Donnerstag, 13. August 2020

Blutgeld

Wie sehr ist unser Körper Kapital geworden?

Blutgeld meinte im germanischen Recht den Betrag, den ein Täter an die Angehörigen seines getöteten Opfers zahlen musste, andererseits wird damit heute noch der Belohnung bezeichnet, die derjenige bekommt, der einen Mörder oder sonstigen Verbrecher anzeigt.

Im Neuen Testament wird das Geld, was Judas für den Verrat Jesu erhält auch als Blutgeld bezeichnet, jedoch handelt es sich dabei lediglich um Bestechungsgeld, weil Judas keinen Straftäter verriet, worüber heute vermutlich gestritten würde, da Jesus als permanenter Unruhestifter auch als Terrorist gelten könnte, wie Dostojewski schon so stark in seinem Großinquisitor vorführte.

So betrachtet hat der Körper schon lange einen Wert, der als berechenbar gilt. Das Leben eines Europäers ist etwa 1,6 Millionen Euro wert, das eines Afrikaners vor Ort deutlich weniger, wie Gerichte durchschnittlich entscheiden.

Darüber hinaus aber hat der Handel mit Organen und anderen Körperprodukten wie Blut, Sperma und Eizellen einen ganz eigenen Markt geschaffen, der vielfach längst an der Börse notiert, auch Gegenstand der Spekulation am Kapitalmarkt ist.

Auf diese Verquickung, die in Europa teilweise bei Organen und Eizellen aus moralischen Gründen beschränkt wurde, weist Christina von Braun in ihrem Buch Blutspuren hin und zeigt damit, was Blutgeld heute eigentlich ist.

Von den 148.000 Blutspenden, die patriotische Amerikaner nach 9/11 wirklich spendeten, wurden nur etwa 248 für die Versorgung der Opfer verwendet. Der weitaus größere Teil ging in die Blutindustrie, die das Plasma für Medikamente und zu sonstigen Zwecken verwendete, daran gut verdiente.

Der Markt auch für eigene organische Produkte und das eigentlich Eigentum der sogenannten Spender wie ihre weitergehende Haftung bei Spermien und Eizellen, der sich viele nicht bewusst sind, könnte auf einen freiheitlichen Umgang damit hindeuten, den es aber de facto nicht gibt.

Tatsächlich heißen die Empfänger von Blut, Eizellen und Sperma nicht umsonst Blut- bzw. Samenbanken. Diese und die Industrie dahinter verdienen gut auf dem Markt, Kunden zahlen reichlich. Die eigentlich Eigentümer der Körper aber werden ganz passend Spender genannt, bekommen nur einen kleinen Obolus für ihre Körpersäfte und zählen oft zu den Ärmsten der Gesellschaft. Entsprechend sind die Spenderzentren in den USA meist in den ärmsten Gegenden angesiedelt.

So bildet das Blutgeld am Kapitalmarkt die tatsächlichen sozialen Verhältnisse nur ab. Fraglich wäre, was eine gerechte Alternative wäre und wie die sogenannten Spender gerecht beteiligt werden könnten am Gewinn, der mit ihren Körperprodukten erzielt wird.

Hier könnte fortbestehendes Eigentum eine Lösung anbieten oder eine Beschränkung des Marktes, die aber vermutlich wirkungslos auf dem Weltmarkt verhallte, solange dieser keiner einheitlichen ethischen Kontrolle unterliegt.

Blut, das unser Lebenssaft ist, gerne zur Bezeichnung von Verwantschaft genutzt wird, ist so auch zum Produkt des mächtigen Kapitalmarktes geworden. Fragen wir uns noch oft genug, was unser Menschsein ausmacht und ob wirklich alles am Markt handelbar sein muss?

Wer könnte Grenzen ziehen, wenn wir ethisch der Meinung sind das nicht?

Trage seit Jahren natürlich einen Organspenderausweis, finde das richtig und vernünftig, mit meiner Leiche kann die Wissenschaft machen, was sie will. Aber gehörten nicht meine Erben zumindest dafür angemessen entschädigt?

Kann es richtig sein, dass wir Individuen als edle Spender gehalten werden, während Banken mit unserem Körper viel Geld verdienen?

Es stellen sich viele Fragen zum Blut heute neu, vor allem aber, wie wollen wir leben und welche Werte bestimmen unser Sein.

jens tuengerthal 13.8.20

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