Samstag, 15. August 2020

Sexgefühl

Sex braucht keine Liebe, funktioniert auch ohne gut, manchmal sogar besser, weil dieses große und komplexe Gefühl, was so oft mit Erwartungen verbunden ist, im Zweifel vieles mit sich bringt, was beim Sex stören kann und den nötigen Egoismus eher behindert. Darüber schrieb ich schon in einem Essay und dazu möchte ich gar nicht viel sagen an dieser Stelle. Hatte schon ganz hervorragenden Sex ohne große Liebe, wenn auch den besten meist mit, weil Sex eben auf Dauer immer besser wird, Übung den Meister macht und dabei es langfristig miteinander zu tun und auszuhalten, hilft eben die Liebe. Allerdings ist die Gewohnheit auch der größte Feind der Erotik und die schleicht sich in Partnerschaften zu gerne ein, wobei dann Lust durch Liebe ersetzt wird und keiner mehr zufrieden ist. Warum beim egoistischen Streben nach Befriedigung die altruistische Liebe, die dem Partner sich schenken möchte, im Weg stehen kann, kennt wer jemals liebte und damit an seine körperlichen Grenzen stieß. Habe diese Erfahrung mit proportional zur Größe der Empfindung gegenläufig abnehmenden Potenz kennengelernt und habe lange gebraucht, es zu verstehen und dagegen wirken zu können. Es ist vermutlich völlig normal und leichter lässt sich damit umgehen, würde ich nach meiner geringen Erfahrung vermuten, wenn die Partner offen darüber reden.

Wie wichtig beim Sex die Kenntnis der Anatomie ist, besonders der wesentlich komplexeren weiblichen, habe ich auch bereits an anderer Stelle zum nervus pudendus, dem innen liegenden Schlüssel zur weiblichen Sexualität, dessen Schwellkörper und dessen Potenz jeden Mann blass aussehen lässt, ausführlich beschrieben, auch dazu an dieser Stelle kein weiteres Wort. Wobei ich die Beschäftigung mit diesem genialen Nerv, seinem Verlauf und seinen Fähigkeiten für enorm wichtig zum technischen Verständnis des Sex halte, wie er funktioniert und warum manches anatomisch wichtig ist, was Männer fälschlich mit ihrer schlichten anatomischen Konstruktion für emotionalen Kitsch halten, um dieses geniale Nervenbündel seine volle Lust und Fähigkeit entfalten zu lassen.

Doch mit diesem letzten Satz bin ich ganz unauffällig beim Thema dieses Essays gelandet, dem richtigen Gefühl beim Sex, was den guten Liebhaber vom schlichten Mechaniker unterscheidet, der Knöpfchen drückt und auf das entsprechende Ergebnis hofft, was sich dann aber selten so einstellt, weil beziehungslose sexuelle Akte eben gefühllose Mechanik sind, ihnen das Moment der Zugewandtheit fehlt, die das Vertrauen bringt, was eine Öffnung ermöglicht, die im Beben ihre höchste Erfüllung am Ende zeigt.

Könnte auch, nachdem ich mit mehr als einer Frau Sex in den letzten 40 Jahren hatte, nicht sicher sagen, was der entscheidende Punkt ist, auf den es ankommt, eine Frau sexuell zu erregen. Würde eher sagen, es ist nahezu bei jeder anders und dazu noch reagieren alle unterschiedlich nach Zeitpunkt der Berührung. Eine Klitoris zu rubbeln, wie es beim männlichen Glied relativ schlicht funktionieren kann, funktioniert nie einfach so und wenn sind mechanisch stärkere Berührungen nur im Zustand hoher Erregung angemessen.

Die Berührung und was als gut und schön empfunden wird, verändert sich im Laufe des Sex - wenn Mann sich nur merkt mit welcher Bewegung er sie das letzte mal zum Höhepunkt gebracht hat, wird er damit sicher keinen Erfolg haben, wenn er, sogar beim gleichen Gegenüber, versucht die Erregung zu wecken, was eben mechanisch völlig andere Berührungen erfordert. 

Dies muss vorsichtig ertastet werden, kann je nach Verlauf des Zyklus, emotionaler Stimmung, Wetter, voriger Erregung und vieler anderer mir ohnehin nicht ersichtlicher Gründe, wer wäre ich, zu glauben, ich könnte eine Frau wirklich verstehen, wo ich sie bewundern und lieben kann, wäre es genug, anders sein. Manche mögen keine direkte Berührung ihrer Klitoris, andere nur hoch erregt, einige genau dann nicht, aber dafür die indirekte Stimulation und auch da unterscheidet sich die gewünschte Intensität von Moment zu Moment und es gibt kein Schema, was Männer sich so gerne wünschen, um es einfach zu haben, wie es richtig wäre. Es ist ein lebendiger Prozess an dem sehr viel hängt auch an Gefühl, Angst, gesellschaftlichen Erwartung, Zweifeln, Sehnsüchten, dem Drang gefallen zu wollen und manches anderes mehr, was meinen schlichten Horizont vermutlich weit übersteigt.

Auch darum würde ich nie von mir sagen, ich wüsste, wie eine Frau zu befriedigen oder anzufassen ist. Das weiß keiner, vermutlich nicht mal sie selber immer, sondern das hängt an einer ganz komplexen Gemengelage auf die wir uns vorsichtig und eben mit Gefühl einlassen können, um gemeinsam Lust zu entwickeln. Frage gerne beim Sex, ob meine Partnerin dieses oder jenes besonders mag, es so schöner ist, wenn es nicht schon ihre Reaktion in Atmung und muskulärer Anspannung offenbart, was zumindest die Chance erhöht, nicht völlig falsch zu liegen.

Es gibt da nichts, was immer gilt oder immer funktioniert. Aber immer braucht es dafür viel Gefühl und die Bereitschaft, sich aufeinander einzulassen, um genießen zu können, was sein kann. Genau darum braucht guter Sex viel Gefühl und Offenheit für den anderen in seiner Situation.

Es führt nicht weiter, wenn Mann etwa seine Finger in die noch kaum erregte Scheide der Frau steckt, um auf den angeblichen G-Punkt zu drücken, den es ohnehin nicht gibt, weil der nervus pudendus eben nur im erregten Zustand und bei einem ganz geringen Anteil von Frauen überhaupt vaginal stimulierbar ist. Aber wer mit Gefühl und im richtigen Tempo, was auch je nach Situation anders sein kann, die genügende Erregung beim Gegenüber erreicht hat, kann auch an Stellen erregen, von denen der andere vorher nichts ahnte.

Ein Beispiel wäre die Stelle, an der bei Frauen der nervus pudendus in die Wirbelsäule übergeht, was auch nicht überall gleich ist, sondern vorsichtig dort gesucht werden kann, wo das Gesäß sich zu teilen beginnt am Ende der Wirbelsäule und wo eine indirekte vorsichtige Massage die gleiche Wirkung haben kann wie ein feinfühliges Lecken der Klitoris, sich nach Auskunft der Frauen nur durch die indirekte Stimulation sensationell überraschend schön anfühlen soll, was wiederum zeigt, es gibt beim Sex viele Umwege und indirekte Wege, die neue schöne Arten der Erregung wecken können, für die es aber eben viel Gefühl braucht.

Auch dieser Punkt am Ende der Wirbelsäule führt, wie die vordere Perle selbst, bei falscher, zu grober oder zu sanfter Berührung je nach Zeitpunkt, zu keinerlei Erregung. Dafür ein Gefühl zu entwickeln, nie zu meinen, sicher zu wissen, wie Frau funktionierte oder welche Knöpfe gedrückt werden müssten, ist, aus meiner geringen Erfahrung, die hohe Kunst beim Sex, der sich auf das Gegenüber einlässt, es wahrnimmt und sich eben feinfühlig um dessen Erregung bemüht. Dabei heißt feinfühlig immer auch, im entscheidenden Moment auch mal kräftiger oder grober sein sollen aber eben genau dann, nicht davor und nicht danach.

Guter Sex ist für mich darum immer ein Balanceakt auf dem Hochseil, bei dem du nie weißt, was als nächstes nötig oder richtig ist und dabei hilft auch alle Erfahrung nichts, weil jede Frau in jedem Moment anders reagiert, auch wenn es gewisse Ähnlichkeiten aufgrund der anatomischen Nähe schon gibt, verbietet sich jedes Schema, sondern die Kunst besteht genau darin, die richtigen mechanischen Bewegungen im richtigen Moment zu machen, was keiner vorausberechnen oder wissen kann, sondern worauf du dich eben mit Sexgefühl einstellen musst. Es gibt keinen situativen Ratgeber, dieses Buch wäre zu dick und zu komplex, da müssen wir uns auf unser Gefühl verlassen.

Vermute, das Gefühl am wichtigsten für das gute Zusammenspiel ist, auch wenn es manchmal nach der Natur einfach so funktioniert, weil es passt, beide in einem ähnlichen Erregungszustand sind oder warum auch immer, ist die Voraussetzung der Harmonie ein Gefühl füreinander, wie ein sich einlassen aufeinander. Dies verbunden mit guter Kenntnis der Anatomie, die Männern zumindest das Gefühl theoretischer Sicherheit gibt, was viele an Betriebsanleitungen so lieben und warum sich mancher Mann schon eine Betriebsanleitung für die weibliche Sexualität gewünscht hat.

Die meisten von uns wollen es ja gerne gut machen und ihre Partnerin befriedigen, ihr das Gefühl größten Glücks schenken und hätten darum gerne eine Art Schaltplan. Als ich anfing mich mit dem nervus pudendus und seinen neurologischen Funktionen zu beschäftigen, war ich zuerst auch völlig euphorisch und dachte nun den Punkt gefunden zu haben, mit dem weibliche Sexualität auf Knopfdruck funktioniert. Hielt die Funktion des Nervs typisch männlich für einen Schaltplan.

Den gibt es aber nicht, Auch wenn du anatomisch alles richtig machst und eine genaue Kenntnis der komplexen weiblichen Anatomie ist sicher eine Hilfe, es zu verstehen, kann ohne das richtige Gefühl für die richtige Situation alles schief gehen, dann passiert nichts. Es gibt nichts, was immer funktioniert und immer richtig wäre. In jeder Situation kann je nach Zeitpunkt, Bedingungen und vielem mehr, alles anders sein. Darum ist es so wichtig, nach meiner Erfahrung, die zugegeben überschaubar ist und weit unter 500 Beispielen liegt, sich auf die Situation einzulassen, nichts zu erwarten, sondern sich vorsichtig voran zu tasten, im wahrsten Sinne des Wortes, um ein Gefühl füreinander zu entwickeln, was beim one night stand selten nur gelingen kann.

Es braucht nicht viel Erfahrung für guten Sex, schadet zwar vermutlich nicht aber kann auch abstumpfen und mechanisch werden lassen, sondern ein Gefühl füreinander und Offenheit für die Empfindungen des Gegenübers. Sich darauf fragend und neugierig jedesmal wieder einzulassen, um mit jeder Begegnung Neuland zu erobern, weil zumindest jede Frau anders als die andere ist, scheint mir die Basis für guten Sex, der eben viel Gefühl dabei braucht. Das muss keine Liebe sein, was aber auch nicht schaden muss, es manchen sogar leichter macht, sich insoweit auch gegen moralische Skrupel zu öffnen, um einander gut zu tun. Wichtig ist nur mit viel Gefühl bei der Sache zu sein, um einander erspüren zu können, sich nicht nur ineinander irgendwie zu befriedigen, sondern wirklich Sex miteinander zu haben, was eine der schönsten Erfahrungen überhaupt sein kann. Liebe ist kein Muss beim Sex, Gefühl schon und alles andere ergibt sich aus der Bereitschaft aufmerksam aufeinander zu sein.

jens tuengerthal 15.7.20

Freitag, 14. August 2020

Erbgutkapital

Ist unser Erbgut ein kapitaler Wert?

Die Isländer haben ein Buch der Isländer online verfasst, indem alle Inselbewohner mit ihren Vorfahren und ihren genetischen Belastungen und Verwandtschaften erfasst sind. Auf dieses Buch hat jeder Zugriff, der einen isländischen Pass hat und kann sich mit dessen Nummer dort einloggen. Betrieben wird es von einer Firma, die mit den Daten Geld verdient. Wie Isländer sich davor schützen können durch die dort hinterlegten Daten je benachteiligt zu werden, weiß ich nicht, könnte aber spannend werden etwa im Bereich Krankenversicherung, womit wir schon im Bereich Kapital und Kosten sind.

Mit der Entschlüsselung unseres Erbguts tauchten viele neue Firmen auf, die auf dem riesigen Markt der Gentechnik schnelles Geld witterten und verdienten. In Europa obliegen sie teilweise, wie in Deutschland wesentlich strengeren Beschränkungen als etwa in den USA, auch Großbritannien ist in der Gentechnik liberaler als Zentraleuropa bisher.

Das Kapital für die Forschung am Genom muss aufgebracht werden und wer der Industrie schneller interessantere Ergebnisse liefern kann, bekommt mehr Drittmittel und die Höhe dieser Mittel wiederum entscheidet auch über die Höhe der staatlichen Förderung, womit die für den Markt interessanteste Forschung am leichtesten die höchsten Mittel akquirieren kann. Dahingestellt, ob das im Interesse der Wissenschaft oder der dies fördernden Gesellschaften ist, die sich von der Förderung die bessere Heilung von Krankheiten oder erblicher Schäden erhofft, von der sonstigen Grünen-Gentechnik hier einmal ganz abgesehen.

Manche fürchten, wir öffneten mit der Gentechnik die Büchse der Pandora oder nutzten als Zauberlehrlinge, den Besen, den wir nicht beherrschen. Es wird in der neuesten Forschung natürlich Neuland erkundet, dessen Folgen wir noch nicht ganz absehen können. Damit könnten wir ein hohes Risiko eingehen, falls kleine Veränderungen etwa am Erbgut, größere und gravierendere Folgen haben, als wir bisher absehen oder kalkulieren können, weil unser Horizont diesbezüglich noch nicht weit genug sein kann, weil wir noch nicht das ganze Zusammenspiel der verschiedenen biochemischen und neuronalen Verbindungen dort überblicken können, nur kleine Ausschnitte zu verstehen beginnen, mit denen wir aber am ganzen Körper arbeiten, ohne die Folgen vollständig kalkulieren zu können.

Damit werden Experimente an Menschen durchgeführt, die für die ganze Menschheit folgen haben könnten, von denen wir noch nichts ahnen, was klar gegen eine Anwendung am Menschen nach bisherigen Status des Wissens spräche.

Andererseits bietet die Gentechnik und die Arbeit mit dem Erbgut die Chance viele unheilbare und tödliche Krankheiten endlich behandeln, Patienten heilen zu können. Wie könnte nicht alles unternommen werden, um tausende Menschenleben zu retten, sei es bei der Behandlung von Krebs, AIDS oder aktuell Covid19 und seinen Varianten, über die wir auch noch wenig wissen, wäre die andere Frage, beginge nicht unterlassene Hilfeleistung, wer da die Forschung auch mit halbem Wissen unterließe, die so große Chancen uns bietet?

Auf dieser ethisch problematischen Basis, die keine sicheren Antworten geben kann, sondern eine Abwägung verschiedener suboptimaler Lösungen immer sein muss, die den besten und menschlichsten Kompromiss suchen, agieren nun am Kapitalmarkt notierte und erfolgreiche Unternehmen, die den möglichst größten Gewinn versprechen sollen, um so Anleger zur Investition zu locken. Sie verdienen Geld mit dem Wissen über das Erbgut und den Möglichkeiten dieses zu verändern, wofür Firmen Medikamente entwickeln oder Methoden des direkten Zugriffs geben.

Neuerdings wird immer mehr Geld heute von Unternehmen verdient, die uns vorgaukeln, sie könnten uns genaue Informationen über unsere genetische Herkunft geben, aus welchen Teilen also unser Erbgut zusammengesetzt und für welche angeblichen Rassen oder Regionen das spezifisch sein soll. Warum eine solche rassistische Praxis legal ist, die noch dazu bei zu geringer Tatsachengrundlage falsche Informationen vortäuscht, dafür aber Unmengen an Informationen über Erbgut von dafür noch bereitwillig zahlenden Kunden erhält, ist mir nicht ersichtlich. Diese neue genetische Familienforschung steht in bester Tradition der Nürnberger Gesetze und gehört, auch wenn sie nichts als saubere Gentechnik anwendet, dringend sanktioniert, da sie Rassismus und genetische Separierung unter dem vorgetäuschten Mantel der Aufklärung fördert.

Fragwürdig aber könnte auch sein, dass Firmen mit der Entschlüsselung des Erbguts Geld verdienen wollen und damit dem, was unser ureigenstes Erbmaterial ist, aus dem jede Zelle entsteht. Im Zeitalter des Internets ist Information und die Fähigkeit sie zur Verfügung zu stellen, das größte Kapital, wie wir an einem Unternehmen wie Google sehen können. 

Wem aber gehört das Erbgut, wenn nicht jedem einzelnen Menschen selbst?

Ist die Fähigkeit darin lesen zu können, mehr als eine Kulturtechnik, die jeder nutzen dürfen sollte wie Lesen und Schreiben?

Kann, wie es bisher schon in der Grünen-Gentechnik geschieht, an einem entdeckten Genom ein Patent angemeldet werden, damit dessen Nutzung und der daraus gezogene Gewinn einem Unternehmen zusteht oder gehört dies den einzelnen Menschen als lebenden Eigentümern?

Sofern damit dem Unternehmertum und der Forschung vorrangig Schutz vor dem Recht der Einzelnen an ihrem Genom gegeben würde, verlören diese damit das Eigentum und also auch das Recht, damit Gewinn zu erzielen an ihren eigenen Körper, damit gehörte die Kenntnis über die Zusammensetzung als Wissensschatz einem anderen und wir hätten dann, seit Abschaffung der Sklaverei erstmals wieder, eine neue Form fremden Eigentums am eigenen Körper, was sich scheinbar viele in den Auswirkungen noch nicht klar gemacht haben.

Schon die Grüne-Gentechnik hat vorgemacht, was passiert, wenn Unternehmen plötzlich Eigentum an von Ureinwohnern seit Generationen genutzten Pflanzen haben, welche Macht sie damit erwerben und wie sehr sie damit gegen den Gleichheitsgrundsatz und das selbstbestimmte Leben verstoßen hinsichtlich der Nahrungsmittel, die genutzt werden, des Saatguts, seiner Zusammensetzung und vieler anderer Bereiche.

Dies hat in der Landwirtschaft andererseits große Vorteile, macht die Verwendung von Giften unnötig und bietet größere Sicherheit bei den Ernten, die nicht mehr so schnell Schädlingen oder Veränderungen des Klimas zum Opfer fallen. Insofern die Erforschung teuer und aufwendig ist und eben zu einem nicht geringen Teil auch von Firmen bezahlt wird, ist es systemimmanent logisch, dass diese versuchen, den maximalen Gewinn dabei zu realisieren, um auf ihre Kosten zu kommen.

Fraglich jedoch sollte hier, wie noch viel mehr beim menschlichen Genom sein, wie die Gewinne zu verteilen sind und wie hoch der Anteil derjenigen sein müsste, deren Genom erforscht wird, ob die für sonstiges Eigentum geltenden Rechte hier noch anwendbar sind. Auch bei der Grünen-Gentechnik und ihren Folgen merken wir schon, dass die Arbeit am Erbgut unser ethisches System an seine Grenzen bringt und die Regeln des bürgerlichen Rechts nicht einfach übertragbar sein können auf die Natur.  

Es wird für die großen Krankheiten, mit denen sich die Menschheit in unseren Tagen quält, vermutlich keine Lösung ohne Gentechnik geben. Fraglich ob solche Hilfe oder heilende Medikamente, wie es längst der Fall ist, Eigentum von Firmen sein darf, die den Zugriff im eigenen Interesse nach den Gesetzen des Kapitalmarkts organisieren müssen, um ihren Gewinn im Interesse ihrer Anleger zu optimieren. Die dabei widerstreitenden Interessen ähneln denen bei der Kollision von Grundrechten. Das Eigentum des Investors, der sein Kapital möglichst optimal nutzen muss, stößt mit dem Eigentum am eigenen Körper zusammen, was, wäre es nicht so absurd, weil es ja um die menschliche Existenz geht, die es ohne Körper nicht gibt, noch zur Not auf einer Ebene diskutiert werden könnte.

Ob dabei das vorrangige Eigentum des Inhabers der Genome seines Körpers, Vorrang vor dem Wert des Wissens haben muss, das ihn retten soll, könnte juristisch sogar strittig sein. Unstrittig aber sollte sein, dass der Schutz des Lebens Vorrang vor dem des Eigentums hat, was die anderen Diskussionen überflüssig machte, sofern es hier einschlägig wäre. Vielleicht bietet der Schutz des Lebens und die Anerkennung des Eigentums am eigenen Körper, den Schlüssel zur Klärung der Verhältnisse auf lange Sicht und auch der manchmal erstaunlichen Verquickung von Medizin und Industrie, die eigentlich gegenläufige Interessen verfolgen müssten, folgte der Arzt noch den Prinzipien des Hippokrates.

Wir tragen alle unser Erbgut in uns und sollten uns des Wertes dieses Kapitals so bewusst sein, dass dieser auch einen Anspruch auf Beteiligung und Vergütung geben müsste, sofern wir die Regeln des Marktes im Bereich der Gesundheit für gut und zulässig halten, was jedoch mangels tauglicher Alternativen gerade keine weiterführende Diskussion wäre, also dahinstehen kann, sie gelten, auch wenn wir sie fragwürdig finden und es braucht also eine entsprechende Lösung statt absurder antikapitalistischer Rhetorik. Eine Lösung könnte es sein, die Bürger am Gewinn zu beteiligen oder die kostenlose Nutzung der aus dem Genom und seiner Kenntnis gewonnenen Produkte zu garantieren, was zwar den Gewinn der beteiligten Firmen verringerte aber dafür das Gesundheitssystem entlastete, ohne den Markt gleich völlig infrage zu stellen - vor allem auf Grundlage eines eigenen Rechts, die Position der Bürger gegenüber Staat und Industrie stärkte, was endlich wieder liberale Freiheitsrechte ohne den Schrei nach dem Sozialstaat stärkte.

Es gibt den Kapitalmarkt und er gibt auch viele Chancen, Dinge zu realisieren. Dagegen zu argumentieren, dass Unternehmen Gewinne machen wollen, weil wir es ethisch fragwürdig finden, führt selten langfristig weiter. Die Gewinne und den Markt zu nutzen, um die Beteiligung zu verbessern, böte der Gesellschaft dagegen eine Chance, die nachhaltiger gerecht sein könnte, als die vielen schief gegangenen Versuche in den Fußstapfen von Marx & Co in den letzten 100 Jahren. So betrachtet liegt in der unternehmerischen Nutzung des menschlichen Genoms vielleicht eine Chance für eine Stabilisierung der Demokratie und der Gesellschaft, die höher sein könnte als das momentane ethische Risiko des Umgangs damit bei unklarer Tatsachengrundlage, sofern wir es wagen den Gedanken des Eigentums am Genom zu Ende zu denken, liegt es nahe, die damit erzielten Gewinne gerecht zu verteilen, ohne dafür den Markt infrage stellen zu müssen.

jens tuengerthal 14.8.20

Mauerbauern

Gestern erinnerte Berlin
An den Mauerbau noch
Heute möchte ich gerne
Wenn auch irgendwie ungern
Mal wieder daran erinnern
Dass die Erben derjenigen
Die Mauern bauten sich
Heute Linke nennen nur
Zum Glück Opposition sind
Im Bund noch aber längst
Regierung in Berlin wurden
Wer sie wählt wählt damit
Die Erbauer der Mauer
Wie ihre Erben mit die einst
Die bürgerliche Kultur in
Ostelbien nachhaltig zerstörten
Für eine totalitäre Ideologie
Die Saat diese Mauer sitzt
Tief noch in den Köpfen
Wer heute mit deren Erben
Koaliert ist für Bürger unwählbar
Verspottet damit die Mauer
Wie deren Opfer alle noch
Ideologie verharmlosen weil
Wo links genannt tolerabel
Zeugt nur von Blindheit
Auf einem Auge die leider
Zunehmend normal wird
Sozialismus war immer totalitär
Gleicht darin anderen Ideologien
Verteidigen wir in Erinnerung
An die Mauer lieber die Freiheit
Statt deren Erben zu tolerieren
Damit der Spuk ein Ende findet

jens tuengerthal 14.8.20

Donnerstag, 13. August 2020

Blutgeld

Wie sehr ist unser Körper Kapital geworden?

Blutgeld meinte im germanischen Recht den Betrag, den ein Täter an die Angehörigen seines getöteten Opfers zahlen musste, andererseits wird damit heute noch der Belohnung bezeichnet, die derjenige bekommt, der einen Mörder oder sonstigen Verbrecher anzeigt.

Im Neuen Testament wird das Geld, was Judas für den Verrat Jesu erhält auch als Blutgeld bezeichnet, jedoch handelt es sich dabei lediglich um Bestechungsgeld, weil Judas keinen Straftäter verriet, worüber heute vermutlich gestritten würde, da Jesus als permanenter Unruhestifter auch als Terrorist gelten könnte, wie Dostojewski schon so stark in seinem Großinquisitor vorführte.

So betrachtet hat der Körper schon lange einen Wert, der als berechenbar gilt. Das Leben eines Europäers ist etwa 1,6 Millionen Euro wert, das eines Afrikaners vor Ort deutlich weniger, wie Gerichte durchschnittlich entscheiden.

Darüber hinaus aber hat der Handel mit Organen und anderen Körperprodukten wie Blut, Sperma und Eizellen einen ganz eigenen Markt geschaffen, der vielfach längst an der Börse notiert, auch Gegenstand der Spekulation am Kapitalmarkt ist.

Auf diese Verquickung, die in Europa teilweise bei Organen und Eizellen aus moralischen Gründen beschränkt wurde, weist Christina von Braun in ihrem Buch Blutspuren hin und zeigt damit, was Blutgeld heute eigentlich ist.

Von den 148.000 Blutspenden, die patriotische Amerikaner nach 9/11 wirklich spendeten, wurden nur etwa 248 für die Versorgung der Opfer verwendet. Der weitaus größere Teil ging in die Blutindustrie, die das Plasma für Medikamente und zu sonstigen Zwecken verwendete, daran gut verdiente.

Der Markt auch für eigene organische Produkte und das eigentlich Eigentum der sogenannten Spender wie ihre weitergehende Haftung bei Spermien und Eizellen, der sich viele nicht bewusst sind, könnte auf einen freiheitlichen Umgang damit hindeuten, den es aber de facto nicht gibt.

Tatsächlich heißen die Empfänger von Blut, Eizellen und Sperma nicht umsonst Blut- bzw. Samenbanken. Diese und die Industrie dahinter verdienen gut auf dem Markt, Kunden zahlen reichlich. Die eigentlich Eigentümer der Körper aber werden ganz passend Spender genannt, bekommen nur einen kleinen Obolus für ihre Körpersäfte und zählen oft zu den Ärmsten der Gesellschaft. Entsprechend sind die Spenderzentren in den USA meist in den ärmsten Gegenden angesiedelt.

So bildet das Blutgeld am Kapitalmarkt die tatsächlichen sozialen Verhältnisse nur ab. Fraglich wäre, was eine gerechte Alternative wäre und wie die sogenannten Spender gerecht beteiligt werden könnten am Gewinn, der mit ihren Körperprodukten erzielt wird.

Hier könnte fortbestehendes Eigentum eine Lösung anbieten oder eine Beschränkung des Marktes, die aber vermutlich wirkungslos auf dem Weltmarkt verhallte, solange dieser keiner einheitlichen ethischen Kontrolle unterliegt.

Blut, das unser Lebenssaft ist, gerne zur Bezeichnung von Verwantschaft genutzt wird, ist so auch zum Produkt des mächtigen Kapitalmarktes geworden. Fragen wir uns noch oft genug, was unser Menschsein ausmacht und ob wirklich alles am Markt handelbar sein muss?

Wer könnte Grenzen ziehen, wenn wir ethisch der Meinung sind das nicht?

Trage seit Jahren natürlich einen Organspenderausweis, finde das richtig und vernünftig, mit meiner Leiche kann die Wissenschaft machen, was sie will. Aber gehörten nicht meine Erben zumindest dafür angemessen entschädigt?

Kann es richtig sein, dass wir Individuen als edle Spender gehalten werden, während Banken mit unserem Körper viel Geld verdienen?

Es stellen sich viele Fragen zum Blut heute neu, vor allem aber, wie wollen wir leben und welche Werte bestimmen unser Sein.

jens tuengerthal 13.8.20

Klimareisen

Corona machte allen deutlich
Die Zeit des Reisens ist vorbei
Manche brauchen noch etwas
Bis sie die neue Zeit verstehen
Hoffen es geht weiter wie zuvor
Doch das weiter so scheitert
Spätestens am Klimawandel
Wenn nicht zuvor die Seuchen
Alle Uneinsichtigen dahinraffen
Natur sich damit selbst heilt
Wird der Klimawandel mit stets
Neuen Katastrophen aufräumen
Unter den noch Überlebenden
Warum es Zeit ist für endlich
Klimaneutrales Reisen ohne
Sich wegzubewegen mit den
Schon gedruckten Büchern
Was Menschen mit Geist genügt
Bei denen ohne hilft auch kein
Reisen für weiteren Horizont
Wie lange es noch dauern wird
Bis sich die Vernunft durchsetzt
Entscheidet darüber wieviele
Menschen noch geopfert werden
Für ein untaugliches Vergnügen
Mit unkalkulierbarem Risiko
Wer weitermacht tötet also
Was Verantwortung weckte
Bei denen die es fühlen denn
Reisen ist schlicht asozial
Bücher gefährden niemand
Erweitern Horizonte nachhaltig
Reisen um die Welt stehen
Bei mir zahlreich im Regal
Andere waren bereits überall
Nachäffen oder hinterherlaufen
Um sich als Forscher zu fühlen
Ist ein zu lächerliches Hobby
Dafür weiter Leben zu opfern
Das Klima mehr zu gefährden
Ist bestenfalls unverantwortlich
Lest lieber Bücher anstatt
Die Zeit der Reisen ist vorbei
Erobern wir das Leseland mit
Klimaneutralen Reisen die
Für Generationen gedruckt
Schon lange bereitstehen
Wirklich den Horizont erweitern
Die Chancen stehen sehr gut
Dass dann mehr bei sich
Endlich ankommen

jens tuengerthal 13.8.20

Mittwoch, 12. August 2020

Flaneurlust

Den Flaneur reizt der Blick
Ihn befriedigt es flanierend
Sinnlich schönes zu entdecken
Es ist die Liebe auf einen Blick
Ohne jede Berührung betasten
Nur die Augen das Objekt der
Vorübereilenden Begierde in
Der rastlosen Großstadt die
Immer beschäftigt schon im
Wesen Kontrapunkt der stets
Schwebenden Leichtigkeit des
Bindungslos verbindlichen
Flaneurs als Gentleman ist
Dessen Lust ihren Gipfel
Allein in Blicken wie Gedanken
Als orgiastisches Verweilen
Im Glück des Seins findet

jens tuengerthal 12.8.20

Sommererotik

Der Sommer zeigt sich am Ende
Nochmal besonders heiß was zu
Leichterer Kleidung Lust macht
Es so doppelt heißer werden lässt
Am liebsten wären die meisten
Ganz nackt statt zu schwitzen
Was Natur aber keine Erotik wäre
Doch zeigt was guter Sitten wegen
Noch gerade getragen wird mehr
Als es verbirgt und erhöht noch
Den Reiz beim Gang um den Platz
Wo mehr oder weniger spärlich
Bekleidete schöne Menschen 
Andere übersehe ich einfach
Sehe nur viele Schöne um mich
Mehr von sich zeigen als sonst
Zwar lässt schon die Vorstellung
Sich wildem Sex hinzugeben
Schon zu sehr schwitzen als das
Die Ausführung hier nötig wäre
Der Reiz bleibt bloß visuell als
Erotischer Augenblick verfliegend
Doch freut sich das Auge um so
Mehr am hier und dort Tiefblick
Oder den Kurven umspielenden
Stofffetzen die Wäsche zeigen
Was manche nur in kauf nehmen
Nutzen andere sichtbar verspielt
Zu zeigen was sie zu bieten haben
Auf diesem städtischen Marktplatz
Der Sommererotik den der Flaneur
Genüsslich mit offenen Augen wie
Freude am Detail nun umschlich
Langsam genug nicht zu zerfließen
Rasch genug nicht aufzufallen
Manchmal erschöpfte oder freche
Blicke lächelnd erwidernd ohne
Jede weitere Absicht zeigt sich
Berlin von seiner schönsten Seite
Wenn hinter der nächsten Ecke
Sichtbare Kurven stoffumspielt nur
Mehr zeigen als verbergen weißt du
Wieder wie schön das Leben doch
In dieser Stadt im Sommer sein kann
Im berührungslosen Genuss der die
Erotik des Sommers fliegen lässt

jens tuengerthal 12.8.20

Aufklärungsgefühl

Mit Martin Mosebach über die Aufklärung und ihre führenden Köpfe zu lesen, ist ein wenig wie mit dem abgedankten Papst über erotische Literatur zu debattieren. Da schreibt ein hochgebildeter Mann aus bestem bürgerlichem Haus, der genau darauf auch wert legt aber zugleich eben auch ein erzkatholischer Anhänger der lateinischen Messe und der Rückkehr hinter die Reformen des II. Vatikanum ist, der Antiaufklärer schechthin, der noch Nicolaz Goméz Davila traf und den konservativen kolumbianischen Aphoristiker sehr verehrt, der die Aufklärung als geistiges Grauen behandelt für seine Werte, als leichtfertige Bewegung, die nichts als Unruhe in die von Gott für ihn festgefügte Welt brachte.

Nun ein sprachlich so brillantes wie teuflisches Essay in dem Band Schöne Literatur gelesen über die Herausgabe der Briefe von Madame du Châtelet, der Geliebten Voltaires, die bei der Geburt des Kindes schließlich starb, dass ihr ein wesentlich jüngerer Liebhaber machte, den sie, wie Mosebach genüsslich zitiert, bis zum Wahnsinn liebte, ohne dass es diesen größer tangierte, da dieser, die von ihr auch im Titel dieser Ausgabe propagierte Kunst, etwas weniger zu lieben, wohl beherrschte, die den Liebenden die Kontrolle und die Macht lässt, die ansonsten so gerne völlig verloren geht.

Da ist die Châtelet ganz Dame ihrer Zeit und Kind der Aufklärung, verficht die Grundsätze ihres lange Geliebten Voltaire, der sie doch eines Tages verließ, die Übersetzerin Newtons, kluge Mathematikerin und Mitarbeiterin unter anderem d’Alemberts und Diderots an der Encyklopädie, auch wenn sie wie in ihren Briefen lesbar Mensch und an der Liebe leidend ist, hält sie noch prinzipiell die Grundsätze der Vernunft hoch und erkennt wie wenig Rettung die Liebe und der Wahnsinn bieten, auch wenn sie, allzumenschlich in ihren Briefen, diesem gelegentlich verfällt als hoch emotionaler Mensch.

Eine großartige vielfältige Frau der Zeit der Aufklärung, die jung unglücklich verheiratet, dennoch ihren eigenen Weg ging, nicht nur Geliebte Voltaires war, sondern dessen Denken entscheidend mit ihrer klaren naturwissenschaftlichen Weltsicht prägte, großen Geistern wie Holbach und Grimm nahe stand, mit der ganzen aufgeklärten Welt korrespondierte und dennoch nüchtern und gut rechnen konnte, Naturwissenschaftlerin war, die in ihren späten Liebesbriefen, der unglücklichen Verehrung des jungen Gigolo, sich aber als ganzer vielseitiger Mensch auch voller Gefühl und Leidenschaft jenseits aller Berechnung entpuppt, was Mosebach ihr etwas bösartig, aber für ihn vermutlich erwartungsgemäß, als einzig menschlich auslegt.

Mosebach ist klug und gebildet genug zu wissen, wo er in diesem 1999 in der FAZ erschienen Artikel, der eine Herausgabe der Briefe kommentiert, den Dolch ansetzt, die Aufklärung als absurd und unmenschlich, weltfern darzustellen und die Protagonistin in die leidende Frauenrolle zu drängen nach katholischem Muster, die eben ihrer Natur entspräche, nur weil sie zufällig bei der Geburt starb, auch wenn sie der Tod nicht interessierte, wie sie Lukrez und Epikur zitierend, also klar antikatholisch geschrieben hatte. Das scheint Mosebach unvorstellbar und da ist er ein schlichter Gefangener seiner beschränkten Glaubenswelt, der alles außer ihr nur lächerlich herabwürdigen kann, statt sich mit dem ganzen Menschen Madame du Châtelet auseinanderzusetzen, die so vielfältig wie klug war, bügelt er hier, eine große Aufklärerin nach katholischer Manier billig ab und nennt es nur menschlich, wo sie der Vernunft fern im Liebeswahn dem Geliebten schrieb, was ein so gerinschätziges Frauenbild offenbart, wie den Reaktionär und Feingeist in sehr ungünstigem Licht erscheinen lässt. 

So sehr Mosebach für seinen feinen kritischen Blick auf die Literatur zu loben ist, etwa in dem Essay über Flaubert, den er fein beschreibt und schildert, so platt und durchsichtig agitatorisch wird er beim Bericht über eine große Aufklärerin, wollte ich dem klugen Frankfurter freundlich, würde ich sagen, war eben nicht sein Thema und es gibt keinen Grund, anders als freundlich zu sein, in der besten aller Welten - aber dieses Essay kann doch nur als Mahnung, wie es nicht gemacht werden sollte, empfohlen werden und wie ein reaktionärer Horizont versucht ein Frauenbild zu zementieren, wenn auch auf elegante Art, was nicht mehr in die Zeit passt und gegen das jeder emanzipierte Mensch protestieren muss.

jens tuengerthal 12.8.20

Impfpopulisten

Putin beginnt als erster zu impfen
Der Patriot russischer Größe fühlt
Ähnliche Bedeutung wie bei Sputnik
Markiert wieder den starken Macher
Lässt sogar seiner Tochter vorab als
Autoritären Vertrauensbonus impfen
Was an sowjetische Zeiten gemahnt
Wie seinen Populismus offenbart
Der nie in der Demokratie ankam
Wege der Sicherheit dafür umgeht
Die gut bezahlte Anwälte erstritten
Warum jeder Arztbesuch bereits zum
Aufklärungshorror für viele wird deren
Ängste in Eventualitäten noch steigen
Es gehört die Einwilligung in alles heute
Zur Mutprobe vor jedem Eingriff der dann
Ungeahnte Gefahren mit sich bringen kann
Warum sich fragt wie so viele noch leben
Trotz vielfach ärztlicher Behandlungen aber
Es ist diese Aufklärung eben auch ein
Produkt des Rechtsstaates wie der endlich
Mündigen Patienten die nicht länger mehr
Halbgötter in Weiß anbeten müssen um
Ohne Wissen auf Heilung nur zu hoffen
Sondern berechenbare Therapien bekommen
Was in Russland gerade umgangen wird
Mit hohem Risiko für alle Teilnehmer die
Jenseits der Studien behandelt werden
Die Wissenschaft für erforderlich hält
Damit erhöht Putin das Risiko etwaiger
Fehlschläge und Nebenwirkungen bei
Impfungen eklatant was riskanter ist
In Anbetracht aufgeheizter Stimmung
Etwa in Deutschland wo Impfgegner sich
Mit Homöopathen auf Corona-Demos treffen
Verschwörungstheorien laut zu verbreiten
Obwohl der starke Mann im Kreml bei den
Populisten links wie rechts noch hohe
Zustimmung erhält der auch diese Aktion
Vermutlich nichts anhaben wird weil das
Politische Gefühl hier viel stärker ist als
Kritische Vernunft je sein könnte zumal
Wo Wellen des Populismus hoch wogen
Verstand nicht sehr gefragt mehr ist
Auch wenn Russlands Vorstoß nun
Wissenschaftlich klingt ist es doch
Wieder nur schlechter Populismus der
Im Ergebnis mehr schadet als nutzt
Weil er das Vertrauen in Impfungen
Die notwendig zur Überwindung sind
Schwinden lässt für Wettbewerb der
Mit Regelverstoß falschen Glanz nur
Auf vermeintliche Sieger wirft die eher
Disqualifiziert gehören wie unter Putin
Russland groß im Doping stets blieb
Ohne wirkungsvoll bestraft zu werden
Wirft auch dieser Impfwettkampf der
Gegen alle Regeln verstößt alleine
Ein Licht auf schlechte Politik Putins
Der Aktionismus in Diktatorenmanier
Benutzt für Momente zu glänzen
Bleiben wir ruhig und vernünftig besser
Potemkinsche Dörfer haben nur große
Fassaden aber immer wenig dahinter

jens tuengerthal 12.8.20

Dienstag, 11. August 2020

Lebensrelativ

Ist das Leben absolut wertvoll
Oder je nach Umständen relativ
Wann wissen wir es zu schätzen
Wo findet Quälerei besser ein Ende
Ist die Würde absolut dazugehörig
Relativieren wir sie nach Umständen
Was schützen wir absolut daran
Warum werdendes Leben relativ
Welchen Grund gibt es für ein Ende
Oder nie einen weil Leben absolut ist
Wäre Sterbehilfe dann ein Mord
Viele Fragen stellen sich zum Leben
Seinem Wert in der Relation zu den
Umständen mit denen wir leben
Unser Staat schützt Leben absolut
Bis auf das werdende aus Gründen
Der Grundrechte werdender Mütter
Was manche Katholiken als relativ
Schwierig empfanden während andere
Pragmatisch vernünftiger dachten statt
Von Glaube Staat bestimmen zu lassen
Für den nur Leben nach dem Tod absolut
Das hier geschützte aber nur relativ
Wertvoll immer war was schwierig
Mit irgend Vernunft vermittelbar noch
Doch haben wir bei Sterbenden immer
Wieder mit dem relativen Wert des
Verbleibenden Lebens zu tun was
Besonders liebende Angehörige oft
Schmerzlich umtreibt ohne Antwort
Die irgend Gewissheit böte weil wir
Außer dem Leben absolut nichts haben
Was sicher wäre nur der Aberglaube
Verkündet gerne ohne Garantie anderes
Aber das ist relativ egal solange wir leben
Danach aber auch weil wir nicht mehr sind
Was es uns wert ist zu entscheiden aber
Bleibt eine schwere Entscheidung immer
Nach Glück zu streben eine Antwort
Mit Lust und Liebe leben ein Weg

jens tuengerthal 11.8.20

Lustrelativ

Gibt es die absolute Lust
Was wäre sie wenn oder
Ist sie wie alles nur relativ
Von Umständen abhängig
Nie für immer definierbar
Wüsste es immer weniger
Nach allem was ich probierte
Weiß ich was ich sehr mag
Wo ich mich angemacht fühle
Aber auch das schwankt nach
Den sonstigen Umständen wie
Das Verhalten dabei wechselt
Je nach Stimmung und Situation
Was sanft zärtlich beginnt kann
In wilde heiße Lust umschlagen
Auch erste große Geilheit wird
Unter zarten Küssen sanfter Sex
Der vollkommen dann erscheint
Obwohl ohne alle Leidenschaft
Kann langsamer Sex erfüllend sein
Im anderen Moment braucht es viel
Kraft und Hingabe an den Moment
Um gemeinsam zu genießen was
Die Krönung des guten Sex ist
Wie die Berührung der Klitoris nie
Gleich ist als wäre es ein Knopf
Der weibliche Lust auslöst sondern
Sich wechselnd den Umständen wie
Der Lust anpasst die auch zeigt wie
Der nervus pudendus reagiert mal
Direkt berührt wild macht zuerst aber
Vorsichtig indirekter stimuliert die Lust
Erst langsam wecken kann ist die
Geteilte Lust flexibel und wandelbar
Dabei braucht es viel Gefühl für die
Situation an die sich Berührungen
Wie Bewegungen miteinander anpassen
Vollkommen und ganz zu genießen
Keinen absolut gültigen Fahrplan je
Gleichzeitig zu Kommen schien mir
Lange Zeit als der Gipfel aller Lust
Doch ist das Nachbeben der Liebsten
Die selig in deinem Arm dann liegt
Mindestens genauso erfüllend noch
Weil es auch das emotionale Moment
Beim Sex schenken zu wollen bedient
Inzwischen brauche ich keinen Gipfel
Mehr zu besteigen um das Glück ganz
Genießen zu können weil die Lust mehr
Als nur Höhepunkte ist wie die Alpen
Weit mehr als ihre nur Gipfel sind sich
Wahre Schönheit in tiefen Tälern zeigt
Der Genießer nichts absolutes braucht
Lieber relativ häufig länger genießt
Um mehr von der Lust zu haben
Statt nach oben zu galoppieren
Lieber im gemächlichen Trab alles
Ganz und in Ruhe zu genießen weil
Große Lust am schönsten ist wo sie
Gekommen ist um zu bleiben statt
Sich nur ineinander zu erschöpfen
Im Überfluss der Lust ergossen kann
Manche Überschwemmung wohl gut tun
Doch bleibt von langsamer Lust mehr
Für beide miteinander übrig weil Lust
Niemals Leistungssport sein sollte auch
Wenn Sex körperlich genauso wirkt
Aber auch da gibt es gute Sprinter
Wie ausdauernde Läufer oder auch
Hoch- wie Weitspringer je nach Ort
Möge es jeder auf seine Art genießen
Nur absolut sollte es nie sein damit
Relativ genug Zeit bleibt noch sich
Voller Lust einander hinzugeben

jens tuengerthal 11.8.20

Liebesrelativ

Die Liebe ist absolut relativ
Sie ist absolut im Moment
Bei nur relativer Gültigkeit
Auf Dauer betrachtet was
Bei der Realisierung äußerst
Schmerzhaft sein kann ist
Die der Liebe innewohnende
Logik nach ihrer Natur ohne
Als Betroffener zu fabulieren
Scheint sie wie eine Krankheit
Die den Geist eher verwirrt
Jeden sonst klaren Blick trübt
Solange wir von ihr gefangen
Manchmal überlebt sie uns
Was als Traum lebendig bleibt
Macht meist eher nur traurig
Da Liebe eben Leben fordert
Vollzogen wie gelebt werden will
Zehrt sie einsam nur noch womit
Nicht mehr Geliebte wie Überlebende
Leben lernen müssen was am besten
Mit gehöriger Relativierung geht aber
Vielen schwerer fällt als einst Liebe
Die kommt um zu bleiben wenn wir
Uns trauen sie zu lassen was auch
Vielen aus Erfahrung schwer fällt
Warum sie nur noch relativ wenig
Zulassen weniger verletzlich zu sein
Was die falsche Relativierung aber
Sein könnte auf der Suche nach
Dem großen gemeinsamen Glück
Was nach vielen Versuchen endlich
Einmalig für immer sein soll auch
Wenn Vernunft lehrte es als relativ
Für den wunderbaren Moment besser
Zu genießen als verweilte der Augenblick
Doch ohne Risiko kommt keine Erfüllung
Was die Liebe relativ gefährlich macht
Aber dafür so absolut schön auch
Wenn wir ausnahmsweise wagen
Was jedesmal absolut neu scheint
Entgegen aller relativierenden Erfahrung
Womit sich am Ende wieder zeigt
Die Liebe lässt sich nicht greifen
In ihrem Schwanken zwischen
Absolut und relativ im Wesen
Wir können sie nur genießen
Was genug immer sein sollte

jens tuengerthal 11.8.20

Montag, 10. August 2020

Bücherwechsel

Wechsle gern die Bücher
Nach Stimmung und Thema
Lese lieber viele lange als
Eines schnell zu Ende weil
Die Abwechslung den Genuss
Noch zusätzlich erhöht aber
Vor allem auf ewig verlängert
Andere wechseln Programme
Etwa beim Fernsehen was mir
Eher fern liegt der lieber viele
Bücher abwechselnd liest dem
Leser eher nahe liegend warum
Steter Wechsel das Leben auch
Immer wieder aufegend verlängert
Im Leben zwischen Bücherstapeln

jens tuengerthal 10.8.20

Versagermahnmal

Trump will sich verewigen lassen
Am berühmten Mount Rushmore
In Stein gehauen werden wie seine
Großen Vorgänger einst wurden
Bevor die Geschichte ihn erledigt
Als unfähigsten aller Präsidenten
Der die meisten Amerikaner durch
Präsidiales Versagen bei völliger
Uneinsichtigkeit auf dem Gewissen hat
Die Welt und sein Land von einer
Krise in die nächste stürzte die
Durch seine Unfähigkeit wie auch
Totale Inkompetenz begründet ist
So gesehen wäre ein Mahnmal
Sicher eine gute Idee um kommende
Generationen vor dem Populismus
Gepaart mit Dummheit zu warnen
Die mangelnde Bildung für einen
Ausweis seines Talents hält an dem
Es offensichtlich am ehesten mangelt
Ob dieses Großmaul noch einsieht
Was er seinem Land andtat ist unklar
Viel hat er bisher nicht begriffen doch
Wäre ein Mahnmal für bald schon
Zweihunderttausend Tote angemessen
Vielleicht auch als Zielscheibe dann
Für die Wut danach wenn alle begreifen
Wie dieser Mann Amerika zurückwarf
Mit kurzsichtiger America first Politik
Die Zeichen der Zeit völlig verkannte 
Als Führungsmacht erledigte wie dann
In der Krise zusammenbrechen ließ
Ohne je Verantwortung zu übernehmen
Vielleicht würde Amerika etwas lernen

jens tuengerthal 10.8.20

Habenichts

Die freie Gesellschaft definiert
Den Erfolg zuerst durch Besitz
Ein Habenichts ist also erfolglos
Auch wenn er überlegen wäre
Weil unabhängig vom System
Weiter dächte als Teilnehmer
Würde er nichts gelten weil der
Erfolg an die systemimmanente
Leistung geknüpft wird statt den
Geistigen Wert oder Wohlbefinden
Als Maßstab dafür zu wählen doch
Waren es selten oder nie diejenigen
Die ihre Existenz an Geld hängten
Welche die Gesellschaft veränderten
Sondern eher diejenigen welche es
Um der Sache wegen taten was
Dafür spräche die Gewichtung nun
Endlich zu ändern damit alle ein
Auskommen haben dafür dann ihre
Fähigkeiten unabhängig nutzten
Statt nur den schnellen oberflächlichen
Markt als Maßstab noch zu wählen
Andererseits liegt der Markt auch
In der Natur des Menschen da dort
Jeder nach seinen Fähigkeiten nach
Erfolg und Glück streben kann wenn
Die Bedingungen frei und gerecht sind
Nicht Monopole weiter alles dominieren
Alle Bürger bereits zu den Sklaven der
Erbsenzähler machte statt den Staat
Unabhängig vom Markt zu sehen
Wäre das jemals realistisch noch
Oder ein Sieg totalitärer Ideologien
Die Freiheit für Schutz beschneiden
So fragt sich ob nicht der Habenichts
Eigentlich der Erfolgreichste Bürger
Wäre weil er den Zwang überwand
Ein Grundeinkommen was ich lieber
Bürgergeld nenne um damit dabei das
Bürgerliche Element zu betonen was
Jenseits der Märkte existieren könnte
Erlaubte eine neue Existenz in einer
Kultur die sich ihres Wertes auch
Bewusst wäre jenseits aller Preise
Die der Markt zufällig gerade fordert
Das System würde Freiheit anerkennen
Statt konformes Verhalten zu verlangen
Wagten wir uns dies zuzutrauen aber
Solange mehr Neid und Misstrauen
Die vermessene und berechnete Welt
Regieren wird es schwierig diese Kultur
Als wertvoll zu kultivieren da der Staat
Nur ein System für zulässig noch hält
Ist es Zeit dem Nichts wert zu geben
Um zu entdecken was sonst da ist

jens tuengerthal 10.8.20

Kandidatenkür

Die SPD macht vieles falsch
Kaum einer kennt schon die
Vorsitzenden namentlich als
Peinliche Sieger des linken
Flügels der alten Partei die
So oft ins torkeln gerät wenn
Beide Seiten sich bekämpfen
Kaum noch fliegen kann weil
Harmonischer Flug logisch
Auch einen harmonischen
Flügelschlag braucht statt
Hysterisch lautem Geflatter
Nun aber machte sie völlig
Überraschend alles richtig
Kürte Scholz zum Kandidaten
Für die Zeit nach Merkel
Was eine große Chance ist
Den Kandidaten zu etablieren
Der Staatsmann klar kann
Für die gemäßigte Mitte steht
An Schmidt etwas erinnert
Erwischte die Christdemokraten
Damit eiskalt warum jene nun
Lautstark lästern um abzulenken
Es hätte schlimmer kommen
Können denk ich und der könnte
Kanzler ohne weiter zu spalten
Was daraus wird bis nächstes Jahr
Zeigt die Zeit in aller Ruhe
Viel Zeit ihn zu verbrennen
Zumindest mal Presse auch
Ohne lächerlichen Ausschluss

jens tuengerthal 10.8.20

Sonntag, 9. August 2020

Büchergeliebte

Habe so manche Geliebte
Unter meinen Büchern und
Wie gerne gebe ich mich
Ihnen wieder lustvoll hin
Entblöße sie ganz langsam
Seite für Seite auch sinnlich
Lasse den Geist unter ihnen
Beben und erlebe so stets
Neue Höhepunkte als Leser
Gestehe ganz offen ich finde
Lesen schöner Bücher geil
Weil es mich so tief berührt
Den besten bin ich ganz treu
Besuche sie seitenweise gern
Auch immer wieder lasse mir
Beim erotischen Akt des Lesens
Als großer Genießer alle Zeit
Quickies mit seichter Lektüre
Oder Paperbacks sind eher
Für Anfänger oder unterwegs
Der beste Sex mit Büchern
Nimmt sich Zeit und ist dabei
In feinem Material gebunden
Wenig lohnt sich so sehr wie
Die Hingabe an gute Bücher
Die doppelt alles zurückgeben
Erregen unterhalten belehren
Ein wahrhaft orgiastisches
Wohlgefühl in mir hinterlassen
Befriedigung schenken die
Länger fortwirkt als vieles
Was Erotik sonst anbietet
Die so oft sportlich endet
Geistige Wesen reduziert
Auf bloß tierisches Verhalten
Was fraglos bebend schön ist
Aber weniger hinterlässt als
Der gute Sex mit Büchern

jens tuengerthal 9.8.20

Daumig

Über den Daumen sagen wir
Um ungefähre Peilung oder
Etwa geschätzte Berechnung
Als stimmig nur ungenau noch
Zu benennen aber zugleich
Drücken wir auch die Daumen
Wenn wir Glück wünschen
Was auf alle Sitten zurückgeht
Wie Montaigne im Essay erzählt
Der es auf Tacitus verweisend
Germanischen Häuptlingen als
Ursprünglichen Ritus zuschreibt
Die es beim Händedruck taten
Wie geritzt Blut so tauschten
Ihre Bruderschaft zu besiegeln
Andere amputierten die Daumen
Im Kampf und am Rudern die
Gegner für immer zu hindern
So spielen die Daumen seit
Uralten Zeiten eine große Rolle
Für Treue wie Kampfkraft von
Der uns heute eher sagenhafte
Erinnerung über die Zeiten blieb
Im ungenauen peilen wie im eher
Abergläubigen Glückwunsch der
Dennoch Tradition uns wurde
Wie so manche Rituale die wir
Zu selten noch hinterfragen
Kritisch denkend zu bleiben
Sich dies bewusst zu machen
Könnte ein Stück Aufklärung
Weiter zur endlich Befreiung aus
Selbstverschuldeter Unmündigkeit
Also gut sein auch ohne es noch
Am Daumen mit pi zu messen
Womit es am Ende wieder 
Von Montaigne zu Kant ging

jens tuengerthal 9.8.20

Überfluss

Manchmal verspielen wir
Was kostbar sein könnte
Für trügerische Hoffnung
Des Vielleicht leichtfertig
Dann wieder kommt auch
Unerwartet schönes noch 
Dazwischen ohne Wissen
Was wird oder bleibt ist
Alles im steten Fluss
Seiner wie unserer Natur
So liebten wir uns bis zum
Überfluss voller Erwartung
Die nur enttäuschen konnte
Weil keiner da sein kann
Der nicht wirklich da ist
Wo andere ihn erwarten
Das Kommen und Gehen
Geht immer weiter bis wir
Wider alle Erwartung einfach
Stehen bleiben da zu sein
Komme was wolle was
Logisch nicht lohnen kann
Aber wann ist Liebe das
Schon und überhaupt

jens tuengerthal 9.8.20

Samstag, 8. August 2020

Bücherorte

Wohnungen mit Büchern sind
Wohlfühlorte für mich während
Sonst wenig mich so fesseln kann
Zeigt eine schöne Bibliothek viel
Von ihren Bewohnern die sich
Als Leser dabei offen zeigen
Viele interessiert eher was wer
Für einen Beruf hat oder wohin
Es diejenigen im Urlaub zieht
Was sie von der Welt sahen
Welches Auto sie fahren wie
Gediegen sie eingerichtet sind
Was sie anziehen oder auch
Unter ihren Kleidern tragen
Zwar freue ich mich auch sehr
An schöner Wäsche bei Damen
Falls ich sie mal sehen darf
Was Glück genug sein kann
Doch interessiert mich mehr
Welche Bücher sie lesen
Ob sie eine Bibliothek haben
Wie sehr sie Literatur lieben
Was ihnen als Leser wichtig ist
Da können sie so sexy sein
Wie nur irgend vorstellbar
Sofern Netflix die Bibliothek
Bereits ersetzt hat sind sie
Für mich völlig langweilig
Wer schlechte Bücher lobt
Lädt auch nicht zu mehr ein
Was hier sehr streng klingt
Ist schlicht ehrliche Erfahrung
Die manches schnell erledigt
Keiner ist darum schlechter
Weil er wie Trump nicht liest
Aber wer diese Liebe teilt
Macht mich mehr als neugierig
Wer einen Bücherort hat
Ist ein guter Gesprächspartner
Denke ich für mich in meinem
Bibliophil beschränkten Horizont
Der sich zumindest nach langer
Lektüre seiner Scheuklappen
Meist relativ bewusst ist

jens tuengerthal 8.8.20

Sommerfrische

Was könnte schöner sein
Als bei zu großer Hitze draußen
Mit wenig Bewegung drinnen
Schöne Bücher zu lesen
Frage ich mich just dabei fern
Des Trubels der Seen wie Orte
An denen sich Massen gerne
Geballt miteinander vergnügen
Mit einem kühlen Buch das
Einen Kontrast zur Sonne bietet
Vielleicht Nansens Arktisexpedition
In Nacht und Eis als er sich dort
Mit der Fram über den dunklen
Winter einfrieren ließ für Monate
In dem scheinbar ewigen Eis
Welch genüssliche Vorstellung
Oder mit Forster auf dessen
Reise um die Welt umgekehrt
In die Nähe der Antarktis zu segeln
Von Eisvögeln und Pinguinen lesen
So finden sich in vielen Büchern
Kühlende Stellen für erhitzte sowohl
Körper wie Gemüter was oft
Miteinander einhergeht wie auch
Umgekehrt der von Lektüre
Abgekühlte Geist eher zur
Gelassenheit statt Hysterie neigt
Warum ich diese Sommertage
Zu gerne zur Lektüre nutze
Mögen andere Sonnenbaden
Genieße das Bücherbad zum
Geerbten Ventilator glücklich
Bewege nach Möglichkeit nur
Seiten wie den kühlen Geist
In der literarischen Sommerfrische
Trinke dazu wie immer Tee denn
Wer sollte sich als treuer Leser
Schon vom Wetter stören lassen

jens tuengerthal 8.8.20

Morgenlust

Wie wunderbar ist es doch
Am Morgen kaum erwacht
Lustvoll ineinander zu gleiten
Wenn der noch Morgentau
Spürbar feuchter Träume
Auf erste Versteifung trifft
Es verschlafen ineinander
Fließt um am Ende nach der
Unerwarteten Morgenlust
Im völligen Überfluss sich
Treiben zu lassen dabei
In erster Dämmerung schon
Danach wieder in die weite
Traumwelt zu segeln die
Dichter so gern besingen
An einem Sommermorgen
Während Geliebte ganz erfüllt 
Fern nah im irgendwo kreuzen
Sind Träume ewige Nahrung
Der Verse aller Zeiten wohl
So unwirklich sie auch sind

jens tuengerthal 8.8.20

Freitag, 7. August 2020

Liebeslust

Wie eng hängt die Liebe
An der Lust die Natur ist
Uns zum geilen Tier macht
Während die Liebe uns über
Uns hinaus wachsen lässt
Dem anderen zuerst gut will
Sucht die Lust Befriedigung
Was sie egoistisch tut will
Die Liebe sich verschenken
Dazwischen versuchen wir
Wege miteinander zu finden
Voller Lust und Liebe gut
Wenn beides zusammenkommt
Beide zusammen kommen
Aber ein Zusammenhang
Wie gerne behauptet besteht
Dabei nicht wir hoffen nur
Alles miteinander zu finden
Genießen wir es wo es ist
Jedes für sich ganz dabei
Aber sehen wir es lieber
Nicht im Zusammenhang
Es könnte Leben leichter
Auf Dauer uns machen
Ohne eines gegen das
Andere aufzurechnen
Was alle unglücklich macht
Wir nennen es Ehe

jens tuengerthal 7.8.20

Überraschungswellen

Wellen kommen nicht einfach
Sie kündigen sich vorher an
Vor einem Tsunami kann so
Schon vorher gewarnt werden
Sogar das chaotische Meer
Lässt sich also berechnen
Darum gibt es Warnsysteme
Auch der Wetterdienst warnt
Lang vor kommenden Stürmen
Naturgefahren werden berechenbar
Nur bei Corona staunen alle noch
Wenn die angekündigte 2. Welle
Wieder kommt und wiegeln ab
Auch wenn alle längst wissen
Was exponentielles Wachstum
In kürzester Zeit bedeuten wird
Gelten Zahlen die vorher noch
Den Lockdown rechtfertigten als
Kontrollierbar wie berechenbar
Bis zufällig die Kontrolle entglitt
Schulen werden wieder geschlossen
Nachdem vorher abgewiegelt wurde
Unbedingt begonnen werden musste
Vor dieser Welle wurden wir gewarnt
Trotzdem wollten alle in den Urlaub
Was logisch unsicher sein musste
Wurde vorschnell für sicher erklärt
Der Tourismusindustrie zu helfen
Die Wirtschaft wieder anzukurbeln
Als sei es irgend sinnvoll zur Zeit
Etwas kurzfristig zu erlauben was
Bald wieder schließen muss um so
Falsche Hoffnung von Normalität
Bei gern Gutgläubigen zu nähren
Wie wäre es konsequent zu sein
Den neuen Ausbruch zu verhindern
Mehr Leben damit zu retten statt
Sich ahnungslos überraschen zu
Lassen als wüssten wir nicht was
Ganz schnell wieder drohen kann
Es gibt bei Corona diesmal keine
Überraschungswelle mehr darum
Müssen wir unser Leben ändern
Dies langfristig besser planen
Neue Prioritäten achtsam setzen
Keinen Urlaub irgendwo noch buchen
Als wäre die Welt noch die gleiche
Sagen wir lieber deutlich und klar
Das Risiko bleibt bis zur Impfung
Lässt sich auch dann nicht völlig
Ausschließen nur ein wenig dämpfen
Dies wird mindestens ein Jahr dauern
Bis dahin können wir in aller Ruhe
Die Langsamkeit entdecken um so
Leben zu retten statt uns kurzsichtig
Asozial vergnügen zu wollen es ist
Klar die nächsten Viren kommen sicher
Richten wir die Wirtschaft darauf ein
Bauen Sektoren ohne Zukunft ab
Also Flugverkehr und Tourismus
Stärken dafür nachhaltig sinnvolle
Die Krisen vernünftig vorbeugen
Ohne die Wirtschaft zu zerstören
Es gibt viel dafür nun zu tun nur
Überraschungswellen gibt es nicht
Für alle die logisch kritisch denken

jens tuengerthal 7.8.20

Donnerstag, 6. August 2020

Beziehungslust

Wie und wo bleibt in Beziehungen die Lust?

Beziehungen gehen wir ein, um die Liebe zu leben. Im Idealfall verbinden sie Liebe, Erotik und Lust. In der Praxis bleiben über die Bewältigung des Alltags Lust und Erotik meist eher auf der Strecke, die Liebe soll alles bewältigen und darunter leiden Lust und Erotik, es sei denn sie finden eine neue eigene Form, mit der sie dennoch erhalten bleiben können.

Der Sexentzug als Strafe für nicht Wohlverhalten des Partners ist eine Variante, die zum Ende der Lust führt und den so Bestraften häufig nach Alternativen suchen lässt, die Strafenden genauso bestraft und also Gründe genug liefert, welche viele Beziehungen scheitern lässt, weil wir für gewöhnlich in monogamen Beziehungen von Ausschließlichkeit ausgehen trotz des bekannten Risikos der Frustration dabei. 

Dazu wären offene Beziehungen eine Alternative, die allerdings häufig mit dem Ideal der Liebe kollidieren und zur Verletzung von einem der Partner führen, der sich nicht mehr geliebt, weil nicht mehr begehrt fühlt, als bestünde zwischen Lust und Liebe ein notwendiger Zusammenhang.

Im Gegenteil sind wir in der Lust nach unserer Natur Egoisten, die nach Befriedigung streben und sorgen uns nur dank der Liebe und trainierten Sozialverhaltens auch um die Lust des Partners. Dagegen ist die Liebe etwas altruistisches, ein Gefühl, was dem anderen gut will, was mit dessen sexueller Aktivität in keinerlei Konfrontation stehen müsste. Tut dies aber immer wieder, da wir den Konventionen entsprechend, in denen wir aufwuchsen leben und den Sex auch mit Liebe verbinden, obwohl ihr eigentlich wissen, dass wir dabei natürlicherweise zu Tieren werden, die nach Befriedigung ihrer Lust streben, den Sex also von der Liebe trennen sollten.

Die Erotik als Moment der Spannung, der Lust auf Sex macht und die langsame Annäherung beschreibt, sollte vom Sex und der Liebe eigentlich getrennt betrachtet werden, wird aber, wie oben beschrieben, meist mit dem Wunsch nach Ausschließlichkeit vermischt, was seit Jahrtausenden, bis auf seltene Ausnahmen, zu den bekannten Problemen zwischen Paaren führt, auch weil ein erotischer Reiz unabhängig von Liebe und Beziehung ausgelöst werden kann.

So wir der Lust folgen, obwohl unser Herz anderweitig gebunden ist, sehen wir uns meist, vor uns selbst verpflichtet, uns auch zu verlieben, weil wir mit dieser konventionellen Verbindung aufgewachsen sind. Eine eigentlich natürliche Trennung dieser Bereiche gilt in unserer, vom Christentum und seinen Werten wie Monogamie und ewiger Liebe geprägten Gesellschaft noch als unkonventionell und sogar unnatürlich.

Insofern es Männer leichter hatten dem Bedürfnis zu folgen und Frauen in klassischen Strukturen ohne eigenes Vermögen und Selbständigkeit gefangen waren, war die Mehrzahl der Ausbrecher männlich. Frauen, die beim gewöhnlichen Sex häufig keine Befriedigung fanden, stellten ihre sexuellen Bedürfnisse zugunsten der Familie zurück. Doch taten es die ausbrechenden Männer immer auch mit Frauen, die ihren Bedürfnissen folgten, also Liebhaberin sein wollten. Teilweise taten sie dies zur sexuellen Befriedigung, häufiger wohl um soziale Bestätigung zu erhalten. 

Männer strebten meist mit ihrem schlichteren Sexualorgan nach Befriedigung und kümmerten sich weniger häufig, um die Befriedigung ihrer Frauen oder wenn sie es am Anfang von Liebe getrieben taten, gaben sie es oft im Laufe einer Beziehung auf, weil das Bemühen entweder nicht zielführend war, sie an ihrem eigenen Streben nach Befriedigung hinderte oder andere Gründe dagegen sprachen, zu denen auch das Vorspielen der Frauen gehörte. Viele Frauen spielen ihren Männern beim Sex auch Lust vor, um ihnen Zufriedenheit zu schenken, ihre Ruhe vor weiteren Nachfragen zu haben, nicht lange diskutieren zu müssen, weil sie sich selbst dabei schlecht oder unvollständig fühlten, ihre andere Natur einfach hinnahmen und die Befriedigung beim Sex als männliches Privileg betrachteten. Frauen die Befriedigung beim Sex fanden, galten anderen Frauen oft als verdächtig, wurden als sexsüchtig bezeichnet und sozial ausgegrenzt.

So entstand über Jahrhunderte und viele Generationen ein Sexualverhalten, mit dem wir heute noch leben und das auch in uns zu überwinden, vielen schwer fällt. Manche Frauen entdecken ihre natürlich größere Potenz erst, nach dem Ende ihrer Fruchtbarkeit, weil sie sich zuvor auch zu stark in konventionelles Verhalten mit erwartbar enttäuschten Erwartungen einbanden.

Betrachteten wir die Bereiche Erotik, Liebe und Sex unabhängig voneinander, könnten wir leichter zu unserem natürlichen Sexualverhalten finden. Was dieses ist und wohin es führen könnte, wird eine für die Struktur der Gesellschaft in Zukunft spannende Frage. Sie wird sich auf die Art der Beziehungen beeinflussen, die wir führen, wird die Struktur der Familien verändern und die Einzelnen mehr oder weniger glücklich machen, je nachdem wie sie sich in der Art, wie sie leben, verwirklichen können.

Beziehung braucht Liebe, sollte Lust haben, die möglichst Befriedigung miteinander findet, was am besten geht, wenn es eine fortdauernde erotische Spannung zwischen den Partnern gibt aber viel mehr braucht sie die Fähigkeit miteinander Probleme des Alltags zu bewältigen, sich gut zu tun, die eigenen Kräfte zu stärken und sich in den Schwächen zu unterstützen und genau das macht auf Dauer eine gute Partnerschaft aus und nicht allein die Frage, ob du mit dieser oder jener guten und wilden Sex hast, dir einmal im verliebten Wahn ein ewiges Leben voller Liebe versprochen hast oder andere konventionelle Antworten, die für die Tauglichkeit einer Beziehung nichts besagen.

Liebe ist der Glaube an ein Gefühl. Er fängt bei sich an und ist schön, wo er geteilt wird. In diesem Falle ist er aber noch viel stärker nur Glaube an das geäußerte Gefühl eines anderen, was nicht sachlich überprüfbar ist. Es gibt keinen tauglichen Beweis für die Liebe oder nicht mehr Liebe. Zwar finden sich Indizien aber diese sind meist in einen konventionellen Rahmen eingebunden und haben mit dem tatsächlichen Empfinden, von dem wir uns dank konventioneller Zwänge immer weiter entfernen, nichts zu tun. Vergesse also lieber alle Liebesbeweise, sie taugen nichts und verlasse mich allein auf das Gefühl, was ist, was es ist und nichts sonst und dessen kann ich mir nie sicher sein, ich kann nur daran glauben, als wäre es sicher und beweisbar, was es aber nie sein sollte. In diesem seltsamen Spannungsfeld wächst Liebe und vergeht sie wieder, als wäre sie nie da gewesen.

Wer der ständigen Beweise der Liebe braucht oder diese dauernd kontrollieren will, liebt nicht eigentlich, sondern will besitzen und sein Leben über diese Kontrolle in eine bestimmte Ordnung fügen, in der zusätzlich noch das Gefühl des anderen beweisbar erzwungen werden soll, was im Ergebnis das Gegenteil von Liebe wird, krank macht und konsequent nur zum Wahnsinn führen kann, weil wir etwas unerreichbares wollen, was wir durch den Versuch der Kontrolle und die untauglichen Beweise nur zerstören.

In einer solchen Konstellation habe ich mal zwei Jahre lang versucht zu leben wie zu lieben und bin im Ergebnis tatsächlich fast wahnsinnig geworden, wobei das fast vermutlich einige bestreiten würden, mich eingeschlossen aber das ist wiederum ein weites Feld, da der Wahnsinn meist nur eine Abweichung vom normalen Durchschnitt beschreibt und wie wahnsinnig dieser eigentlich ist, wäre eine andere Frage, es war also eine unmögliche Konstellation, obwohl es viele positive Punkte gab, die eine Beziehung traumhaft erscheinen ließen, die betreffend ich nichts schlechtes je sagen könnte und wollte und doch heilfroh bin, es inzwischen philosophisch betrachten zu können.

Vertrauen ist die Basis einer guten Beziehung und jeder Liebe. Funktionalität im Alltag, soweit er geteilt wird, ist die andere. Diese beiden sind unabdingbar, wo es an ihnen mangelt, kann der Versuch einer Beziehung nur scheitern. Vertrauen kann nur, wer sich seiner selbst und seines Weges sicher ist. Fehlt es schon daran, mangelt es meist am Vertrauen mit erwartbar traurigen Folgen, die zu Misstrauen und Hass führen, also das Gegenteil der Liebe erzeugen und keinem gut tun.

Vertrauen ist auch die Basis schöner, geteilter Lust, weil du dich fallen lassen können musst, um dich ganz aufeinander einzulassen. Wie jemand sich in der Lust fallen lassen kann, der nicht vertrauen kann, ist mir bis heute ein Rätsel, auf das ich keine Antwort habe und das mir eher die Frage stellt, wie wirklich die Wirklichkeit noch sein kann, wenn es am Vertrauen mangelt, was die innere Basis echter Gemeinsamkeit ist, aber manches muss ich zum Glück weder verstehen noch beurteilen, sondern kann es als Vergangenheit verwundert betrachten.

Sich etwas vorzuspielen, ist mir so fremd, wie mich mit fremden Federn schmücken zu wollen. Für das geliebt oder bewundert zu werden, was du tust oder kannst, scheint mir dagegen natürlich und gut. Ein Bedürfnis für das wir Menschen alle irgendwie leben. Manche werden dafür gut bezahlt, weil ihre Fähigkeit im zufälligen Interesse einer bestimmten Gruppe liegt, die dafür bezahlen kann. Andere, wie ich etwa, machen es einfach, ohne sich darum zu kümmern, was daraus werden könnte, weil sie wissen, was ihr Weg ist. Vermutlich die meisten tun etwas, weil sie etwas tun müssen, werden dafür irgendwie bezahlt und leben so. Entsprechend führen viele ihre Beziehungen relativ unaufrichtig, befriedigen ihre Bedürfnisse anderweitig, weil die Beziehungen dazu nicht mehr passen aus verschiedensten Gründen und am Ende scheitern sie mit beidem und fragen sich, wozu sie noch leben, wovon sie sich mit erneuter Beschäftigung lieber ablenken, was selten zielführend ist, aber relativ lange besser funktioniert als alles andere und wohl die Mehrheit gut beschreibt.

Lust ist in der Beziehung schön aber nicht nötig, um eine gute Beziehung zu führen, sofern Liebe, also Vertrauen und Funktionalität im Alltag vorhanden sind. Weil Vertrauen aber auch die Basis echter Lust ist, liegt es nahe, sie auch in der Liebe zu suchen, die schon das Vertrauen damit hat. Aber es ist nur eine Variante in der wir unsere Beziehungen führen, noch dazu eine sehr konventionelle, die sich nicht wirklich erfolgreich bewährt hat, im Gegenteil scheitern die meisten Beziehungen genau daran, was eigentlich unnötig wäre, wenn sich die Beteiligten über den Kern einig sind.

Vermutlich täte es den meisten Beziehungen besser, wenn Partner ohne Infragestellung ihrer Liebe, der Lust nachgehen könnten und würde langfristig sogar die erotische Beziehung wieder verbessern können aber es fehlt die breite empirische Basis solche Vermutungen zu belegen. Darum sei es hier beim Gedankenmodell belassen, was ohnehin wichtiger ist, weil Liebe und Freiheit im Kopf anfangen und enden.

Ob Prostitution dazu ein geeignetes Mittel ist, scheint mir eher zweifelhaft, da es dabei meist nur um konventionell einseitige Befriedigung geht, die gerade nicht der Lust der anderen dient und auch keinen Fortschritt bringt, sondern nur das falsche Modell verstetigt, was zu einer Perpetuierung der gegenseitigen Frustration führt. Huren suchen keine Befriedigung sondern machen ihren Job für Geld. Männer, die sich in ihnen befriedigen, wissen das, auch wenn sie insgeheim davon träumen einmal eine Hure wirklich zu befriedigen und lassen sich diesbezüglich gerne etwas vorspielen, was sie nur in falschen Mustern und Rollen bestätigt aber keinen Fortschritt bringt.

Beziehung hat viele Elemente und nicht alle müssen immer zugleich und zu gleichen Teilen vorhanden sein, um mit dem Bestand einer Beziehung glücklich leben zu können. Was fehlt kann intern oder anderweitig ausgeglichen werden, was immer dann funktioniert, wenn zwei einander sicher sind. Genau diese Basis aus Vertrauen und Funktionalität aber ist es, die unabdingbar ist, für ein gutes Auskommen miteinander, alles andere könnte relativ flexibel sein, doch bin ich mir sicher, wer sich vertraut und gut miteinander lebt, kann auch wieder gemeinsame Wege der Lust entdecken, egal in welchem Alter, auch wenn echtes Vertrauen wohl eine gewisse Reife verlangt, deren Mangel jugendliche Schönheit und Potenz nur zeitweise scheinbar ausgleichen können, worauf nach meiner geringen Erfahrung lieber keiner auf Dauer vertrauen sollte aber dabei ist es, wie so oft im Leben, es kommt auf die Beteiligten und ihr Gefühl miteinander an, womit wir wieder beim Vertrauen als Schlüssel jeder Beziehung und echter Lust sind und was auch die Frage nach der Qualität des Sex mit Huren, so technisch gut sie fraglos sein mögen, für mich abschließend beantwortet.

jens tuengerthal 6.8.20

Mittwoch, 5. August 2020

Autoritätsaberglaube

Tief im Westen werden sie
Jetzt wieder autoritär um die
Bürger zu disziplinieren die
Sich regelwidrig dort nicht
Maskieren wie vorgeschrieben
Was besonders komisch ist in
Den dort Karnevalshochburgen
Aber vermutlich nicht zwischen
Aschermittwoch und 11.11.
Sie sollen Strafe bezahlen
Was einerseits albern klingt
Aberglaube an Autorität zeigt
Andererseits mich grinsen lässt
Angesichts kommender Demos
Der Coronaleugner egal wo
Die gute Einnahmequellen dann
Für unser seuchengeplagtes
Gemeinwesen sein könnten dann
Dummheit im Sinne der Aufklärung
Auch ihren Preis endlich hätte
Obwohl es ebenso dumm ist
Zu glauben autoritäre Maßnahmen
Würden die Verantwortung stärken
Aus der Unmündigkeit befreien
Die sie nur lächerlich verlängern
Ist bestenfalls naiv zu nennen
Realistischer aber ist es vermutlich
Zu glauben klare Regeln schüfen
Den Rahmen für die Mehrheit
Nicht kritisch denkender Wesen
Es braucht noch viel Aufklärung
Sapere aude bleibt das Motto
Für den strafbewehrten Maskenball

jens tuengerthal 5.8.20

Krankheitsglaube

Wie Michel de Montaigne rät
Sich nicht krank zu stellen weil
Die Krankheit wirklich werden
Den der nur krank spielte ergriffe
Dies mit schönen Anekdoten
Aus seinen Schatz an Lektüre
Von Römern und Griechen stützt
Schien mir seltsam und fast dem
Aberglauben verfallen wie früher
Den Kindern erzählt wurde als
Warnung die Augen könnten beim
Schielen aus Spaß stehen bleiben
Doch ist es wie so oft beim Meister
Aus dem Perigord nur die Tarnung
Für eine viel tiefere Weisheit die
Vom Wert der Philosophie kündet
Indem er verdeutlicht wie wenig
Mit sich nur beschäftigte Menschen
Die Fehler bei sich erkennen können
Sie lieber im Gegenüber suchen
Meister darin sind zu erklären wie
Wenig sie für etwas können lieber
Viele Gründe suchen warum sie
Nicht anders könnten als sie tun
Weil die Umstände wären wie sie
Sind und sie damit dazu zwängen
Was ihnen eigentlich nicht entspräche
Wir alle darum besser daran täten die
Ursache unserer Krankheit in uns
Lieber zu suchen als bei anderen
Vor allem da uns mit der Philosophie
Das beste Heilmittel zur Verfügung
Stünde die Verblendung zu überwinden
So meint Montaigne die Heilung fiele
Viel schwerer weil wir die Ursachen
In uns aus Gewohnheit ignorierten
Wer kennt nicht die Geschichten
Von den widrigen Umständen die
Einen so oder so werden ließen
Bei den einen ist es die Familie
Andere nehmen die Umstände
Unter denen sie aufwuchsen
Als taugliche Entschuldigung
Die von jeder Verantwortung befreit
Es konnte ja nicht anders gehen
Statt uns die Freiheit zu nehmen
Verantwortung zu übernehmen
Für unser Handeln und die Folgen
Womit es erst in unserer Hand liegt
Sich mithilfe der Philosophie künftig
Besser oder gesund zu verhalten
Was mir beim ersten Lesen noch
Als eine falsche Botschaft schien
Die Unterbewusstsein wie Analyse
Als Beschäftigung mit dem Problem
Auf das wir schauen sollen vorwegnimmt
Wurde am Ende zu einem Plädoyer
Für die Gewissensfreiheit die uns
Eben die Chance gibt Verantwortung
Für uns zu übernehmen uns also wie
Kant 200 Jahre später erst schrieb
Aus selbstverschuldeter Unmündigkeit
Nachhaltig zu befreien indem wir für
Unser Handeln niemand anderen als
Das eigene Gewissen verantwortlich
Machen was echte Freiheit bedeutet
Die dabei sogar konstruktivistisch fast
Auf die eigenen Stärken schaut die
Sich die Befreiung von den ewigen
Ausreden ermöglicht um darauf
Künftig verantwortlich zu reagieren
So erkannte Montaigne schon vor
Bald 500 Jahren wie nah viele
Lösungen bereits in uns liegen
Wagten wir hinzusehen statt die
Üblichen albernen Ausrede zu suchen
Womit er sich zugleich bestätigt
Dass die Philosophie in allem hilft
Las es staunte und stimmte zu
Begeistert von der Tarnung im
Aberglauben die Zustimmung
In Vorurteilen scheinbar fordert
Um dann zum Gegenteil einfach
Über einen kleinen Salto zu gelangen
Der den Geist der Aufklärung dort
In der späten Renaissance trägt
Verneige mich voller Bewunderung
Vor Meister Michel der gänzlich
Ohne moralischen Zeigefinger
Dafür mit eleganter Verbeugung
Vor dem Unsinn lachend mich
An meine Verantwortung erinnert
Die Bedingung der Freiheit ist
So stelle ich mich dem Leben
Mit all seinen Untiefen gerne
Mache keine Dritten verantwortlich
Für Mängel meines Charakters
Weil genau das meine Freiheit ist
Die weiter führt als der Aberglaube
An Krankheiten die uns deantworten
Über die Kant später in seinem Essay
Was Aufklärung sei so treffend spottet
Freiheit und Verantwortung führen weiter
Als Vollkasko im Pauschalurlaub

jens tuengerthal 5.8.20

Dienstag, 4. August 2020

Liebeswahrheit

Gibt es die wahre Liebe und Wahrheit in der Liebe?

Habe schon früh gedacht, dass ich mit dieser oder jener für immer zusammen bleiben wollte, wir heiraten, glücklich werden und bis ans Ende unserer Tage wunderbaren Sex haben würden. Habe dieses Versprechen schon viermal formell in eine Verlobung, also ein Eheversprechen überführt und dies tatsächlich immer mit dem Willen zu heiraten, obwohl schon Menge und Wiederholung mich hätten stutzig machen können, ob der wahren und einzigen Liebe, wollte ich immer wieder an die große Liebe glauben, besonders bei meiner letzten Liebe, die mir auch einst versprach und mir dies schriftlich gab, für immer bei mir bleiben zu wollen, was nach der realen Trennung aber keinerlei magische Wirkung entfaltete, im Gegenteil führte meine Erinnerung daran bei ihr nur dazu, mich für völlig verrückt zu erklären, womit sie zu diesem Zeitpunkt sicher nicht völlig unrecht hatte.

Wahnsinn aus Liebe - kein zu seltener Befund und dazu müssen wir nicht mal den Werther oder Romeo und Julia bemühen, es würde vermutlich auch ein kurzer Besuch in der nächsten Psychiatrie reichen. Heute, mit 18 Monaten Abstand, sehe ich es anders und habe zum Glück wieder die Fähigkeit zur realistischen Relativierung gewonnen, den tollen Frauen dazwischen sei dank.

Spannender aber als mein Wahnsinn oder ihrer, mich wahnsinnig tollen Mann nicht mehr lieben zu wollen, worüber es bestimmt verschiedene Auffassungen geben würde, stellte ich es zur Diskussion, worauf ich aber, um meines Selbstwertes willen, der manchmal auf dünnem Eis nur steht, wie es wohl relativ menschlich ist, lieber verzichten möchte, ist die Frage, ob sie die Wahrheit sagte, als sie mir ewige Liebe versprach oder mich immer anlog, weil sie es weder konnte noch wollte, weil ohnehin nichts für die Ewigkeit ist und nur ich verliebter Narr, den Mädchenmorgenblütenworten traute.

Habe ihr genauso oder zumindest ähnlich lebenslange Liebe versprochen und es auch tatsächlich so gemeint, auch wenn meine Vernunft mir eigentlich längst sagte, das konnte nicht gut gehen, fühlte ich mich doch noch sehr lange innerlich an dies ewige Versprechen gebunden, wollte nie wieder eine andere, was die Realität inzwischen erledigte und dennoch frage ich mich immer wieder, was es mit der wahren Liebe auf sich hat, ob sie je endet, es sie nur einmal gibt, Versprechen aus Liebe gehalten werden müssen oder nie, weil sie eben nur eine relative Gültigkeit haben, solange wir unter der hormonellen Droge des Gefühls stehen und keines klaren Gedankens mehr fähig sind, von der sie sich spürbar schneller befreite als ich oder die sie zumindest schon ganz bald wieder auf den nächsten natürlich noch perfekteren Mann ihres Lebens projizieren konnte, womit der Alte, also ich, erledigt war.

Das ist alles gut und normal und eben der Lauf des Lebens und das normale Risiko alternder Männer, die sich mit zu jungen Damen einlassen. Kann darüber inzwischen lächeln und denke ich an die wunderbaren Frauen, denen ich begegnen durfte danach, kann ich nur voller Dankbarkeit sein, verlassen worden zu sein, um befreit zu leben. Doch immer wieder treibt mich die Frage um, ob es die wahre große Liebe gibt, es Wahrheit war, was wir uns versprachen, wir es so meinten oder beide logen, weil kein Mensch vernünftigerweise solchen Unsinn versprechen kann, zumal einen die Realität ja schon nach nichtmal zwei Jahren eines besseren belehrte, die letzte Verlobung sich erledigt hatte und ich, der immer meinte, mich um sie kümmern und sorgen zu müssen, mich von ihr aus gutem Realismus für verrückt erklären lassen musste, immer noch an ihr zu hängen.

Gibt es in der Liebe nur eine relative Wahrheit, die an zufälliger Koinzidenz hängt?

Aller Realismus spricht dafür und es lebt sich besser über die gegenseitigen wahnsinnigen Versprechen und ihre Geburtstagskarten und ähnliche ewige schriftliche Liebesschwüre so zu lachen wie über die gleichen Verfluchungen danach, alles nicht so furchtbar ernst zu nehmen, weil die Liebeserklärungen von jungen Damen Anfang 20 eben nur eine beschränkte Haltbarkeit haben und flexibel austauschbar sind. Dagegen spricht aber der Absolutheitsanspruch der Liebe, die nie enden sollte, die Treue zu eigenen Versprechen und fortbestehender Wahnsinn.

Las heute in Alain Badious Lob der Liebe über genau diese Frage der Wahrheit der Liebe, der das ganze wunderbar philosophisch betrachtet, sich dabei aber auch typisch französisch auf das Glatteis echter Empfindungen begibt, statt deutsch kantianisch Abstand zu halten, wie ich es mit dem falschen Anschein der Nüchternheit hier vorspiele. Es beginnt schon mit der Liebeserklärung, die einen großen Anspruch auf Wahrheit hat und doch nur, vernünftig betrachtet, ein relativ gültiger Gefühlsausdruck ist, den vernünftige Menschen, der am besten passenden Situation anpassen.

Haben wir uns beide angelogen oder nur sie mich, meinte sie, was sie schrieb, als sie ewige Liebe versprach?

Über sie kann ich nichts sagen und also beschränke ich mich auf meine Sicht der Dinge. Nach meinem Gefühl waren wir beide in dem Moment von dem Wahnsinn, den wir verkündeten überzeugt und wollten diesen Weg gehen. So hat in dem Moment keiner gelogen, wir wollten es vermutlich beide so, wie wir es uns auch öffentlich in sozialen Netzwerken versprachen, weil wir eben so verrückt wie nur möglich waren und das war auch gut so. Das war also in diesem Moment gefühlt für beide wahr. Keiner hat da gelogen und ich will auch nichts anderes denken.

Später war es nur noch für mich wahr aber für sie nicht, was eine gewisse beinah tödliche Tragik für mich hatte aber, was soll ich dazu nun sagen, so spielt da Leben eben mit unvernünftigen älteren Herren kurz vor fünfzig, damit sie ihre Grenzen kennenlernen, die doch natürlich eher bescheiden sind, wie es die Zeit eben mit sich bringt. 

Inzwischen ist es wohl für keinen mehr wahr und aller Wahrscheinlichkeit nach, wird sich daran auch nichts im Leben mehr ändern aber wer wäre ich, dem Ende vorgreifen zu wollen, das kommen soll, wie es ihm gefällt und mich in der Gegenwart nicht weiter tangiert.

Die Liebe ist ein Glaube, praktisch irreal und nur auf einem Versprechen fußend. Solange sie besteht sind ihr entsprechende Versprechen ihre Wahrheit. Wo der Glaube aneinander fehlt, gibt es nichts mehr, was verbindet außer vielleicht die Sehnsucht nach einer verlorenen Vergangenheit, die der erfahrene Mann lieber schnell vergisst, weil es immer müßig ist als Mann dabei etwas zu wollen, was Frauen ohnehin nach ihrem Gefühl gestalten.

Habe mich ja nun schon nach diesem mich dem Wortlaut nach mein Leben lang bindenden Versprechen mehr als einmal wieder dem Glauben an neue Liebe hingegeben, wenn auch nicht so extrem und lieber etwas vernünftiger, womit logisch Leidenschaft fehlte aber auch viel weniger täglich gelitten wird, doch überzeugt, es zu können. Zwar spielte mir noch manchmal die Erinnerung einen Streich, ließ mich glauben, ich könnte nur diese eine lieben und nie wieder eine andere und versprochen wäre versprochen aber zum Glück relativiert die Nähe zu vernünftigen Frauen und ihre Anziehung alles.

Interessant ist hier die sprachliche Nähe von versprochen zu versprochen als dem Versprechen oder dem Versprecher, der bedeutungslos weil nicht gewollt sein soll und doch scheint manches Versprechen wie ein Versprecher und bindet mancher Versprecher mehr als heiligster Eid, weil Sprache sich seltsam nah kommen kann.

Habe lang gebraucht, um für mich zu merken, wir haben es vermutlich beide so gemeint, also die Wahrheit gesagt in dem Moment, es aber aus erwartbaren Gründen nicht miteinander hinbekommen, womit sich die vorige Wahrheit erledigt hat, weil ihr die praktische Basis fehlt, was eigentlich ganz logisch und einfach klingt, auch wenn emotionale Umsetzung und theoretische Erkenntnis zwei Paar Schuhe sind.

Am lustigsten daran ist, warum ich die wahre Liebe und die Wahrheit hoch hielt, was ich bei klarem Verstand schon immer für Unsinn halte, weil die Wahrheit eben die Erfindung eines Lügners ist, wie es der kluge Heinz von Foerster noch so treffend auf den Punkt brachte im gleichnamigen Buch. Die Anmaßung der Wahrheit ist, was auch Badiou völlig übersieht, eine totalitäre Besitzergreifung und jeder Vernunft fern, Ausdruck von Aberglaube höchstens noch, weil keiner die Wahrheit kennen kann und so bleiben immer nur verschiedene von unterschiedlichsten Komponenten abhängige relative Wahrheiten, die also keine sind, in der Wirklichkeit eines kleinen Moments.

Denke über dies Versprechen von großer Liebe, dass wir beide es wollten und ernst meinten, aber die Umstände eben nicht für eine Realisierung sprachen, woran immer alle Betroffenen beteiligt sind und sehe es als eine zeitweise totalitäre Verirrung, die meinem freien Geist sonst eher fremd ist. Auch wenn ich natürlich immer noch gerne ankäme, erfüllt von großer Liebe und dem Gefühl mit einer glücklich zu bleiben aber vielleicht braucht die Liebe auch diese etwas absurden und eigentlich totalitären Ansprüche, um den anderen gewöhnlichen Unsinn miteinander zu ertragen.

Was weiß ich schon, denke ich mit Montaigne, auch über die Liebe und bin mir zumindest sicher, da waren zwei einen Moment lang verrückt genug daran zu glauben und irgendwann war die Vernunft wieder stärker und wenn sie nicht gestorben sind lieben sie weiter irgendwen, bis ans Ende ihrer Tage und nur ich rede seltener von wahrer Liebe.

jens tuengerthal 4.8.20

Erotisches

Was ist wirklich erotisch, ist es je etwas?

Bei der Beschäftigung mit der Frage, was eigentlich erotisch ist, taucht die Unterscheidung zwischen Liebe und Lust wieder auf und bekommt einen neuen Gehalt. Die Erotik baut den Reiz auf, die sinnliche Anziehung, die in der erfüllten Lust am Höhepunkt gipfelt, von dem sie aber als quasi Vorspiel noch weit entfernt ist.

Frage ich mich,  ob es erotischer ist am Strand einer Nackten zwischen die Beine oder auf die Brüste zu schauen, die dort eher inflationär sichtbar herumliegen, oder den Ansatz von nur Strümpfen am leicht verrutschten Rock einer Dame im Café zu sehen oder den Träger eines BHs irgendwo ungeplant hervorblitzend zu genießen, weiß ich genau, die natürliche Nacktheit kann schön anzuschauen sein, hat aber wenig Reiz im Gegensatz zum halb enthüllten, was nur etwas ahnen lässt und genau damit Spannung und Reiz aufbaut. So gesehen dienen die knappen Textilien an den Textilbadestränden allein dem mehr an Erotik und nicht der vorgeblichen Keuschheit aber das ist ein anderes Kapitel.

Pornografische Nacktfotos können schnell allen erotischen Reiz verlieren, weil sie zu sehr offenbaren, was aus dem Versteck erst sinnlich hervorschaut. Sie können geil sein, ihren Zweck erreichen, aber mehr selten, weil es dabei um Sex und nicht um Erotik geht.

Liebte es meine Liebsten nackt zu fotografieren, bei welcher Gelegenheit auch immer, um mich an ihrer Schönheit zu freuen, aber es verlieren auch die heißesten selbstgedrehten Pornos mit der Liebe schnell allen Reiz, kamen mir immer schon im Moment ihrer Entstehung eher komisch vor, auch wenn die Telefone heute beste Filmqualität liefern, fehlt Pornos ohnehin meist jede Erotik, weil es dabei nur noch um den Vollzug geht und nicht mehr um den langsamen Aufbau einer Spannung, die nur langsam genossen werden kann. Insofern verlorene Liebe und ähnliches dem erotischen Befinden eher abträglich ist, taugen solche Bilder nicht mal als Onaniervorlage, warum sie genauso gut gelöscht werden können, da ohne jede weitere Bedeutung.

Finde Bilder weiblicher Geschlechtsteile sehr reizvoll und sie bewirken bei der Betrachtung eine sexuelle Erregung, warum das Frauen mit dem männlichen Glied so geht, erschließt sich mir weniger, aber ich muss ja auch nicht alles verstehen, geschweige denn meinen, Frauen überhaupt verstehen zu können. Fand schon in Kinderzeiten die Betrachtung einer Vagina im Brockhaus oder in einem der medizinischen Lehrbücher meines Vaters erregend. Aber erotisch würde ich den Blick aufs Geschlecht nie nennen.

Es gab einmal bei Zweitausendeins den Bildband Vulvas, den ich nur leicht verschämt anfänglich aber dann voller Genuss durchblätterte, der verschiedenste Scheiden in all ihrer Unterschiedlichkeit mit oder ohne Frisur präsentierte und die Vielfalt der Möglichkeiten der Natur in diesem Bereich offenbarte. Später gab es auch solche Bände für Pos und Brüste, die ich gleichfalls mit Freude leicht erregt durchblätterte aber nie einen erwarb, auch wenn ich Kunstbände mit Aktfotos habe, war der pure Vulva-Bick nichts, was ich im Regal stehen haben wollte.

Es gibt auch erotische Bilder völlig nackter Menschen, deren Geschlecht sichtbar ist, doch sind diese für mich eher die Ausnahme. Erotische Spannung entsteht vielmehr aus dem noch nicht, was unsichtbar bleibt, bloß ahnen und hoffen lässt. Ein Porno oder pornografische Bilder erfüllen den Zweck sexueller Erregung aber mehr nicht, sie bauen keinerlei erotische Spannung auf, sondern zielen auf den schlichten sexuellen Vollzug, während die Erotik scheinbar in einem Zwischenbereich des noch nicht aber mit zarter Hoffnung auf ein beinahe doch Zuhause ist.

Sehe ich ein Bild einer Frau, der ich teilweise unter ihren Rock oder zwischen ihre Beine schauen kann, entsteht damit, wo es gut komponiert ist, eine erotische Spannung. Die grässlichen Up-Skirt-Bilder dagegen, bei denen notgeile Typen Frauen ungefragt unter den Rock fotografieren, fand ich noch nie erotisch sondern immer eher abstoßend. Allein das Element des Verbotenen des Spanners kann hier eine gewisse Spannung erzeugen. Brüste die sich in ihrer Form, wie auch immer dabei gehalten, gepusht oder nach der Natur, abzeichnen erzeugen Spannung, während die schwingenden Brüste der Beachvolleyballspielerinnen am FKK-Strand frei von jeder Erotik waren, wie ich es auch nicht sonderlich reizvoll fand, zwischen nackte unverhüllte Beine, die sich präsentieren zu schauen, außer für den Moment der kleinen sexuellen Erregung.

Wie das Frauen mit dem männlichen Glied und dessen mehr oder weniger schrumpeligen Anhängseln geht, kann ich nicht beurteilen.

Früher waren im deutschen Playboy im Gegensatz zum französischen oder amerikanischen nie Schamlippen zu sehen, was mit der Unkultur der Nacktrasur schwierig wurde, die auch jede Erotik dem Schoß raubt, der dann nur als Objekt der Begierde übrig bleibt, ein quasi pornografisches Objekt wird, zur Stimulation von Wesen mit pädophiler Neigung, ungesund eben. Dieses nicht sehen oder nur ahnen hatte einen besonderen Reiz und die heute gefallene Unterscheidung zwischen Aktfoto und Pornografie sorgte zumindest für einen höheren erotischen Reiz, der den bearbeiteten Bildern schon lange fehlt.

Während sich heute Frauen Schamlippen wie Brüste absurd formen lassen und damit meist nur deren Funktion massiv beeinträchtigen, noch sonst einen erkennbaren Gewinn davon haben als normative Anpassung an ein Ideal des Durchschnitts, dem nur gefallen will, wer selbst sich nichts wert ist, was aber zur Kultur der Nacktrasur passt, die eben genau damit hinschauen lässt, was früher zumindest einen Rahmen von Haaren noch hatte, wundern sich viele ernsthaft über den Verlust jeder Erotik im Zeitalter frei verfügbarer Pornografie, was fast katholisch klingt aber eher aus Sorge um echte Lust geschrieben wurde.

Nichts gegen Pornos, wenn sie fair und gut gedreht sind, die Beteiligten gut behandelt wurden. Aber alles dagegen, wenn die Porno-Industrie ihre Machwerke erotisch nennt, was sie nahezu nie sind, auch nicht sein sollen, weil es nur um den geschlechtlichen Akt geht, der im Vollzug mit mehr oder weniger Vorspiel präsentiert wird.

Fragte mich jemand, welche Literatur ich wirklich erotisch fand, fiele mir neben Proust immer Thomas Mann ein, der die Spannung perfekt inszenieren konnte, ohne je wirklich über Sex zu schreiben, zumindest seltenst ausdrücklich. Dagegen sind Henry Miller oder Aeneis Nin bloß mehr oder weniger gute Beschreibungen der Technik des Sex gelungen, aber selten wirklich erotische Momente, auch wenn Henry sich in stille Tage in Clichy darum teilweise ernsthaft bemüht. Tucholsky hat in Rheinsberg und Schloss Gripsholm höchst erotische Texte geschaffen, ohne dabei je ins Detail zu gehen. Borchardt hat im Weltpuff Berlin wunderbar erotische Elemente neben und zwischen dem vielen Sex versteckt, der selten je erotisch aber immer reizvoll und höflich beschrieben ist.

Miteinander wild zu werden, sich stöhnend einander hinzugeben mit allen dabei möglichen Verrenkungen und Spielarten kann wunderbar lustvoll und geil sein - wie schön, wenn es passt und ein beide bereicherndes Ende findet aber für mich ist da die Erotik schon vorbei, die wenn im Moment davor, im Spiel um den Reiz relevant ist, der sie langsam wachsen lässt und ihr das wunderbar knisternde Moment gibt.

Sex kann sehr erotisch sein, auch wenn das selten der Fall ist, da meist beide, oder wieviele Beteiligte auch immer, geil aufeinander nach dem Vollzug streben und sich zu vereinen suchen, um den Gipfel ihrer Natur nach zu genießen.

Das sinnliche Element der Spannung, die noch nicht zum Ziel kommt, reizt aber nicht erreicht, ist die Basis der Erotik und die kann auch beim Sex spielerisch eingesetzt werden, indem etwa die Stimulation der entsprechenden Organe plötzlich unterbrochen wird, um den Reiz noch zu erhöhen, ein erotisches Theater zu inszenieren, was aber auch gehörig schief gehen kann und Anfängern nicht unbedingt zu empfehlen ist.

Erotisch ist das nicht ganz, ein wenig verhüllt aber reizend, ein noch nicht, was aber alles daran setzt, das Wollen zu steigern. Sie hat etwas spielerisches und ist damit sehr menschlich. Der Sex im Vollzug dagegen, wo jeder mit seinem Ego nach Befriedigung strebt, will zum Ziel, eindringen oder aufnehmen, sich überschwemmen und sich am Ende miteinander selig erschöpfen. Die Erotik baut die Spannung auf, die spätere Lust stehen und fließen lässt, warum ich, wie ich Sex und Liebe unterscheide, die nichts miteinander zu tun haben, zumindest nicht in dem Moment, auf den es am Ende ankommt, sondern nur beim Vorspiel bemerkbar sein können auch Sex und Erotik unterscheide, was leider im alltäglichen Sprachgebrauch nicht der Fall ist, warum Erotik-Center meist die denkbar unerotischsten Orte sind, so professionell gut auch die dortigen Werktätigen ihrem Job nachgehen, da es dort bloß um Sex und seinen Vollzug und nicht um Erotik geht, wie Pornos eben keine erotischen Filme je sind oder wenn nur zufällig nebenbei.

Ob der Sex im erotischen Umfeld viel besser wird, als im rein sexuellen ist strittig. Finde die Erotik ein wunderbares Vorspiel, um die Spannung langsam zu schaffen, auf der die Erregung fußt, die guten Sex ausmacht. Aber es kann auch mal schneller, wilder Sex, der direkt zur Sache kommt, statt lange zu spielen in manchen Fällen passend und schön sein, wenn es allen Teilnehmern so gefällt. Nur sollten wir wie bei der Liebe auch die Erotik nicht mit dem Vollzug der Lust vermischen, bei der wir gerne auch ungehemmt, laut oder sonst ungewöhnlich uns verhalten dürfen, was zur Erotik eher weniger passte, sie schnell zerstörte und dem dabei natürlichen Egoismus einen unangenehm primitiven Beigeschmack gäbe.

Natürlich spielt im Idealfall alles ineinander und schafft so einen erotischen Raum, in dem die Lust sich natürlich vollzieht, doch ist selten wirklich alles ideal sondern passiert die Lust manchmal auch zufällig nebenbei und dann ist es gut, um Enttäuschungen zu vermeiden, die Welten voneinander zu trennen. Wenn die Liebste mit verzerrtem Gesicht auf mir reitet und sich zum Höhepunkt stöhnt, sieht das, auch mit großer Liebe gefilmt, nie erotisch aus, es ist halt Sex und den kannst du als solchen miteinander genießen, was wunderbar ist und Teil unserer Natur aber wer Erotik und Sex vermischt, läuft beständig Gefahr vom einen oder anderen frustriert zu sein und kann keines für sich genießen. Der Sex sei Sex, die Erotik sei Erotik, die Liebe sei Liebe, alles hat seinen Platz zu seiner Zeit. Beständige Vermischung führt nur zu emotionalem Chaos und Unfähigkeit in allem, weil nichts mehr ganz genossen wird, wie es ist.

Sagt mir eine Frau im erotischen Vorgeplänkel fick mich, ich bin so geil auf dich, stößt das eher ab, weil es zu weit geht, umgekehrt vermute ich ähnliches, sagt sie es beim Sex, heizt es die Stimmung noch an und hebt die Lust - ein ich liebe dich vor dem Orgasmus kann diesen eher ausbremsen und sollte sich darum gespart werden. Wo wir viehisch wild und geil übereinander herfallen, sollen wir auch so sein, wo wir uns voll erotischer Sinnlichkeit verehren, um uns zu begehren, wäre dieser Ton völlig fehl am Platz und so ist es mit den Worten wie mit den Berührungen, die immer der Situation angepasst sein sollen, nach meinem Gefühl, weil Frau nicht einen Sexknopf hat, sondern ein komplexes eng mit dem Geist verbundenes Organ, was in verschiedenen Situationen unterschiedliche Berührung und Intensität dabei verlangt, was mit dem simpleren männlichen Organ nicht vergleichar ist, warum so viele Männer immer nach dem einen Knopf bei Frau suchen und über diesen wilde Theorien aufstellen.

Es gibt diesen so wenig, wie das immer richtige Rezept zum guten Sex, der an ganz vielem hängt und eben sich auf die Situation sensibel einstellen muss, was Männer bei der Kommentierung von Fußballspielen häufig besser gelingt als beim Umgang mit den weiblichen Sexualorganen aber vielleicht hilft es ja, darüber zu reden, hier eine für beide erfreulichere Bewegung in Gang zu setzen. Das weibliche “Glied”, der nervus pudendus eben, liegt nach innen und so kommt es auch auf innere Harmonie im Ganzen an.

Dieser scheinbar mechanische letzte Punkt führt wieder zur Erotik und ihrer entscheidenden Bedeutung für schönen Sex, weil diese eben die Spannung aufbaut, die spätere Berührung wünschenswert erscheinen lässt und auch das manchmal der Natur nach etwas grobmototischere männliche Verhalten bei der Stimulation dann als genau richtig erscheinen lässt. So spricht auch aus männlicher Sicht sehr viel dafür, eine schöne erotische Spannung langsam aufzubauen, um mit seinen beschränkten Fähigkeiten dennoch etwas erreichen zu können, was beiden irgendwie Freude macht. Aber das alles ist natürlich ein weites Feld und wie gut kenne ich auch die vielen Frauen, die behaupten ganz anders als alle Frauen zu sein, dies oder das nie zu wollen, was sie dann nur insgeheim enttäuscht doch erwarten, wie inzwischen auch die Männer, die ohne ein sinnliches Vorspiel nicht mal mehr einen hoch kriegen und sich dafür so schämen, dass sich das Risiko von mal zu mal sogar potenziert und wie gut es tut, darüber wie über sich zu lachen, ist auch eine Frage der Liebe, die bekanntlich alles kann aber dazu im nächsten Essay über die Liebeswahrheit.

jens tuengerthal 4.8.20