Familiennovember
Der 9. November ist vielfältig auch
In der Familie hinterließ er Spuren
Die unterschiedlich das Land spiegeln
Wie so viele Spuren in den Familien
Von den Großeltern zu mir bis in
Die Gegenwart heute nach Berlin
So war der Großvater am 9.11.1918
Wie ich heute in Berlin nur damals er
Als Halbwaise und kaiserlicher Kadett
Dem gerade der Kaiser abhanden kam
Mit den Kameraden von Lichterfelde aus
Gerade 14 Jahre alt und groß war er
Nie der Großvater der Grotepater hiess
Aber dafür dabei am Reichstag wie am
Schloss als die Republik ausgerufen
Von Scheidemann regulär wie vom
Kurzlebigen Liebknecht revolutionär
Alles in kaiserlicher Kadettenuniform
Ohne zu verstehen was dort los war
Mit Matrosen im besetzten Schloss bis
Sie Harry Graf Kessler trafen im Lustgarten
Der ihnen Armbinden gab sie zu schützen
Auch er war Kadett gewesen von dem viele
Sagen er sei noch ein Sohn Wilhelms I. mit
Seiner Mutter der schönen Irin die mit dem
Erfolgreichen Bankier verheiratet war der
So gänzlich unerwartet zum Graf wurde
Erblich natürlich es ging um den Sohn
Jenen Harry der meinem Grotepater wie
Seinen Kameraden rote Binden gab damit
Die Lichterfelder ungeschoren durchkamen
Was ihnen irgendwann auch gelang warum
Sie davon absahen Graf Harry zu besuchen
Der sie herzlich sorgenvoll zu sich einlud
Es gingen da ja auch so Gerüchte um ihn
War ja auch klar irgendwie naja jedenfalls
Sprach mein Großvater da nicht drüber
Räusperte sich und meinte na ich würde
Schon verstehen mit einem Zwinkern was
Die Großmutter fast schon erröten ließe
Dabei waren sie gar nicht bei Harry weil
Die Knaben zu verklemmt waren wohl
Wenn es nicht nur eine Geschichte war
Die später passend erzählt wurde als
Der Enkel im wiedervereinigten Land
Seinen Großvater vorm Tod befragte
Welcher wusste was der hören wollte
Natürlich war er dabei gewesen aber
So aufregend wäre das auch nicht
Geschichte halt wenn du dabei bist
Ist es irgendwie noch keine richtig
Vom anderen Großvater erzählte später
Die Großmutter seine Gattin wie er seine
Aufrechte Haltung am 9. November 1938
Zeigte als ein Freund aus der Reiterstaffel
Mit der sie im Bürgerpark einst ausritten
Wo sie sich als junge Leute kennenlernten
An diesem Abend zu ihrem Stammtisch kam
Sich damit brüstete noch in Uniform der Partei
Was sie heute mit den Juden gemacht hätten
Worauf der Großvater aufgestanden wäre
Gesagt hätte mit solchen säße er nicht am
Tisch und mit ihr gegangen wäre die darauf
Täglich seine Verhaftung fürchtete weil die
NSDAP mit Angst immer regierte aber es
Geschah nichts und mehr Widerstand ist
Auch nicht überliefert außer der Eltern des
Großvaters mütterlicherseits die angeblich
Ein jüdisches Ehepaar über den Krieg
Versteckten und dafür ganz spät noch
Als Gerechte in Yad Vashem geehrt wurden
Mit Baum oder ohne zumindest nicht nur
An einem 9. November wenn dann doch
Dazu gibt es keine weiteren Quellen wie
Zum Heldentum des Großvaters der sich
Typisch Hanseat nie damit schmückte
Lieber zum Thema schwieg um nicht zu
Lügen der viele Jahre in Russland war
Als Gefangener halb verhungert kam
Worüber er auch sehr wenig sprach
Vielleicht auch der Großmutter wegen
Aber das wäre eine andere Geschichte
Habe keine Helden des Widerstandes
Gegen das Pogrom vom 9. November
In meiner Familie gefunden vermutlich
Haben alle aus Angst mehr geschwiegen
NIcht selbst in Gefahr zu kommen wie
Der Bremer Urgroßvater der einmal noch
Verhaftet worden war angeblich weil er
Seinen jüdischen Bankier gegrüßt hatte
Leider bei dessen Abführung durch SA
Lang hieß es die Arbeiter hätte ihn aus
Der Haft gebrüllt was seltsam klang aber
Bei dem beliebten Alten der Churchill
Äußerlich sehr glich möglich war doch
Andere Gerüchte besagen seine Frau
Hätte Göring benachrichtigt für den er
Im Ersten Weltkrieg die Maschinen am
Boden wartete nachdem sein erster
Flieger der rote Baron Richthofen vom
Flug nie mehr wiederkehrte mit dem er
Wohl gut gekonnt hätte über Göring
Wurde zu meinen Lebzeiten geschwiegen
Ihn zu kennen war keine Ehre mehr
Lieber erzählte die Großmutter noch
Von Hindenburg mit dem sie einst
In der Kutsche fahren durfte weil er
Nachbar der Eltern sie noch als Kind
Aus der hannoverschen Eilenriede
Kannte und sie seinen Dackel liebte
Die Großmutter die einst in Bremen
Am 1, Mai schwarzrotgold einzog um
Mit einer Freundin schwarzweißrot am
Ehrwürdigen Kippenberg aufzuhängen
Was heute rechtsradikal klar wäre
War genau das auch damals nur
Gehörte es da noch zum guten Ton
War bürgerlicher Zweifel an der Republik
Während Studenten sangen sie wollten
Ihren alten Kaiser Wilhelm wieder haben
So war diese Großmutter die später eben
Jene Geschichten vom Widerstand an
Jenem 9. November 1938 erzählte eine
Der Gegnerinnen der Weimarer Republik
Stand dabei ganz im Zeitgeist auch der
Solches von Mädchen aus Familie auch
Erwarten konnte ein wenig kaisertreu wie
Vermutlich eher bei Hitler als bei den
Sozen die in den alten Bremer Familien
Immer kritisch gesehen wurden noch
Auch wenn sie später dann als schon
Marion Gräfin Dönhoff dem Widerstand
Ein gutes ehrenvolles Gesicht gab auch
In der Begegnungsstätte in Kreisau auf
Dem Gut des Feldmarschalls v. Moltke
Dessen Neffe Helmut James damals
Mit Peter Yorck dort Widerstand schuf
Ihre eigenen Verbindungen entdeckte
Ihren Gatten als mutig lobte an jenem
9, November 1938 was mir aber noch
Relativ glaubwürdig erscheint auch
Wenn mein Großvater es eher dezent
Gemacht haben wird als mit Skandal
Den meine Omi daraus machte um
Eine eigene Heldengeschichte noch
Zu haben in ihrer Familie als ich ihr
Mit meiner Verlobten zu Besuch
Von den Heldentaten der Vorfahren
Unseres Studienfreundes erzählte
Da wollte sie auch gern dabei sein
Wie sie immer gern vorn mit dabei war
Bei der Krönung der Queen oder auf
Der MS Europa beim Kapitänsdinner
Mit Prinzessin Kira hier und da aber
Wie auch immer der Widerstand war
Was die Märchenerzählerin Omi sich
Später erst für besseres Licht ausdachte
Die uns Enkeln begnadet Geschichten
Immer erzählte von Zwergen die unter
Bäumen lebten und anderes mehr
Hat sich das Bewusstsein geändert
Am Ende auch in dieser Generation
Die noch vor den Kriegen geboren
Der Widerstand galt etwas und es
War eine Ehre dabei gewesen zu sein
Im preußischen Gehorsam undenkbar
Hat eine positive Wandlung stattgefunden
Wie wirklich die Wirklichkeit immer ist
Glaube meine Familie war überhaupt
Eher angepasst bürgerlich unpolitisch
Bis auf wenige Ausnahmen die dann
Den Mantel der Geschichte zu streifen
Scheinen auch wenn es viel eher ein
Hauch von Ferne nur war ist es doch
Irgendwie auch in der Familie nicht
Völlig spurlos vorbei gegangen und
Was der Bruder meines Großvaters
Der ein übler Nazi wohl war als vorher
Pastor für die Partei längst arbeitete
An jenem 9. November tat frage ich
Lieber nicht nach über ihn sagte mein
Großvater ohnehin lieber nichts mehr
Der selbst nach dem 20. Juli 1944
Strafversetzt wurde weil er auf den
Listen von Goerdeler stand angeblich
Zumindest im Beisein der Großmutter
Durch seinen Freund den Güstrower
Bülow einen Kadettenkameraden auf
Dessen Gut sich die Großeltern erst
Kennenlernten der selbst zum
Engeren Kreis des Widerstandes
Schon sehr früh dazugehörte bald
Danach hingerichtet wurde warum
Unwahrscheinlich ist dass sein Freund
Wie mein Großvater behauptete von sich
Nichts eine Ahnung gehabt hätte aber
Vermutlich galt das Versprechen
Gegenüber der Großmutter sich nicht
Am Widerstand zu beteiligen um sein
Leben im ND-Staat zu schützen noch
Bis zum Tod und da sie eine Decade
Ihn überlebte weiß keiner was war
Zumindest die Liebe hielt lange
Bis sie Briefe an seine Geliebte
Jahre nach seinem Tod fand
Doch schweigen wir lieber dazu
Licht und Schatten liegen sich nah
Normale deutsche Familienleben
Der dritte 9. November ist schließlich
Der eigene den ich in Heidelberg oder
Irgendwo nahe bei noch erlebte ohne
Vom Mauerfall zu sehr tangiert zu werden
Es war befremdlich und seltsam schon
Im Sommer kamen drei junge Damen
Aus dem Osten in meine Klasse die
Über Ungarn raus sind oder Prag
Einer kam ich körperlich näher
Wenn ich meiner Liste trauen darf
Aber es scheint lange Geschichte
Geschah unabhängig vom 9. November
Erzählten wenig von ihren Geschichten
Waren auch ganz normal nur dabei
Berlin war weit weg von Heidelberg
Die Mauer lag mir eher fern und was
Dort geschah schien uns überbewertet
Außer denen die geflohen waren
Die Eltern waren begeistert aufgeregt
Aber wir hatten keine Ostverwandtschaft
Anders als der Vater meiner Freundin
Der aus Sachsen gekommen war von
Wo auch über Ungarn im Sommer seine
Nichte und ihr Mann gekommen waren
Mit denen ich mit der Freundin dann
Silvester 89/90 in Hamburg feierte
Das war mein Einheitserlebnis bis ich
Pfingsten dort hin reiste noch zum
Paddeln und nackt baden am Darß
Nachdem das Westkanu leider sank
Später machte ich ein Buch darüber
Wie Menschen den 9. November hier
In Prenzlauer Berg und Pankow erlebten
Las spannende Berichte darüber noch
Lebe nun in fußnähe der Mauer im Osten
Der Unterschied bleibt spürbar auch bei
Den Liebsten die von dort kamen weil wir
In zwei Welten groß wurden die sich noch
Immer in vielem nicht ganz verstehen
Begegnungen spannend macht ohne
Letzte Gewissheit ob wir das gleiche meinen
Wenn wir vom selben heute reden weil wir
In zwei Welten dabei groß wurden
Viele der Berliner Freunde erlebten
Den 9. November 1989 als aufregend
Bekam es erst spät richtig mit weil die
Mauer wie die DDR uns eher fern lag
Tief im Westen nahe an Frankreich
jens tuengerthal 9.11.21
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