Donnerstag, 6. August 2020

Beziehungslust

Wie und wo bleibt in Beziehungen die Lust?

Beziehungen gehen wir ein, um die Liebe zu leben. Im Idealfall verbinden sie Liebe, Erotik und Lust. In der Praxis bleiben über die Bewältigung des Alltags Lust und Erotik meist eher auf der Strecke, die Liebe soll alles bewältigen und darunter leiden Lust und Erotik, es sei denn sie finden eine neue eigene Form, mit der sie dennoch erhalten bleiben können.

Der Sexentzug als Strafe für nicht Wohlverhalten des Partners ist eine Variante, die zum Ende der Lust führt und den so Bestraften häufig nach Alternativen suchen lässt, die Strafenden genauso bestraft und also Gründe genug liefert, welche viele Beziehungen scheitern lässt, weil wir für gewöhnlich in monogamen Beziehungen von Ausschließlichkeit ausgehen trotz des bekannten Risikos der Frustration dabei. 

Dazu wären offene Beziehungen eine Alternative, die allerdings häufig mit dem Ideal der Liebe kollidieren und zur Verletzung von einem der Partner führen, der sich nicht mehr geliebt, weil nicht mehr begehrt fühlt, als bestünde zwischen Lust und Liebe ein notwendiger Zusammenhang.

Im Gegenteil sind wir in der Lust nach unserer Natur Egoisten, die nach Befriedigung streben und sorgen uns nur dank der Liebe und trainierten Sozialverhaltens auch um die Lust des Partners. Dagegen ist die Liebe etwas altruistisches, ein Gefühl, was dem anderen gut will, was mit dessen sexueller Aktivität in keinerlei Konfrontation stehen müsste. Tut dies aber immer wieder, da wir den Konventionen entsprechend, in denen wir aufwuchsen leben und den Sex auch mit Liebe verbinden, obwohl ihr eigentlich wissen, dass wir dabei natürlicherweise zu Tieren werden, die nach Befriedigung ihrer Lust streben, den Sex also von der Liebe trennen sollten.

Die Erotik als Moment der Spannung, der Lust auf Sex macht und die langsame Annäherung beschreibt, sollte vom Sex und der Liebe eigentlich getrennt betrachtet werden, wird aber, wie oben beschrieben, meist mit dem Wunsch nach Ausschließlichkeit vermischt, was seit Jahrtausenden, bis auf seltene Ausnahmen, zu den bekannten Problemen zwischen Paaren führt, auch weil ein erotischer Reiz unabhängig von Liebe und Beziehung ausgelöst werden kann.

So wir der Lust folgen, obwohl unser Herz anderweitig gebunden ist, sehen wir uns meist, vor uns selbst verpflichtet, uns auch zu verlieben, weil wir mit dieser konventionellen Verbindung aufgewachsen sind. Eine eigentlich natürliche Trennung dieser Bereiche gilt in unserer, vom Christentum und seinen Werten wie Monogamie und ewiger Liebe geprägten Gesellschaft noch als unkonventionell und sogar unnatürlich.

Insofern es Männer leichter hatten dem Bedürfnis zu folgen und Frauen in klassischen Strukturen ohne eigenes Vermögen und Selbständigkeit gefangen waren, war die Mehrzahl der Ausbrecher männlich. Frauen, die beim gewöhnlichen Sex häufig keine Befriedigung fanden, stellten ihre sexuellen Bedürfnisse zugunsten der Familie zurück. Doch taten es die ausbrechenden Männer immer auch mit Frauen, die ihren Bedürfnissen folgten, also Liebhaberin sein wollten. Teilweise taten sie dies zur sexuellen Befriedigung, häufiger wohl um soziale Bestätigung zu erhalten. 

Männer strebten meist mit ihrem schlichteren Sexualorgan nach Befriedigung und kümmerten sich weniger häufig, um die Befriedigung ihrer Frauen oder wenn sie es am Anfang von Liebe getrieben taten, gaben sie es oft im Laufe einer Beziehung auf, weil das Bemühen entweder nicht zielführend war, sie an ihrem eigenen Streben nach Befriedigung hinderte oder andere Gründe dagegen sprachen, zu denen auch das Vorspielen der Frauen gehörte. Viele Frauen spielen ihren Männern beim Sex auch Lust vor, um ihnen Zufriedenheit zu schenken, ihre Ruhe vor weiteren Nachfragen zu haben, nicht lange diskutieren zu müssen, weil sie sich selbst dabei schlecht oder unvollständig fühlten, ihre andere Natur einfach hinnahmen und die Befriedigung beim Sex als männliches Privileg betrachteten. Frauen die Befriedigung beim Sex fanden, galten anderen Frauen oft als verdächtig, wurden als sexsüchtig bezeichnet und sozial ausgegrenzt.

So entstand über Jahrhunderte und viele Generationen ein Sexualverhalten, mit dem wir heute noch leben und das auch in uns zu überwinden, vielen schwer fällt. Manche Frauen entdecken ihre natürlich größere Potenz erst, nach dem Ende ihrer Fruchtbarkeit, weil sie sich zuvor auch zu stark in konventionelles Verhalten mit erwartbar enttäuschten Erwartungen einbanden.

Betrachteten wir die Bereiche Erotik, Liebe und Sex unabhängig voneinander, könnten wir leichter zu unserem natürlichen Sexualverhalten finden. Was dieses ist und wohin es führen könnte, wird eine für die Struktur der Gesellschaft in Zukunft spannende Frage. Sie wird sich auf die Art der Beziehungen beeinflussen, die wir führen, wird die Struktur der Familien verändern und die Einzelnen mehr oder weniger glücklich machen, je nachdem wie sie sich in der Art, wie sie leben, verwirklichen können.

Beziehung braucht Liebe, sollte Lust haben, die möglichst Befriedigung miteinander findet, was am besten geht, wenn es eine fortdauernde erotische Spannung zwischen den Partnern gibt aber viel mehr braucht sie die Fähigkeit miteinander Probleme des Alltags zu bewältigen, sich gut zu tun, die eigenen Kräfte zu stärken und sich in den Schwächen zu unterstützen und genau das macht auf Dauer eine gute Partnerschaft aus und nicht allein die Frage, ob du mit dieser oder jener guten und wilden Sex hast, dir einmal im verliebten Wahn ein ewiges Leben voller Liebe versprochen hast oder andere konventionelle Antworten, die für die Tauglichkeit einer Beziehung nichts besagen.

Liebe ist der Glaube an ein Gefühl. Er fängt bei sich an und ist schön, wo er geteilt wird. In diesem Falle ist er aber noch viel stärker nur Glaube an das geäußerte Gefühl eines anderen, was nicht sachlich überprüfbar ist. Es gibt keinen tauglichen Beweis für die Liebe oder nicht mehr Liebe. Zwar finden sich Indizien aber diese sind meist in einen konventionellen Rahmen eingebunden und haben mit dem tatsächlichen Empfinden, von dem wir uns dank konventioneller Zwänge immer weiter entfernen, nichts zu tun. Vergesse also lieber alle Liebesbeweise, sie taugen nichts und verlasse mich allein auf das Gefühl, was ist, was es ist und nichts sonst und dessen kann ich mir nie sicher sein, ich kann nur daran glauben, als wäre es sicher und beweisbar, was es aber nie sein sollte. In diesem seltsamen Spannungsfeld wächst Liebe und vergeht sie wieder, als wäre sie nie da gewesen.

Wer der ständigen Beweise der Liebe braucht oder diese dauernd kontrollieren will, liebt nicht eigentlich, sondern will besitzen und sein Leben über diese Kontrolle in eine bestimmte Ordnung fügen, in der zusätzlich noch das Gefühl des anderen beweisbar erzwungen werden soll, was im Ergebnis das Gegenteil von Liebe wird, krank macht und konsequent nur zum Wahnsinn führen kann, weil wir etwas unerreichbares wollen, was wir durch den Versuch der Kontrolle und die untauglichen Beweise nur zerstören.

In einer solchen Konstellation habe ich mal zwei Jahre lang versucht zu leben wie zu lieben und bin im Ergebnis tatsächlich fast wahnsinnig geworden, wobei das fast vermutlich einige bestreiten würden, mich eingeschlossen aber das ist wiederum ein weites Feld, da der Wahnsinn meist nur eine Abweichung vom normalen Durchschnitt beschreibt und wie wahnsinnig dieser eigentlich ist, wäre eine andere Frage, es war also eine unmögliche Konstellation, obwohl es viele positive Punkte gab, die eine Beziehung traumhaft erscheinen ließen, die betreffend ich nichts schlechtes je sagen könnte und wollte und doch heilfroh bin, es inzwischen philosophisch betrachten zu können.

Vertrauen ist die Basis einer guten Beziehung und jeder Liebe. Funktionalität im Alltag, soweit er geteilt wird, ist die andere. Diese beiden sind unabdingbar, wo es an ihnen mangelt, kann der Versuch einer Beziehung nur scheitern. Vertrauen kann nur, wer sich seiner selbst und seines Weges sicher ist. Fehlt es schon daran, mangelt es meist am Vertrauen mit erwartbar traurigen Folgen, die zu Misstrauen und Hass führen, also das Gegenteil der Liebe erzeugen und keinem gut tun.

Vertrauen ist auch die Basis schöner, geteilter Lust, weil du dich fallen lassen können musst, um dich ganz aufeinander einzulassen. Wie jemand sich in der Lust fallen lassen kann, der nicht vertrauen kann, ist mir bis heute ein Rätsel, auf das ich keine Antwort habe und das mir eher die Frage stellt, wie wirklich die Wirklichkeit noch sein kann, wenn es am Vertrauen mangelt, was die innere Basis echter Gemeinsamkeit ist, aber manches muss ich zum Glück weder verstehen noch beurteilen, sondern kann es als Vergangenheit verwundert betrachten.

Sich etwas vorzuspielen, ist mir so fremd, wie mich mit fremden Federn schmücken zu wollen. Für das geliebt oder bewundert zu werden, was du tust oder kannst, scheint mir dagegen natürlich und gut. Ein Bedürfnis für das wir Menschen alle irgendwie leben. Manche werden dafür gut bezahlt, weil ihre Fähigkeit im zufälligen Interesse einer bestimmten Gruppe liegt, die dafür bezahlen kann. Andere, wie ich etwa, machen es einfach, ohne sich darum zu kümmern, was daraus werden könnte, weil sie wissen, was ihr Weg ist. Vermutlich die meisten tun etwas, weil sie etwas tun müssen, werden dafür irgendwie bezahlt und leben so. Entsprechend führen viele ihre Beziehungen relativ unaufrichtig, befriedigen ihre Bedürfnisse anderweitig, weil die Beziehungen dazu nicht mehr passen aus verschiedensten Gründen und am Ende scheitern sie mit beidem und fragen sich, wozu sie noch leben, wovon sie sich mit erneuter Beschäftigung lieber ablenken, was selten zielführend ist, aber relativ lange besser funktioniert als alles andere und wohl die Mehrheit gut beschreibt.

Lust ist in der Beziehung schön aber nicht nötig, um eine gute Beziehung zu führen, sofern Liebe, also Vertrauen und Funktionalität im Alltag vorhanden sind. Weil Vertrauen aber auch die Basis echter Lust ist, liegt es nahe, sie auch in der Liebe zu suchen, die schon das Vertrauen damit hat. Aber es ist nur eine Variante in der wir unsere Beziehungen führen, noch dazu eine sehr konventionelle, die sich nicht wirklich erfolgreich bewährt hat, im Gegenteil scheitern die meisten Beziehungen genau daran, was eigentlich unnötig wäre, wenn sich die Beteiligten über den Kern einig sind.

Vermutlich täte es den meisten Beziehungen besser, wenn Partner ohne Infragestellung ihrer Liebe, der Lust nachgehen könnten und würde langfristig sogar die erotische Beziehung wieder verbessern können aber es fehlt die breite empirische Basis solche Vermutungen zu belegen. Darum sei es hier beim Gedankenmodell belassen, was ohnehin wichtiger ist, weil Liebe und Freiheit im Kopf anfangen und enden.

Ob Prostitution dazu ein geeignetes Mittel ist, scheint mir eher zweifelhaft, da es dabei meist nur um konventionell einseitige Befriedigung geht, die gerade nicht der Lust der anderen dient und auch keinen Fortschritt bringt, sondern nur das falsche Modell verstetigt, was zu einer Perpetuierung der gegenseitigen Frustration führt. Huren suchen keine Befriedigung sondern machen ihren Job für Geld. Männer, die sich in ihnen befriedigen, wissen das, auch wenn sie insgeheim davon träumen einmal eine Hure wirklich zu befriedigen und lassen sich diesbezüglich gerne etwas vorspielen, was sie nur in falschen Mustern und Rollen bestätigt aber keinen Fortschritt bringt.

Beziehung hat viele Elemente und nicht alle müssen immer zugleich und zu gleichen Teilen vorhanden sein, um mit dem Bestand einer Beziehung glücklich leben zu können. Was fehlt kann intern oder anderweitig ausgeglichen werden, was immer dann funktioniert, wenn zwei einander sicher sind. Genau diese Basis aus Vertrauen und Funktionalität aber ist es, die unabdingbar ist, für ein gutes Auskommen miteinander, alles andere könnte relativ flexibel sein, doch bin ich mir sicher, wer sich vertraut und gut miteinander lebt, kann auch wieder gemeinsame Wege der Lust entdecken, egal in welchem Alter, auch wenn echtes Vertrauen wohl eine gewisse Reife verlangt, deren Mangel jugendliche Schönheit und Potenz nur zeitweise scheinbar ausgleichen können, worauf nach meiner geringen Erfahrung lieber keiner auf Dauer vertrauen sollte aber dabei ist es, wie so oft im Leben, es kommt auf die Beteiligten und ihr Gefühl miteinander an, womit wir wieder beim Vertrauen als Schlüssel jeder Beziehung und echter Lust sind und was auch die Frage nach der Qualität des Sex mit Huren, so technisch gut sie fraglos sein mögen, für mich abschließend beantwortet.

jens tuengerthal 6.8.20

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