Mittwoch, 9. September 2020

Relativvater

Verschwindet der biologische Vater?

Die Reproduktionsmedizin macht den biologischen Vater überflüssig. Dieser bekommt sein Geld für die Samenspende, danach ersetzt ihn technisch der geistige Vater im Labor wie nach der Geburt der soziale Vater in der Familie.

Potenz ist damit kein Maßstab möglicher Fortpflanzung mehr, diese kann durch finanzielle Mittel erworben werden. Lesbische Beziehungen brauchen bald gar keinen Mann mehr, um Kinder zu bekommen, sobald sich, was im Versuch schon glückte, aus Körperzellen Samenzellen zu machen, durchsetzt. Damit ist der biologische Vater de facto überflüssig geworden, um Nachwuchs zu zeugen.

Nach der Relativierung seiner sozialen Rolle verliert der Mann damit auch seine biologische Notwendigkeit, beruhigend dabei kann für davon frustrierte Männer nur sein, dass es der momentan biologisch noch für nötig gehaltenen Mutter vermutlich bald ähnlich geht und wir uns als zur Zeugung überflüssige Wesen nun allein dem Vergnügen dabei widmen können, wie es uns Epikur schon vor über 2200 Jahren weise riet, weil das Leben keinen Zweck verfolgt, als glücklich zu sein.

Zum Glück macht der Vorgang der Zeugung den meisten Beteiligten noch relativ viel Freude, warum nicht gleich mit einem Aussterben der überflüssig gewordenen Gattung zu rechnen ist, wie es die Natur sonst über einige Generation mit überflüssig gewordenen Funktionen macht, die sich in ihrer Funktion erledigt haben.

Ob Menschen also in einigen tausend Jahren noch funktionierende Geschlechtsteile haben oder sich dieser Bereich dank der labormmäßigen Herstellung optimierter Menschen erledigt, könnte eine spannende Frage sein, die allerdings so weit in die Zukunft greift, dass ich mich dazu lieber enthalte. Auch ob die Tendenz zum Unisex in Mode und Gesellschaft, schon eine soziale Vorstufe dieser Entwicklung ist oder eher Ausdruck eines Kampfes um Emanzipation, möchte ich lieber offen halten, um mich bei diesem Thema nicht zu weit aus dem Fenster zu lehnen, was sich als Mann beim Thema Feminismus immer empfiehlt.

Spannend könnte aber sein, ob sich unser Sexualverhalten ändert, sofern es nicht mehr der Fortpflanzung sondern allein der gegenseitigen Befriedigung dient. Fraglich könnte dabei etwa sein, ob dann Frauen mehr auf ihre persönliche Lust achten als bisher und wie sich Paare unter den veränderten Rahmenbedingungen verständigen können. Werden wir die reine Lust als solche genießen können oder werden wir überflüssig gewordenen Väter noch impotenter als uns der Konsum des mit Hormonresten weiblicher Verhütungsmittel angereicherten Trinkwassers ohnehin schon lange macht?

Wie wird sich das Sexualverhalten ändern, sofern die Männer nicht mehr zur Arterhaltung, um eine Frau werben müssen, sondern dies zum gegenseitigen Vergnügen tun sollen oder werden sich dann alte Riten umkehren und Frauen plötzlich um Männer werben, die sie befriedigen sollen, die aber davon genervt, betonen, es ginge ihnen in der Begegnung nicht nur um Sex?

Werden die Männer sich lieber wieder mehr der Onanie widmen, die weniger zeitaufwendig und anstrengend ist, keine sonstigen Spielchen braucht, mehr Zeit für andere Hobbys lässt?

Die Befreiung der Väter aus ihrer biologischen Funktion gibt ihnen auch die Chance, in der sozialen um so mehr zu glänzen. Zwar stellt sich die Frage, ob die Bindung auch ohne biologische Verwandtschaft noch so innig ist, aber zumindest besteht die theoretische Chance zu einem aufgeklärt positiven Umgang damit, dahingestellt, was die Praxis und die männliche Neigung zur Trägheit anschließend daraus macht.

Wie wird sich der Markt der männlichen Bewährungsproben auf vielen Gebieten verändern, wenn diese als Beweise der Potenz nicht mehr nötig sind, sollten Porsche und Ferrari umsatteln oder schon Konkurs anmelden, weil ihre Schwanzverlängerungen keiner mehr braucht?

Der Untergang des Pharmaherstellers Pfizer mit seinen Viagra-Pillen wird verschmerzbar sein, wobei nicht klar ist, ob die Nachfrage nicht noch viel größer wird, weil mit Wegfall der natürlichen Motivation noch weniger Männer einen Grund sehen, sich aufzurichten, statt gemütlich schlaff in der Ecke zu hängen, wie es ihrem Wesen entspricht, was zumindest friedensstiftende Wirkung weltweit haben könnte.

Es wird sicher noch viele Generationen dauern, bis normal wird, was gerade beginnt und das lächerlich pubertäre Verhalten von Trump oder Putin belegt, wie stark das Bedürfnis nach alten männlichen Mustern in vielen schlichteren Gemütern noch ist, so untauglich sie praktisch auch sind, doch das sind nur die üblichen Zuckungen in Extreme, die beim Untergang alter Strukturen anstehen, wie sie der Islamismus noch zeigt, bevor sich die Mehrheit der intelligenten Muslime von ihrem Aberglauben so abkehren wird, wie die Mehrheit der europäischen Christen von dem ihren und er wie aller Hokuspokus nur noch ein Vergnügen für das Privatleben wird, damit der alte Straßenräuber genannt Prophet endlich seine Ruhe hat.

Amüsant daran ist, die Parallelität der verschiedenen Kulturen zu beobachten, die teilweise noch in mittelalterlichen oder älteren Strukturen hinsichtlich ihrer Sozialgewohnheiten feststecken. So kommen sich die Einwohner fortgeschrittener Kulturen auf der Welt wie in einem ethnologischen Museum vor, dürfen das aber nicht denken oder sagen, um niemanden zu diskriminieren, auch wenn kulturelle Entwicklung schlicht linear verläuft und die Überwindung des Aberglauben hier zwar schon in der Aufklärung begann aber immer noch mit unterschiedlich benannten Ausläufern zu kämpfen hat, die sich in Esoterik, Tempeln wie Kirchen bis zum Yoga tummeln.

Yoga als eigentlich autoritäre indische Lehre, der viele Großstädterinnen zumindest gymnastisch hinterherlaufen, ohne das geistige System und seine Verknüpfungen zu reflektieren ist ein typisches Beispiel für das Wiederaufflammen des postreligiösen Aberglauben anstelle der Vernunft, was natürlich kein vernünftiger Mann heute laut sagen würde, der sich lieber sexuell an der erhöhten Dehnbarkeit still erfreuen sollte, wäre er klug, denn manche Debatte kann auch mit aller Vernunft nicht vernünftig geführt werden und es könnte nur verlieren, wer es wagt eine Mode der bewusst und gelassen, ökologisch korrekt lebenden Menschen als atavistisch autoritär und völlig unvernünftig infrage zu stellen, warum auch ich solchen Unsinn lieber lasse und die Damen mit ihren Matten freundlich anlächle.

Was wird also aus uns Vätern im Zeitalter unserer biologischen Überflüssigkeit frage ich mich am Ende nochmal und komme zu dem Schluss, am besten wäre es entspannter Genießer zu sein, sich weniger um die üblichen Schemen zu kümmern und in alten Rollen sich profilieren zu wollen, sondern was bleibt, zu genießen, wie es ist, mehr geht ohnehin nie und so könnte ihre biologische Überflüssigkeit als Väter die Männer zu ihrer eigentlichen Bestimmung zurückbringen als gemütliche Genießer, was auch ein ökologisch sehr nachhaltiges Leben ermöglichte - dahingestellt, ob Frauen damit klar kämen aber auch darauf käme es dann letztlich künftig nicht mehr an. Vielleicht müssen diese ihre Erwartungen genauso schnell beerdigen, wie wir unsere Rollenmuster mit dem bekannten Potenzgeprotze, es könnte lustig werden und Männer und Frauen könnten sich vielleicht endlich aufrichtig begegnen und geistig voneinander mehr profitieren statt überholte, langweilige Spiele zu spielen, die nur einer sehr atavistischen Form der Bestätigung dienen, die uns immer noch vieles ertragen lässt, worüber ein Kant, der nicht ohne Grund unverheiratet blieb, nur müde gelächelt hätte.

jens tuengerthal 9.9.20

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