Bibliotheksheimat
Nun bin ich wieder in meiner
Bibliothek auf dem Diwan was
Für mich schönste Heimat ist
Egal wo diese nun stehen sollte
Ist die Umgebung geliebter Bücher
Die Andere Bibliothek mit ihren
Nummerierten fein gestalteten Bänden
Hinter dem Diwan wie die Klassiker
Quasi um die Ecke mein Lukrez
Direkt hinter meinem Kopf also
Im Rücken über mir ein gutes
Vertrautes Gefühl für mich das
Viel mehr Heimat ist als alle Orte
Egal wo auch wenn es nett war
Gestern mit Wein am Platz die
Bar vor der Tür zu begrüßen
Weil die Hausbar mal wieder zu war
Aus dem Flaneur unerfindlichen
Gründen die aber völlig egal sind
Verglichen mit dem Glück heute
An einem Regentag ganz allein
Auf meinem Diwan vor meinen
Liebsten und bei ihnen zu liegen
In der geistigen Heimat Bibliothek
Die der Ort ist an dem ich mich
Ein Leben lang am wohlsten fühlte
Was für mich die Welt erschloss
Zuflucht wie Reiseziel zugleich ist
Die engste Vertraute die mir lesend
So nah wie keine sonst je war weil
Als Leser ich schutzlos öffne was
Sollte ich gute Bücher je fürchten
Schlechte lege ich zur Seite da sie
Kein Zuhause mir sind sondern nur
Ein belangloser Zeitvertreib derer
Die sonst nichts zu denken haben
Aber jenseits dieser unerträglichen
Arroganz des Lesers in seiner so
Geliebten Bücherheimat die ich aus
Erfahrung für die Beste stets halte
Auch wenn es nur ganz wenige
Bücher dabei gibt die nur ich habe
Vermutlich sogar nahezu keines
Außer vielleicht die handsignierten
Klassiker aus Familienbesitz doch
Macht die Zusammenstellung wie
Auswahl doch ganz viel dabei aus
Was denen unverständlich bleibt
Die Bücher nur als einen Träger
Von Geschichten betrachten der
Gebunden oder geklebt dem Zweck
Der Textvermittlung allein dient
Während ich mit Büchern lebe wie
In einer kleinen Bibliothek erst
Wirklich zuhause bin weil diese
Über Jahre seitenweise gelesen
Ein Leben und weiter begleiten
Auch bei meinen Eltern stehen
Viele hervorragende Bücher
Großteils in noch handgefertigten
Regalen aus Kirschholz statt wie
Hier nur in schwarzen und weißen
Billies bis zur Altbaudecke hoch
Aber es ist ihre Bibliothek nicht
Die meine sondern deren Heimat
Auch wenn ich dort lange lebte
Mit ihnen gemeinsam und mich
Sehr freue viele davon auch
Irgendwann in meiner Bibliothek
Stehen zu sehen vielleicht sind sie
Solange ihre Bücher also nicht meine
Heimat die für mich schon lange ein
Gebundenes Wort in Sinne von
Feinen Bänden ist aber keinesfalls
Ein geographischer Begriff noch
Wie die Regalbretter alle mit den
Goetheausgaben in denen wie ein
Schrein die Büste des Meisters steht
Wie Kastanien aus dem Gartenhaus
Im Park an Ilm liegen wo der Geheimrat
So gerne mit Christiane wild vögelte
Nachdem er in Italien die Lust entdeckte
Was die Forschung bis heute glaubt
Auch wenn mir dies eher absurd scheint
Nach allem was ich mit italienischen
Geliebten erlebte wie von diesen erfuhr
Was schon Montaigne spöttisch über
Die berühmten venezianischen Huren
Schrieb spricht mehr für eine echt
Lustvolle Thüringer Entdeckung die
Bis dahin theoretisch eher blieb trotz
Kleiner römischer Ausflüge was hier
Nur als Bruchteil der Anekdoten die
Zu Goethe mir sofort durch den Kopf
Parallel schießen in meiner Bibliothek
Weil sie mit auch lustvollen Erinnerungen
Aus dem eigenen Liebesleben verbunden
Sind wie ich mit einer Liebsten ganz
Respektvoll vor dem Sattelstuhl stand
Ohne diesen zu berühren aber dafür
Sie dort zart zu streicheln wo Goethe
Einst in die darauf sitzende Christiane
Drang wie ihr Blick zu mir in diesem
Moment der goethsch und erotisch
Zugleich war und wie wir es später
Tatsächlich irgendwo doch taten
Wie andere Bände mich noch an
Lange Diskussionen mit den Brüdern
Der Mainzer oder Straßburger Loge
Erinnern einen geistigen Kosmos öffnen
Der sich aus Erinnerungen zusammensetzt
Die mit mir sterben werden weil es meine
Bibliothek war die sich mit meinen
Erlebnissen wie Erinnerungen verband
Auch wenn meine Tochter sie dann
Wenn ich nicht mehr bin eines Tages
Erbt ist völlig egal was sie damit macht
Ob sie diese verkauft versteigert behält
Selber liest oder zum Altpapier tut weil
Eine Bibliothek als Heimat nur für den
Zuhause ist der sie sich anlegte nur
Ganz wenige Menschen werden je
Den Wert einer Bibliothek erkennen
Eben jene die in einer auch leben wie
Diese sich aufbauten als Heimat so
Sich zufällig Sammlungen gleichen
Keiner mit wie in ihr leben als sei sie
Ein Teil von ihm warum ich zwar viele
Bände mit Bildern wunderschöner
Bibliotheken besitze aber keinerlei
Bedürfnis habe diese zu besuchen
Diese leben von denen die sie sich
Als Heimat mit Liebe einrichteten
Nach deren Tod sind sie nur noch
Ein Museum vergangenen Seins
Irrelevant für all jene die sich ein
Zuhause mit Büchern schaffen
Außer als ästhetisches Vorbild
Früher liebte ich Weimar war
Häufig bei Fahrten vorbei dort
Verweilte nahezu immer wenn
Möglich einige Stunden da um
Den Geist Goethes zu spüren
Wie Wielands und Herders auch
Dabei störte Schiller mich kaum
Heute genügt mir der Gang zu
Den Klassikern im Regal um
Goethe und den Park an der Ilm
Zu spüren der bei mir präsent ist
Weimar lebendig werden zu lassen
Nicht weil ich schon oft dort war
Sondern weil ich eine Heimat mit
Büchern als Bibliothek belebe
Nicht nur Regale voller Bücher
Die mit mir sich erledigen wird
Was eine endliche Freiheit ist
jens tuengerthal 6.8.23
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