertraute Zärtlichkeit - irgendwann fiel mir ein, dass ich am nächsten Morgen Frühdienst hätte und um 6h in der Klinik sein musste. Sie fragte mich, ob wir nun zu mir fahren wollten, aber wir konnten genauso gut im Hotel bleiben, es war noch näher zur Klinik und so liebten wir uns weiter und dämmerten irgendwann als es schon langsam hell wurde Arm in Arm ein.

Nach vielleicht einer Stunde Schlaf schreckte ich auf, dachte an den Dienst, stand auf, duschte und zog mich an, wollte sie schlafen lassen - aber als ich aus der Dusche kam, erwartete sie mich schon und bevor ich ging, musste ich ihr versprechen, sobald wie möglich nach Paris zu kommen, sonst käme sie mich holen. Natürlich wollte ich sie bald wiedersehen, aber mal eben nach Paris - dafür musste ich noch ein wenig arbeiten, ich war ja nur Student, erklärte ich ihr und wieder lächelte sie nur und sagte, Geld ist egal, mach dir keine Gedanken, komm einfach und wenn du etwas brauchst, sag es mir. Zwischen uns sollte Geld nie eine Rolle spielen, meinte sie, es gäbe genug, sie wolle mich nur sehen und soviel Zeit mit mir verbringen, wie nur irgend ging.

Es dauerte dann noch drei Wochen, bis ich fuhr, davor standen noch einige Dienste und eine lästige Hausarbeit - wir schrieben uns wunderschöne Liebesbriefe, verzaubert davon, wie ihre sterbende Freundin unsere Hände ineinander gelegt hatte. Zum ersten mal schaute ich mir die Vogue oder Harpers Bazar an, um sie zu sehen, zumindest irgendwie näher zu sein. Es gab damals noch kein Skype oder Facebook, Mails waren auch noch nicht wirklich üblich.

Am Anfang erzählte ich noch Freunden von meiner neuen großen Liebe wie ich dachte, aber ich merkte, dass mir keiner ganz glaubte, sie es für Aufschneiderei hielten, meinten es sei nur eine Story und so verschwieg ich das Wunder, das mir unerwartet begegnet war, wie ich darüber überhaupt viele Jahre geschwiegen habe, was aber auch mit dem weiteren Verlauf der Geschichte zusammenhängt.

Mit dem Auto nach Paris fahren ist lustig, vor allem, wenn ich bedenke, wie mich alle vorher warnten, bloß nicht mit dem Auto zu fahren, weil es in Paris so chaotisch wäre und sich keiner zurecht fände. Fand mich leicht zurecht, lang war nur die Fahrt über die Autobahn bis Paris und der Stau um Paris, bis ich schließlich entnervt abfuhr und der Nase folgte, um irgendwie ins Zentrum zu finden, in dem sie wohnte. Der Weg um Paris auf dem Peripherique hatte länger gedauert als die hunderte Kilometer davor aber so war das wohl und als ich endlich vom Zubringer abgefahren, am ersten Tabac hielt um mir eine Schachtel Gauloise und ein Baguette zu kaufen, fühlte ich mich schon großartig genug, auch auf kleineren Straßen in die Stadt zu finden, was tatsächlich gelang und sehr amüsant wurde.

Ihr Haus in einem ganz zentralen Arrondissement gelegen war sehr prächtig und sie bewohnte, wie sie mir vorher geschrieben hatte, mit zwei Freundinnen eine Wohnung unter dem Dach - es war nicht irgendeine Wohnung sondern ein ausgebautes Dachgeschoß dem Paris zu Füßen lag, seine berühmten Schönheiten von verschiedenen Seiten im Blick, große Fenster und viel Licht eine große Dachterrasse - ein Traum aus einer anderen Welt in die ich hier nichtsahnend gestolpert war. Von der Monatsmiete dieser Wohnung lebte ich vermutlich ein Jahr, dachte ich einen Moment und verdrängte es sogleich, Geld spielte ja keine Rolle, ich war hier um zu genießen.

Es wurden verzauberte Tage in Paris - sie lebte mit zwei Kolleginnen zusammen, von denen ich vermutete, dass sie eine Beziehung miteinander hatten, zumindest verschwanden sie immer in einem Schlafzimmer gemeinsam - wir sprachen nicht darüber. Es war eine entspannte lockere Atmosphäre, fühlte mich wie ein kleiner Junge vom Land, der im Märchen aufwacht und mit 3 Models in einer Wohnung mitten in Paris lebt, die völlig entspannt auch mal nackt durch die Wohnung liefen, und alle küssten sich zur Begrüßung und Verabschiedung, wie es die Franzosen eben so tun und auch mal zwischendurch und wir zelebrierten unsere Liebe im Gedenken an die gestorbene Freundin, die ihre beiden Freundinnen, die auch für Chanel liefen natürlich gut kannten - dann wurde ein wenig geweint und philosophiert - zwischen Wein und Champagner, Zigaretten auf der Dachterrasse wurden Kleinigkeiten gegessen, bis meine Liebste mit mir loszog, gemeinsam ihre Stadt zu erobern.

Paris verliebt ist ein auch literarischer Traum und oft genug beschrieben worden, ohne Sorgen um Geld noch eine Spur entspannter und wir schlenderten durch die Straßen, besichtigten ein wenig, saßen in Cafés, kauften Bücher bei den Bookinisten und zwischendurch ging sie einige Stunden arbeiten, während ich im Museum war oder auf der Terrasse las.

Abgesehen von dieser verliebten Schwärmerei fand ich Paris ziemlich hektisch, die meisten Gesichter unfreundlich oder zumindest verschlossen, laut und unangenehm, die Frauen zu stark geschminkt, als hätte das Rockoko nie geendet und ein wenig zu eitel in seiner Selbstbeschau, irgendwas war mir da unangenehm, ich wusste nicht was und erst viel später, als ich schon Jahre in Berlin lebte, merkte ich, was es war, warum mir die Stadt so fremd blieb, sie hatte keine Zeit und ihr Lächeln verloren.

Als sie mich fragte, ob ich nicht mitkommen wollte, es mir mal ansehen, wie sie arbeitete, wusste ich erst nicht recht, was ich davon halten sollte, was hatte ich in dieser Welt zu suchen, als sie meinte, heute wäre er auch da, vielleicht könnte sie mich ja vorstellen, dachte ich noch, sie flunkerte, schnitt zumindest auf, was sollte sich Karl Lagerfeld für mich interessieren, es schien mir absurd - aber sie hatte es natürlich gewusst und nichts dem Zufall überlassen, auch wenn es mir so schien, als ich dem Großmeister begegnete und wir ins Gespräch kamen, war ich schon von dieser Welt hinter den Kulissen voller halbnackter Models und schönster Kleider wie berauscht.

Die Mädchen hatten ihm davon erzählt, er kannte natürlich die Geschichte seiner Näherin und ihrer schrecklichen Krankheit, auch wenn er alles Kranke lieber mied, wie der Teufel das Weihwasser, was ein apartes Bild ist angesichts der hier Beteiligten und des natürlich teuflisch häßlichen Sterbens meiner Patientin als gerade junge Mutter und der Hilflosigkeit aller Religion angesichts der Natur. So hatte er von mir tatsächlich gehört und zog die Brauen hoch, als mein Schatz mich vorstellte.

Er fragte kurz und höflich wie ihre letzten Stunden waren, ob ich bei ihr gewesen wäre und ich verneinte wahrheitsgemäß, sie war ja eingeschlafen und nicht mehr aufgewacht bei genügend hoher Schmerzmedikation, konnte der Körper irgendwann nicht mehr dagegen kämpfen. Ich spürte aber, dass all dies mit klinischen Details hier nichts zu suchen hatte und sagte nur, sie ist friedlich eingeschlafen, ich durfte sie wegbringen. Wieder zog er die Augenbrauen hoch - wegbringen, wiederholte er fragend - auch ich zog die Augenbrauen hoch, verzog den Mund etwas und zuckte mit den Schultern - sollte ich nun sagen, dass ich sie in den Kühlraum gebracht habe, wo die Leichen gelagert wurden, bis die Bestatter sie abholten. Aber er hatte es schon verstanden, winkte ab - ja, natürlich, sie müssen dann ja weggebracht werden, wie Thomas Mann es im Zauberberg beschreibt. Genug davon, meinte er noch und ich dachte, er ginge nun weiter, aber er fragte mich, wie es mir hier gefiel.

Er wollte zum plaudern übergehen und erwartete vermutlich eine floskelhafte Antwort, was ich nicht bedachte, noch ahnte, vielmehr fragte ich mich, was ich nun sagen sollte. Vor lauter Verwirrung, wie ich in diese Situation gekommen war, mit dem großen Lagerfeld plaudernd im Hintergrund einer Chanel-Schau, als kleiner Student aus einer mittleren Kleinstadt ohne jeden Bezug zu dieser Modewelt noch eigentlich Interesse daran - außer vielleicht meiner Vorliebe für schöne Wäsche, aber die konnte ruhig auch der Mode früherer Zeiten entsprechen, antwortete ich auf seine Frage, einfach ehrlich, Mode wäre nicht meine Welt, mich zöge es eher zur Literatur und Philosophie, ich sei nur nichtsahnend mitgenommen worden. Diese zurückhaltend bescheidene Ehrlichkeit, was sollte ich auch mit ihm über Mode reden, von der ich keine Ahnung hatte und die mich nicht interessierte, schien ihm zu gefallen. Wir sprachen über Literatur und Philosophie, die Brücken von der einen in die andere Welt und ich erwähnte, wie mich Montaigne dabei begeisterte - da leuchteten seine Augen auf.

Montaigne, ja, ein Meister, bescheiden und großartig - habe einige Bände aus seiner Bibliothek ersteigern können, ein großes Glück und nun war ich es, dessen Augen leuchteten - Montaignes Bibliothek im Turm, die sich nach seinem Tod in alle Winde zerstreute, welch Schatz etwas von dort zu haben.

Wir plauderten ein wenig über Montaigne, sein Denken und warum er so aktuell und wichtig ist, ich erzählte von der Neuübersetzung, die ich kannte und liebte, dann war es Zeit, er verneigte sich, verabschiedete sich mit den Worten, kommen sie mich doch mal besuchen und verschwand zwischen den Kulissen seiner nächsten Shau.

Die Mädchen hatten es genau beobachtet und tuschelten darüber, kaum war er verschwunden - meine Freundin lachte mich mit einem Blick an, der habe ich es dir nicht versprochen, sagte und ich wurde mutmaßlich tiefrot in diesem Hühnerstall der Schönheit in dem lauter halbnackte wundervolle Frauen von Visagistinnen, Haarkünstlern und Schneiderinnen umschwärmt wurden in einer seltsam geschäftigen Hektik.

Am Abend auf der Terrasse plauderten wir noch länger darüber, ihre Freundinnen meinten, ich müsse der Einladung bald folgen, bevor er mich wieder vergaß. meine Freundin meinte, das hätte Zeit und ich hielt dies alles nur für eine nette Höflichkeit und vermutete, er habe mich schon vergessen, als er um die Ecke war.

Er hat dann irgendwann später meine Freundin noch einmal darauf angesprochen - die Einladung an mich ganz allgemein wiederholt, der ich aber nie nachkam, weniger, weil ich es nicht interessant gefunden hätte, mit ihm seine Bibliothekl zu betrachten oder über Montaigne zu reden, als weil der Kontakt nach dem Sommer abbrach und ich mich von dieser Welt lieber fernhielt.

Nach zauberhaften Tagen in Paris, dieser eigentlich vielfach häßlichen, unfreundlichen Großstadt voller Hektik und mit zu wenig Ruhe, fuhr ich völlig erschöpft wieder in die heimatliche Provinz. Noch studierte ich, wollte mein Examen machen und lud sie ein, doch mich zu besuchen, aber sie wollte so schnell nicht wieder in die auch romantische Kleinstadt, meinte, sie bräuchte noch ein Jahr Abstand von da, nach dem Tod ihrer Feundin. Nur ich war erschöpft von diesen Tagen voller Besichtigungen, Partys und Sex. Meine Liebste hatte immer Lust, war nie müde, war schon wach, wenn ich aufwachte, schlief noch lange nicht, wenn ich schon ewig träumte, arbeitete nebenbei hart und aß so wenig, wie sie schlief. Wir taten es, so zumindest meine Erinnerung, mindestens zweimal am Tag und daneben, davor und danach war immer noch irgendwas - ich fragte mich, wie sie das schaffte, keinen Hunger zu haben, diesen ständigen Stress bei den Schauen, bei denen sie lief, diese Scheinwelt in der sie glänzen musste - fragte es mich und war doch zugleich so fasziniert davon, dass ich in dieses Märchenreich eingetaucht war, von dem Millionen Menschen nur träumen, ohne etwas dafür getan zu haben, als meinen Studentenjob so zu machen, wie ich es immer tat, also völlig unverdient, wie ich dachte, dass ich nicht wirklich fragte und nicht weiter nachdachte - auch bei ihren Freundinnen nicht, der Äthiopierin und der Französin, die genauso wenig schliefen und ich brauchte schon wenig Schlaf, wie ich dachte, immer blendend aussahen, voller Energie und Esprit.

Wieder zurück in der Kleinstadt, die nur historisch für ihre Universität Bedeutung hat und ihre Schloßruine, erzählte ich meinem besten Freund von meinem Abenteuer in Paris, schwärmte und sah dann, wie er die Brauen hochzog, anders als Lagerfeld, er glaubte mir nicht - ich ersparte uns jeden Kampf darum, wenn er es nicht wissen wollte, behielte ich diesen Schatz eben für mich, musste ja keiner wissen.

Einige Wochen schrieben wir uns fast täglich innige Liebesbriefe, die langsam weniger wurden und ich dachte schon, ich wäre ihr wohl doch eine Nummer zu klein und hätte langsam ausgedient, als mich ihre Einladung erreichte, doch den Sommer mit ihnen am Atlantik zu verbringen, sie hätten ein kleines Häuschen gemietet, es sei wunderbar da und ob ich mir vorsellen könne, mit ihnen allen Urlaub zu machen - den Brief hatten dann auch die anderen beiden mit Grüßen und Bisous unterschrieben. Was für eine Vorstellung, mit drei traumhaft schönen und interessanten Frauen Urlaub in Frankreich, ohne auf Geld achten zu müssen - ein Traum, dachte ich sofort und antwortete, dass ich die Einladung gerne annähme und dafür das Kochen übernähme, wenn sie wollten.

Sollte mit dem Auto nach Paris kommen und von dort aus wollten wir fliegen - ich sollte mich um nichts kümmern, nur kommen und dann gemeinsam den Urlaub genießen. Behielt es für mich, da diese Geschichte vermutlich wieder keiner glauben würde und freute mich die letzten Wochen auf das Wiedersehen - unsere Schreiben bis dahin waren nicht mehr so verliebt, aber doch voller Vorfreude, schien es mir und ich ignorierte, was mir vorher als Veränderung vorkam im Ton miteinander.

Meine Freundin war zum Studium nach Paris gegangen, Kunstgeschichte an der Sorbonne, als sie irgendwo entdeckt wurde - erst hatte sie diese Model-Arbeit nur nebenbei als Zubrot angesehen, dann wurde es immer mehr und sie beschloss mit dem Studium zu pausieren - da verdiente sie schon mehr als die allermeisten Kunsthistorikerinnen je, wurde zum Gesicht für Kampagnen von denen ich nichts mitbekommen hatte in der Provinz und überhaupt.

Meine Ahnungslosigkeit wurde mir verziehen, fanden sie süß und so hatten sie mich als quasi Blinden für ihre Arbeit auserkoren, mit ihnen in Urlaub zu fahren und ich ahnte nicht, was sie sich noch überlegt hatten.

Als ich mit meinen kleinen Polo in Paris ankam, fanden sie ihn so süß, dass wir beschlossen mit meiner Gurke in den Südwesten zu fahren, er würde das schon schaffen, dachte ich und wenn nicht, fänden die drei schon eine Lösung - fragte mich nur, wie wir die drei langbeinigen Frauen, mich und deren Gepäck für drei Wochen in den kleinen Wagen packen wollten - sie lösten es pragmatisch - packten einen großen gemeinsamen Koffer, schickten den Rest mit der Post, die Kosten waren ihnen ja wie immer relativ egal und ich fuhr mit meinem so vollgeladenen Wagen mit drei Grazien gen Atlantikküste.

Wir fuhren über Landstraßen, machten Pausen, wann es uns gefiel, tranken Champagner oder Tee für mich als Fahrer. Sie ließen mich fahren, meine Freundin saß neben mir, die Französin und die Äthiopierin hinten, sie hatten es sich bequem gemacht und die Beine übereinander hoch gelegt, ihre kurzen Sommerkleider waren hochgerutscht, wie bei meiner Freundin auf dem Beifahrersitz, die ihn immer noch etwas höher schob und aufpasste, ob ich es bemerkte. Als sie und ihre beiden Freundinnen anfingen, sich auch noch zu streicheln, völlig entspannt aber jede mit der Hand zwischen ihren Beinen, fragte ich sie, wie ich mich dabei noch konzentrieren sollte und fürchtete aber schon, es wäre frech, weil sie es einfach so taten, nicht lasziv, als dächten sie an nichts böses.

Meine Freundin lachte und fragte, ob mich das etwa störe, wenn sie sich berührten und da war ich das erste mal fassungslos - nein, es störte mich natürlich nicht, aber wie ich mich dann noch auf die Straße konzentrieren sollte, wüßte ich nicht. Plötzlich ganz ruhig und vernünftig meinte mein Schatz, dass dürfe natürlich nicht passieren und zog ihren Rock zurecht und die beiden hinten taten es ihr gleich, saßen züchtig mit geschlossenen Beinen und dösten ein wenig - fast bedauerte ich schon, etwas gesagt zu haben, hoffte meine Freundin sei nicht beleidigt, weil ich sie alle drei angesprochen hätte, von denen ja wohl nur sie mich anmachen wollte, während es bei den beiden anderen vermutlich nur unbewußt passiert sei. Waren sie nun pikiert, weil ich einen sexuellen Gedanken geäußert hatte, fragte ich mich, als mich meine Freundin zart am Kinn streichelte und die andere Hand zwischen meine Beine legte und fragte, ob ich nicht mal wieder eine Pause bräuchte.

Wir machten noch einige Pausen und bei jeder Pause mehr ging sie weiter, wurde sie spürbar heißer, legte meine Hand zwischen ihre Beine, schob ihren Slip zu Seite und ließ mich ihre warme feuchte Lust fühlen. Ihre Freundinnen hinten taten, als ob sie nichts mitbekämen, bis sie meinen Reisverschluß aufmachte - da rief sie die Französin zur Ordnung, sie seien doch auch nur Menschen und ob wir uns nicht gedulden könnten, bis wir da wären.

Verstand nicht, wie sie es meinte, ob es ein Scherz war oder sie es wirklich zu viel und obszön in ihrer Gegenwart fand, Bemühte mich meine Hose wieder zu zumachen und murmelte eine Entschuldigung, dabei hatte ich ja nichts getan und meine Freundin lachte - hier würde niemand ausgeschlossen und keiner müsste sich grämen, wir wollten doch alle gemeinsam den Urlaub genießen und zwinkerte mir dabei zu, was ich fahrend nur hab sah, nicht sicher deuten konnte und darum noch verwirrter war, als ihre Freundin etwas übertrieben deutlich sagte, dann sei ja alles gut, es müsse schließlich gerecht sein im Urlaub, damit sich keiner benachteiligt fühle.

Hieß das nun wir sollten uns künftig in ihrer Gegenwart zurückhalten - es war bisher immer völlig entspannt gewesen, sie hatte sich auch mit nur einem Handtuch umwickelt auf der Terasse in Paris auf meinen Schoß gesetzt, während ich mich mit den anderen unterhielt und ihnen mitgeteilt, sie müsse mich nun entführen, weil sie ein unstillbares Ziehen in ihrer Mitte fühle, dem ich jetzt abhelfen müsse und die anderen hatten gelacht und viel Spaß gewünscht. Sie waren da sehr entspannt miteinander und ich hatte ja die Vermutung, dass die beiden anderen eine irgendwie Beziehung hatten - auf die Idee, dass auch meine Freundin damit zusammenhängen könnte, war ich nie gekommen - sie stand ja wohl auf Männer und war dabei unersättlich, zumindest mit mir, dachte ich.

Warum ich noch dachte, dies müsse alternativ sein, es gäbe es nicht kumulativ, weiß ich nicht, vermutlich weil ich es mir nach einigen kleinen Versuchen mit einem meiner besten Freunde nicht mit Männern vorstellen konnte, Männer völlig unerotisch fand eigentlich und dachte, Frauen ginge es umgekehrt genauso. Das im Gegenteil bei vielen Frauen, so sie entspannt mit ihrer Sexualität umgingen, beides vorkommt und sich nicht ausschließt, hatte ich mir nicht vorstellen können, auch wenn dies natürlich ein geheimer Männertraum immer war, lesbische Frauen verführen oder von ihnen verführt werden, um gemeinsam zu genießen.

Sexualität aber war, trotz aller Lektüre von Henry Miller und einiger Pornos doch eher etwas zwischen zweien für mich, was sich mit einer Beziehung meist verband und ich kannte wenige Frauen, die Sex auch ohne Liebe oder Beziehung genossen. Die Vorstellung war reizvoll, wenn ich schon mit drei bildschönen Frauen in den Urlaub fuhr, dachte ich nun, kurz vor dem Ziel das erste mal - es war für mich vorher tabu gewesen - natürlich waren ihre Freundinnen sehr schön, aber ich hatte ja meine Süße mit unserer durch die Sterbende gesegneten Beziehung, da verbat es sich doch an etwas anderes zu denken - sie forderte mich dabei auch so sehr, dass ich, wenn wir nicht im Bett waren, als ich sie das erste mal besuchte, von den vielen malen sonst mehr als ausreichend befriedigt war.

Nun aber war der Gedanke da - drei Shönheiten mit mir in einem Haus, etwas abgelegen, nicht weit zum Strand, würde sich da etwas ergeben oder vergaß ich es lieber wieder, um meine Beziehung nicht zu gefährden, grübelte ich beim Fahren und zogen Trieb, Gefühl, Erfahrung und Vernunft nach vielen Seiten in mir und an mir.

Welches Handeln wäre hier gut und moralisch im Sinne dess kategorischen Imperativs - sollte ich treu sein wollen, um die Liebe heilig zu halten oder war das Begehren ganz natürlich, hatten sie es nicht auch darauf angelegt oder war das meine ungestillte Libido, die sich billigen Männerträumen hingab, wollte keine Frau so etwas, ihren Mann teilen oder mit dem Freund der Freundin ins Bett gehen und wie sollte das überhaupt gehen, würde es uns nicht den ganzen Urlaub versauen oder musste ich erstmal diese ganzen alten Vorstellungen von Moral und Kant über Bord werfen, um zu genießen, was ist.

Sollte ich es, ethisch ausgedrückt, lieber mit Epikur und Montaigne halten, um den Augenblick, der wunderschön sein könnte, zu genießen oder kantischen Prinzipien von Liebe und Moral folgen - wobei, schoß es mir da durch den Kopf, was wusste der alte Königsberger schon vom Sex oder wie es ist, mit drei wunderbaren Models in den Urlaub zu fahren, gab es da ein allgemeines sittliches Urteil, was passte und mir ein Handlungsmaßstab sein könnte - ich wusste es nicht, wollte niemand weh tun - folgte ich nur meiner Natur, wie es manche Philosophen gut hießen, was sonst auch sollte uns entsprechen, hatte ich natürlich Lust, aber ich liebte doch die eine und sie mich, dachte ich und das ginge dann doch nicht und was, wenn doch, hätten wir dann zu viert eine Beziehung oder ich weiter mit meiner einen und mit den anderen beiden nur Sex, gab es das, außer literarisch und konnte es funktionieren?

Dachte wohl sehr sichtbar. Mein Schatz fragte mich, ob ich nun über die Moral der Geschichte nachdächte und ich musste lachen, sie hatte mich ertappt - ja, lachte ich, ich frage mich, welches Verhalten in dieser Situation angemessen und gut ist, wenn ich allen gut will und würdigen möchte, was ist.

Sie schaute mich von der Seite an, lächelte, heute würde ich sagen wie eine Sphynx, als sie meinte, es soll jeder tun, was ihm gefällt und gut tut, wenn der Mensch seiner Natur folgt, kann er nichts falsch machen.

Oh doch, widersprach ich entschieden, folgte ich etwa nur dem Trieb, ohne Rücksicht auf Gefühle zu nehmen, könnte ich viel falsch machen und immer noch sei unklar, was nun unsere Natur als Mensch mehr ausmache, der Trieb oder das Gefühl mit der Fähigkeit zur Liebe, die uns altruistisch denken lässt.

Harmonie besteht, wenn sich in der Natur Trieb und Gefühl gleichen und wir dem folgen, erwiderte sie noch rätselhafter, allerdings wurde mir langsam klar, dass sie all dies inszeniert haben könnte, abgesprochen mit ihren Freundinnen, die auf der Rückbank kicherten und nur ich hier blind und ahnungslos mit den drei Schönen durch die Landschaft fuhr. Aber wie sollte ich dies fragen, um nicht in ein Fettnäpfchen zu treten, falls es nicht so war, der gewagte Männertraum bloß eine Illusion war.

Habt ihr was geplant, fragte ich schließlich, weil mir fahrend nichts bessseres einfiel und sie antwortete mir lachend natürlich hätten sie das, darum hätten sie ja das Haus gemietet und mich gefragt, ob wir nicht zusammen fahren wollten - so völlig ungeplant losfahren, wäre doch etwas gewagt gewesen, schob sie noch nach und ließ mich damit weiter im Dunkeln über ihre wahren Absichten tappen und hatte sichtlich ihren Spaß dabei.

Langsam kamen wir zum Atlantik, das Salz in der Luft wurde schmeckbar, näherten wir uns dem Ziel, einer wunderbaren, etwas abseits gelegenen Villa nahe der Küste, deren welliges Rauschen mit dem der Pappeln, die die Auffahrt umstanden, zusmmenklang. Ein Traum von einem Haus, mit einem Salon im englischen Stil mit Kamin, den wir vermutlich kaum brauchen würden, aber, wer weiß, einer riesigen Küche, einem Esszimmer mit einer Tafel für bestimmt 20 Personen, wenn mich meine Erinnerung nicht trügt, die wir im Laufe der nächsten Wochen vielfältig nutzten. Einer Bibliothek, wie einem Billiardraum, den wir relativ selten nutzten und wenn noch seltener seinem Zweck entsprechend, sowie noch einigen Zimmern im Obergeschoß.

Der erste Raum war ein kleines Kinderzimmer mit Stockbett und bunten Bildern an der Wand, der nächste, ein Ankleideraum, der ins Bad überging, was wiederum in das riesige Schlafzimmer mit dem großen französischen Bett überging, von dem wir aus in der Ferne das Meer sehen konnten. Die übrigen Räume im Obergeschoß waren verschlossen - die Französin meinte, das hätte auch so im Angebot gestanden, es sei so üblich, wenn Eigentümer ihre Wohnung untervermieten, ihre privaten Sachen in einem Raum unterzubringen, es wäre ja genug Platz.

Genug Platz dachte ich und überlegte, wer wohl welches Schlafzimmer nehmen würde, um nicht unbescheiden zu wirken, schlug ich meiner Freundin vor, ob wir das Kinderzimmer nehmen sollten. Ach was, winkte sie ab, das brauchen wir doch nicht, das Schlafzimmer ist traumhaft und das Bett groß genug. Genau so hätte sie sich das auch gedacht, stimmte die Französin zu und die Äthiopierin lachte und meinte, so dick seien wir ja noch nicht, dass es uns in diesem riesigen Bett zu eng würde.

Sie hatten es geplant, genau so sich überlegt und ich war nicht mal auf die Idee gekommen, dass es so sein könnte und also nahm ich es hin, wie es war, konnte immer noch nicht glauben, was sein sollte, überlegte einen Moment, ob es ein Sommer in Freundschaft ohne Sex würde, damit sich keiner vor den Kopf gestoßen fühlte oder eher wie in Schloß Gripsholm, wo Tucholsky ähnliches in der kleineren dreier Konstellation lustvoll andeutete - hier war ich eben mir drei Frauen, von denen zwei wohl eine Beziehung hatten und eine eigentlich meine Freundin war, wie ich dachte, waren es Wahlverwandtschaften?

Schön, dachte ich und überlegte, wie es nun wohl weitergehen sollte, noch etwas fassungslos zwischen dem realen Trieb, der mich voller Lust zu den dreien zog und einer gewissen Unsicherheit was mein Gefühl betraf und wie es zu viert wohl wäre, ob ich mit allen schlafen würde oder nur mit meiner und die anderen beiden miteinander. Hatte noch keine Erfahrung mit Gruppensex oder einer solchen menage á quatre, beruhigte mich aber, es würde sich schon ergeben und genug Lust für alle drei hatte ich, dachte ich mit mutigen fünfundzwanzig, wenn ich ehrlich war, schon lange. Eine dunklelhäutige, eine Brünette und meine nordische Blonde.

Irgendwie fand ich, innerlich längst meinen Träumen nachhängend, meine Worte wieder und schlug vor, ob wir dann nicht mal Probe liegen wollten und dachte an Loriot beim Matratzenkauf, ob wir alle Platz fänden - der Vorschlag wurde bejubelt, wir stürzten uns auf das Bett und ehe ich wusste, wie mir geschah, zogen mich zwei aus und ich küsste alle drei abwechselnd.

Es wurde wild und ich entdeckte völlig neue Welten des Wechselspiels und wie erregend es ist, selbst Sex zu haben und zwei Frauen dabei zu zusehen, wie sie es miteinander taten. Wir taten es zwei oder dreimal hintereinander, bis die erste Lust erschöpft war und ich fragte mich, wie ich das drei Wochen überstehen sollte und freute mich doch auch über diesen Männertraum, den ich erleben durfte.

Die ersten Tage war es aufregend schön und wurde immer heißer, hemmungsloser und wilder, aber es gab auch zärtliche Stunden und mit der Äthiopierin, die beschnitten war und auch darum bisher immer eher den Frauen zugewandt gewesen war, konnte ich zuerst ausprobieren, was ich mir bezüglich des nervus pudendus gedacht hatte, der ja nur in der Klitoris endet aber über Vagina und Anus in die Wirbelsäule läuft. War dieser in Fällen der Klitorektomie vielleicht anal stimulierbar, fragte ich mich und könnte sie so auch Lust empfinden beim heterosexuellen Sex?

Die Theorie bestätigte sich in der Praxis, sie hat es sehr genossen und wir feierten diese Entdeckung alle vier mit Champagner und wie ich feststellen musste, war nicht nur meine Freundin ständig voller Lust vor lauter Gefühl sondern alle drei und ich fragte mich immer mehr, woran das wohl lag, ob es am wenigen Essen lag, ihrem körperbewussten Leben und es wuchs in mir der Verdacht, dass sie dem nachhalfen, denn trotz meiner Mitte zwanzig erschöpften mich die drei restlos, schlief ich in den Nächten wie ein Stein, egal was sie noch neben mir taten, was wohl immer mehr als nichts war, wie wir meine Freundin irgendwann bestätigte.

Nun wollte ich wissen, wer jetzt mit wem eine Beziehung hatte, was mit unserer Paarbeziehung wäre und wie sie es sich künftig vorstellte, auch ob sie schon vorher alle drei etwas miteinander hatten, denn wenn ich meine Freundin mit den anderen beobachtete, war dies alles völlig normal und sie kannten spürbar ihre Körper gegenseitig gut, wussten sich zu erregen und zu befriedigen. Klar, sagte sie, darum lebten wir ja auch zusammen, das ginge nicht gegen mich, grenze niemanden aus und sie müssten dem auch keinen Namen geben, sie seien einfach Freundinnen, die alles teilten und bisher sei da auch kein Mann dazwischen gekommen, ich hätte da eine Sonderrolle, denn früher wären sie zu viert gewesen, ob ich verstünde?

Ja, ich verstand und fragte sie, ob sie auch schon mit meiner früher Patientin und ihrem Mann im Urlaub waren, was sie verneinte - nein, den wollte sie nicht teilen und er hätte auch nicht dazu gepasst.

Hätte gern noch tausend Fragen gestellt zu ihrem Sex miteinander, wie es war und wie lange es schon ging, ob sie es geplant hätten so und woher sie wusste, dass ich es mitmachen würde, wie es mit unserer irgendwie Beziehung weitergehen solle, aber ich wusste nicht womit anfangen, noch wollte ich diese bezaubernde Situation gefährden.

Wieder sah sie es mir an, es ist egal, wie wir es nennen, genießen wir den Augenblick und das Glück von Liebe und Lust miteinander - das Leben ginge so rasend schnell vorbei, nehmen wir den Moment und genießen wir ihn, natürlich liebte sie mich, versicherte sie am Ende - sie sagte nicht, aber die anderen beiden auch und sie musste es auch nicht sagen, ich hatte es verstanden, wer weiß, wie lange es weiter so ginge, was irgendwann käme. So genoß ich also, was war, badete in den neidischen Blicken der anderen Männer, wenn ich mit meinen drei Grazien händchenhaltend am Strand entlang lief.

Irgendwann, wir hatten alle viel getrunken, begannen sie geheimnisvoll zu tun, flüsterten miteinander und das noch dazu über mich, wie ich deutlich spürte. Als ich fragte, was das solle, winkte meine Freundin nur ab, ach nichts, ist egal - was ich noch nie von ihr gehört hatte - die anderen beiden waren einen Moment verschwunden und so wollte ich die Gelegenheit zu einer Klärung benutzen - den Verdacht hatte ich schon irgendwie, wie können Menschen sowenig schlafen, mit so viel Energie durch den Tag gehen auch nach dem wildesten Sex einfach immer weiter wollen. Es war ja üblich in der Szene, sie waren nicht ohne Grund alle so schlank und standen ständig unter Strom. Aber sollte ich diesen Verdacht aussprechen, fragte ich mich, gefährdete ich damit nicht den ganzen harmonischen Urlaub, versaute mir dies bezaubernde Sexleben mit drei Models, wovon andere Männer mit wesentlich mehr Verdiensten und Verdienst ein Leben lang träumen.

Wieder dachte ich wohl sichtbar. Ja, sagte sie, wir tun es, alle tun es, du hältst den Job nicht aus ohne, es ist normal und irgendwann ist Schluss mit der Modelkarriere und dann auch mit den Drogen, wenn Kinder kommen sowieso.

Sie koksten also, nun war es ausgesprochen und ich fühlte mich wieder wie ein provinzieller Bauerntölpel - war das wirklich normal, wie sollte ich das finden, oder kantianisch gefragt, wie sittlich moralisch bewerten, fragte ich mich und muss etwas verwirrt und befremdet geschaut haben - sie nahm mich in den Arm und sagte, aber das hat nichts mit uns zu tun, wir haben besprochen, es nie in deiner Gegenwart zu tun, sie haben es mir versprochen und es ist doch gerade alles wunderschön.

Ja, wunderschön war es, wenn auch sehr sportlich manchmal. Ein Schwanz ohne Koks soll drei Mösen mit Koks glücklich machen, die nie genug bekommen und auch ohne mich auf Wolke sieben schwebten. Wer war meine Freundin wirklich, wenn sie nicht drauf war, was empfand sie nüchtern, war ich nur Teil ihres Rausches oder waren ihre Gefühle echt?

Fragte es mich und schalt mich zugleich einen provinziellen Spießer - es ist normal und es ist ok, genieß die Zeit, sagte ich mir, was sonst, diese Chance kommt nicht nochmal und es ist ein Traum, was sie mit ihrem Körper und ihrem Leben machen, ist ihre Sache.

Wir genossen den Urlaub weiter, sprachen nie wieder darüber, irgendwann merkte ich nur an, sie müssten sich nicht mehr vor mir verstecken, ich hätte es auch so gemerkt, aber meine Freundin bestand weiter darauf, es sollte nicht normal werden, lieber mit schlechtem Gewissen im Verborgenen bleiben. Erlebte den wildesten und exzessivsten Sex meines Lebens und fragte mich für Momente, ob ich es nicht auch mal ausprobieren sollte, wenn es soviel Energie gab, die ich voller Lust nutzen konnte, aber meine Freundin würgte vorausahnend schon den Gedanken ab, sie wollte mich da nicht hineinziehen, ich bräuchte das nicht und sollte froh sein.

Könnte noch viele Seiten füllen über das, was wir alles miteinander probierten, was alles geht und noch mehr Lust macht, wozu wir die lange Tafel brauchten, was Kronleuchter aushalten, wie es mit drei Frauen ist, die sich lieben und dich in ihren Kreis aufnehmen, wo du zwar Mann bist aber nur weil und wenn du wie eine Freundin bist - hätte ich den Chauvi oder Hengst gespielt, wie ich mich am Strand mit ihnen für Momente fühlte, wäre es wohl sehr schnell zu Ende gewesen - ob ich dann ins Kinderzimmer ziehen müsste oder sie mich heimgeschickt hätten, weiß ich nicht, wir brachten den Urlaub lust- und liebevoll zu Ende - beim Abschied sagte meine Freundin bis demnächst irgendwann und wir sahen uns nie wieder.

Jahre später trafen wir uns auf Facebook, sie war längst verheiratet und hatte Kinder, hatte einen englischen Börsenmakler geheiratet, die Französin hatte in Paris gut geheiratet und die Äthipierin war tot - vermutlich Freitod mit Drogen, aber so genau wusste es keiner, sie war übrig geblieben und irgendwann verschwunden, bis ihre Leiche in einem Hotel in Marseille auftauchte.

Die traurige Seite dieser Geschichte korrespondiert auch mit meiner Flucht - als ich merkte, diese Lust ist nicht echt, die verdanken sie dem Koks wie ihre unendliche Energie, wollte ich erst weglaufen, dann blieb ich doch und es war nicht nur die Lust mit diesen drei tollen Frauen einen Sommer voller Liebe zu verbringen, es war auch die Liebe zu der einen, die ich retten wollte, hatte doch meine sterbende Patientin unseren Bund gesegnet.

Aber glaubte ich an irgendwelchen Segen, war mir etwas heilig?

Ihr sowenig wie mir, wir schrieben noch einige male zu dem Thema, ich kam ihr mit moralischer Verantwortung und großer Liebe, und dem eben Segen der Toten. Sie wischte es weg, wie es eigentlich mir entsprach. Es ist egal, was Tote sagten, die sind ja nicht mehr und ob wir zusammenpassen entscheidet sich nicht nach einer Szene am Sterbebett oder einem Versprechen unter Ahnungslosen, die sich noch nicht kannten, sondern allein die Praxis zeigt, was geht, der Rest ist romantischer Kitsch.

Sie sagte nicht, dass wir nicht zusammenpassten, irgendwie war da was, über die Liebe zu den Büchern - ansonsten war mir ihre Welt eher fremd, lebte sie ein Leben, das nicht meines wäre, auch wenn es nur gerade war, irgendwie hatte ich das Gefühl wir verbogen uns beide - in unserem letzten Telefonat fragte ich sie, ob ich ihr nicht helfen könnte, von dem Koks wegzukommen, aber sie meinte nur, das schaffe sie schon, wenn es soweit wäre, noch bräuchte sie es, für ihren Job, sie verstünde aber, wenn mich das störe und sie wolle mich da in nichts hineinziehen.

Das war es dann, was soll ich sagen, war wieder in der Provinz, ohne Modelfreundin oder den heißen Vierer und sage heute, der Sex zu viert war aufregend, tolle Erfahrung, es gibt kaum etwas erregenderes als Frauen dabei zu zusehen, wenn du auch noch beteiligt bist, aber es fehlte mir etwas. Es liest sich nun vermutlich sehr bieder und spießig und bestätigt nur, warum ich nicht in Paris in der Szene lebe sondern damals in der Provinz und auch heute nach vielen Jahren in Berlin mitten im Szenekiez denke ich, es fehlt beim Sex zu mehreren die Intimität und irgendwie wird wenn dieses zärtliche Gefühl von Vertrautheit und Sehnsucht fehlt, das ganze schnell zur bloß sportlichen Angelegenheit, kann man machen, kann man aber auch lassen und manchmal ist es wichtiger, bestimmten Dingen den Zauber zu erhalten, um genießen zu können - unsere Liebe hatte sich im Vierer verflüchtigt und relativiert und es tat nicht mal weh, es blieb am Ende einfach eine schöne Geschichte.
jens tuengerthal 25.2.16

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