Montag, 14. September 2020

Geisterdialog

Große Literatur öffnet manchmal
Tore in unserem Geist von denen
Wir nicht mal wussten dass es sie
In ganz versteckten Winkeln gab
Was mich an Lampedusa's Roman
Über den Leoparen in Palermo
Erinnert und dessen Beschreibung
Des dortigen Palastes dessen letzte
Winkel manchmal seit Jahren schon
Von niemandem mehr betreten 
So ging es mir heute bei der Lektüre
Des Dialogs von Torquato Tasso
Mit seinem Flaschengeist in dem
Band von Giacomo Leopardi aus
Der Anderen Bibliothek in dem der
Mutmaßlich lange geisteskranke Dichter
Sich mit jener Phantasiegestalt so
Klug wie weise unterhält die zeigte
Auch wenn der Dichter am Ende der
Italienischen Renaissance als Franz I.
Mit Karl V. um Vormacht noch kämpfte
Nach heutiger Sicht wohl schizophren
War doch geistig überlegen blieb ob
Seine verehrte Geliebte nun wirklich
Prinzessin aus dem Hause d’Este war
Oder niemals wirklich es wurde allein
Ein idealer Traum von Liebe ihm blieb
Welche gern die große genannt wird
So erzählt er dem Geist wie sehr er
Sich wünsche seine Leonora doch
Nur einmal wiederzusehen worauf
Der Geist ihm verspricht sie ihm
Als Traum erscheinen zu lassen
Was Torquato zurückweist weil
Doch Träume nichts wahres wären
Woraus sich ein Dialog zwischen
Torquato und seinem Flaschengeist
Entspinnt der so wunderbar ist
Wie philosophisch tief zugleich
Viel über das Verhältnis von
Frauen und Männern offenbart
Wie auch die Illusion des Glücks
Dahingestellt ob dieser allein ein
Spiegel seiner Krankheit war oder
Zeichen höheren Genies das auch
Dessen spätere Dichtung noch
In schönster Form uns zeigte
Sicher offenbart dieser Dialog aber
Das Genie des jung verstorbenen
Auch aus altem Adel stammenden
Grafen Leopardi der sich früh schon
In der berühmten väterlichen Bibliothek
Weiterbildete als sein Wissen bereits
Das seiner eigentlich Lehrer überstieg
Sogar Zugriff auf zensierte Bücher hatte
Was eindrücklich sich zeigt als der Geist
Der Torquato Tasso nahelegt lieber
Glücklich mit Träumen zu sein statt
Weiter an der Realität unerfüllter Liebe
Zur jungen Prinzessin d’Este zu leiden
Sich wundert warum die Menschen doch
In der Liebe dazu neigen Frauen zu
Göttinnen zu machen die sie verehrten
Als wären sie vollkommene Wesen
Was der kleine Dichter hier gut kennt
Da auch mit dieser Neigung geplagt
Sich aber wundern wenn sie später
Nachdem sie die Realität menschlich
Miteinander genossen haben sich nicht
Mehr als Engel zeigen sondern natürlich
So menschlich eben unvollkommen wie
Die Männer von denen sie angebetet
Welche gerne Träume von Liebe lebten
Dafür jede Realität bereitwillig leugnen
Wie habe ich meine Göttin angebetet
Sie aber zugleich auch ganz menschlich
Körperlich genießen wollen was aber
Durch vorige Anbetung sphärisch wurde
Wie es uns verwirrten Männern oft geht
Wenn wir überzeugt sind zu lieben aber
Zugleich natürlich begehren wollen die
Menschlichkeit der Göttin aber die so
Unvollkommen ist wie wir gerade auch
In dem was sie uns gerne unterstellen
Was nur ihre Triebe wahrhaft spiegelt
Auch als eigentlich Atheisten verleugnen
So wurde mir plötzlich ganz klar wie
Natürlich menschlich die Liebe ist
Gerade nach heiliger Anbetung die
Natürlich die Realität enttäuscht weil
Traumgestalten nie real werden wir
Nur so schlechte kleine Menschen
Treffen wie es unserem Charakter
Schon immer entsprach sich also
Eins im anderen quasi gleich darin
Spiegelt und es keine Engel gibt
Die Liebe zutiefst menschlich ist
Warum es Glück genug sein kann
Im Leben von einem Geist einen
Schönen Traum als Geschenk zu
Bekommen um glücklich zu sein
Weil mehr als Traum und Illusion
Die Liebe ohnehin nie sein kann
Wir sie entweder als Ideal vergöttern
Was ich lange bereitwillig tat um
Den schönen Traum zu leben
Der in Leiden münden musste
Weil unser ganzes Leben stets
Zwischen Traum und Leid wechselt
Erfüllung Illusion immer bleibt
Wie der Geist Torquato beweist
Wir also besser glücklich träumen
Statt diese leben zu wollen was
Den Traum zur Realität uns machte
An deren Gewöhnlichkeit noch
Jeder Traum zu bald zerbrach
Warum sein Geist Torquato im
Gefängnis seiner Langeweile rät
Dankbar zu träumen um damit
Für ein Leben glücklich zu sein
Mehr wäre nicht zu erwarten
Was ich ernüchtert nun lächelnd
Betrachte und bemerke wie auch
In mir dieser Geist sehr stark ist
Der von großer Liebe gerne träumt
Sein Leben an den Traum hängte
Von der heiligen Prinzessin die
Uns ernüchtert erwachen ließ
Aber lange verklärt noch wurde
Statt sie als Alp zu erkennen
Warum ich Träume nun Träume
Sein lasse in der Realität lieber
Gute Bücher noch mehr lese
So kluge Texte ganz zu genießen
Denke daran wer mir das Buch
Einst schenkte und freue mich
So viel kluges lesen zu dürfen
Vielleicht bleibt ja was hängen
Vom jung gestorbenen Dichter
Der eine Dekade jünger blieb
Als ich es nun bin was mir
Zum Glück nun genügt

jens tuengerthal 13.9.20

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen