Sonntag, 13. September 2020

Mittegalerien

Ein wunderschöner spätsommerlicher Sonntag lud zum flanieren ein. Im Hansaviertel losgelaufen und der Spree folgend gen Mitte am Ufer entlang gewandert. Von Höhe der Brücke, die zu Reichstag, Abgeordnetenhaus und Bundeskanzleramt führt, gen Mitte abgebogen, über Marienstraße, an der schönen Böse Buben Bar vorbei, die eigentlich immer einen Besuch wert ist, nur ausnahmsweise ignoriert wurde, weil die Kunst wartete, wie Friedrichstraße zur Linienstraße. Von dort aus einen kleinen Rundgang durch die Galerien in Berlins Mitte anlässlich des Gallery Weekend gemacht.

Es war noch Sonntagvormittag, der Andrang war relativ überschaubar, einige Galerien waren auch noch geschlossen, wie lange auch immer sie am Abend vorher noch gefeiert haben. Viele schöne Sachen gesehen, die Bilder zeigen es aber wenig,  was mich nachhaltig beeindruckt hat. Aber nette Bilder und viele schöne Menschen, wie gerne im Umfeld der Kunst, es war mal wieder schön.

An der Tucholskystraße dieser südlich folgend die Linienstraße verlassen und an der nächsten Kreuzung östlich in die Auguststraße abgebogen. Dort wartete auch der erste Glanzpunkt, eine Ausstellung von Cover-Fotografien, einer Auswahl der von den Nationalsozialisten verbrannten Büchern. Schlicht, klar und gut, gab sie jedem der verbrannten Bücher mit dem Foto der Cover der verbrannten Bücher ein eigenes Gesicht, umrahmte es schlicht weiß und erinnerte so an die weißen leeren Regale auf dem Bebelplatz, den Ort des Brandes, der an diese Schande mit Leere erinnert, die hier aber bunt gefüllt wurde. Ein schönes Konzept, was mir als Bücherliebhaber, auch wenn völlig ohne Bücher, gut gefiel. Ein würdiges Gedenken, das die Bücher, um die es ging, in den Mittelpunkt stellte und ihr Angesicht der Erstausgabe wieder aufleben ließ.

Im KW gab es nette neue Ideen, die ich mir aber nach dem Blick in den Katalog sparte, um mich auf die umliegenden Galerien zu konzentrieren. Einige schöne Sachen, sogar ein fast dreidimensionales Aufleben des Impressionismus, das durch besonders dicken Farbauftrag in ähnlichem Stil Bilder zeigte, die in den Raum hineinwuchsen. Fand zwar die Farbwürste, die den Malgrund bedeckten, teilweise etwas zu grell, es mir aufhängen zu wollen und es bräuchte schon viel Platz und Abstand, sie richtig wirken zu lassen, aber die Idee des Spiels mit schönem Bekannten in neuer Form gefiel mir gut, verkauft sich vermutlich auch nicht schlecht.

An anderer Stelle waren Holzplatten im Stil spätmittelalterlicher Kirchenmalerei mit Gesichtern oder ganzen Figuren überraschend verändert. Eine spannende neue Kombination, die auf den ersten Blick staunen ließ, wenn aus einem ikonenartigen dunklen Marienbild laubsägenartig mittig ein Stück herausgesägt wurde. Werke, die gut gehängt und vermutlich auch gut verkauft werden konnten, bei denen neu mit alt spielte, was nicht ohne Reiz blieb.

Einige leicht erotische Bilder von mehr oder weniger bekleideten Damen aber alles noch im jugendfreien Bereich, wurden in anderen Galerien präsentiert. Alles schön, kein Skandal, vermutlich gut verkäuflich und so äußerten sich auch die anderen Flaneure beiderlei Geschlechts, es gefiel manches. Empörung oder Staunen war nirgendwo zu sehen. Hier wird gut handelbare Kunst angeboten. Was mir das über die aktuelle Kunstszene und ihre Entwicklung sagt, weiß ich nicht genau, zumindest zeigt es, dass Berliner Galeristen auch an ihre Mieten denken müssen und entsprechend ausstellen, etwas vom Markt und vom Geschäft verstehen, was ja kein schlechtes Zeichen für den Kunststandort Berlin ist.

Schön war es, durch die Galerien zu flanieren, schöne Menschen, vor allem schöne und gut angezogene Frauen beim Betrachten von Kunst zu betrachten und die Werke störten weder den Flaneur noch sonst scheinbar jemanden dabei. Es war ein Erlebnis und wird bestimmt für manche ein Geschäft und ich war zumindest beim Erlebnis dabei von Geschäften verstehe ich ja eher nichts.

jens tuengerthall 13.9.20

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