Sonntag, 14. Juni 2020

Salonliteratouren

Am heutigen Sonntag im Juni die Reise von Adam Smith nach Frankreich zu Ende gelesen. Der Band der Anderen Bibliothek von Reinhard Blomert über die Entstehung der Nationalökonomie war wesentlich unterhaltsamer und spannender als der Untertitel vermuten ließ.

Wie schön war es den berühmten Philosophen und den jungen Herzog auf ihrer Grand Tour durch Frankreich mit einem Abstecher an den Genfer See zu Voltaire zu begleiten. Sehr gut waren dabei auch immer wieder Blomerts Ausflüge in die Geschichte, bei denen er den größeren Kontext der Ereignisse und die lokale Historie mit gutem Weitblick erläuterte - ein richtiges Bildungsbuch aus dessen Lektüre du bereichert und dabei noch gut unterhalten am Ende zufrieden hervorgehst - zumindest mir ging es so.

So regte das Buch immer wieder zur vertiefenden Lektüre ein, der ich gerne mit Wiki, dem Brockhaus und weiteren auch historischen Bänden folgte, über die ich teilweise bereits schrieb, weil sie wunderbar neue alte Welten erschlossen.

Nun aber kam das lange letzte Kapitel über Paris, die dortigen Salons und ihren entscheidenden Einfluss auf Smith und sein Werk. Diese Epoche kannte ich bereits ein wenig durch die beiden hervorragenden Bücher von Philipp Blom. Zum einen die Bösen Philosophen über den Salon von Baron Holberg und das vergessene Erbe der Aufklärung. Wie aus diesem Kreis radikaler Atheisten, zu denen auch Diderot, Galiani und Rousseau zählten, ein ganz neuer mutiger Geist, der alles gewohnte infrage stellte, in die Welt kam. Daneben noch das vernünftige Ungeheuer, das sich mit der Entstehung der Enzyklopädie besonders beschäftigt und dabei auch diesen und andere der Pariser Salons der Aufklärung streift.

Auch diese Bände seien jeder Leserin wie auch jedem Leser besonders ans Herz gelegt, auch weil Blom mit großem Fachwissen und immer wieder klarem Urteil mitnimmt und begeistert, wenn er etwa das öffentliche Bild des vermeintlich großen Rousseau ins rechte Licht rückt - nicht umsonst heißt die Aufklärung auch Zelt der Illumination im englischen. Es geht um Befreiung der Menschen von der Sklaverei von Vorurteilen und Aberglaube, wofür diese Männer und Frauen mutig lebten und immer wieder auch die Haft in der Bastille riskierten oder sogar erleben mussten wie Diderot und Voltaire.

Auch diese Gruppe, die sich im Salon von Holbachs Pariser Haus traf, besucht Smith und diskutiert mit großer Begeisterung, ist angetan von ihrem freien Geist, der die Welt und moralisches Handeln völlig ohne Gott erklärt. Dies macht den Philosophen, der als Ökonom berühmt wurde auch mutiger und freier in seinem Denken, nachdem er im bigott christlichen Schottland und England schon manchen Ärger infolge der Interventionen der dortigen Kirche hatte.

Natürlich besucht Smith auch die anderen Salons und findet wohl einige Verehrerinnen unter den Damen, schwärmt selbst wohl auch für eine, wobei wir, vermutlich mangels Quellen, nicht erfahren, wie weit er dabei kam. Eingeführt werden Smith und teilweise auch der Herzog durch David Hume, den lebenslang engem Freund des englischen Philosophen. Hume war zu dieser Zeit Sekretär beziehungsweise später Stellvertreter des englischen Botschafters in Paris, der dann etwa zeitgleich zum Gouverneur von Irland berufen wird, woraufhin der Freund leider bald nach London zurückkehrt. Vorher aber führt er Smith, der immer noch relativ wenig französisch sprach in die Salons ein und stellt mit schwärmerischen Briefen die wichtigsten Kontakte her.

Der Herzog beschäftigt sich in dieser Zeit wohl mehr mit den üblichen Besuchen beim Adel und am Hof in Versailles, warum von ihm relativ wenig die Rede ist in diesem spannendsten Kapitel, auch wenn Smith den Kontakt zur am Hof einflussreichsten Gruppe von Ökonomen sucht und findet, die gerade mit mutigen Reformen versuchen, die angeschlagene französische Wirtschaft zu retten.

Es ist wohl übertrieben, wie es einige Franzosen später schrieben, dass Smith nur deren Ideen weiterentwickelte, aber Einfluss auf sein ökonomisches Denken hatte diese Erfahrung sicher, manches lernte er neu kennen. Er traf auch den später unglücklich berühmten Necker, der als Minister scheitern musste im Salon seiner Frau und viele andere wichtige Köpfe, Künstler und Literaten aus dem Paris der Aufklärung, was für ihn in vieler Hinsicht eine Erleuchtung wurde.

Die Rückkehr nach England, der Rückzug ins Haus der Mutter, um den Wohlstand der Nationen zu schreiben wie sein späteres Leben, werden auf wenigen Seiten abgehandelt und spielen hier keine entscheidende Rolle mehr. Den Einfluss der französischen Reise und des Denkens Philosophen in Paris, wie insbesondere der Kreis um Holbach genannt wurde, hat Blomert in seinem Band klar aufgezeigt und damit einen Smith vorgestellt, den die manchmal etwas schlichte Dogmatik der Schule von Manchester, die in vielem bis heute leider herrschend blieb, völlig unter den Teppich kehrt. Es ist dies auch ein sozialer Denker, dessen Hauptwerk die Theorie der ethischen Gefühle war. Dieser neue Blick auf einen meist auf den freien Markt reduzierten Denker allein, lohnte die Lektüre schon, zum großen Genuss wurde sie durch die Reise nebenher und vor allem die kenntnisreiche und kluge Schilderung der Pariser Salons. Eine unbedingte Empfehlung und ich freue mich sehr über die Lektüre des Buches, was mir eine damals noch Finanzwissenschaftlerin schenkte, die damit einen Volltreffer landete und so in besserer Erinnerung bleibt.

jens tuengerthal 14.6.20

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