Sonntag, 30. August 2020

Sozialverwandt

Verändert sich Familie durch soziale Verwandtschaft?

Es gibt verschiedene Formen der sozialen Verwandtschaft, die in parallel gelebt werden und sich teilweise sogar überschneiden. Vor einigen Jahren wurden endlich die Partnerschaften homosexueller Paare der Ehe gleichgestellt, auch beim Adoptionsrecht, was eine neue Form der sozialen Familie eingeführt hat. Länger bekannt sind schon die Patchworkfamilien, wo sich Kinder aus vorigen Partnerschaften oder auf egal welche Art gezeugte Nachkommen mit teils eigenen neuen wie denen des neuen Partners zusammenfinden.

In diesem Bereich gibt es auch viele Adoptionen, also Annahmen fremder Kinder als eigener, um in der neuen Familie eine Gemeinschaft zu bilden, den Kindern das Gefühl von Gleichberechtigung zu geben. Dazu kommen nun die Kinder homosexueller Partner, die entweder durch künstliche Befruchtung, Adoption oder aus vorigen herterosexuellen Beziehungen kommen. Kinder sind damit nicht immer natürliche Nachkommen ihrer Eltern.

So ganz neu ist diese Entwicklung nicht. Bei den Römern wurde sie schon lange akzeptiert und war gängige Praxis. So sind einige Kinder aus dem Geschlecht der Julianer etwa, die Kaiser wurden, angenommene, galten aber wie eigene, konnten sogar beim Erbe der Kaiserkrone bevorzugt werden, um den besten Nachfolger zu finden, dahingestellt, ob das dabei immer gelungen ist.

Einige Untersuchungen haben festgestellt, dass die Zahl der Missbrauchsfälle in Patchwork Familien, etwa in den USA, wo die Studie durchgeführt wurde, deutlich erhöht war. Ob das an einer geringeren Hemmschwelle gegenüber den angenommenen Kindern liegt oder das Sozialverhalten in solchen Familien ein anderes ist, weil die Offenheit für andere Lebensformen größer ist, konnte dabei nicht nachgewiesen werden. Zumindest scheint es in dieser Konstellation für Kinder ein höheres Risiko sexuellen Missbrauchs zu geben. Möglich ist auch, dass sich Täter mit einer solchen Neigung bewusst Frauen mit Kindern aussuchen und das für ihre Zwecke ausnutzen, womit noch nichts über die Tauglichkeit dieses Modells im übrigen gesagt werden könnte.  Enthalte mich darum jeder Bewertung und gebe nur wieder, wovon ich in Christina von Brauns Blutsbande las, denke aber es sollte im Interesse der Kinder genau beobachtet werden. 

Habe, meines Wissens, nur ein Kind und war mit dessen Mutter über viele Jahre in einer nicht staatlich legalisierten Beziehung bei geteiltem Sorgerecht verbunden. In diesen Fällen, muss der Vater, also auch ich, ausdrücklich seine Vaterschaft erklären und die Mutter wurde in unserem Fall mehrfach und eindringlich gefragt, ob sie wirklich ein geteiltes Sorgerecht wolle, was dagegen im Falle ehelicher Kinder vermutet wird. Hier gilt ein Kind als vom Vater stammend, wenn es in der Zeit des Bestands der Ehe gezeugt wurde, ohne dass es einer weiteren Prüfung oder genauerer Nachweise bedarf. Die Väter ehelicher Kinder werden also durch eine Vermutung gegenüber den nichtehelichen privilegiert, da der Staat ein Interesse am Bestand der Ehe als Ordnungsform der Familie hat.

Dies zeigt sich auch beim Familiennamen, den das gemeinsame Kind trägt und der also auch einen guten Teil seiner Identität ausmacht. In der Ehe gibt es genaue Regelungen, welchen Namen gemeinsame Kinder führen, falls die Partner sich nicht schon für einen gemeinsamen Namen entschieden haben. Bei einer nicht staatlich legitimierten Partnerschaft, entscheiden dies die Partner und ich wurde bei der Eintragung meiner Tochter, die auch auf Wunsch meiner damaligen Partnerin hin, meinen Nachnamen tragen sollte, mehrfach gefragt und mich erklären und rechtfertigen wie die ausdrückliche Erklärung meiner Partnerin dazu vorlegen, weil der nichteheliche Vater als zweifelhaft behandelt wird.

Dafür gibt es gute Gründe, um eine Diskriminierung der Mütter zu vermeiden, die lange Zeit eher üblich war. Inwieweit das nun zu einer Diskriminierung der Väter führte, ist eine andere Frage. 

Neue Fragen dazu stellen sich in homosexuellen Partnerschaften oder in Fällen der künstlichen Befruchtung. Wie wäre es etwa, wenn sich ein Paar zusammenfindet, bei dem die Frau ein Kind durch künstliche Befruchtung bekam, der Partner später dazu kam und das Kind wie ein eigenes annimmt, frage ich mich - würde sich der Name des Kindes automatisch ändern, wenn die Eltern heiraten und sich für einen Familiennamen entscheiden würden, dürfte das Kind mitentscheiden?

Was ist bei einem homosexuellen Paar, das in ein einer eingetragenen Partnerschaft lebt und als solche ein Kind adoptiert, aber keinen gemeinsamen Familiennamen führt, wessen Name hätte dabei Priorität?

Das Thema sozialer Verwandtschaft scheint in vieler Hinsicht komplex und wird vermutlich noch Grund für manche spitzfindige juristische Streitigkeiten geben, bei denen auch das Namensrecht eine nicht geringe Rolle spielen dürfte, das inzwischen Doppelnamen eher ausschließt, um Kinder und Ämter zu entlasten aber damit nicht unbedingt zu mehr Gerechtigkeit führte.

Wie ist es mit angenommenen aber nicht adoptierten Kindern, die in einer Familie aufwuchsen aber da nicht adoptiert, keine privilegierten Rechte gegenüber den natürlichen Kindern haben, sondern erbrechtlich sogar klar benachteiligt wären?

Angesichts vieler neuer Formen des Zusammenlebens und der Verbindung, stellt sich mir die Frage, inwieweit es nicht eine klare und einfache Regelung zum Wohle der Kinder bräuchte oder sich der Staat besser mehr zurückhielte und Eltern in Fragen des Namens und ähnlicher Dinge alleine entscheiden ließe.

Die Blutsverwandtschaft kann ich nicht beenden. Wenn sich der Erbe nicht völlig daneben benimmt, ist eine Enterbung meist unzulässig. Bei der sozialen Verwandtschaft kann das anders sein. Ist eine solche Unterscheidung gerecht gegenüber adoptierten oder sonst angenommenen Kindern?

Verhindert die Unterscheidung, die es juristisch gibt, nicht die natürliche Integration und Annahme, weil diese Kinder rechtlich eine andere Stellung haben?

Frage mich, was gerechter oder besser wäre und mehr zur Integration beitragen könnte. Eine völlige Gleichstellung mit den natürlichen Kindern wäre eigentlich das rechtlich gebotene. Unklar ist nur, ob dies nicht zu einer Diskriminierung dieser Kinder führte. Halte die mögliche Diskriminierung der natürlichen Kinder gegenüber den sozialen oder angenommenen aber für verkraftbar und weniger tragisch als eine Fortsetzung der rechtlichen Diskriminierung der angenommenen Kinder.

Doch wandeln wir hier noch auf einen dünnen Grat wechselnder Akzeptanz in der Gesellschaft, der sich erst langsam verändern wird. Die rechtliche Grundlage völliger Gleichberechtigung wäre in dieser Hinsicht ein gutes Zeichen für Familien, die diesen Schritt wagen, um den Bestand der neuen Beziehungen zu schützen. Zuvorderst sollte immer der Schutz der Kinder stehen.

Fraglich nur, ob etwa im hohen Alter angenommene Kinder, die nur die eigenen ausbooten sollen, gerecht sein können und wer dabei mehr Schutz verdient. Kann Erbe oder seine Erwartung überhaupt je schutzwürdig sein?

Es stellen sich in einer komplexen Gesellschaft immer mehr Fragen, je nach Art des Zusammenlebens. Fraglich jedoch erscheint mir, ob es auf diese eine allgemeine Antwort geben kann oder wir statt immer feinerer juristischer Regelungen, die den Streit verhindern sollen, nicht immer mehr Rechtsstreitigkeiten bekommen an denen vor allem Anwälte gut verdienen und das unterstützenswert ist.

Wäre weniger Regelung und mehr Freiheit bei einem klar vorrangigen Schutz der Kinder nicht das wichtigste?

Wenn wir dies aber anerkennen würden, müssten wir fragen, was am wichtigsten für die Kinder ist und wie wir sie vor Zwist nachhaltig schützen können.

Könnte mir vorstellen, dass ein Wahlrecht der Kinder hinsichtlich ihres Namens mit Erreichen der Volljährigkeit die einfachste und beste Lösung wäre, dem Streit aus dem Weg zu gehen. Auch mehr Mitsprache der Kinder könnte manche Konflikte verhindern und vielleicht die Einigkeit in der Familie erhöhen, auch wenn das manchen noch unvorstellbar scheint. Trauen wir den Menschen mehr zu, haben sie auch die Chance, sich besser zu zeigen und die Dinge in ihrem Sinne zu ordnen. Was auch für viele andere Konflikte in der sozialen Familie gilt, die eben vom Miteinander mehr lebt, als vom Gegeneinander und manchen Rosenkrieg verhindern könnte unter dem besonders die Kinder leiden.

Familie könnte so eine soziale Heimat werden, in der wir auch wahlverwandt sein können, wenn wir uns so wohl und gebunden fühlen. Weniger Regelung und mehr Suche nach gemeinsamen Lösungen, könnte ein besserer Weg sein als der Kampf um Recht. Es gibt nicht die eine Antwort auf alle Fälle, sondern es ist in jedem Fall anders, darum sollten wir weniger auf Gesetze als auf moderierte Gespräche setzen, um Konflikte nachhaltig zu lösen.

jens tuengerthal 30.8.20

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