Dienstag, 9. Juni 2020

Voltaireliteratouren

Mit Adam Smith und dem jungen Herzog von Toulouse über Marseille nach Genf gereist, um dort Voltaire zu besuchen, den großen Autor der Aufklärung, der auch zeitweise im englischen Exil gelebt hatte und den der Schotte sehr schätzte, weil er die Philosophie der Freiheit in schöne Worte zu kleiden verstand, was wenigen Philosophen je so gelang.

Voltaire war ein Genie, er schrieb nicht nur begnadet im Geist der Aufklärung, konnte auch im Sinne des Königs dichten oder sogar sich vom Papst angenehme Worte für eine Widmung schreiben lassen, ließ sich auch gerne als großer Dichter feiern, verkehrte für eine Zeit, von Madame Pompadour unterstützt, auch bei Hof und überwarf sich doch immer wieder mit vielen auch dort schnell, war aber vor allem, was bei Künstlern nicht alltäglich ist und dem Dichter selbst völlig fremd, sehr geschickt im Umgang mit Geld und häufte ein Vermögen an, mit dem er sich für die letzten Jahre seines Lebens ein schönes Schlösschen am Genfer See bauen konnte mit schönem Park und eigenem Theater, über das sich die fromm prüden Calvinisten dort gehörig empören konnten, auch wenn er dort sicherer war vor Verfolgung als in Frankreich, weil die Schweiz die Schweiz war, blieb es trotz vieler Besucher nur ein Exil, weil Genf nicht Paris ist.

Voltaire, der Freund Friedrichs des Großen, der sich auch mit diesem immer wieder überwarf, sogar nach zu schneller Abreise von Berlin einmal in Frankfurt festgesetzt wurde, bis er ein Gedicht Friedrichs wieder heraus gab, dass Fritz nicht in fremden Händen wissen wollte, aber dennoch der lebenslange Freund und Briefpartner des Monarchen blieb, der ihn, zwanzig Jahre jünger, natürlich überlebte aber auch immer wieder verzieh, obwohl er bissig auch über die Sparsamkeit des Franzosen lästerte, der angeblich Kerzen geklaut hätte, eben nicht umsonst reich wurde. Doch nicht nur Friedrich ließ ihn kurz in der freien Reichsstadt verhaften, Voltaire musste mehrfach in die Bastille, weil er sich zu frei über die Kirche äußerte, sich mit den Jesuiten anlegte, die andererseits seine verehrten Lehrer auf dem berühmten Jesuitenkolleg Louis-le-Grand waren, was ihm viele Kontakte bis in höchste Kreise eröffnete, er dort Freundschaften fand, die ein Leben lang hielten. Sein Name Voltaire ist das Anagramm seines bürgerlichen Familiennamens Arouet.

Mehrfach ließen Adelige ihn verprügeln, die sich von ihm als Dichter und Mann provoziert fühlten aber sich mit einem bürgerlichen, der ja nicht satisfaktionsfähig für sie war, nie geschlagen hätten, was den stolzen Franzosen noch mehr verletzte als die Schläge, die ihn trafen.

Während seiner Flucht nach England, als ihm mal wieder die Verhaftung drohte, hatte er sich viel mit der dortigen Literatur aber auch mit dem Finanzwesen in London beschäftigt, wurde auch mit Anteilen an der East India Company reich. So reich sogar, dass er dem schwäbischen Herzog von Württemberg einen Kredit geben konnte an dem er bis zum Ende seines Lebens sehr gut verdiente. Wobei er den an den Schwaben geliehenen Betrag mit Offizieren von Friedrich verdiente mit denen er Finanzgeschäfte machte, in dem er nach dem siebenjährigen Krieg Wechsel günstig kaufte, die der damals klamme König herausheben musste, an denen er mehrere hunderttausend verdiente, was der König nicht sehr schätzte.

Er hatte auf den ausdrücklichen Wunsch seines Vaters hin Jura studiert, weil Literat, was er als Berufswunsch angegeben hatte, ja nichts anständiges war, kurze Zeit in einer Kanzlei gearbeitet und dabei viele Tricks gelernt, die ihm später von Nutzen waren für seine Geschäfte wie möglichst günstige Verträge. 

Jura habe ich zwar auch studiert, wie so viele Schreiberlinge, aber viel von Verträgen verstehen oder eine Ahnung zu haben, wie ich mein Recht durchsetzen könnte, würde ich mir darum nie anmaßen, alle Erfahrung spricht dagegen - aber vielleicht ist dies auch ein Teil des großen Genies und Spötters Voltaire, der sich in wenigen Jahren so in die Materie einfinden konnte, dass sie ihm sein Leben lang nutzte, er auch seine lange beste Freundin und Geliebte Emilie du Chatêlet beraten konnte, als diese sich um ein Schloss in Flandern sorgte, wo sie länger mit Voltaire und teilweise auch ihrem Gatten lebte, der es nebenbei auf seine Kosten hatte sanieren lassen. Dafür brachte die große Naturforscherin Chatêlet ihm vieles aus den Naturwissenschaften näher, was seinen Horizont noch zusätzlich erweiterte und sein Werk um Bände über Newton und anderes ergänzte.

Leider starb seine kluge Geliebte nach der Geburt eines Kindes und die folgenden Jahre trieb sich Voltaire sehr unstet zwischen Preußen, Frankreich und Lothringen herum, wenn ihm mal wieder in Paris die Verfolgung drohte.

Was Adam Smith mit Voltaire besprach, ob dieser gelangweilt war, die Besucher bald wieder wegschickte, sich selbst versteckte, entschuldigte oder zurückzog, wie er es häufig tat, wenn ihn jemand langweilte, oder sie sich wiederholt sahen, ist nicht ganz klar - zumindest hat Smith auch nach dem Besuch noch mit Hochachtung über den Franzosen geschrieben und von ihm geschwärmt, der zum Zeitpunkt des Besuches schon über 70 war und 84 Jahre alt wurde.

Es war schön über kleine historische Anekdoten mal wieder in die Welt von Voltaire und der Enzyklopädisten einzutauchen, zu denen dieser ja mit Diderot und Holbach auch gehört. Voltaire war nicht der radikale Atheist, auch wenn er manchen Streit mit der Kirche riskierte, er legte Wert auf Anerkennung und Ruhm wie die Aufnahme in die Akademie und so arbeite er schon zeitlebens an seinem Nachruhm, den er, nicht völlig uneitel, so gut sicherte wie seine finanzielle Unabhängigkeit.

Ihn zu lesen, auch als Historiker, der Henry IV. zur französischen Kultfigur machte und viele der diesem zugeschriebenen Redensarten prägte - von Paris ist eine Messe wert bis zum Hahn im Topf - damit aber einen Konvertiten in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses stellte, der als Hugenotte lange gegen den offiziellen Weg gekämpft hatte, ist bis heute lohnend uns sein Candide ist von unglaublicher Schönheit getragen vom freien Geist der Aufklärung den dieser auch Gast des Salons im Hause Holbach mit geprägt hat, wenn auch nicht so radikal und konsequent im Denken wie manche seiner Freunde, so doch bei aller Eitelkeit und Anbiederung bei Hof, die ihn auch vor schlimmeren bewahrte, ein echter Freigeist, der als Dichter und Denker der Erinnerung sehr wert ist, warum die heutige Tour mit einer Verneigung vor dem Genie endet, um auch künftig diesem Geist zu huldigen, weil es noch dringend der Aufklärung bedarf, bis wir uns wirklich aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit befreit haben, in aufgeklärten Zeiten leben, in denen nicht länger der Aberglaube das Leben bestimmt sondern Vernunft und Freiheit.

jens tuengerthal 8.6.20

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