Freitag, 25. September 2020

Urighahn

Es soll nach jüdischer Lehre
Zumindest behaupten es einige
Einen urigen Hahn geben der
Halb im Himmel lebt und halb
Auf der Erde steht von wo so
Sein Krähen zu uns ertönt
Wie Giacomo Leopardi in den
Opuscula Moralia einleitend uns
Lesern erzählt offenbart er hätte
Dessen Morgengesang gefunden
Denn er in Prosa wiedergibt
Auch wenn das Original noch
Gedichtet worden wäre was mich
Was mich eher motiviert als hindert
Davon in schlichten Versen zu erzählen
So ruft er die Schlafenden auf
Sich aus der falschen Welt der
Nur Träume in die wahre zu 
Begeben wo sie wie immer
Leidvoll ihre Pflicht tun sollen
Hier endete der friedliche Schlaf
Der wenn er ewig währte doch
Die Wirklichkeit zu Nichts machte
Die Sterblichen seien noch nicht
Vom Leben befreit solange sie sind
Enden alle Träume am Morgen
Auch wenn der Schlaf wirkt wie ein
Kleiner Tod und uns erfrischt wir
Ohne schon bald sterben würden
So ist jeder Tag dem Leben ganz
Vergleichbar ähnelte darum der
Morgen voller Tatkraft der Jugend
Während die Zweifel dem Alter mit
All seinem Leiden ähnlich wären die
Immer zunehmend wachsen bis
Irgendwann alles ein Ende findet
Wachsen diese erschöpft an Abend
Kaum erreicht der Mensch je den
Gipfel seiner Kraft beginnt diese
Schon wieder zu schrumpfen weil
Im Sein eben nichts von Dauer ist
Weil alle Natur auf den Tod zielt
So strebt jeder Teil des Universums
Unermüdlich dem Tod entgegen
Wäre nicht täte er es nicht so
Wie auch das Universum auf das
Nichts in unbekannt ferner Zeit
Die vielleicht sogar berechenbar
Dem Nichts wieder zustrebt sich
In der vollkomenen Stille auflöst
Und so würde kommt der Hahn
Zum Schluss der Morgengesangs
Das wunderbar schreckliche Geheimnis
Universellen Seins bevor es wer
Erklärt und begriffen habe sich
Wieder auflösen und vergehen
Es bliebe einfach nichts übrig
Was so genial schon wieder ist
Auch wenn es eher lyrisch denn
Philosophisch zu sehen ist
Weil in der Philosophie was nie
Begann auch kein Ende hat aber
Das zyklische im Sein zu begreifen
Die Nichtigkeit all unserer Mühen
Um das wenige was neben Leid
Das zur Natur eben gehört noch
Genießen zu können gäbe dem
Himmlisch irdisch urigen Hahn
Ein konstruktives Widerwort was
Im kleinen Moment vorm Nichts
Was alles ergreift und umfasst
Eine lustvolle Perspektive gibt
Als Zwischenraum des Seins
Der sich um das real existierende
Elend weniger kümmerte als den
Augenblick verweilend genösse
Was lyrisch nah zu Goethe kommt
Der dies Bild im Faust nutzt der
Rastlos von der Liebe dazu verführt
Seine Seele dafür dem Teufel gab
Was immer dieser Aberglaube an
Ein spirituelles Hokuspokus auch
Sein soll der so genannt wird ist
Das zeitlose Gefühl genau der
Schlüssel zur Überwindung jener
Tödlichen Realität die ewig zum
Nichts strebt in dem wir meinen
Es könnte doch alles lohnen statt
Nur pflichtgemäß erledigt zu werden
Wie der größte Teil der Lebenszeit
Der allermeisten wenn sie nicht
Träumen realistisch betrachtet
Immer mehr aussieht was wir aber
Lieber keinem so deutlich sagen
Weil das schon Lächerliche dann
Auch noch bewusst tragisch würde
Sich zu viele fragten wofür sie die
Kurze Zeit verschwendeten die nur
Zum Genießen am Ende uns blieb
Bis alles wieder zu nichts wird
Woran keine Gesellschaft die noch
Funktionieren soll Interesse hat
So geht es eben jeden Tag weiter
Wir verschwinden kurze Zeit im
Nichts der Träume um gestärkt
Mit wiedergefühlter Jugend zu
Erwachen und über den Tag
Am Ende zum Tod zu kommen
Es war erfolgreich wo wir nach
Den Normen gut funktionierten
Während gescheitert ist wer nicht
Den Weg des Leidens für kleine
Belohnungen mitgeht woraus sich
Auch viele Hobbys entwickelten
Mit denen sich Menschen quälen
Um sich davon erschöpft erholend
Wieder jung und stark zu fühlen als
Spiegele dies den nächsten Frühling
Beschleunige nicht nur ihr Ende
So hetzen wir durch die ganze Welt
Quälen uns an Maschinen in Studios
Lassen uns Sinn am liebsten noch
Mit gymnastischen Übungen verbunden
Die als Yoga gut bezahlt werden geben
Weil der Hahn mit seinem Morgengesang
Natürlich völlig richtig liegt es einfach
Nichts mehr mit allem wäre wenn nur
Einer sich bewusst machte dass all
Dies verzweifelte Gezappel ein Nichts
Im spurlos verschwindenden Sein ist
So bliebe uns allein wie Epikur schon
2000 Jahre vor Leopardi erkannte die
Lust am Augenblick den wir genießen
Als einzig lebenswertes Gut im Sein
Womit eine Gesellschaft die zuerst
Auf Leid und Pflichterfüllung setzt
Damit alles wie geplant funktioniert
Nicht weiter existieren könnte was
Die größere Furcht vor Veränderung
Weckte die allen Unsinn ertragen lässt
Darum hört lieber nicht auf den Hahn
Der bewusst macht wie unsinnig alles
Streben logisch immer sein muss weil
Alles was entsteht vergeht nichts bleibt
Quält euch lieber weiter mit der Hoffnung
Die danach Erschöpfung bliebe als Glück
Damit es immer weitergeht wie bisher
Nichts sich aus dem nichts verändert
Mehr erkennen könnten worauf es
Am Ende im Sein nur ankam
Es bliebe nur ein Traum
Also lasst euch wecken
Quält euch munter weiter
Damit alles bleibt wie es ist

jens tuengerthal 26.9.20

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