Mittwoch, 8. Februar 2017

KMG 006

Seelenmärchen

Es war einmal eine wunderschöne Prinzessin, die alles konnte, was die Ritter auch taten und mutiger als viele von diesen schon lange war. Sie sang und tanzte so schön, wie sie gut focht, große Kutschen oder Schiffe auf dem Ozean steuerte. Nie fürchtete sie einen Gegner, weil sie sich allen gewachsen fühlte und immer tat, was sie wollte, auch und gerade, wenn alle sagten, ‘aber dass machen Prinzessinnen doch nicht’.

Auch wenn sie in jeder Situation ihren ‘Mann’ stand, wie es die Leute so sagten, war sie ganz zart und fein, hatte winzige Prinzessinnenfüße und einen zarten Körper, der eher mädchenhaft wirkte, als dass sie wer für eine Matrone hielte. Ihr goldenes Haar trug sie je nach Laune offen und dann wellte es sich nach der Natur über ihre Schultern oder während ihrer Abenteuer streng geflochten im Zopf.

Weil die Prinzessin immer tat, was sie wollte, hatte sie die Welt gesehen, kannte Menschen überall und hatte so viele Verehrer in Arabien, Indien wie in Amerika. Nur hatte sie nie einen geheiratet, weil sie, wie die große Königin Elisabeth I., die auch irgendwie eine Großtante von ihr war, frei bleiben wollte - nur der König Karl, ihr Vater, war ein wenig betrübt, weil er sich doch Enkel so sehr wünschte und um den Fortbestand seines Hauses fürchtete.

Doch die schöne Prinzessin wies alle Prinzen, Ritter, Könige, Scheichs und was sie auch waren ab, weil sie auf die große Liebe insgeheim hoffte, auch wenn sie immer sagte, sie wolle keinen, weil die alle zu doof und langweilig sein, nur das eine wollten, ihr Reich und ihr Geld ihnen wichtiger war als die Liebe. War auch so bei manchen, aber es gab auch welche, die es ehrlich meinten. So reiste die Prinzessin ständig um die Welt, um sich abzulenken von ihrer eigentlich Sehnsucht, anzukommen und wies weiter einen Bewerber nach dem anderen ab, um frei zu bleiben, wie sie sagte oder, ehrlicher eigentlich, sich für den Märchenprinzen aufzusparen, der sie irgendwann entdecken würde, als den Schatz seines Lebens.

Doch der Prinz kam nicht. Es kamen viele und machten ihr große Geschenke, brachten Blumensträuße und legten ihr die Welt zu Füßen, doch die alle interessierten sie nicht, weil sie ganz tief in sich nur auf den einen wartete. Wenn sie jemand gefragt hätte, wie er denn aussieht oder ist, könnte sie es nicht so genau sagen, auch wenn sie schon ein Bild von ihm hatte, war das nie ganz konkret geworden. Vermutlich wäre er groß und dunkel, dachte sie, aber auch das war nicht sicher. Dann grübelte sie, ob es eher ein Seefahrer, ein Ritter oder ein Schauspieler wäre und fand an allen immer viele Nachteile, sie spürte nichts dabei.

So ging es ihr auch sonst, denn natürlich hatte die Prinzessin, die immer machte, was sie wollte, längst alles ausprobiert, was auszuprobieren war, in der Horizontalen oder auch mal aufrecht miteinander getan werden konnte, mit beiderlei Geschlecht sogar, aber nie spürte sie das, wonach sie sich sehnte. Sie konnte es nicht benennen, sie wüsste es nur sicher, wenn es da ist, dachte sie immer. Doch weil sie merkte, wie unruhig ihr Vater der König wurde, der sich um sein Reich sorgte, machte sich die Prinzessin wieder auf die Suche.

Sie probierte mal diesen, mal jenen ein wenig und doch fehlte ihr etwas, was sie nicht benennen konnte und sie beschloss, den Mönch zu fragen, der immer ihre Vater beriet, wenn der nicht weiter wusste, vielleicht hatte der eine Idee, warum sie mit keinem zufrieden war, sich nie fühlte, als sei sie angekommen.

“Habe sie hierher gebeten, weil ich ihren Rat brauche in einer Sache, in der ich nicht mehr weiter weiß - es geht um die Liebe von Mann und Frau…”
“Und da rufen sie mich, einen zölibatär lebenden Mönch?”
“Ach stimmt ja, sie haben ja damit nichts zu tun. So gesehen, haben sie es ja auch gut.”
“Sie wollen nicht heiraten und möchten keine Kinder bekommen? Haben sie Angst?”
“Nein, also doch, ich meine natürlich - was rede ich da? Möchte gerne heiraten, eine Familie gründen, Kinder bekommen, gegen Sex hab ich auch nichts, nur…”, hier machte die Prinzessin eine Pause und zeufzte, schaute den Mönch an, der doch als Vertrauter ihres Vaters bestimmt Bescheid wissen musste, oder dachte nur sie, dass es so ein großes Thema für alle sei?

“Ja?”, fragte der Mönch sie völlig unbefangen, weil sie mitten im Satz aufgehört hatte.
“Hach, es findet sich nicht der Richtige, sie sind ja alle ganz nett, aber…”
“Die große Liebe war noch nicht dabei?”
“Genau, wußt ichs doch, sie verstehen mich.”
“Davon kann ja noch gar nicht die Rede sein, hab nur zufällig richtig geraten und natürlich pfeiffen das längst die Spatzen von den Dächern.”
“Was pfeiffen die denn?”, fragte die Prinzessin neugierig aber auch ein wenig schnippisch, um nicht zu zeigen, wie neugierig sie eigentlich war.

“Das Hoheit die große Liebe sucht und ihr bisher keiner genügen konnte, mehr weiß ich auch nicht, ist ja sonst eher nicht mein Thema und die Regenbogenpresse verfolge ich auch nicht so intensiv.”
“Ha, sie haben Humor, dass mag ich…”, lachte die Prinzessin den Mönch an.
“Behauptet ihr Vater auch immer, aber witzig sein und Ahnung haben, sind zwei Sachen, glaub ich.  Wie könnte ich ihnen denn nun raten werte königliche Hoheit?”
“Erstmal indem sie die blöden Anreden weglassen. Wir sind ja unter uns, albernes Zeug, sie sind älter als ich, da muss ich respektvoll sein, hat mir mein Vater beigebracht.”
“Was mehr für ihren Vater spricht als für mich oder gegen sie.”
“Ja, vermutlich und intelligent sind ihre Witze noch dazu, gefällt mir immmer besser. Aber sie wollen ja nicht heiraten…”, flirtete die Prinzessin mit einem Zwinkern den Mönchan, der älter als ihr Vater war. Wie würde dieser nun reagieren, fragte sie sich, übersah er es oder spielte er mit.

“Vor der Wahl stehe ich wohl nicht, denke ich, diene ja dem Herrn. ”
“An den sie vermutlich so wenig glauben wie mein Vater und ich…”
“Sagt er das so?”
“Naja, nicht wörtlich - er meinte, wer so intelligent sei wie sie, dem müsse doch der Atheismus, als geringere Beleidigung für Gott vorkommen. Er meint glaube ich, sie hätten sich nur ihre Freiheit im Orden genommen.”
“Da zitiert er Edmonde Goncourt, ja, ein schönes Zitat und vielfach sehr passend. Ach, was weiß ich schon davon? Ihr Vater und ich sind sicher beide suchende Menschen auf unsere je Art.”
“Aber die Kirche ist ihnen auch eher fremd?”
“Fremd? Nein, eher vertraut, sehr menschlich, bin ja ein Teil von ihr und maße mir nicht an, über die heilige Kirche zu urteilen, deren Diener ich nur bin.”
“Ja, sie seien nicht leicht zu greifen, sagte mein Vater auch....”
“Dann können wir uns ja die Hände reichen, es gibt wohl viele Prinzen, die das auch über sie sagen.”, lachte der Mönch und reichte der Prinzessin die Hände.

“Das Lachen tat gut, danke - hmmm, können sie mir irgendeinen Rat geben, was ich tun soll - sei wissen doch, die Zeit und die biologische Uhr tickt…”
“Die Liebe kommt, wenn sie da ist und ein guter Dichter schrieb mal über sie, ‘Es ist, was es ist’ - mehr weiß ich dazu auch nicht. Hören sie auf ihre Seele.”
“Hab ich nicht!”
“Ach ja, natürlich, wie ihr Herr Papa,  hätte ich mir auch denken können - dann hören sie auf ihre Intuition, die wird es ihnen schon sagen.”
“Ist Intuition für sie das gleiche wie Seele?”
“Nein”, antwortete der Mönch so knapp, dass er sie zum Fragen drängte, wenn sie etwas wissen wollte.

“Also nicht das gleiche und was dann?”
“Interessiert sie, was es für sie nicht gibt, was die Kirche dazu lehrt oder wie es philosophisch gesehen wird?”
“Religion und Philosophie benutzen Seele unterschiedlich?”
“Ja, für Epikur ist sie Teil des Körpers, wie ein Organ, also sterblich und ähnliches schrieb auch Lukrez. Anders Platon und Aristoteles. In der Religion ist sie, je nach Glaube, meist unsterblich, mal wandernd, dann im Nichts aufgehend oder auf dem Weg durch das Fegefeuer in den Himmel.”
“Was ist es für sie?”
“Ein Begriff mit verschiedenen Schattierungen, die auch auf der Welt regional sehr unterschiedlich gesehen werden, den aber alle Kulturen kennen.”
“Meinte sie persönlich.”
“Ach, was weiß ich schon von der Seele? Der Herr gibt es und der Herr nimmt es. Kann sehr viel verstehen, was das angeht.”
“Schon klar, darum schätzt sie mein Vater ja auch so, aber darum geht es nicht, sondern, was sie glauben, ob ihre Seele unsterblich sei, wandert oder zu Nichts wird, in diesem aufgeht.”
“Wer darf ihn nennen …”
“Ich bin nicht Gretchen!”
“Ja, ich weiß, sondern die klügste Prinzessin der mir bekannten Welt.”
“Die gerne eine Antwort hätte, wenn sie sich dazu herablassen würden…”
“Keinerlei Herablassung, für so bedeutend halte ich mich nie - hab nur keine rechte Ahnung, was ich da antworten soll. Komme mit der Lehrart der Kirche klar, sie ist der offizielle Weg. Beschäftige mich weniger mit der Frage.”
“Ist die Existenz von etwas nicht grundlegend?”
“Nur, wenn es uns betrifft. Viele finden den Tod das wichtigste im Leben, Epikur meinte, dieser ginge ihn nichts an und sei ihm egal. Er beschäftigte sich nicht damit.”

Die Prinzessin war fasziniert, an dieser Stelle hatte sie ihn, dachte sie. Entweder er log jetzt oder sie würde einen Freund gewinnen. Sie musste nur genau überlegen, wie sie fragte, damit er nicht wieder ausweichen konnte.

“Also existiert die Seele für sie nicht?”
“Kann ich so nicht sagen, frage mich auch nicht, ob mein Herz schlägt, wenn es das ruhig und regelmäßig tut, dann betrifft es mich zwar aber ich habe keinen Grund mich mit meiner Natur weiter zu beschäftigen.”
“Wollen sie sagen die Seele sei Teil unserer Natur?”
“Zumindest scheint der Gedanke daran vielen Menschen ganz natürlich.”
“Ihnen auch?”
“Was andere normal finden, werde ich nicht befremdlich finden und muss mich dennoch nicht damit weiter beschäftigen.”
“Aber doch die Frage ihrer Unsterblichkeit beantworten - das änderte doch einiges…”
“Für die Fragen, die hier zu regeln sind selten.”

Wieder hatte er sich entwunden. Was glaubte er nun wirklich, fragte sich die Prinzessin nun viel dringender als einen Rat zur großen Liebe zu bekommen, wovon der Mönch vermutlich mit seinem mönchischen Leben keine Ahnung hatte.

“Die Kirche verkündet aber die Lehre von der unsterblichen Seele.”
“Reden wir theologisch oder philosophisch?”
“Ist das für sie ein Unterschied?”
“Natürlich, was die Kirche sagt, ist klar. Die Philosophen betrachten es unterschiedlich.”
“Sehen sie es anders als Epikur?”
“Natürlich, ich lebe ja auch über 2000 Jahre später.”
“Ich meine, ist es mehr als Natur für sie?”
“Habe nur meine Natur, um zu erkennen und anzunehmen, es sei so,  wie es mir scheint, alles andere ist Glaube.”
“Und? Glauben sie daran?”
“Wäre ich Mönch, glaubte ich nicht?
“So wie die Kirche es sagt?”
“Rituell oder philosophisch?”
“Aber was soll die Seele dann in der Natur sein?”
“Vielleicht ist sie einfach das Mehr.”

Das ‘Mehr’ machte sie nachdenklich - doch, was es nicht in der Natur gibt, existierte für sie nicht. Was könnte er mit dem ‘Mehr’ meinen, fragte sie sich und kam ins Grübeln, vielleicht dachte er eher an die Inhalte.

“Meinen sie sozusagen die Software des Gehirns?”
“Wenn sie den Mensch auf eine Maschine reduzieren wollen, könnte es das sein.”
“Nur wird Software programmiert. Sie wird aufgespielt und funktioniert. Ihr liegen immer 1 und 0 zugrunde, es ist alles berechenbar.”
“Es gibt lernende Software, soweit ich weiß, und ich würde den Vergleich nicht wählen.”
“Aber sie denken auch, dass die Basis logisch sein muss?”
“Weiß es nicht, soweit ich die Natur kenne, funktioniert sie, so wie ich sie betrachte, immer so. Aber vieles wissen wir auch nicht oder noch nicht.”
“Dann wäre es nur eine Frage der Zeit, bis der Mensch vollständig berechenbar ist?”
“Ob das funktionieren kann, wenn das Wesen noch selbständig denkt, scheint mir fraglich - es spielen da, glaube ich zu viele Faktoren eine Rolle.”
“Faktoren? Meinen sie jetzt den Einfluss des Schöpfers?”
“Dachte eher an Hormone, Erziehung, Trieb und was das Gefühl so alles ausmacht.”
“Also doch nur Natur auch in der Liebe?”
“Alles andere ist ja nicht unser Thema, denke ich.”

Sie wusste immer noch nicht mehr als zuvor über ihn und seine Vorstellung von der Seele, er war nicht zu fassen. Aber so schnell gab die Prinzessin nicht auf.

“Waren sie mal verliebt?”
“Natürlich, gehört das nicht irgendwie zum Menschen dazu?”
“Und warum sind sie dann Mönch geworden?”
“Nicht jede Liebe endet glücklich. Vermutlich, weil ich es irgendwann als meinen Weg erkannt habe. Aber ich frage mich das auch manchmal. Ob ich ein guter Vater wäre und ein erträglicher Ehemann.”
“Und?”
“Ist ja eher theoretisch für mich. Hätte mich bemüht, aber ich habe mich anders entschieden, weil es mein Weg ist und dann ist es gut so.”
“Würden sie mir erzählen, wie das mit der Liebe bei ihnen war?”

Der Mönch lehnte sich zurück, schaute die Prinzessin an, fragte sich, ob sie nur Tratsch hören wollte, der doch gar nicht ihr Thema sonst war, er die Frage besser abwimmelte. Doch eigentlich ging es ja genau um dieses Thema ursprünglich und vielleicht war das ihre Art wieder auf das alte Thema zurückzukommen und er erinnerte sich an das schmerzvolle Ende seiner großen Liebe.

“Wir wussten es beide sofort und uns war gleich klar, dass wir heiraten wollten. Damals studierte ich noch, doch es war alles perfekt, wie ich es mir immer geträumt habe. Wir genossen unsere Nähe wie die Lust, teilten geistige Welten, lasen zusammen Bücher und diskutierten darüber. Alles schien wie im Traum.”
“Und dann verlor es sich wieder?”
“Ja und ich weiß auch nicht wie und wann. Sie merkte es zuerst, ich wollte es nicht und tat als sei alles ganz normal. Meine Familie war etwas misstrauisch und ihre mit der meinen verfeindet seit vielen Generationen. Kinderkram eigentlich, alle hatten längst vergessen warum, nur es machte es schwerer und wir waren eben nicht Romeo und Julia.”
“Wer hat dann wen verlassen? Darf ich das fragen? Entschuldigung, es beschäftigt mich nur gerade auch so.”
“Sie dürfen alles fragen…”
“Und sie entscheiden, was sie antworten…”
“Ob ich es überhaupt beantworten kann - es ist schon lange her, aber, nein, ich glaube keiner hat einfach den anderen verlassen. Wir stritten uns und sie ging und ich tat wohl nicht genug, damit sie wiederkam. Dann sahen wir uns nach Monaten nochmal für eine Nacht und es war wieder wie am Anfang, ich war so glücklich…”
“Oh wie romantisch… Und blieb es dann so?”
“Leider nicht, ich sagte, ich bräuchte etwas Zeit, wollte meine Familie überzeugen und dann war sie weg und beschimpfte mich nur noch in Briefen. Verstand es nicht, versuchte vernünftig zu sein, probierte es nochmal und sie war immer noch wütend - weiß bis heute nicht warum - irgendwann dann verlor es sich.”
“Die große Liebe einfach verloren? Das kann doch nicht sein!”
“Doch und es ist leider völlig normal, glaube ich. Wir lassen uns ablenken, gehen unsere Wege, irgendwann vergessen wir - und ich, naja, als die Ablenkung nicht weiterführte und ich aber nicht vergaß, ging ich ins Kloster und das ist ja nun länger her als sie alt sind Hoheit.”
“Lebt die Liebe noch?”
“Das will ich doch hoffen, so alt bin ich ja nun auch wieder nicht”, und da zwinkerte ihr der Mönch mit einem Lachen zu.

“Natürlich, ich meinte das Gefühl, ob es noch lebt?”
“Irgendwie bestimmt, nur relativiert sich alles mit der Zeit. Wenn du nur beschimpft wirst, schützt du dich und es ist nun, wie es ist und ich bin ein glücklicher Mensch seit vielen, vielen Jahren.”
“Nie mehr eine große Liebe gefunden?”
“Hab nicht mehr danach gesucht. Glaube, auch, wenn das Wort etwas zu bedeuten hat, gibt es das nicht so oft.”
“Dann habe ich also Recht, daran zu glauben…”, fragte sie halb und stelle sie halb fest.
“Daran glauben, ist bestimmt richtig. Nur kann der Glaube auch blind für das Glück im Alltag machen und dann macht er eher unglücklich.”
“Das sagen sie mir alle ständig, aber ich will nicht einfach eine gute Partie machen. Dann bleibe ich lieber alleine. Es war noch keiner so, wie ich es mir träumte.”
“Vielleicht ist es das alte Problem von Anspruch und Wirklichkeit.”
“Aber sie haben doch nach ihrer großen Liebe auch keine mehr gehabt.”
“Genau, gleiches Problem. Darum wurde ich in der Liebe nicht glücklich und ging lieber ins Kloster um dort glücklich zu leben.”
“Klöster für atheistische Prinzessinnen gibt es ja noch nicht...”

Da lachten beide und stellten sich einen solchen Ort vor, in dem gebildete selbstbewusste Frauen ihre Philosophen lasen und debattierten, statt zu beten. Die Vorstellung gefiel beiden gut.

“Sie sollten welche gründen, wenn sie Königin werden.”
“Und mich dann wie Christina von Schweden von der Welt zurückziehen?”
“Die fand aber zum Glauben zuvor.”
“Ja, noch dazu zum Katholischen, warum sie nicht länger Königin von Schweden sein konnte.”
“Würden sie sich gern von der Welt zurückziehen?”
“Zumindest vom Heiratsmarkt und vergessen, dass eine künftige Königin einen Mann bräuchte.”
“Elisabeth hat das auch getan und war viele Jahre erfolgreich.”
“Würden sie das meinem Vater erklären.”
“Dazu braucht es micht nicht. Vielleicht muss auch nicht alles erklärt werden, wenn manches sich von allein ergibt.”
“Sie meinen einfach weiter wie bisher und dann ist es eben so?”
“Oder anders, wer weiß dass schon in der Liebe so genau? Elisabeth hat sich mit Philipp, dem Witwer ihrer Schwester auch erst nach dem Tod ihres Vaters getroffen, ging ja auch erst dann, als sie Königin war. Und warum sollte er sich nicht doch finden?”
“Sie meinen es gibt meinen Märchenprinzen, die große Liebe mit der ich einfach glücklich werde?”
“Nein, ich glaube nicht an Märchenprinzen, aber die große  Liebe kann es geben und wenn wir nicht erwarten, dass immer alles gut ist, können wir manchmal auch damit glücklich werden, habe ich gehört.”
“Soll ich also doch einen Kompromiss eingehen meinen sie?”
“Nicht in der Liebe aber im Leben. Erhöht die Chance glücklich zu bleiben.”

Die Prinzessin war sich noch nicht sicher, was diese Worte bedeuteten, noch kannte sie dies große Gefühl ja nicht, aber wenn es käme, würde sie daran denken, dass es vielleicht auch mehr Kompromisse wert ist, als sie sonst einginge, ihrer Natur nach. Nur eine Frage trieb sie noch um.

“Könnten wir dies komplexe Ding aus Natur und Gefühl, was wir Liebe nennen auch Seele nennen? Ist es das, was die Leute damit meinen?”
“Die Liebe ist die Liebe und sollten wir auch so nennen. Wer an eine Seele glaubt, sieht sicher auch die Liebe in ihr wurzeln - vielleicht hilft es, wenn ich ihnen erzähle, dass die alten Griechen die Seele Psyche nannten und so ist manches nur eine Frage der Namen, die ja nur Schall und Rauch sind.”
“Seele gleich Psyche, dann wären es nur bestimmte Hirnfunktionen.”
“Mit allen zusätzlichen Einflüssen von denen wir nur einige kennen.”
“Ließe sich das mit dem Glauben vereinbaren?”
“Die Kirche kommt heute gut mit der Wissenschaft klar. In Rom regieren keine Kreationisten.”
“Nebeneinander statt gegeneinander in der Frage was Seele ist.”
“Sich respektieren und schätzen, um voneinander zu lernen.”
“Was wieder der Liebe sehr ähnelt…”
“Wittgenstein sagte, wovon wir nichts wissen, dazu sollen wir schweigen. Bei der Liebe tun fast alle Menschen das Gegenteil und große Teile der Dichtung leben davon.”
“Schwiegen wir also besser?”
“Tun wir, was uns glücklich macht, dann kann es nicht falsch sein.”
“Dann sollten wir von mir aus nun häufiger reden…”

So trafen sie die schöne Prinzessin und der Mönch immer wieder, wenn er nicht bei ihrem Vater war und redeten lange und wenn sie nicht gestorben sind, dann tun sie es noch immer.
jens tuengerthal 8.2.2017

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