Freitag, 12. September 2025

Lektürentagebuch 11.9.25

Lektürentagebuch 11.9.25

Mehrere Tage habe ich versucht in
Friedrich Sieburgs Lust am Untergang
Das Kapitel Gefäße voll Schnee das mit
Starken Bildern arbeitet zu lesen

Jede Nacht wieder oder eigentlich eher
Jeden Morgen schlief ich kurz vor der
Dämmerung über diesem Geraune das
Gerne bedeutungsschwanger sich gibt ein

Es ist der leicht übel gelaunte konservative
Gestus der Andeutung die sich dabei für
Wissend hält der es so unerträglich macht
Selten lege ich Bücher so genervt weg

Außer sie sind wirklich schlecht aber die
Finden ohnehin keinen Zugang hier auch
Sieburg hat sicher seinen Wert aber ich
Werde ihn lieber zur Seite nun legen

Zwar sprach schon der Titel mit der
Lust am Untergang für eine destruktive
Sicht auf das Leben doch fehlt ihr die
Dafür nötige Ironie leider noch völlig 

Obwohl ein Band der Anderen Bibliothek
War es kein Lesevergnügen eher eine
Qual die mir vielschichtig fremd blieb 
Weitere Versuche haben viel Zeit


Greife darum nach dieser Frustration
Auf bewährte literarische Kost zurück
Weiter geht es in den Buddenbrooks
Schon der erste Satz beginnt wunderbar

Nach Travemünde geht es immer
Geradeaus über die Fähre und dann
Weiter geradeaus weckt in mir die
Schönsten Erinnerungen noch

Lebrecht Krögers dicke braune
Mecklenburger zogen die Equipage
Während die Sonne brannte war die
Aussicht durch den Staub beschränkt

Denke daran wie ich damals noch im
Jahre 91 mit meiner Freundin den selben
Weg vom Lübecker Bahnhof aus mit
Vollbepackten Rädern gen Küste fuhr

Auch unser Ziel war Travemünde um 
Mit der Fähre dort auf den Priwall
Überzusetzen nach Mecklenburg das
Da noch kein Jahr bundesdeutsch war

Tom und Tony waren um 2 Uhr abgefahren
So sollten sie kurz nach 4 ankommen
Wenn eine Droschken 3 Stunden braucht 
Wollte Krögers Jochen es in 2 schaffen 

Tony saß zurückgelehnt im Halbschlaf
Unter ihrem großen flachen Strohhut 
Tom sehr akkurat gekleidet rauchte 
Russische Cigaretten und trug Bart

Auf der Fahrt unterhielten sich Tony und
Tom über die anwesenden Kurgäste aus
Der Stadt die Möllendorpfs und auch die
Hagenströms über die sich Tony mokiert

Mit diesen Neureichen wolle sie nichts
Zu tun haben worauf Tom sie zurechtweist
Dass diese gute Geschäfte machten und 
Bald die Verlobung der Familien anstünde

Eine kleine spitze Bemerkung zu Grünlich
Weist Tony empört zurück sie wolle sich
Genau davon hier in Travemünde erholen
Wobei die Buchenallee der Trave folgt

So kommen sie plaudernd vor dem ganz
Wunderbar bewachsenen Haus des
Lotsenkommandeurs Schwarzkopf an 
Der sie schon mit Pfeife am Tor erwartet

Zur Begrüßung gab es Korinthenbrot mit
Butter Rahm und Scheibenhonig dazu 
Was Tony mit gutem Hunger genießt 
Dann kommt der Sohn des Hauses

Morten Schwarzkopf dessen Vornamen
Tony trotz Mühe zunächst nicht versteht 
Ist Medizinstudent in Göttingen verbringt
Seine Semesterferien bei den Eltern

Die jungen Leute plaudern munter über
Erinnerungen an die Schule wie besonders
Den Lehrer Stengel der so gerne die Linie
Vom Strich unterscheidet und sind amüsiert

Nur Christian der diesen so gut imitierte
Fehlte hier dafür rät Morten Tony reichlich
Zu essen weil die viele frische Luft hier
Den Stoffwechsel noch beschleunigte

Dies wiederum verbittet sich der Vater
Während die Mutter den Sohn in Schutz
Nimmt der doch auch Ferien hätte etwas 
Von ihrem Besuch auch haben solle

So beginnt Tonys Urlaub mit munterer 
Plauderei mit Morten Schwarzkopf auf
Der Veranda in Travemünde was nach
Entspannt guter Erholung doch klingt 

Findet Tony Buddenbrook hier nun die
Emotionale Entspannung um das zu tun
Was ihre Familie von ihr erwartet also sich
Mit Grünlich zu verloben oder nicht

Wird Morten der Student zu einer darum
Guten Ablenkung und traut sie ihrem
Gefühl das Grünlich zutiefst misstraut 
Oder ist der Druck der Erwartung größer

Im Wissen um den weiteren Verlauf lesen
Sich die Andeutungen die Mann schon
Im Text versteckt lächelnd anders als es
Die erste Lektüre dem Leser offenbart

Natürlich muss Tony leiden weil sie eine
Würdige gute Partie machen soll dabei
Familie und Konvention mehr gehorcht
Als dem eigenen Gefühl das nicht zählt 

Wo steht der Autor bei diesem sich
Genüsslich entwickelnden Drama
Stellt er die Konvention als immer
Gefühllos bloß oder beobachtet er nur

Welches Gefühl bleibt beim Leser
Der als ich es erstmals las noch
Tony und Tom im Alter nah stand 
Heute eine ältere Tochter schon hat

Wie damals auch ist mir der junge
Medizinstudent Morten Schwarzkopf 
Sympathischer als der eher peinliche 
Grünlich die vermeintlich gute Partie

Doch schaue ich auf mein früheres
Liebesleben habe ich auch häufiger
Der Erwartung der Familie genügen 
Wollen statt dem Gefühl zu folgen

Die große Liebe der Großeltern galt
Als Vorbild und Ideal dabei auch wenn
Heute klar ist welche reale Dramen sich
Mit Eifersucht darum abspielten

Diese Verbindung die uns Enkeln als
Ideale Liebe vorgespielt wurde war
In der Familie unerwünscht gewesen
Die Großmutter war eine schlechte Partie

Dagegen war die Ehe meiner Eltern
Die sich auf Augenhöhe begegneten
Wie es die Konvention der Familie sich
Wünschte vom Kennenlernen schon an 

Beide hatten sich auf den Stiftungsfest
Ihrer Turnverbindung kennengelernt die
In beiden Familien lange Tradition hatte
Gute Bürger und national denkende Turner

Was heute reaktionär eher klingt war bei
Gründung bürgerlich revolutionär noch
Ein Geist den Morten Schwarzkopf der
Ahnungslosen Tony vorstellen wird

Der Großvater den wir Grotepater aus
Gründen der Tradition nannten war stolz
Noch kaiserlich preußischer Kadett in
Berlin Lichterfelde gewesen zu sein

Dabei war es damals noch nicht Teil
Des erst 1920 gegründeten Groß-Berlin
Hatte aber eine Straßenbahnlinie was
Der Westen sich nach leider 45 sparte

Seine in den 68ern geprägten Söhne
Wollten damit nichts zu tun haben so
Legte mein Vater mir eher Musils Buch
Zögling Törless als die Kadetten nahe 

Erst dem Enkel aber erzähle dann der
Großvater von seinen Kontakten zum
Widerstand über Kadettenkameraden 
Wie etwa den Güstrower Bülow

Auf dessen Gut wiederum begann die
Liebesgeschichte der Großeltern wo die 
Grossmutter als junge Elfie noch eine
Haustochter war wie es damals hieß 

Denke über Parallelen und Unterschiede
Konvention und Erwartung nach was die
Familie von uns erwartet und wie sehr
Dies das eigene Gefühl beeinflusst 

Die Wahl des Großvaters der sich die
Große Blonde mit dem steifen Arm als
Traumfrau erkor war unkonventionell
Für seine Familie die höher heiratete

Andererseits war der Ort wo er sie traf
Das Gut eines adeligen Kameraden aus
Der kaiserlichen Kadettenanstalt für die
Ideale des Großvaters geradezu perfekt

So kämpfte er die in der Familie eher
Unkonventionelle Ehe mit Rückendeckung
Seines Kameraden von Bülow durch die
Wiederum seinen Konventionen entsprach

Grünlich scheint für Tony konventionell
Passend und in allem eine gute Partie
Morten Schwarzkopf wäre für sie deutlich
Unter Stand und ist damit indiskutabel

Ist der Adel freier als das Bürgertum das
Sich seinen Stand neben dem Adel erst
Mühsam erkämpfte und darum besonders
Auf Abgrenzung noch bedacht ist

Die Siegelringe mit Familienwappen die
Der Großvater für seine Söhne machte
Sollten diesen adelsähnlichen Stolz zeigen 
Erbte meinen dann erst von meinem Vater

Als ich in Heidelberg Jura studierte gab es
Die Fraktion Siegelringträger mit den meist
Grünen Wachsjacken dazu zu denen du 
Nur durch hohe Geburt gehörtest oder nie

Gehörte nie zu einer Fraktion noch war ich
In den einschlägigen Corps oder sonst
Einer schlagenden Verbindung je aktiv
War immer Beobachter daneben eher

Die Zeit in der SPD scheint mir eher ein
Ausrutscher im falschen Milieu gewesen
Bin aus familiärer Tradition genau nicht
Parteilich gebunden sondern stehe lieber

Daneben und beobachte statt mich zu
Binden im konventionellen Kontext auch
Freimaurer blieb ich nicht lebenslänglich 
Bin in keinem einzigen Verein Mitglied

Damit aber real ganz anders als die
Familie die in Vereinen engagiert auch
Der Studentenverbindung treu blieben
Schaue ich auf Tonys Leben von hier 

jens tuengerthal 12.9.25

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