Enzyerbe
Wuchs mit dem Brockhaus auf den
Einst mein Urgroßvater zu Bremen
Den Eltern geschenkt hatte der bei
Jeder offenen Frage konsultiert wurde
So war dieses in schwarzes Leder
Mit Goldschnitt gebundene Lexikon
In meiner Kindheit der Maßstab für
Alles Wissen der Welt das auf jede
Schwierige Frage eine Antwort fand
Besserwissen war in meiner Familie
Kein Ausweis schlechten Stils sondern
Zeichen intellektueller Überlegenheit
In der zu gerne konkurriert wurde wie
Der Vater und seine drei Brüder stets
Gerne um die Gunst der Mutter oder
Des Vaters miteinander konkurrierten
So wurden Enzyklopädien für mich früh
Der Maßstab geistiger Vervollkommnung
Ein quasi heiliges Buch des Wissens
Was für bürgerliche Freiheit auch stand
In den Zwanzigern lernte ich dann durch
Die Logenbrüder des Grand Orient in
Straßburg wie in Paris erstmals auch
Die Enzyklopädie Diderots kennen von
Der sie mit Ehrfurcht und Bewunderung
Stets sprachen als ersten gedruckten
Ausweis der Aufklärung der später zur
Revolution wie zu den Menschenrechten
Mit ihrer Erklärung infolge führte so stand
Es in Straßburg im Logenhaus hinter Glas
Wie im alten Haus in der Rue Cadet in
Paris wo schon die Enzyklopädisten auch
Als Brüder sich gelegentlich teils trafen
In der dort Bibliothek ein Exemplar dieses
Meisterwerks mit dem langen Namen der
Encyclopédie ou Dictionnaire raisonné des
Sciences, des arts et des metiers die als
Erste das Wissen ihrer Zeit vollständig
Sowohl abbildete wie erklärte mit teils
Faszinierend schönen Kupferstichen wie
Dem Geist der bürgerlichen Freiheit die
In der Erklärung von allem wie auch den
Zwischenzeiligen Spitzen gegen die noch
Mächtige Kirche sich zeigte warum dies
Vielbändige Werk für mich immer schon
Von großer Faszination war genau das
Suchte wonach ich strebte wie auch
Ein Teil meiner Lebensgeschichte war
Später las ich noch die beiden ganz
Wunderbaren Werke von Philipp Blom
Über die Enzyklopädisten wie auch die
Bösen Philosophen zum Salon im Haus
Des Baron Holbach die den Kern der
Insgesamt 142 Enzyklopädisten bildete
Mit Diderot als Epizentrum wie Holbach
Als großem freien Gönner von Voltaire
Wie Rousseau und d’Alembert dem
Anderen nominellen Herausgeber hier
Ganz zu schweigen war dieses Werk
Eine Versammlung der großen Geister
Des Wissens wie einer Philosophie die
Götter überflüssig machte weil sie auf
Freiheit und Vernunft zuerst setzte
Gelegentlich finden sich noch mal
Einzelne Bände auf Versteigerungen
Zu teils utopischen Preisen die mich
Vom Besitz auch nur eines träumen
Zwar ließ aber in sehr weiter Ferne
Vollständig in gutem Zustand lag das
Grandiose Werk der Aufklärung etwa
Beim Preis eines Hauses schon was
Eher Traum für den Dichter blieb aber
Manchmal führt das Leben doch noch
Seltsame Wege zueinander wie mich
Über meinen Vater als Kurator einer
Alten Sammlung meiner Familie ganz
Unerwartet zu Bänden der Enzyklopédie
In denen ich nun dreißig Jahre nach
Dem Blick in das Exemplar des GO
In der rue Cadet blättern durfte
Zwischen den vergilbten Seiten mit
Kupferstichen wie Tafeln wehte mich
Der Geist der bösen Philosophen an
Für deren Freiheit ich schon lange
Gefochten habe deren Menschenbild
Wir so dringend nachstreben sollten
Weil es frei und menschlich war ohne
Allen Aberglauben oder Macht sich
Dem Wissen und der Vernunft als
Im laizistischen Geist der Freiheit
Geschriebenes Werk zuwandte
Drei Bände in lesbarem Zustand noch
Der für meine Welt größte geistige
Schatz lagen vor mir auf dem Tisch
Sie sollen zu mir kommen irgendwann
Wie es passt und wenn sie selbst
Genug darin geblättert haben
Erfuhr ich völlig fassungslos
Kein Geld der Welt hätte mich so
Begeistern können wie diese Bibel
Der Vernunft und der Aufklärung die
Alle Götter überflüssig machte wenn
Du sie richtig zu lesen verstehst als
Meisterwerk der auch versteckten
Provokationen gegen die Kirche
Irgendwann wird dieses Glück
Teil meiner Bibliothek werden
Denke ich nun vollkommen vom
Glück dieser Gnade erfüllt die
Das weltliche Wissen sammelte
Als Schlüssel zum irdischen Paradies
Um den Himmel lieber den Tauben
Wie Spatzen zu überlassen hier
An Heines Wintermärchen denkend
Dankbar für diese geteilte Liebe
jens tuengerthal 25.12.22
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