Sonntag, 3. Februar 2019

Sonntagsbürger

Den Sonntag nutzt der gute Bürger
Sich für die Arbeitswoche zu erholen
Früher diente er dem Gottesdienst
War damit eine soziale Institution

Dort zeigten sich die Bürger gern
In feinem teuren Gewande um
Angeblich Gott zu ehren real aber
Den Neid der Nachbarn zu wecken

Der Wegfall des Gottesdienstes
Wurde durch Autoheilige ersetzt
Deren sonntägliche Pflege zur
Statusdemonstration gleich wirkt

Smartphones beim Sonntagsspaziergang
Gerne offensichtlich gezückt nicht etwa
Um Langeweile mit der Familie zu zeigen
Sondern den eigenen Status zu betonen

Am Gürtel tragen sie nur noch Landwirte
Oder Handwerker aus beruflichen Gründen
Der Rest beschädigt die eigene Potenz
Lieber mit ausgebeulter Hosentasche

Dann gibt zumindest etwas noch den
Anschein vom aufrechten Stand in den
Hosen bürgerlicher Männer die durch
Hormongeschwängertes Wasser längst
Geschlechtslose Gendersternchen wurden

Der Sonntag ist eine bürgerliche Einrichtung
Wie hassten die Kinder ohne Familien diese
Tage voller Einsamkeit wenn andere Ausflüge
Mit der Familie dafür lange ertragen mussten

Liebte Sonntage besonders wenn ich nicht
In der Familie eingebunden war sondern
Bloß entschlossen nichts tun musste also
Frei lesen und tun konnte was ich wollte

Sonntag heißt nichts müssen heute mehr
Als Besinnlichkeit und Gottesdienste die
Vermutlich nur noch die Wachturmnarren
Andächtig regelmäßig besuchen werden

Manche verplanen ihre Sonntage zu gerne
Für Ausflüge ins Freizeitbad oder andere
Kostspielige Formen der Beschäftigung
Weil sie mit sich nichts anfangen können

Die Ruhe an Sonntagen an denen auch
Meist nichts uns zum Shopping anstatt
Drängen kann ist das schönste überhaupt
Denke ich und lächle meine Bücher an

Manche schauen fern oder tragen gerne
Jogginghosen an Sonntagen was weniger
Bürgerlich als proletarischer Brauch wohl
Warum es keiner Erwähnung hier bedarf

Wäre das Leben ein ewiger Sonntag
Käme ich genug zum Lesen was jedoch
Keine Pflicht sondern Luxus für mich ist
Dem ich mich zu gerne ganz hingebe

Die Vorstellung mit Büchern zu arbeiten
Wäre daher wohl äußerst lästig für mich
Weil sie dem schönsten am Sonntag die
Unschuld mit Geschäftlichem raubte

Der Bürger macht Sonntags eher keine
Geschäfte außer ausnahmsweise mal
Dann etwa auf Flohmärkten was schon
Fast wie ein Zirkusbesuch wieder ist

Die Sonderrolle des Sonntags stammt
Aus seinen religiösen Wurzeln die als
Variante zum Judentum sich auch in
Anderen Religionen versetzt fortsetzte

Der Sabbat wurde zum Sonntag oder
Wird beim Freitagsgebet zelebriert
Zumindest ein Tag ist ihnen heilig
Den sie ihren Göttern gern weihen

Die postreligiöse Gesellschaft steht
Bei der Behandlung des Sonntags
Wie bei anderen Feiertagen derzeit
An einem Wendepunkt ihrer Identität

Die bürgerliche Gesellschaft entstand
In Deutschland mit dem Sonntag der
Damit Teil ihrer kulturellen Identität
Etwa bei der Sonntagsmusik wurde

Insofern es nur einen Sonntag gibt
Bin ich froh ihn nicht noch mit der
Musik teilen zu müssen was ich eher
Anstrengend und störend empfände

Tee Bücher und noch ein Spaziergang
Als Flaneur durch relativ leere Straßen
Genügen den Sonntag lustvoll zu füllen
Auch die Lust darf gerne dabei sein

Lebe nun endlich das Leben was ich
Sonntags von Bücherwelten träumend
Schon immer leben wollte und bin darum
Äußerst unwillig anderes daneben zu tun

Manche Menschen pflegen am Sonntag
Ihren Freundeskreis und ein soziales Leben
Halte so etwas meist für völlig überschätzt
Zumindest im Vergleich zu guten Büchern

Das Gespräch mit gebildeten Menschen
Die belesen genug Zwischentöne zu hören
Könnte an einem Sonntag im Café nett sein
Doch deren Seltenheit macht es entbehrlich

Der Bücher liebende Sonntagsbürger
Zieht sich an diesem Tag gern zurück
Hofft die Nachbarskinder halten noch
Die Sonntagsruhe zumindest zeitweise

Ob dann am Sonntag die Sonne scheint
Oder es grau feucht dunkel ist wie heute
Ist mir über meinen Büchern völlig egal
Der Blick vom Sessel geht nach innen

Vielleicht ist dies meine Art von Gottesdienst
Eine Art konzentrierte Meditation über meinen
Büchern die ich möglichst ungestört genieße
Fragt sich der Atheist dabei ein wenig grinsend

jens tuengerthal 03.02.2019

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