Mittwoch, 15. Februar 2017

Mutbürger

Zu Mut rief der neu gewählte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier seine Mitbürger auf, statt großer Reden zur Freiheit, ging es bei dem ehemaligen Außenminister um etwas, was jeder mit sich ausmachen muss. Als genau richtig gerade jetzt wurden diese Worte medial berwertet, zur Erinnerung an schlichte Tugenden. Frei von allen  Inhalten.

War es das schon wieder oder was heißt Mut haben?

Wenn die vorher Wutbürger zu Mutbürgern werden sollen, die Demokratie wagen wollen, wird nicht nur das W umgedreht, also einfach alles auf den Kopf gestellt, sondern sich auf die  beste deutsche Tradition berufen und so verstanden, stellt es einen Aufbruch dar, wie wir ihn lange nicht erlebt haben, wenn wir es wagen, weiter zu denken und dies selbständig.

Sapere aude!

Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen, rief Immanuel Kant 1784 in der Berliner Monatsschrift das Motto der Aufklärung aus und definierte Freiheit neu, als die Befreiung aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit. Dabei ist Mündigkeit, die Fähigkeit sich seines Verstandes ohne Hilfe anderer zu bedienen. Selbstverschuldet ist die Unmündigkeit, sofern sie nicht auf dem Mangel an Verstand, sondern der Unfähigkeit ihn zu benutzen, resultiert.

Mut zur Befreiung, sich nicht sagen zu lassen, was richtig ist, sondern selbst kritisch zu denken, ist, wozu  Kant aufrief. Gegen die Urteile der vielen Spezialisten, soll der aufgeklärte Mensch selbst urteilen und sich eine Meinung bilden. Sie sollen Verantwortung für sich übernehmen, eben mündig werden, statt sich am Gängelband führen zu lassen aus Faulheit und Feigheit, wie es der Königsberger Philosoph formulierte.

Ein sehr liberaler Grundsatz, der von der Autonomie des Einzelnen ausgeht und sein Glück in der Freiheit sieht, auf Aufklärung hinwirken will, weil allein sie zu sittlichen Urteilen im Sinne des kategorischen Imperativ führen kann, die also überall und jederzeit für jeden gültig sind.

Erstaunlich, wenn ein Sozialdemokrat aus der Partei der sozialen Sicherheit und möglichst weitgehenden Versorgung dazu aufruft, könnte jetzt mancher denken und ist diese Auslegung im Geist der Aufklärung überhaupt zulässig?

Eigentlich hat Kanzlerin Merkel mit ihrem Vorbild Katharina der Großen, den Geist der Aufklärung zu ihrem Motto erklärt. Sie handelt pflichtbewusst und ordnungsgemäß, ist keiner amtlichen Anmaßung verdächtig, auch wenn manche laut das Gegenteil behaupten, gilt sie Kennern als Inbegriff der Zuverlässigkeit, Unbestechlichkeit und Korrektheit, im Gegensatz  zur schwächer ausgeprägten Leidenschaft. Der Diplomat Steinmeier gilt als korrekter Jurist, auf den ebenfalls Verlass ist. Er hielt sich als Außenminister weitgehend aus dem politischen Streit heraus und kann dies nun jenseits der Parteien noch mehr, muss es sogar qua Amt.

Doch was soll Mut machen heißen?

Folgen wir Kant, geht es um den Einzelnen und seinen Mut, Verantwortung für seine Entscheidungen zu übernehmen und sich selbst, eine Meinung zu bilden, statt sich auf die Urteile anderer zu verlassen. Dies kann keiner machen, sondern muss jeder für sich lernen. Dazu können nur die Möglichkeiten gegeben werden. Mut machen hört sich toll an und heißt eigentlich im Sinne der Aufklärung verstanden das genaue Gegenteil, es müsste ein mehr an Freiheit heißen, seine Meinung unabhängig von anderen zu bilden und seinem Gewissen zu folgen. Ein, denke ich an Sachsen in der Nacht, sehr weitgehender und gefährlicher Freifahrschein für viele Schwachköpfe, ohne den es aber andererseits keine Änderung der Verhältnisse geben kann.

Wer tut dies in der Mediengesellschaft, die ihre Ereignisse schon via Twitter verbreitet, bevor sie stattfanden und Meinung raunend macht?

Der neue amerikanische Präsident, so ungebildet wie unaufgeklärt er sich stolz gibt, wenn er betont in seinem Leben, kein Buch gelesen zu haben, nutzt Stimmungen und neue Medien, um Meinungen zu machen und ist damit direkt am Puls der Zeit. Er scheut dabei nicht vor Lügen und Fehlinformationen zurück, die er zugleich faktenfrei seinen Gegnern unterstellt.

Wer Meinung macht, will kein kritisches nachdenken sondern autoritäre Führung, die ihren Konsens vorgibt. Es ist ein typisches Zeichen totalitärer Regime, die Freiheit durch staatlich gelenkte Propaganda zu lenken. Dies ist von Seiten der russischen Sender in Europa so sehr zu beobachten, wie bei einigen rechten Medienhäusern in den USA während des Wahlkampfes. Ob dies genügt den Rechtsstaat der USA in ein totalitäres Regime zu verwandeln, wird sich zeigen.

Solches Verhalten steht im Gegensatz zu Rechtsstaat und offener Gesellschaft, die erst die Freiheit aller als Produkt der Aufklärung garantieren. Von Trump hat sich Steinmeier deutlichst möglich distanziert, nun gab er sich, wie es seine Aufgabe ist, versöhnlich. Doch wer denkt noch real kritisch im medialen Konzert und wer ist Teil der Propaganda einer bestimmten Richtung, wo beginnt Lügenpresse und wo endet kritische Berichterstattung, wird eine wichtige Frage sein zur Meinungsbildung, für die es heute Medien braucht oder müssen wir uns angesichts der medialen Schwemme davon klar distanzieren, um noch eine eigene Meinung zu haben, also selbst zu denken, Mut zu beweisen?

Was müsste alles lesen, wer sich eine wirklich differenzierte, kritische Meinung zu aktuellen Prozessen bilden will, frage ich mich dabei und was sollten wir auf keinen Fall zur Hand nehmen, weil es nur auf Propaganda beruht. Es ist heute schwerer geworden, die Dinge kritisch zu betrachten, auch wenn es zuverlässige Quellen wie den Deutschlandfunk oder andere traditionsreiche Medienhäuser gibt. Beschäftige ich mich eingehender mit medialer Meinungsmache, fällt auf wie konform bestimmte Medien längst schreiben, wie Muster erkennbar werden und zugleich sehe ich, wie unterschiedlich der gleiche Sachverhalt gewertet wird.

Meinungsmache steht im klaren Gegensatz zum Anspruch der Aufklärung, die zum selbständigen Denken auffordert. Medien, die keine Meinung machen, gibt es nicht, der neutralste Deutschlandfunk steht für die herrschende staatliche Meinung, so ich mich zu dieser in Opposition befinde, wie es manche im rechten oder linken Lager tun, werde ich hier selten meine Meinung wiederfinden und mir darum Kanäle suchen, die meine Meinung haben.

In der großen medialen Berieselung über die sozialen Netzwerke leben die Menschen immer mehr in homogenen sozialen Blasen, die nur noch wiederkäuen, was sie schon vorher dachten oder wohin sie in ihren Kreisen gelenkt werden sollen.

Wer den ganzen Tag Nachrichten über Ausländerkriminalität, sexuellen Missbrauch durch islamische Täter und ähnliche Bedrohungsszenarien liest, bekommt Angst und wird sich nur von denen verstanden fühlen, die ihn dort ansprechen und die anderen anklagen. Viele Accounts verteilen solche Neuigkeiten ständig. Es ist dabei egal, ob es sich um Fakten oder um postfaktische Behauptungen handelt, die nur der Meinungsmache und der Steigerung der Hysterie dienen, der stete Tropfen zeigt Wirkung, verursacht Unruhe und Angst.

Eine Meinung voller Angst, die durch Berieselung mit faktenfreien Neuigkeiten gefestigt wird, hält ihre Wirklichkeit für die grausame Realität und wer sie infrage stellt, wird als bestenfalls noch blind meist aber als verschworener Feind betrachtet. Diskurs scheint in der so polarisierten Gesellschaft kaum noch möglich.

Darum stellt sich die Frage, wie darauf demokratisch angemessen zu reagieren ist und was Mut machen noch heißt. Will, wer Mut machen möchte, für eine politische Meinung kämpfen oder stellt er sich jenseits aller Parteien, wie es seine Aufgabe ist, fordert zum kritischen Denken auf?

Habe Mut als Wahlspruch der Aufklärung ist zu kostbar, ihn im parteipolitischen Gerede zu zerreden. Es geht um Freiheit und den Mut zu ihr. Den Akt der Befreiung kann jeder nur selbst vornehmen, indem er zu denken anfängt, statt nur Meinungen zu folgen. Nur wo liegt die Grenze dafür und wie lernen Menschen einen vernünftigen, kritischen Umgang mit Meinungen und finden ihre eigene?

Ist nicht schon der Anspruch zu sozialdemokratisch, Mut machen zu wollen, als gössen wir diesen wie eine gute Tat aus?

Wie beim kategorischen Imperativ, der uns dazu auffordert auch jede äußere Norm an unserem Gewissen als sittlichem Maßstab zu messen, ist es auch beim selbständigen Denken, dass es vom freien Gewissen ausgeht, als sei so etwas eine selbstverständliche Einrichtung der Natur, die nicht durch ständige Berieselung beeinflusst wird. Es ist dies ein sehr hoher Anspruch, dem wir uns in der Realität nur mühsam und teilweise nähern, wenn wir Glück haben. Als Medienmacher wie als Konsumenten.

Was heißt also Mut machen wirklich und wohin kann es zielen?

Wer Mut machen will, muss zum selbständigen Denken auffordern und denen, die er dazu auffordert, Vertrauen schenken, dass sie es auch tun und nicht nur die Meinungen anderer wiederkäuen. Es ist nichts, was leicht fällt sondern im Gegenteil eine Aufforderung, auch gegen den Strom zu schwimmen, um sich seinem Gewissen gemäß eine Meinung zu bilden.

Kritisches Denken muss in der Schule beginnen. Fragt sich nur wo und in welchem Fach, dies gelehrt werden soll. Staatsbürgerkunde das belastete DDR-Fach, in dem die staatliche Ideologie vermittelt wurde, gibt es in der offenen Demokratie nicht mehr.  Irgendwo zwischen Deutsch, Gemeinschaftskunde oder Politik und Geschichte müsste es ansetzen, bräuchte viel Zeit zum diskutieren, statt sture Stoffvermittlung und Abfrage des Gelernten. Doch wer ist dazu befähigt, die Werte des Grundgesetzes und der Demokratie zu vermitteln und wie?

Dies wird die Aufgabe der Kultusminister künftig sein, damit nicht wie in Sachsen ganze Generationen in die Hände rechter Rattenfänger geraten, denn wichtiger als die Pisa-Ergebnisse ist es mündige Staatsbürger zu erziehen, die ihre Freiheit wahrnehmen und also selbständig und kritisch denken.

Hier gibt es zumindest eine Perspektive, um durch Aufklärung über die realen Verhältnisse, ein politisches Bewusstsein zu schaffen. Dazu gehört, dass über 966 rechte Gewalttaten nur einer handvoll islamistisch geprägter Taten im letzten Jahr gegenüberstehen, dies stellt die realen Verhältnisse dar und muss laut gesagt werden, um den Angstmachern entgegenzutreten. Es gibt eine rechte Terrorgefahr, die real den Frieden im Land bedroht und es gibt eine relativ kleine Gefahr durch Islamisten, die keine prozentual messbare Bedrohung darstellen. Wem muss sich mutig entgegen gestellt werden, um unsere Werte zu verteidigen?

Heißt Mut machen die Angst nehmen?

Wenn Aufklärung über die reale Situation mehr Mut macht, wäre damit viel gewonnen. Die Tatsache, dass die Angst mit postfaktischen Nachrichten geschürt wird und ideologisch aufgeputscht ist, macht es den Aufklärern schwierig. Es geht nicht mehr um vernünftige Argumente sondern um Meinungen im politischen Kampf.

Muss dann, wer Mut machen will, die richtige Meinung vertreten oder offenbarte schon dieser Ansatz das Scheitern?

Wer nur seine Ideologie verbreiten will, bleibt im politischen Kampf stecken, der durch die ideologische Befeuerung durch russische Propagandasender noch verstärkt wird. Ein Trump und ein Putin machen Meinung und profitieren davon. Wie schwierig dies im demokratischen Prozess wird und wie gefährdet damit die Freiheit ist, haben die amerikanischen Wahlen gezeigt, bei der eine wütende Minderheit nun den Kurs für die Mehrheit bestimmt.

Auch europäische Politiker sehen sich virtuellen Angriffen aus Russland gegenüber, mutmaßen sie zumindest laut, da Beweise in diesem Bereich immer schwer sind und so verbreiten beide Seiten ihre Sicht der Wirklichkeit, die Angst machen soll und der kritisch denkende Bürger fragt sich, wie wirklich ist die sogenannte Wirklichkeit noch.

Es gibt im politischen Bereich nicht eine Wahrheit sondern viele Sichten auf die gleiche Sache und in der Demokratie wählt das Volk diejenigen, denen sie eine Lösung ihrer Probleme am ehesten zutraut. Zumindest sollte es theoretisch so sein. Praktisch steckt oft mehr Trotz als Vernunft in einer Wahlentscheidung und darum wählen Menschen einen Trump oder bekommt die AfD ohne Antworten auf entscheidende Fragen überhaupt Stimmen.

Dies betreffend leben wir eingerahmt von Trump und Putin und mit vielen Erdogan Anhängern im Land derzeit in einer kritischen Situation. Die Verkündung von Ideologie ohne Inhalte gewinnt gegenüber vernünftiger Sachpolitik an Bedeutung. So wurde in Großbritannien mit Lügenpropaganda der Brexit erreicht, den eigentlich keiner wollte und von dem noch keiner absehen kann, wohin er führt. Eine Le Pen kündigt die nächste Abstimmung in Frankreich an und macht ebenfalls mit Angst Politik im Bündnis mit dem AfD in Deutschland und beide finanziert von Putin und jubelnd für Trump, der macht, was sie fordern, auch wenn er damit offensichtlich scheitert.

Als könnten Intoleranz und Fanatismus mit Intoleranz und Fanatismus vertrieben werden, stärkt die radikale Rechte in Europa und ihre Verbreitung von Angst den IS und der IS stärkt mit jedem Attentat weiter die radikalen am rechten Rand. Die offene Gesellschaft darf auf Angriffe nur mit noch mehr Offenheit reagieren, wenn sie nicht möchte, dass sie schon vorher besiegt wird. Wer die Freiheit unter Angriff aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, hat sie schon verloren und nichts mehr zu verteidigen. Dies wissen eigentlich alle Demokraten, manchmal nur sagen sie anderes laut, um den Radikalen Stimmen zu rauben, dem Wahlvolk  zu zeigen, wir sorgen für Sicherheit, die keiner garantieren kann.

Was heißt in dieser Situation Mut machen und vor allem wem?

Will der neue Bundespräsident seinen vorherigen Kollegen Mut machen?

Auf sie wird es auch ankommen, damit nicht ein Bayer ausschert und sich rechts profilieren will gegen die Demokratie. Sie brauchen Mut, zu sagen, es gibt keine Sicherheit, nur den Versuch dazu, der aber gefährdet, was wir eigentlich verteidigen wollen. Das Asylrecht kennt keine Obergrenze, wie die Kanzlerin richtig feststellte, jeder Versuch wäre verfassungswidrig und würde vermutlich in Karlsruhe gestoppt. Dennoch sind die Fähigkeiten zu Aufnahme und Integration begrenzt. Dem trug die bisherige Schengen-Regelung Rechnung. Sie war für eine Zeit nicht mehr in Kraft, weil es menschlich notwendig schien. Die Lasten müssen in Europa gleichmäßig verteilt werden. Keiner in diesem Land kann ein Interesse an einer Schließung von Grenzen haben. Es wäre ökonomisch katastrophal. Wer etwas anderes sagt, lügt und das wissen alle Beteiligten, trotzdem tun manche so, als könnten sie es fordern und darüber entscheiden.

Gleiches gilt für die Rentenlüge, nach der jeder Generation erzählt wird, die Rente sei sicher und wir doch schon lange wissen, sie kann es nicht sein, es braucht ein neues Konzept und den Mut, es der Bevölkerung zu sagen. Es geht nicht darum, wer schuld ist - wir  haben uns nicht genug vermehrt und so konnte ein auf Wachstum angelegtes System nicht ewig funktionieren. Nun braucht es den Mut, diese Dinge anzupacken und zu ändern.

Dennoch fehlt vielen der Mut, die Wahrheit zu sagen und offen die Freiheit zu verteidigen. Die politische Klasse im Land bräuchte einen Mutmacher, weniger die Kanzlerin, die Mut bewies und dafür Kopf und Kragen riskierte, ihr Amt gefährdete, aber viele bräuchten mehr Mut, statt Angst um Stimmen, die sie in den Populismus abdriften ließ.

Zu welcher Meinung soll den Bürgern Mut gemacht werden oder nur zum kritischen Denken gegenüber allem?

Möchte der neue Bundespräsident denen, die Lügenpresse skandieren mehr Mut zum kritischen Denken machen oder möchte er sie lieber auf den Kurs des Grundgesetzes bringen, frage ich mich und weiß noch keine Antwort, schon den Diskurs wieder zu beginnen, wird mühsam, wenn auch nötig, damit Sachsen nicht länger wie Polen und Ungarn ein fremdes Land wird. Das Grundgesetz garantiert Freiheit und Würde eines jeden, daraus folgt logisch das Asylrecht. Die EU garantiert die Menschenrechte in Freiheit.

Eine Gesellschaft die schrumpft, stirbt aus und braucht dringend Zuwanderung und wenn sie es nicht schafft diese von ihren Werten zu überzeugen und zu integrieren, dann ist sie wohl nicht überlebensfähig. Darum kann die Asylkrise, wie sie viele sehen, auch eine Chance sein, mit der es uns künftig besser gehen könnte. Das sagt kaum einer laut, weil Zuwanderung nicht mit Asyl vermischt werden soll, die Menschen nur in einer Notsituation für begrenzte  Dauer Schutz suchen, wieder zurückkehren sollen, wenn der Asylgrund wegfällt. Doch realistisch, kann dies Jahrzehnte dauern, der Ausgang ist ungewiss und wenn wir die Menschen nicht integrieren und ihnen hier keine Chance bieten, bleiben sie ein ständiger Kostenfaktor, werden zum Problem, dass andere schon beschwören.

Es kostet Mut, diesen Tatsachen ins Auge zu sehen und sich nichts vorzumachen. Mut zu Toleranz gegenüber fremden Gewohnheiten und Mut auch die eigenen infrage zu stellen, um miteinander klar zu kommen. Mut die eigene Angst zu überwinden. Noch mehr Mut keine fremde Religion zu fürchten und die Werte der Aufklärung zu verteidigen, die nicht religiös sind sondern laizistisch, wie es Menschenrechten entspricht. Nicht das Abendland des längst untergegangenen Heiligen Römischen Reiches gilt es künftig zu verteidigen, sondern die Werte der Aufklärung, die mit der französischen Revolution und der deutschen Philosophie eine tolerante, offene und demokratische Gesellschaft erst schufen, Basis unseres Erfolges in der Welt sind.

Die offene Gesellschaft, wenn sie von intoleranten oder totalitären Staaten umgeben ist, hat es schwer und Europa wird es schwerer haben, seine Werte zu verteidigen gegen Trump und Putin. Ob es darum nicht klüger wäre, den Konflikt mit Putin beizulegen, Russland lieber mehr in die EU zu integrieren, statt den Oligarchenstaat Ukraine zu verteidigen, als ginge es um das Herz Europas, wird eine der wichtigen Fragen sein auf der politischen Ebene und Merkels Kurs der Konfrontation wird, so menschlich verständlich er ist, nicht erfolgreich sein, sofern Trump auf die gezeigte Art weitermacht.

Will sich Europa als David mit zwei Goliathen an jeder Seite anlegen oder lieber die konstruktive Brücke zwischen beiden sein?

Es kostet viel Mut in Zeiten wie diesen, keine einfachen Antworten zu geben, weil immer mehr darauf ausweichen, Gewalt fordern und genau Bescheid wissen. Doch Gewalt ist nie eine Lösung und fördert nur noch mehr Gewalt, warum auch der Krieg gegen den IS in Syrien keine Lösung für die dortigen Probleme ist, die durch die Besetzung des Irak durch die USA mit ausgelöst wurden aber auch in vielem noch an den Folgen europäischer Kolonialpolitik und der Grenzziehung dann liegen, die wiederum mit dem untergegangenen osmanischen Reich zusammenhängen und vieles mehr.

Die Lage ist komplex, und es wird viel Zeit und noch mehr Fingerspitzengefühl benötigen, dort vernünftige Lösungen zu finden. Das gleiche gilt für die Russen in der Ukraine und im Baltikum, die sich nur so ruhig verhalten, weil es ihnen in der EU so viel besser geht als in der Heimat, denn wie stark die Bindung bei einer schwerwiegenden ökonomischen Krise wäre, ist unklar. Soll auch diesen EU-Bürgern Mut gemacht werden und wozu?

Ein russischer Präsident, der im offenen Konflikt mit der EU steht und es als seine erklärte Pflicht sieht, Russen egal wo auf der Welt zu verteidigen, es zumindest in der Nachbarschaft tut, wäre eine ständige Bedrohung. Dagegen ist ein schwieriger Partner Putin im Kreis der EU sicher bald bemüht, ein Musterschüler wieder zu sein, wenn er nur gleichberechtigt und freundschaftlich aufgenommen würde. Aber kann einer, der Völkerrecht bricht ein Freund sein, wie es die USA schon so lange sind?

Zu was sollen wir da nun Mut haben, zur Freundschaft mit dem undurchsichtigen ehemaligen Geheimdienstmann, den manche für einen lupenreinen Demokraten hielten, der als Antwort auf die Sanktionen der EU einen Propagandakrieg begonnen hat und der nicht nur in Sachsen den AfD stärkte mit seinen falschen Nachrichten dessen Folgen nun in den USA regieren oder dazu fest bei unseren Grundsätzen zu bleiben?

Bedeutet Mut in Zeiten wie diesen, zu den über 200 Jahre alten Ideen der Aufklärung zu stehen oder umgekehrt, sich den veränderten Bedürfnissen anzupassen?

Ist Trump die Antwort der USA auf den Islamismus oder dessen Fortsetzung mit umgekehrten Vorzeichen, weil dessen Politik nur die Radikalen stärkt?

Heißt  Mut, den Menschen zu sagen, es geht nicht um Götter und ein erfundenes Himmelreich, es geht um euer Leben hier und wie ihr es so sehr wie nur möglich genießen könnt?

Sind Wutbürger mutig oder erkennen sie nur nicht, was nötig ist, um Kompromisse zu finden?

Wer Mut machen will, wird sich vielen Fragen stellen müssen, eine der ersten wird sein wozu, daran schließt sich logisch das wie an und am Ende steht was nun, wenn alle mutig sind oder nie werden. Es ist gut und richtig, an die Grundsätze der Aufklärung zu erinnern und Mut zum Thema zu machen. Maßte mir dennoch nicht an, anderen Mut zu machen, finde es mutig vom Bundespräsidenten, dies zu wollen, weiß nicht, ob es gelingen kann, da dies selbständiges kritisches Denken erfordert und das fällt vielen in politischen Fragen schwer, vor allem mit der dabei gebotenen Nüchternheit. Mehr Sachlichkeit und Nüchternheit, für die Merkel und Steinmeier stehen, täte allen gut in aufgeheizter politischer Atmosphäre. Die Politik macht ihren Job, wie jeder auch und der ehemalige Außenminister schwebt nun drüber, mal sehen ob er vielen Mut macht und die Wutbürger nun kritische Mutbürger werden. Sicher braucht es mehr Aufklärung.
jens tuengerthal 14.2.2017

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