Gibt es die wahre Liebe und Wahrheit in der Liebe?
Habe schon früh gedacht, dass ich mit dieser oder jener für immer zusammen bleiben wollte, wir heiraten, glücklich werden und bis ans Ende unserer Tage wunderbaren Sex haben würden. Habe dieses Versprechen schon viermal formell in eine Verlobung, also ein Eheversprechen überführt und dies tatsächlich immer mit dem Willen zu heiraten, obwohl schon Menge und Wiederholung mich hätten stutzig machen können, ob der wahren und einzigen Liebe, wollte ich immer wieder an die große Liebe glauben, besonders bei meiner letzten Liebe, die mir auch einst versprach und mir dies schriftlich gab, für immer bei mir bleiben zu wollen, was nach der realen Trennung aber keinerlei magische Wirkung entfaltete, im Gegenteil führte meine Erinnerung daran bei ihr nur dazu, mich für völlig verrückt zu erklären, womit sie zu diesem Zeitpunkt sicher nicht völlig unrecht hatte.
Wahnsinn aus Liebe - kein zu seltener Befund und dazu müssen wir nicht mal den Werther oder Romeo und Julia bemühen, es würde vermutlich auch ein kurzer Besuch in der nächsten Psychiatrie reichen. Heute, mit 18 Monaten Abstand, sehe ich es anders und habe zum Glück wieder die Fähigkeit zur realistischen Relativierung gewonnen, den tollen Frauen dazwischen sei dank.
Spannender aber als mein Wahnsinn oder ihrer, mich wahnsinnig tollen Mann nicht mehr lieben zu wollen, worüber es bestimmt verschiedene Auffassungen geben würde, stellte ich es zur Diskussion, worauf ich aber, um meines Selbstwertes willen, der manchmal auf dünnem Eis nur steht, wie es wohl relativ menschlich ist, lieber verzichten möchte, ist die Frage, ob sie die Wahrheit sagte, als sie mir ewige Liebe versprach oder mich immer anlog, weil sie es weder konnte noch wollte, weil ohnehin nichts für die Ewigkeit ist und nur ich verliebter Narr, den Mädchenmorgenblütenworten traute.
Habe ihr genauso oder zumindest ähnlich lebenslange Liebe versprochen und es auch tatsächlich so gemeint, auch wenn meine Vernunft mir eigentlich längst sagte, das konnte nicht gut gehen, fühlte ich mich doch noch sehr lange innerlich an dies ewige Versprechen gebunden, wollte nie wieder eine andere, was die Realität inzwischen erledigte und dennoch frage ich mich immer wieder, was es mit der wahren Liebe auf sich hat, ob sie je endet, es sie nur einmal gibt, Versprechen aus Liebe gehalten werden müssen oder nie, weil sie eben nur eine relative Gültigkeit haben, solange wir unter der hormonellen Droge des Gefühls stehen und keines klaren Gedankens mehr fähig sind, von der sie sich spürbar schneller befreite als ich oder die sie zumindest schon ganz bald wieder auf den nächsten natürlich noch perfekteren Mann ihres Lebens projizieren konnte, womit der Alte, also ich, erledigt war.
Das ist alles gut und normal und eben der Lauf des Lebens und das normale Risiko alternder Männer, die sich mit zu jungen Damen einlassen. Kann darüber inzwischen lächeln und denke ich an die wunderbaren Frauen, denen ich begegnen durfte danach, kann ich nur voller Dankbarkeit sein, verlassen worden zu sein, um befreit zu leben. Doch immer wieder treibt mich die Frage um, ob es die wahre große Liebe gibt, es Wahrheit war, was wir uns versprachen, wir es so meinten oder beide logen, weil kein Mensch vernünftigerweise solchen Unsinn versprechen kann, zumal einen die Realität ja schon nach nichtmal zwei Jahren eines besseren belehrte, die letzte Verlobung sich erledigt hatte und ich, der immer meinte, mich um sie kümmern und sorgen zu müssen, mich von ihr aus gutem Realismus für verrückt erklären lassen musste, immer noch an ihr zu hängen.
Gibt es in der Liebe nur eine relative Wahrheit, die an zufälliger Koinzidenz hängt?
Aller Realismus spricht dafür und es lebt sich besser über die gegenseitigen wahnsinnigen Versprechen und ihre Geburtstagskarten und ähnliche ewige schriftliche Liebesschwüre so zu lachen wie über die gleichen Verfluchungen danach, alles nicht so furchtbar ernst zu nehmen, weil die Liebeserklärungen von jungen Damen Anfang 20 eben nur eine beschränkte Haltbarkeit haben und flexibel austauschbar sind. Dagegen spricht aber der Absolutheitsanspruch der Liebe, die nie enden sollte, die Treue zu eigenen Versprechen und fortbestehender Wahnsinn.
Las heute in Alain Badious Lob der Liebe über genau diese Frage der Wahrheit der Liebe, der das ganze wunderbar philosophisch betrachtet, sich dabei aber auch typisch französisch auf das Glatteis echter Empfindungen begibt, statt deutsch kantianisch Abstand zu halten, wie ich es mit dem falschen Anschein der Nüchternheit hier vorspiele. Es beginnt schon mit der Liebeserklärung, die einen großen Anspruch auf Wahrheit hat und doch nur, vernünftig betrachtet, ein relativ gültiger Gefühlsausdruck ist, den vernünftige Menschen, der am besten passenden Situation anpassen.
Haben wir uns beide angelogen oder nur sie mich, meinte sie, was sie schrieb, als sie ewige Liebe versprach?
Über sie kann ich nichts sagen und also beschränke ich mich auf meine Sicht der Dinge. Nach meinem Gefühl waren wir beide in dem Moment von dem Wahnsinn, den wir verkündeten überzeugt und wollten diesen Weg gehen. So hat in dem Moment keiner gelogen, wir wollten es vermutlich beide so, wie wir es uns auch öffentlich in sozialen Netzwerken versprachen, weil wir eben so verrückt wie nur möglich waren und das war auch gut so. Das war also in diesem Moment gefühlt für beide wahr. Keiner hat da gelogen und ich will auch nichts anderes denken.
Später war es nur noch für mich wahr aber für sie nicht, was eine gewisse beinah tödliche Tragik für mich hatte aber, was soll ich dazu nun sagen, so spielt da Leben eben mit unvernünftigen älteren Herren kurz vor fünfzig, damit sie ihre Grenzen kennenlernen, die doch natürlich eher bescheiden sind, wie es die Zeit eben mit sich bringt.
Inzwischen ist es wohl für keinen mehr wahr und aller Wahrscheinlichkeit nach, wird sich daran auch nichts im Leben mehr ändern aber wer wäre ich, dem Ende vorgreifen zu wollen, das kommen soll, wie es ihm gefällt und mich in der Gegenwart nicht weiter tangiert.
Die Liebe ist ein Glaube, praktisch irreal und nur auf einem Versprechen fußend. Solange sie besteht sind ihr entsprechende Versprechen ihre Wahrheit. Wo der Glaube aneinander fehlt, gibt es nichts mehr, was verbindet außer vielleicht die Sehnsucht nach einer verlorenen Vergangenheit, die der erfahrene Mann lieber schnell vergisst, weil es immer müßig ist als Mann dabei etwas zu wollen, was Frauen ohnehin nach ihrem Gefühl gestalten.
Habe mich ja nun schon nach diesem mich dem Wortlaut nach mein Leben lang bindenden Versprechen mehr als einmal wieder dem Glauben an neue Liebe hingegeben, wenn auch nicht so extrem und lieber etwas vernünftiger, womit logisch Leidenschaft fehlte aber auch viel weniger täglich gelitten wird, doch überzeugt, es zu können. Zwar spielte mir noch manchmal die Erinnerung einen Streich, ließ mich glauben, ich könnte nur diese eine lieben und nie wieder eine andere und versprochen wäre versprochen aber zum Glück relativiert die Nähe zu vernünftigen Frauen und ihre Anziehung alles.
Interessant ist hier die sprachliche Nähe von versprochen zu versprochen als dem Versprechen oder dem Versprecher, der bedeutungslos weil nicht gewollt sein soll und doch scheint manches Versprechen wie ein Versprecher und bindet mancher Versprecher mehr als heiligster Eid, weil Sprache sich seltsam nah kommen kann.
Habe lang gebraucht, um für mich zu merken, wir haben es vermutlich beide so gemeint, also die Wahrheit gesagt in dem Moment, es aber aus erwartbaren Gründen nicht miteinander hinbekommen, womit sich die vorige Wahrheit erledigt hat, weil ihr die praktische Basis fehlt, was eigentlich ganz logisch und einfach klingt, auch wenn emotionale Umsetzung und theoretische Erkenntnis zwei Paar Schuhe sind.
Am lustigsten daran ist, warum ich die wahre Liebe und die Wahrheit hoch hielt, was ich bei klarem Verstand schon immer für Unsinn halte, weil die Wahrheit eben die Erfindung eines Lügners ist, wie es der kluge Heinz von Foerster noch so treffend auf den Punkt brachte im gleichnamigen Buch. Die Anmaßung der Wahrheit ist, was auch Badiou völlig übersieht, eine totalitäre Besitzergreifung und jeder Vernunft fern, Ausdruck von Aberglaube höchstens noch, weil keiner die Wahrheit kennen kann und so bleiben immer nur verschiedene von unterschiedlichsten Komponenten abhängige relative Wahrheiten, die also keine sind, in der Wirklichkeit eines kleinen Moments.
Denke über dies Versprechen von großer Liebe, dass wir beide es wollten und ernst meinten, aber die Umstände eben nicht für eine Realisierung sprachen, woran immer alle Betroffenen beteiligt sind und sehe es als eine zeitweise totalitäre Verirrung, die meinem freien Geist sonst eher fremd ist. Auch wenn ich natürlich immer noch gerne ankäme, erfüllt von großer Liebe und dem Gefühl mit einer glücklich zu bleiben aber vielleicht braucht die Liebe auch diese etwas absurden und eigentlich totalitären Ansprüche, um den anderen gewöhnlichen Unsinn miteinander zu ertragen.
Was weiß ich schon, denke ich mit Montaigne, auch über die Liebe und bin mir zumindest sicher, da waren zwei einen Moment lang verrückt genug daran zu glauben und irgendwann war die Vernunft wieder stärker und wenn sie nicht gestorben sind lieben sie weiter irgendwen, bis ans Ende ihrer Tage und nur ich rede seltener von wahrer Liebe.
jens tuengerthal 4.8.20
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