Samstag, 26. September 2020

Vollkommenheitsstreben

Gibt es vollkommenes Sein unter
Den Menschen sind sie je zu loben
Oder wird das Elend nur schlimmer
Ist die Kritik verbunden mit Spott
Das einzige Mittel noch dem realen
Elend nützliches abzugewinnen statt
Im Hohn völlig abzustürzen den Hauch
Einer noch irgendwie Perspektive
Für künftige Besserung zu geben 
Fragte sich auch Giacomo Leopardi
In seinen Opuscula Moralia im Dialog
Von Timander und Eleander der dies
Philosophisch klug wie literarisch schön
Ausmalt während sich Timander noch
Als Humanist und Verteidiger des armen
Menschengeschlechts gibt weist Eleander
Strengstens zurück etwas gegen die
Menschheit zu haben deren Teil er sei
Sondern lobt am Ende sogar einen Preis
Aus einem erheblichen Teil seines Erbes
Für die Ehrung der ersten vollkommenen
Menschen aus die er noch nicht gesehen
Seinen guten Willen zu demonstrieren
Nachdem Timander ihn lange ermahnt
Seine Schriften seien unmoralisch weil
Sie den Menschen verspotteten statt ihn
Zu moralischem Streben zu ermuntern
Was doch die Pflicht aller Denker sei
Das Streben nach Vollkommenheit
Weiter als nützlich zu unterstützen
Worauf Eleander erwidert er halte zwar
Die Menschheit die er wirklich liebe für
Vollkommenheitsfähig aber noch weit
Davon entfernt es je zu werden woraus
Am Ende die Auslobung des Preises
Aus seinem Erbe resultiert die deutlich
Zeigt zu Lebzeiten werden sie es nicht
Doch will ich ihnen bei allem Spott gut
Auch wenn die Aussichten schlecht sind
Den Tempel der Vollkommenheit noch
Je für Menschen zu errichten womit
Leopardi wunderbar das Streben der
Aufklärung nach Vollkommenheit die
Wie die Freimaurer zu denen noch viele
Der großen Aufklärer zählten bevor es
Ein Altherrenverein wurde den Tempel
Der Humanität einst errichten wollten
Der aus den nach Vollkommenheit eben
Strebenden Menschen besteht die dafür
Aus Timeanders Sicht zu motivieren sind
Während Eleander ohne es ausdrücklich
Zu sagen die intellektuelle Anforderung
Etwas erhöhte und über den Spott die
Widerstandskraft der Vernunft steigert
Die verspottete Intelligenz bei ihrem
Ehrgeiz packt und also indirekt motiviert
So scheint der gute Wille beider einig
Nur die Wege unterschiedlich worauf
Sich am Ende fragt ob Leopardi keinem
Oder beiden sich nahe fühlt die er
Auf so kluge Art sich lächerlich
Machen lässt in ihrem Streben
Auch wenn Eleander überlegen bleibt
Ist sein bitterer Spott mit hehrem Ziel
Nichts anderes als Timeander direkt
Mit seiner Klage über dessen Hohn
Als schädlich für die Moral vorbringt
Warum sich wohl so mancher fragt
Wie wirklich ist die Wirklichkeit
Wessen Streben kommt uns näher
Haben wir die freie Wahl nach Laune
Können wir Tempel der Vollkommenheit
Ruhig vom Erbe versprechen weil sie
Die Menschheit und keiner von ihr je
Tatsächlich erreichen wird weil sie
Auf ewig im Widerstreben gefangen
Lasse es an dieser Stelle lieber offen
Wie richtig Leopardi liegen könnte
Um zum Guten motivierte nicht noch
Zu frustrieren was kaum noch fair wohl
Für einen eigentlich Humanisten wäre
Wer klug genug ist denkt von alleine
Durschaut den ganzen Trug schon lang
Dem Rest hilft auch die Weisung nicht
Es bleibt eben unvollkommen wohl im
Menschlich allzu menschlichen stets

jens tuengerthal 26.9.20

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