Wonach wählen wir Partner aus?
Die gewählten Verwandten, mit denen wir uns entscheiden ein Leben und hoffentlich auch ein Bett zu teilen, sind unserem Leben die nächsten. Außerhalb des Berufes, verbringen wir die meiste Zeit mit ihnen. Eine vernünftige Auswahl, würde sich also empfehlen, um nicht nach dem ersten Rausch der Hormone ernüchtert und enttäuscht zu erwachen.
Doch wann treffen wir je dabei eine vernünftige Entscheidung?
Die meisten Beziehungen beginnen heute hormonell gesteuert, weil wir uns verlieben und oder sexuell begehren. Dabei ans Ziel der Sehnsucht zu kommen, versprechen wir uns meist noch in völliger Unkenntnis des anderen manches, was wir später oder schon bald Liebe nennen. Im Alltag wundern wir uns dann, warum die wunderbare Zeit plötzlich endet, der oder die andere, für den wir vorher voller Glück schwärmten, uns plötzlich unerträglich erscheint, auch wenn sich bei nüchterner Betrachtung nur zeigt, was immer schon da war, die vorhandenen Eigenschaften haben wir nur unter dem Einfluss von Hormonen und Gefühlen erfolgreich verdrängt.
Kann mich nicht erinnern, eine Beziehung allein aus Vernunftgründen begonnen zu haben - wann haben wir auch wirklich die Wahl dazu, denke ich dabei und erinnere mich der Verwirrung, in die mich die hormonelle und emotionale Steuerung immer wieder gestürzt haben. Bin unter Einfluss dieser unvernünftigen Steuerung mit einer vermeintlich großen Liebe zusammengezogen und wunderte mich später über das verstärkte Auftreten der vorher schon sichtbaren und bekannten Eigenschaften. Hätte sie in diesem Zustand beinahe und gerne geheiratet, weil sie mir so vollkommen erschien und diese Liebe als das größte Glück, welchen guten Grund sollte es für die Ehe sonst geben, denke ich immer noch manchmal, auch wenn mich Erfahrung und Vernunft eines besseren belehrt haben könnten.
Entsprechend stürzte ich nach dem Ende solcher Achterbahnfahrten mehr als einmal in tiefste Zweifel auch am Leben, weil ich so sehr und ganz an die Liebe glauben wollte, für sie lebte, was nun vollends unvernünftig scheint, statt froh zu sein, das ewige Theater hinter mir zu haben. Aber wir entscheiden in emotionalen Dingen eben selten vernünftig, Depressionen fragen nicht, ob es passt, wenn sie auftauchen, und wir wundern uns hinterher über das manchmal erschreckende Ergebnis. Vielleicht gibt es Menschen, die all das sehr vernünftig regeln und ordnen, sollte ich nicht wir sagen, sie verdienten sicher Bewunderung, mir ist das noch nie gelungen, im Gegenteil, es fing immer emotional und von Hormonen getrieben an und kaum eine wichtige Entscheidung wurde nach ruhiger Abwägung und vernünftig getroffen. Nicht mal meine Verlobungen, also die Versprechen ein Bündnis auf Lebenszeit zu führen, habe ich sonderlich abgewogen unter Berücksichtigung aller Umstände bisher entschieden, sondern immer eher von großem Gefühl und einem gemeinsamen Traum getrieben, vielleicht noch mit der Hoffnung auf sexuelle Erfüllung, wobei die dabei selten eine große Rolle spielte, eher der Wunsch eine Familie zu gründen.
War mir sehr bewusst, was das Eheversprechen bedeutet und was ein Lebensbund heißt, hatte es von meinen Eltern und Großeltern vorgelebt bekommen, sah vernünftigerweise die Hindernisse, die schon für die Liebe im Eheversprechen liegt aber wollte es dennoch immer wieder und würde es immer noch nicht für mich ausschließen, auch wenn ich sehr hoffe dabei nun vernünftiger und weniger emotional vorzugehen, was eine große Illusion schon war.
Was macht es also aus, was ein glückliches und gemeinsames Leben sein könnte?
Sicher gehört bei einer Beziehung auch die Liebe dazu, spielt die zentrale Rolle, spätestens seit der Romantik, wollen alle gern ihren Lebensbund darauf gründen, während vorher eher Vernunftgründe maßgebend waren und Ehen arrangiert wurden, wie es bis heute in vielen Teilen der Weltüblich ist. Dazu gehört auch der schöne Sex, wobei der mit zunehmendem Alter oft an Bedeutung verlieren kann aber nicht muss - manche entdecken auch erst jenseits der 50, was wirkliche Lust sein kann, nichts ist unmöglich. Viel wichtiger aber, und oft vernachlässigt, ist die Frage, was ein gemeinsames Leben ausmacht, wie der Alltag funktioniert und was an schönen Dingen geteilt werden kann.
Für mich wäre daher immer zentral, sehe ich von der gern idiotischen Hormonsteuerung einmal ab, ob ich mit meiner Partnerin die Liebe zu guten Büchern teilen kann, welche gemeinsamen Unternehmungen beiden Freude machen würden, was an kulturellen und sonstigen Dingen mit Freude geteilt werden könnte, wie kompatibel die Familien wären, insofern mir Familie sehr wichtig ist, womit die gemeinsame Zeit, die immer knapp bemessen ist, gerne und mit Lust verbracht würde. All diese Punkte entdecken wir oft erst lange nach der schon längst unter Einfluss der Hormone getroffenen Entscheidung. Dann kann es zufällig gut passen oder eben eher weniger, was oft zu großen Enttäuschungen führt, weil es sich doch vorher so schön anfühlte und im Rausch der Hormone noch große Versprechen gemacht wurden.
Der alte Spruch, drum prüfe sorgsam, wer sich ewig bindet, hat vernünftig betrachtet viel wahres in sich und ich würde ihn sofort unterschreiben, dahingestellt, ob ich auch immer danach handeln werde. Jemanden zu finden, mit dem du ohne viel Streit klar kommst, mit dem das Leben sich gut und harmonisch anfühlt, ist für ein dauerhaft glückliches Leben viel bedeutender als der größte sexuelle Reiz und die heißesten Gefühle und Liebesversprechen, deren Haltbarkeit bekanntlich oft relativ kurz gemessen am Ausmaß der Ankündigung sind.
Es gibt sehr wenige Menschen, mit denen dir das gelingt, könnte sie vermutlich an einer Hand aufzählen, vielleicht gibt es auch nur einen oder eine für jeden und wenn du das Glück hast, die oder den zu treffen, würde ich inzwischen sagen, genieß es und denke über nichts anderes mehr nach, weil es ist, wie es ist, zumindest vernünftig betrachtet, doch wer ist in diesen Dingen schon vernünftig und wägt all diese Dinge nüchtern ab. So könnte ich noch lange über die vernünftige Partnerwahl wie ihre guten Gründe sprechen und wäre doch nicht sicher, ob ich im entscheidenden Moment von Vernunft geleitet würde oder, wie es mein Großvater gelegentlich angeheitert auszudrücken pflegte, genau dann das Hirn im Hintern sitzt und schieben hilft. Zumindest zu wissen, was gut und richtig wäre, worauf es im Leben wirklich ankommt, ist ja schon mal ein Fortschritt - ob dieser dann wirklich weiterführt, bleibt unklar und so bleibt es weiter spannend, wohin das Leben uns am Ende verführt und wieviel wir davon selbst und vernünftig entscheiden. Gerade bei der in so vielem entscheidenden Frage der Partnerwahl entscheiden wir doch meist viel weniger als wir glauben, zumindest war es bei mir bisher so und ich habe noch von niemandem gehört, der es entscheidend anders gemacht hätte, weil wir in Fragen der Liebe eben auch aus dem Bauch und nach dem Herz entscheiden.
jens tuengerthal 29.8.20
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