Freitag, 6. November 2015

Kulturgeschichten 035

Todesfreund

Manch Liebende schwören sich
Liebe bis in den Tod oder gar
Jenseits ihres Seins noch
Über diesen hinaus

Über uns hinaus wollen könnte
Eine Eigenschaft der Liebe sein
Die im Bedürfnis nach Vereinigung
Ihren tiefen natürlichen Spiegel findet

Der schönste Punkt dieser Vereinigung
Ein gemeinsamer Höhepunkt heißt
Nicht umsonst im französischen auch
Kleiner Tod so liegt manches nah

Über den Tod hinaus denken
Stößt an die Grenzen des uns
Möglichen und doch meinen manche
Über diesen urteilen zu dürfen

Jedes Urteil kann fehlerhaft sein
Menschliches Handeln ist unvolkommen
Der Tod ist irreversibel warum sich
Logisch die Todesstrafe verbietet

Das Zusammenspiel von Freiheit die
In der Möglichkeit des Suizid Ausdruck
Findet wie Anerkennung der dabei
Unverfügbarkeit des Lebens zählt

Dahin zu gelangen war für Europa
Ein langer schmerzvoller Weg voller
Leichen bis heute die Opfer unserer
Auch geistigen Unfreiheit wurden

Weniger zivilisierte Kulturen sehen das
Bis heute anders und halten auch die
Tötung eines anderen für legitim
Sofern das Gesetz es vorsieht

Als könnte ein Gesetz als nur Norm
Einem in sich ilegitimen Verhalten
Je eine Rechtfertigung geben außer
Rein formal wenn die Tat tödlich ist

Die Schurkenstaaten die noch immer
Die Todesstrafe für legitim erachten
Wie auch vollziehen sollten von allen
Die es begriffen sanktioniert werden

Eine theoretisch schöne Idee welche
Praktisch an der Macht und Präsenz
Des Todesstrafenstaates USA scheitert
Was ihr nichts an Richtigkeit nimmt

Auch Europa brauchte lange bis es
Diese hohe kulturelle Stufe erreichte
Von welcher der wilde Westen noch
So fern ist wie der Nahe Osten

Im Dreißigjährigen Krieg noch wurde
Gepfählt und gefoltert wie Köpfe nach
Bester heute IS Manier markant
Öffentlich aufgespießt als Mahnung

Im Preußen des 18. Jahrhunderts
Wurde ein junger Offizier gar noch
Für einen Freundschaftsdienst für
Den Kronprinzen hingerichtet

Es war Hans Herman von Katte
Der Vertraute und Freund des da
Noch jungen Fritz späteren Friedrich II.
Den Friedrich Wilhelm I. enthaupten ließ

Am 6.11.1730 wird Katte in der Festung
Küstrin in der auch Friedrich gefangen
Seine Strafe absaß vor dem Fenster des
Dazu gerufenen Friedrich getötet

Ob Friedrich in diesem Moment zusah
Oder bereits zuvor ohnmächtig geworden
Ohne Bewusstsein auf dem Boden lag
Soll hier keine Rolle spielen

Er wusste was passierte genau
Hatte den Freund am Richtblock gesehen
Konnte ahnen was nun bevorstand
Litt darunter wie um sein Leben

Schmerzvoll war dieser Augenblick
Als er den so nahen Freund und Vertrauten
An seiner statt hingerichtet sah für eine
Tat die er beging zu der er anstiftete

Hatte doch der ältere Freund sogar
Noch dringend davon abgeraten
Die Flucht ins Auge zu fassen sich
Nur vom Kronprinzen überreden lassen

Friedrich Wilhelm der Soldatenkönig
Kannte keine Gnade bei mangelnder
Disziplin der Soldaten oder gar wie hier
Fahnenflucht darauf stand der Tod

Armeen leben davon dass es welche
Gibt die für sie in den Tod gehen
Bei Erledigung ihrer Arbeit damit sich
Keiner es anders überlegt galt die Drohung

Damit er nicht auf den Kronprinzen
Den eigenen Sohn schon losging sprang
Ein mutiger Offizier dazwischen der da
Sein Leben anstatt dem König bot

Der grimmige Alte knurrte nur
Ließ Friedrich am Leben sofern
Er ordentlich kujoniert würde
Für Katte aber gab es keine Gnade

Dies ist das Bild des grausamen
Soldatenkönigs das auch Friedrich
Als später König nicht zu ändern
Geruhte auch wenn es ungerecht ist

Die Gerechtigkeit wie damaliges Recht
Forderten die Todesstrafe was für einen
Kronprinzen so galt wie für jeden anderen
Unabhängig von Stand oder Dienstgrad

War es also vorbildliche Gerechtigkeit
Die den auch jähzornigen König damals
Leitete den Sohn zu verschonen aber den
Nur Helfershelfer Katte hinzurichten

Formal hielt sich Friedrich Wilhelm an das
Was damals in Preußen Recht war
Wie er es von jedem Untertan auch
Genau so erwartete zu jeder Zeit

Viel spricht aber dafür dass es hier
Um ein Exempel ging das statuirert
Werden sollte für den Gehorsam wie
Die preußische Disziplin für jeden

Der Soldatenkönig wurde so genannt
Seiner Vorliebe für Soldaten wegen
Besonders hatten es ihm die großen
Männer angetan seine langen Kerls

Dafür gab der kulturell eher sparsame
König der sehr gut haushaltete Unsummen
Aus um diese Elite in Europa sich
Zusammen zu kaufen als Söldner

Zugleich war dieser König aber sehr
Darauf bedacht bloß keinen Krieg
Zu beginnen die guten Soldaten sein
Liebstes Spielzeug zu riskieren

Als Friedrich sich unerlaubt damals
Von der Truppe entfernte war er
Zu Hilfsdiensten für den Kaiser noch
In der Kurpfalz unweit Heidelberg

Von dort sollte die Flucht nach Frankreich
Gehen hoffnungsvoll sich nach England
Absetzen zu können um dort die Tochter
Des Königs seines Onkels zu heiraten

Eine völlig illusorische Hoffnung denn
Auch wenn der König wie Friedrichs
Mutter die Vermählung wünschten
Vorab betrieben war sie ausgeschlossen

Eine königliche Prinzessin heiratete nur
Einen Prinzen von ebenso königlichen
Geblüt und keinen fahnenflüchtigen der
Rang und Titel bei Gelingen verlöre

Auch der König von England hätte keine
Diplomatische Krise mit Preußen oder
Dem Kaiser riskiert für einen bis dato
Nur Knabenmorgenblütentraum

Ob Friedrich bei gelungener Flucht
In England offiziell hätte bleiben
Oder ausgeliefert worden wäre
Gehört zu weiteren Ungewissheiten

Offiziell war der Grund die Liebe
Zur englischen Prinzessin die er
Heiraten wollte dem Wunsch seiner
Mutter hier ganz entsprechend

Stärker bewogen haben dürfte ihn
Die Flucht vor dem tyrannischen Vater
Der ihn dem Wunsch des Kaisers
Gemäß anderweitig verheiraten wollte

Elisabeth Christine von Braunschweig-
Wolfenbütte-Bevern war ausersehen
Aber von Friedrich keinesfalls gewollt
Galt sie als langweilig und hässlich

Zu der später doch vollzogenen Ehe
Die nur die kurze Zeit in Rheinsberg
Bis zu Friedrich Wilhelms Tod glücklich
War an anderer Stelle irgendwann mehr

Ob er sie im juristischen Sinne vollzog
Dazu fähig war oder wollte ist unklar
Auch Tagebücher geben dazu wenig
Aufschluss nur Hinweise eher

Die Art von Christines Notizen zu dieser
Zeit wie Bemerkungen er wäre sie noch
Nach dem Konzert besuchen gekommen
Deuten eher auf Sex auch hin

Jedenfalls hat es ihn nicht genug gebannt
Es später noch wiederholen zu wollen
Behandelte die Gattin rauh und distanziert
Lud sie nie nach Sanssouci woran sie litt

Im Verhältnis zu Katte der großen Liebe
Friedrichs davor spielt sie aber keine Rolle
Vielleicht erklärt sie die Schwierigkeiten
Dieser einseitig ungewollten Ehe aber

Es wurde viel spekuliert über das wohl
Verhältnis der beiden jungen Offiziere
Ob es über die Freundschaft hinaus ging
Darüber gibt es keine Gewissheit

Während Prinz Heinrich später auch
Zu Rheinsberg seine Liebe zu Männern
Relativ offen auslebte tat Friedrich dies nie
Jede Spekulation ist hier insoweit müßig

Wir wissen nichts genaues und wenn wäre
Es auch für das Bild Friedrichs weniger
Wohl wichtig als seine eher asexuelle Art
Die er im Alter voller Sarkasmus auslebte

Es gibt Hinweise für beides was die einen
So die anderen anders deuteten
Gewiss ist jedoch dass der künstlerisch
Begabte junge Mann dem Vater missfiel

Er wollte ihn zu einem guten Soldaten
Wie einen echten Kerl als König erziehen
Davor schreckte er auch nicht vor der
Öffentlichen Erniedrigung Friedrichs zurück

Das Friedrich nach dem Besuch in Sachsen
Bei August dem Starken der ihm seine
Geliebte nackt vorführte beim Gang durch
Das Lustschloss erkrankte ist wohl belegt

Möglicherweise holte er sich dabei den
Tripper war infolge der damals üblichen
Quecksilberbehandlung sein Leben lang
Impotent aber auch das wissen wir nicht

Klar ist nur er hinterließ später keine
Nachkommen mehr und umgab sich
Am liebsten mit einer reinen Herrenrunde
Zu denen nur eine Tänzerin mal kam

Auch ob mit dieser mehr je war als der
Flirt des Rokoko den er genußvoll in seinem
Lustschloss Sanssouci auch auslebte
Bleibt ungewiss kann also dahinstehen

Aber all dies war zum Zeitpunkt der Flucht
Noch unbekannt einzig die starke wohl
Anziehung der beiden Männer war klar
Die Friedrich Wilhelm deutlich missfiel

Katte hatte mit Friedrich die Flucht
Geplant wie in Briefen belegbar war
Der Leutnant des Kürassierregiments
Gens d’armes war acht Jahre älter

Friedrich Wilhelm bestand entgegen
Dem Urteil des Gerichts auf die
Todesstrafe um ein Exempel zu
Statuieren gegenüber Friedrich

Dem Vater war dessen effemenierte Art
Zuwider er hattte einen relegrechten
Hass darauf den er mit seiner Strenge
Auslebte um es ihm auszutreiben

Friedrich gehorchte und bat noch
Den Vater um Verzeihung die auch
Gewährt wurde und das übrige ist
Ein Teil der Geschichte Friedrichs

Katte stammte aus einer Familie
Berühmter wie verdienter Offiziere
Sein Vater wurde Generalleutnant
Die Mutter war die Tochter eines

Der Generalfeldmarschall Wartesleben
War noch vom Großvater Friedrich I.
Angeworben worden und wurde von
Friedrich Wilhelm sehr geschätzt

Doch auch ein Gnadengesuch des
Preußischen Generalfelmarschalls
Konnte den begabten Premierleutnant
Vom Gens d’armes nicht retten

Spannend wäre zu wissen ob zwischen
Friedrich und Katte mehr war und das
Der Grund der Härte war zum bloßen
Jähzorn sexuelle Diskriminierung käme

Doch wissen wir es nicht und die ewigen
Mutmaßungen führen uns nicht weiter
Beim Blick auf die dilettantische Flucht
Wie den Plan ohne Ziel verwirrt es sich

Die Hochzeit mag ein Grund gewesen
Doch hätte er alles auch seine Krone
Riskiert um einer Ehe zu entgehen
Auch wenn Friedrich romantisch war

Nach seiner Krönung ergibt sich dann
Ein ganz anderes Bild des kühlen Strategen
Der die Chance eines geschwächten
Österreich zur Eroberung nutzte

Maria Theresia die auch gerade erst
Den Thron bestieg war der Liebe gefolgt
Hatte ihren Lothringer geheiratet sowie
Die pragmatische Sanktion riskiert

Friedrich hatte wunschgemäß geheiratet
Den besten Freund was immer er sonst
Friedrich noch war vor seinen Augen
Hingerichtet gesehen durch den Vater

Den geizigen König dem der Sohn dies
Um der Krone willen oder des Friedens
Wegen verzieh der ihm eine starke Armee
Wie volle Kassen vererbte

Der philosophische Kronprinz wurde
Zum strategischen Militär der sein
Imperium ohne zu zögern vergrößerte
Um am Ende wieder Philosoph zu werden

Katte der Freund durfte dies nicht erleben
Er wurde in der Gruft der Familie beigesetzt
Friedrich wurde gebrochen und gehorchte
Wurde großer König wie mutiger Krieger

Hat erst die Erniedrigung den Helden der
Kriege so wagemutig gemacht als er
Leicht sein Leben riskierte das ihm nichts
Mehr galt nach Kattes Tod vielleicht

Wollten die beiden weniger aus Vernunft
Oder Freiheitsdrang fliehen denn aus
Liebe und Leidenschaft wäre manches
An diesem Unsinn verständlicher noch

Wir wissen es nicht genau und unterlassen
Darum alle weitere Spekulation nachdem
Der Gerüchte genug gestreut wurden fragen
Lieber was die Todesstrafe noch soll

Es erinnert an die harten Strafen für Agenten
Den Kriegern aller kalten Kriege auf Erden
Die der Abschreckung dienen und doch nichts
Als verlogen bis heute noch sind

Einzig die Todesstrage ist unwiderruflich
Sobald sie vollzogen wurde warum sie
Das immer illegale Instrument bleibt
Angemaßter Macht über das Leben

Über das Leben kann und darf nur
Jeder selbst entscheiden auch wenn
Dies Thema gerade heute wieder
Heiß diskutiert wurde im Bundestag

Der Suizid ist nicht strafbar dagegen
Die professionelle Beihilfe dazu nun
Seit neustem wieder was jede Form
Organisierter Sterbehilfe kriminell macht

Ob das gut so ist wird an anderer Stelle
Noch zu diskutieren sein zumindest
Drückt sich darin der hohe Respekt aus
In der Tradition des GG vor dem Leben

Es wird hier niemand leichtfertig gehängt
Auch politisch nicht auf Demos und wenn
Haben diejenigen dafür geradezustehen
Wird der Staat hart strafen müssen
Todesurteile und Sterbehilfe sind völlig
Verschieden im Grundsatz wie im Detail
Sterben wollen dürfen und töten dürfen
Bleiben zweierlei Dinge und doch so nah

Wer die Todesstrafe aus guten Gründen
In der Tradition des Humanismus wie
Der Aufklärung als Basis unserer Kultur
Ablehnt wird das Leben sorgsam schützen

Wir hatten eine ähnliche Diskussion schon
Als es um Abtreibung ging und Fristen
Wo ein irgendwie Kompromiss zu Lasten
Behinderter dann doch gefunden wurde

Der Bogen von der willkürlichen Todesstrafe
Zur nützlichen Sterbehilfe aus welchen Gründen
Wem sie auch immer nutzen würde ist enger
Als es scheint darum gut hier klar abzugrenzen

Es ist die schlimmste menschliche Vernichtung
Teil unserer Geschichte für die bis heute noch
Ausschwitz steht als Symbolort professionell
Organisierten Tötens das verpflichtet

Es wird darum nie wieder hier die
Todesstrafe nur gedacht oder diskutiert
Sie ist tabu und darum sind wir sorgsam
Auch mit werdenden Leben schon

Dies bei Achtung der Freiheit die auch
Beim Suizid relevant und eben gerade
Ausdruck der Willensfreiheit ist scheint
Die Regelung ein tragbarer Kompromiss

Es soll das Leben so stark geschützt sein
Auch künftig noch dass eine ökonomische
Betrachtung des Lebenswertes nie mehr
Entscheided sein soll wer leben darf

Wir töten nicht weil es keinen zusteht
Es nie eine richtige Entscheidung sein kann
Die Tat unwiderruflich bleibt und genauso
Lassen wir Geld beim Suizid weiter raus

Friedrich spielte zeitweise mit Gedanken
An Selbstmord auch später noch im Feld
Er tat es nicht auch in auswegloser Situation
Auch durch Freunde gerettet oft

Mehr füreinander da sein könnte helfen
Was ist besser auch künftig zu ertragen
Habe hunderte Patienten in den Tod begleitet
Am Ende sind noch alle gestorben

Dann ist nichts mehr
Bis dahin können wir
Alles tun zu genießen
Es einander schön zu machen
jens tuengerthal 5.11.15
 

 

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