Samstag, 25. Juli 2020

Berlinsexy

Ist Berlin wirklich sexy und was macht es wenn dazu?

Berlin sei arm aber sexy stellte der frühere regierende Bürgermeister Klaus Wowereit einmal fest und prägte damit einen wichtigen Begriff, der bei vielen hängen blieb, zum geflügelten Wort im Gespräch über die Stadt wurde, viele Menschen hierher zog.

An der Armut hat sich bis jetzt nicht viel geändert, die Menge der Menschen in der Stadt wächst weiter, die der Arbeit außer der öffentlichen nicht proportional. In der Corona-Krise hat, was Berlin lange für viele anziehend gemacht hat, die Club-Szene zu sterben begonnen und noch kann keine Entwarnung gegeben werden. Es könnte also düster werden und die Zukunft schlecht aussehen, wenn Berlin eine seiner größten Attraktionen verliert, zumindest langfristig nicht öffnen kann.

Ist die Stadt dann immer noch sexy oder am Ende nur noch arm und auf immer mehr Hilfe angewiesen, ein ewiger Sozialhilfeempfänger, der nicht konstruktiv wirtschaften kann?

Es fehlt zwar etwas ohne die Clubs aber nie schien Berlin aktiver auf Partnersuche zu sein als gerade im aktuellen Chaos, betrachte ich die vielen Dates in den Cafés und rechne ich die eigenen Erlebnisse in dieser Zeit außerhalb der Zeit mit. Eine Stimmung, die etwas unwirtlich ist, die anfänglich zu Dates in Parks verführte, beim Wein oder Tee, was ich immer noch deutlich bevorzuge, weil die Bars und Cafés diesbezüglich überschätzt werden und meist weniger schnell natürliche Nähe zulassen als eine Bank im Park aber auch die Cafés sind von den sichtbar noch unerfahreneren Suchenden wieder gut gefüllt, alles sucht nach Abwechslung und viele sind in dieser Situation noch paarungswilliger als zuvor.

Diese Stimmung ist dem aufmerksamen Beobachter, was der Flaneur in der Stadt ja immer sein sollte, spürbar. Über all diesen immer wieder, wenn leider auch vermutlich genauso oft scheiternden, Paarungsversuchen schwebt eine große Sehnsucht nach Nähe, gelegentlich vielleicht auch nach Ankommen und Gefühl, immer aber untergründig nach Sex, auch wenn es viele nie aussprechen und sich lieber in altbekannten Floskeln der gegenseitigen Erkundung ergehen, die meist schnell beide langweilen, wie nicht zielführend sind.

Natürlich ist jede Konstellation anders und wird Mann, wenn er mit zumindest geringen Mengen an Verstand gesegnet ist, versuchen, auf Frau einzugehen, sie bewundern, etwas anschwärmen, wie sehr er dabei spielerisch übertreiben darf, ist wohl auch eine Typfrage und dem einen gehen die schönen Worte leichter über die Zunge, der andere sollte sich vorher einen Plan machen und vorm Spiegel lockere Komplimente üben, die Wesen und Geist des Gegenübers angemessen sind, aber das Thema Sex ist meist beflügelnder noch und schafft eine entspannte Nähe, sofern es nicht mit platten Fragen vorprescht, bei der jede irgendwie interessante Frau nur die Augen verdrehen kann, wenn nicht schon ihr Hormonhaushalt durch den bloßen Anblick ihres Gegenübers jeden Boden unter den Füßen verlor, wovon aber besser keiner ausgehen sollte.

Über Sex nüchtern und wissenschaftlich zu reden, was halb desinteressiert aber dennoch professionell und erfahren klingt, ist nach meiner zugegeben relativ geringen Erfahrung immer das effektivste Mittel die Stimmung zu entspannen und sich irgendwie anzunähern, aber hier geht es ja weniger um Datingtipps für leidende Singles oder persönliche Erfahrungen als um die Stimmung, die in dieser armen Stadt, in der immer mehr um ihre irgend Existenz ringen, sexy sein könnte und damit einen Beitrag zum relativ erhöhten Beischlafkoeffizienten gegenüber anderen Regionen bringt.

In den 20ern als die Stadt weltweit als sexy galt, ein Zentrum der Kunst war, die sich hier in wilden neuen Formen entfaltete, war es das neue Tempo dieser Großstadt, die gerade erst durch Eingemeindung zur riesigen Metropole geworden war, der Berlinbeschluss für Insider, was sie sexy und attraktiv für viele machte. Manche rasen immer noch durch die Stadt, versuchen alles zu sehen und wundern sich, wenn sie nichts vom Sex-Appeal mitbekommen haben, weil der heute gerade auch in der Verzögerung liegt.

Natürlich hat, wer wichtig ist, nie Zeit, hetzt von einem Termin zum anderen, um überall seine eminente Bedeutung bestätigt zu bekommen, was aber im Ergebnis selten zu einem glücklichen erfüllten Leben führt, sondern höchstens zu einer großen Karriere mit zunehmender Impotenz. 

Was macht das Leben in dieser Stadt anders und was ist besonders sexy daran?

Es ist die Ruhe mit der Menschen um nahezu jede Uhrzeit vor oder in Cafés frühstücken oder direkt daneben ihren Wein zum Feierabend genießen, nach einem vielleicht hektischen Arbeitstag. Da sitzen sie gemeinsam vor den Cafés oder in den Parks, vor den Spätis und schlürfen ihre jeweiligen Getränke und plaudern dabei und genau das ist vermutlich einer der Schlüssel zum Verständnis der Stimmung, die innehält und in einer Zeit ewiger virtueller Verfügbarkeit, sich die Zeit nimmt, den Augenblick zu genießen, ein wenig zu träumen und einfach da zu sein, auch wenn es natürlich kaum einer zugibt.

Vermutlich gibt es in Berlin so viele schlechte Liebhaber und Liebhaberinnen wie überall auf der Welt, machen die meisten Menschen nie die erfüllende, selige Erfahrung eines schönen Sexlebens und verkehren nur sexuell miteinander, weil es eben dazu gehört und erledigt werden muss. Dies ist schon beim ersten Date erkennbar und wie oft denke ich, wenn ich an den Cafés vorüber flaniere, spart es euch doch, so wird es nur für beide Seiten frustrierend, macht es richtig, lasst euch ganz darauf ein und genießt, was sein kann, weil die Stadt in ihrer verzögerten Existenz, die immer noch irgendetwas hinterherläuft, den idealen Nährboden dafür bietet, frei genug ist.

Die Freiheit ist ein wichtiger Schlüssel, warum auch das lockere Gespräch über Sex und seine Umsetzung so wichtig ist, eine entspannte irgendwie schon sexuelle Atmosphäre schaffen kann, was heute auch für Mann immer eine Gratwanderung sein kann, damit sich bloß niemand belästigt fühlt, empfiehlt es sich, ganz nüchtern fast wissenschaftlich mit offenen Karten zu spielen, um zu sehen, was möglich ist und sich ergibt, statt altem Versteckspiel weiter zu huldigen. Noch wichtiger aber ist die Freiheit im Lebensstil und miteinander, die eine solch sexy Atmosphäre viel leichter kreieren kann als das Anerkennungsstreben einer formelleren Gesellschaft, in der Menschen weniger sind, wie es ihrer Natur entspricht.

Das wunderbare an Berlin, was es vielen anderen Städten voraus hat, hier kann jeder sein, wie er will und es gibt weniger formale Grenzen, wer wo hin geht und was dazu trägt, um anerkennt oder ausgegrenzt zu werden, es ist nahezu alles irgendwie überall möglich und so kann jeder kommen, wie es einem gerade am besten entspricht und sich seiner Natur nach geben, was den meisten am ehesten liegt und auch den natürlichsten Weg zu einer erotischen Begegnung eröffnet. Was jeder kann, macht noch nicht jeder, viele verkleiden sich dennoch, um seltsamen Ansprüchen zu genügen und was normal ist, unterscheidet sich auch von Kiez zu Kiez ein wenig, aber grundsätzlich ist die Toleranz hier größer als irgendwo sonst, ob ich im Smoking oder eher abgerissen irgendwo erscheine, spielt keine Rolle und wen es stört, der hat den besonderen freien Geist dieser Stadt noch nicht verstanden, kann es eben noch nicht ganz genießen. Amüsanterweise erinnert die Art der Damen sich zu schminken und zu kleiden in Charlottenburg oder Wilmersdorf bis nach Dahlem hinau eher an Düsseldorf und München aber auch das darf hier sein.

Passiert etwas außergewöhnliches, in egal welche Richtung, heißt es dazu schlicht, dit ist eben Berlin, keiner regt sich auf alle lachen und es geht weiter, als wäre nichts passiert. Diese Gelassenheit gegenüber dem Chaos, ist es die Berlin auch so sexy macht und die nichts zu ernst nimmt und wenn etwas daneben geht, dann geht es eben morgen irgendwie weiter, vielleicht mit kleinem Kater aber eben weiter wie immer, weil es ja immer weitergeht in dieser Stadt, als wäre nichts passiert. Kurzzeitige kollektive Betroffenheit ist hier eher die Ausnahme und so hat die Schließung der Clubs, trotz peinlicher Demo dagege, Berlin nicht weniger sexy gemacht sondern im Gegenteil nur das Areal, in dem sich Menschen sonst austoben und ablenken beschränkt, es kommen weniger Touristen, was die Kassen der Stadt empfindlich trifft aber den Berliner erstmal nicht stört, im Gegenteil, dafür haben Menschen mehr Zeit, sich miteinander und dann auch mit Sex zu beschäftigen.

Während in den 20ern ein Franz Hessel sich als Flaneur noch als radikalen Gegenpol zur rasenden und geschäftigen Stadt darstellte, ist der Flaneur heute nicht mehr der rasenden Stadt hinterher, auch wenn manche immer noch meinen, sie müssten hektisch tun und kämen mit ihrer Arbeit nicht hinterher, wobei lautes Klagen über Überforderung ohnehin eine märkische und berlinische Spezialität ist, wie uns schon Fontane lehrte, sondern ihre reinste Verkörperung, lebt, was sie sexy macht und damit der echte Genießer dieser Stadt jenseits der Zeit, die noch ärmer gerade wird aber denen in ihr, mangels anderer Ablenkung, auch noch sexyer sein kann, wenn sie sich darauf einlassen, zu sehen was ist und nicht, woher sie auch hierher kamen, denn irgendwie kommen ja fast alle hier irgendwo her, nur die schlechte Gewohnheit des Klagens und der permanenten Überforderung übernehmen, die schon immer hierher gehörte, ohne dass sie einer zu ernst nähme.

In Berlin muss nichts, aber alles kann und das ist eigentlich sexy genug, ein Leben in Ausschweifungen zu genießen, denn was könnte je mehr sein?

jens tuengerthal 24.7.20

Freitag, 24. Juli 2020

Stadtverplanung

Was macht Stadtplanung gut und wo schafft sie Probleme?

Städte haben ihre Baumeister, die das Bild der Stadt prägten, planten wie gebaut werden sollte, die Richtlinien vorgaben und damit Städten im Werden oder Wandel ihre Form gaben. In Berlin etwas ist Hobrecht sehr präsent, wo die schönen Altbauten stehen, Plätze und Parks angelegt wurden. Wie später noch Martin Wagner, der Bruno Taut beauftragte, welcher die Hufeisensiedlung in Britz entwarf oder die Wohnstadt Carl Legien, benannt nach einem Gewerkschaftsführer, im Osten des Prenzlauer Berg. Die letzten beiden Siedlungen sind heute Weltkulturerbe und gelten als vorbildlich durchdacht und wertvoll, gut gebaut. Bekannt aus Berlin wurden in dieser Zeit noch die Gartenstadt Falkenberg, die Großsiedlung Siemensstadt und die im Stil der Neuen Sachlichkeit errichtete Weiße Stadt in Reinickendorf. Neben Wagner und Taut wirkten dort noch Hans Scharoun, Walter Gropius und anderen nicht ganz so bekannte Namen und prägten mit ihrer Bauweise und dem Anspruch dabei das Bild Berlins und des Wohnens in der Stadt.

Walter Gropius wurde auch zum Namensgeber und Planer der Großwohnsiedlung Gropiusstadt, einem sozialen Wohnungsbau voll hässlich anonymer Hochhäuser, der schon lange ein sozialer Brennpunkt ist, wie die Leser von Christiane F. wissen. Hier kam der ursprünglichen Planung noch der Mauerbau in die Quere, der die möglichen Flächen im damaligen Westen eng begrenzte, warum die Planung um sechstausend Wohnungen erweitert wurde, die dann mangels Fläche am Boden in die Höhe gebaut wurden, da mehr Wohnungen auch mehr Soziale Einrichtungen erforderten, die auf beschränktem Raum nur durch immer höhere Bauten realisiert werden konnten. Statt der von Gropius ursprünglich geplanten maximal fünf Etagen hat das höchste Wohngebäude dort 30 Etagen, was auch ohne Adam Riese das sechsfache ist und es fragt sich, wie haften sollte, wer so etwas genehmigt, und prägte den anonymen Schluchtencharakter der Siedlung, wie er sich auch voller Grauen im immerhin grünen Marzahn zeigt. Die hohe Verdichtung und der primär soziale Wohungsbau führte neben der noch von Le Corbusier geplanten Sozialstruktur der Siedlung, die sich als weitgehend untauglich erwies, dazu, dass dort ein Problemgebiet ungeahnter Tragweite entstand. Dennoch folgten viele andere Städte dem Vorbild und bauten Hochhaussiedlungen ins Grüne oder an den Rändern, um Wohnraum zur Verfügung zu stellen und hofften die sozialen Strukturen würden plangemäß greifen, was sie nahezu nie taten. Problembereiche entstanden um diese Siedlungen im ganzen Land, eine tragbare Lösung dafür ist bisher nicht in Sicht. Die Menschen wurden in Silos gesteckt, die wechselnden Plänen folgten und dort allein gelassen, während die Politik heute deren Wahlverhalten oder die hohe Kriminalität und sich generativ verstetigende soziale Abhängigkeit beklagt, statt über die Wurzel des Problems, die verfehlte Planung, kritisch nachzudenken.

Neben diesen verunglückten Versuchen im Westen wie im Osten Menschen in Massen nach Plan siedeln zu lassen, sind es die großen Bauten und Entwürfe in der Mitte, die das Bild Berlins in der Welt vor allem prägen. Vom Brandenburger Tor über Museumsinsel und Schloss, vom unsäglichen Dom lieber zu schweigen, der besser abgerissen würde, nicht länger das Weltkulturerbe der Museumsinsel zu verschandeln. Dort stehen harmonisch miteinander lauter Unikate. Auch der Alexanderplatz war immer wieder Gegenstand der Stadtplanung und hat seine heutige hässliche Form und in der Wirkung asoziale Form in der Zeit der DDR erhalten, die dafür mit der Karl Marx Allee ihrem Propheten und Heilsbringer eine fast potemkinsche Märchenstraße im Anschluss an den Platz baute, während sie sich ansonsten eher in unsäglichen Plattenbauten erging, den Kindern von Mangel und Phantasielosigkeit mit vorgeblich sozialem Anspruch, den manche, der alten Lüge totalitärer Regime noch aufsitzend, als positives Erbe hochhalten, was es nie war.

Große Baumeister wie Schinkel und Langhans prägten das Stadtbild im 19. Jahrhundert, bis an dessen Ende die Harmonie durch wilheminischen Größenwahn wieder teilweise verschandelt wurde, die noch unter Friedrich Wilhelm IV. dem Schloß eine unpassende Kuppel aufsetzte, die wir dem Humboldt Forum besser erspart hätten, was dessen Akzeptanz in östlichen und linken Kreisen vermutlich erhöht und uns manch überflüssige Diskussion über einen guten Plan erspart hätte. Wie so manche heiße Diskussionen zu Neubauten und Abrissen eher entbehrlich waren als produktiv für die Entwicklung der Stadt, nie ein Ergebnis brachten, noch bringen können,

Ähnliche Beispiele könnten aus anderen Städten gebracht werden, soweit sie Raum zur Gestaltung hatten und nicht im Ring ihrer früher Mauern weitgehend erhalten blieb und damit dem Denkmalschutz näher stand als der Stadtplanung. Das nach der Zerstörung im pfälzischen Erbfolgekrieg wieder aufgebaute Heidelberg hat dadurch eine harmonisch schöne Altstadt, der dafür ein asozialer moderner Platz vorangesetzt wurde, der sogenante Bismarckplatz, dessen Disfunktionalität ein wunderbarer Spiegel der Fehlplanung ist.

Was schöner und besser wäre, streitet vermutlich jede Generation neu, Schöner als in den durchgeplanten Siedlungen lebt sich bis heute in Altbauten, viele. die für Planungen der Moderne Verantwortung trugen, lebten immer eher in schönen Altbauten, statt in ihren teils sehr quadratischen Entwürfen.

Wer sich wundert, dass sich Menschen der Ästhetik ihrer Umgebung anpassen und ihren Wohnraum entsprechend erleben und behandeln, hart und brutal werden, obwohl doch alles so gut gedacht war, glaubt vermutlich auch, er könne deren Leben der Umgebung entsprechend planen und meint, klare Planung bringe geordnete Menschen hervor. So regte sich in der Presse der 30er Jahre mancher von der Ästhetik der Tautschen Bauten begeisterte Kritiker darüber auf, wie plüschig doch die Menschen in ihren klaren geradlinigen Wohnungen sich einrichteten, wie sie es wagen konnten Gardinen oder Vorhänge in die sauberen Linien zu bringen, Möbel im Gelsenkirchener Barock mit Nippes verunziert, in diesen mustergültig modernen Siedlungen aufzustellen, zu denen doch höchstens kühles Bauhaus oder Corbusiers Sessel passten. 

So deutlich wie dieses Beispiel zeigt wenig das Scheitern der Moderne und ihrer vermeintlichen Geradlinigkeit am Menschen, der nicht in diese Umgebung passt, weil er nicht nur nach einem Prinzip lebt, sondern, wie es gerade gefällt und in den sozialen Wohungsbauten der Gropisstadt weniger Anhänger der klassischen Moderne und eines reduziert edlen Stils lebten, sondern ganz normale Menschen mit all ihren spießigen Gewohnheiten, die nicht zu berücksichtigen, eine Planung ohne den Menschen ist, also unmenschlich und verfehlt bleibt, so nett es gedacht war.

Habe nicht den besseren und besten Plan, wie Menschen leben sollten, sah ich auch nie als meine Aufgabe an. Doch bemerke ich die Folgen der Fehlplanung auf das Sozialverhalten der Menschen, die zwischen den anonymen Schluchten leben, ob in der Gropiusstadt, in Lichtenberg, Marzahn oder im märkischen Viertel und, um mal ein anderes Beispiel zu nennen, im Heidelberger Emmertsgrund. Nach dem Erwachen aus den Menschen verplanenden Träumen der 50er bis 70er brauchen wir bis heute sehr viele Sozialarbeiter, um die dort siedelnden Menschen zu integrieren, ein soziales Leben in asozialer Umgebung zu ermöglichen.

So gesehen hat die verfehlte Stadtplanung zumindest als Arbeitsbeschaffungsprogramm für viele Sozialpädagogen gewirkt, um auch mal etwas positives zum Hochhausbau zu bemerken, den ich ästhetisch immer noch als einen brutalen Angriff auf das Geschmacksempfinden sehe. Natürlich gibt es einige wenige schöne Hochhäuser in den großen Städten dieser Welt, die als Büros dienen und dem knappen Raum durch Höhe gerecht werden wollen. Als zeitweiser Arbeitsplatz mögen sie tauglich sein, als Lebensraum sind sie es nicht und das zeigte sich, wenig erstaunlicherweise, immer wieder.

Wo die Masse zum Problem wird und wir ihr durch unmenschliche Bauten gerecht werden wollen, versuchen wir an der falschen Stelle zu lösen. Es wird mit dem bekannt falschen Mittel versucht, eine Lösung zu finden, die keine sein kann und die in ihrer Brutalität das vorige nur verschlimmert, warum es an der Zeit wäre, endlich umzudenken.

Die Antwort auf ein Problem mit der Masse heißt weniger Wachstum, konstruktive Schrumpfung, um wieder den angemessenen Platz für jeden finden zu können. Leider ist unsere Ökonomie nach einem kranken Modell auf permanentes Wachstum eingestellt und hat noch nicht gelernt, von Reduktion und Nachhaltigkeit wirklich zu profitieren. Dem entsprechen fehlkontruierte Sozialsysteme, die mit einem auf Wachstum der Bevölkerung fußenden Generationenvertrag die Menschen schon zu lange belügen und ihr Geld zwangsweise verschwenden lassen.

Mehr Langsamkeit als Wertfaktor und Luxus zu entdecken, wird dabei so wichtig sein wie eine andere Betrachtung der Wertschöpfung. Die Corona-Krise und ihre Folgen haben uns sehr deutlich vorgeführt, wohin das Wachstumsdogma führt, wenn aus externen Gründen ein zeitweiser Stopp oder ein Umdenken nötig ist. Die Ökonomie ist nicht darauf eingestellt und reagierte eher panisch auf die Stille und Ruhe, die konstruktiver hätte genutzt werden können, um danach wieder im alten Tempo mit den gleichen Methoden aufzudrehen, bei noch nicht absehbarer Zahl von Konkursen. 

Wir packen Menschen wie Ölsardinen eng gestapelt in Hochhäuser, fliegen sie zur Erholung auf überfüllte Inseln mit Sonne, wo sie sich wieder am Strand stapeln dürfen und das ganze für ein Glück und die Erfüllung halten sollen und es fragt sich, welcher Geist hinter solchen Perspektiven steckt, ob der Menschen, die in dieser Industrie mitspielen, je über das, was sie tun noch nachdenken oder es schlicht die Fortsetzung der Wohnfolter ist, die Menschen in den Urlaub treibt, wo sie in neuen Silos zeitweise Seligkeit suchen und doch nur in anderer Umgebung fortsetzen, was ihnen zuhause schon aufgezwungen würde.

Vermutlich könnte es eine ganze Branche in den Konkurs treiben, wenn Menschen mal innehielten, um nachzudenken, statt sich ständig irgendwo mit irgendwas ablenken und bespaßen zu lassen, entdeckten, was wichtig ist, um sich wohl zu fühlen und was nur eine neue Variante des brutalen Angriffs auf unsere Ruhe und unser Wohlbefinden ist, die uns denken lässt, wir müssten dieses oder jenes noch gesehen haben, hier oder dort gewesen sein, statt endlich das wichtigste zu entdecken, die Zufriedenheit mit weniger und dem, was ist, womit das Leben zum entspannten Genuss statt zur ewigen Hetze werden könnte - aber vermutlich werden diese Worte in den Ohren der Urlauber verhallen, die lieber beschäftigt und unterhalten werden, weil sie das Glück der Zufriedenheit mit sich nicht kennen, auch wenn es ihnen gelegentlich in bezahlten Yoga-Kursen von dortigen Lehrern vorgebetet wird und die lieber weiter powern, um sich diesen oder jenen Luxus leisten zu können, als käme es darauf irgend an.

Das Sozialverhalten der Menschen entspricht in vielem der Art, in der sie leben, genau getaktet, von hier nach dort hetzend, in Konservendosen eingesperrt, gönnen sie sich gerne etwas, was den Mangelzustand noch verstetigt, statt eine konstruktive Lösung durch Innehalten und Ruhe zu bringen. Der Siedlungsbau hat seinen Ausfluss im Massentourismus gefunden, es ist eine logische Konsequenz, die so absurd ist, zumal dies noch Erholung genannt wird, dass es jedem kritisch denkenden Betrachter auffallen müsste und zur Umkehr bringen sollte, um wieder echte Ruhe und Entspannung in sich zu finden, statt irgendwo danach zu fahnden, im weniger statt im mehr, alles zu haben. So sehe ich im Sozialverhalten der Menschen den Spiegel unserer Siedlungen und es scheint an der Zeit, kritisch darüber nachzudenken, um konstruktiv etwas zu ändern, weil der bisherige weg offensichtlich nicht zielführend sein kann.

Versuche das seit einigen Jahren relativ konsequent zu leben und Entspannung in meiner kleinen Bibliothek als Welt in der Welt zu finden. Dies dauerhaft teilen zu können, wäre sicher noch schöner, doch lassen die dafür nötigen Kompromisse daran zweifeln, ob ein solcher Plan sinnvoll sein kann und darum lieber die gelegentliche Teilung maßvoll zu genießen wäre. Reduziere die sonstigen Bedürfnisse immer mehr und bin damit immer zufriedener. Muss nirgendwo mehr hin, noch ständig neues oder mehr haben. Dinge werden möglichst nur erneuert, wenn sie kaputt sind, auf Haltbarkeit wird Wert gelegt.

Verbreitete sich diese Lebensform, die nahezu nichts braucht und mit wenig zufrieden ist, wäre dies für die momentane Industrie, die ständig neue Produkte am Markt platzieren muss, eine Katastrophe, weil unsere Ökonomie so funktioniert, wie sie funktioniert und Menschen lieber als Ölsardinen in Siedlungen leben, um einmal im Jahr oder häufiger noch als Ölsardinen wieder kollektiv in der Sonne zu braten oder an Liften anzustehen und das Vergnügen nennen, während sie sich in ihrer Freizeit von Maschinen in Studios bewegen lassen und das für gut und gesund halten.

Es beginnt bei manchen ein gewisses Umdenken, nahezu jeder lobt sich für die Nachhaltigkeit in seinem speziellen Bereich, deretwegen sich dann die Urlaubsausnahme gestattet wird, die das bekannt ungesunde in anderer Umgebung mit noch negativeren Folgen fortsetzt und also ist dieses sogenannte Umdenken, der Geländewagenfahrer, die nun Biomilch kaufen, nichts wert, ändert nichts, sondern ist nur der erworbene Ablassbrief und zeugt von einem schlicht katholischen Denken, das auf Vergebung und Deantwortung beruht statt auf Konsequenz und kritischem Denken, ethisch wertlos ist, nichts ändert.

Wie einfach und schön könnte das Leben sein, achteten Menschen mehr auf ihr Leben, machten sich ihren Alltag schöner, entschleunigten, statt sich mehr zu bewegen aber solange wir Menschen mit Gewalt in grässliche Konserven zwingen, müssen wir uns über das Ergebnis nicht wundern und vielleicht könnte die Stadtplanung in Zukunft mehr darüber nachdenken, denn der schönste Urlaub soll in den eigenen Wänden beginnen.

jens tuengerthal 24.7.20

Donnerstag, 23. Juli 2020

Sexwert

Was macht Sex wertvoll und wann wird er wirklich gut?

Sex ist alltäglich geworden, überall verfügbar und online findet sich immer jemand mit irgendwie ähnlichen Leidenschaften, so absurd sie auch sein mögen, haben wir in Berlin für alle Varianten stets große Auswahl. So gesehen könnte, was Rudolf Borchardt schon für seine Jugend zu Beginn des Jahrhunderts noch im Kaiserreich als Weltpuff Berlin so wunderbar als eigene Geschichte beschrieb, das Leben in Berlin das sexuelle Paradies sein, in dem jeder stets glücklich durch die Straßen schwebt.

Dies ist offensichtlich nicht der Fall. Schaue ich in die Gesichter auf den Straßen oder vor den Cafés, wo sich die neuen Online-Dates erkennbar treffen, sieht kaum einer glücklich und befriedigt aus, auch wenn viele Sex haben und vielleicht sogar mehr als in anderen Städten, weil die erreichbare Auswahl groß genug ist.

Woran liegt das, fragte ich mich, wenn ich mal wieder glücklich durch die Straßen schwebte als hätte ich gekifft, was ich nicht tue, weil ich die Wirkung der hormonellen Droge wesentlich reizvoller finde und vor allem nachhaltig gesünder und in jeder Beziehung stärkend.

Aber auch ich kenne Begegnungen, die langweilig und unbefriedigend sind, selbst wenn beide dabei irgendwie zum Höhepunkt kamen, dennoch keine Erfüllung fanden, jedoch inzwischen auch umgekehrt genug Fälle, wo es auch ohne den letzten Schritt erfüllend und befriedigend war, weil du ganz beieinander warst und Lust geschenkt bekamst, durch die Freude deines Gegenübers, was Glück genug für lange Zeit schon sein kann. Finde es inzwischen spannender Lust und Befriedigung einer Frau schenken zu können als sie auf männlich schlichte Art selbst zu suchen, was immer und einfach ginge, während die Sexualität der Frau für mich als Mann immer noch ein komplexes Wunder ist, dem ich gerne als Zauberer nicht nur mit Worten aber gern mit der Zunge diene.

Dieses Gefühl der höheren Potenz der Frauen, die dennoch aus vielen Begegnungen unbefriedigt gehen, weil vielen Männern wohl die eigene Befriedigung wichtiger als die der Partnerin ist, die mehr Aufmerksamkeit und Hingabe erfordert, hatte ich schon lange und bin froh, dass diese irgendwie Ahnung inzwischen nicht nur praktisch sondern auch wissenschaftlich durch die Forschung zum nervus pudendus bestätigt wurde. Diesem großartigen Schwellkörper, der das männliche Glied in allen Fähigkeiten überragt, der von der Klitoris zur Wirbelsäule läuft und dem zu huldigen eine Ehre jedem Mann, der Frauen liebt, sein sollte, weil sich erst dann die wahren, bebenden Wunder offenbaren, die in Erinnerung bleiben, wenn dein Gegenüber vor Glück zitternd und eben bebend oder sogar, bei Stimulation der richtigen Stellen, überlaufend, erfüllt in deinen Armen liegt und du weißt, es wohl, auch als eher grobmototischer Mann, nicht ganz falsch gemacht zu haben, verleiht eine viel tiefere Befriedigung, als die schnelle Nummer, die nur zum Höhepunkt reitet, ohne den Weg und seine Umgebung genießen zu können.

Diese Dankbarkeit in den Augen der glücklichen sexuellen Partnerin, ist für mich inzwischen der größte Schatz, nur noch zu übertreffen durch den seltenen gemeinsamen Höhepunkt, der aber auch nur das Ergebnis eines wilden Ritts eher ist und nur der Gipfel eines langen Weges, der wie alle Gipfel sich erstmal toll anfühlt aber nicht diese nachhaltige Zufriedenheit hinterlässt, die der Blick einer dankbaren Geliebten schenkt, eine der schönsten der vielfältigen Arten der Liebe, die eben schenken möchte und nicht sich im anderen befriedigen will, weil sie selbstlos glücklich macht.

Den sportlichen Ehrgeiz des Zusammenkommens hatte ich früher sehr, hielt es für den Gipfel der Genüsse, das einzig wahre, und kann doch inzwischen sagen, es fühlt sich toll an, ist aber nur ein winziger Moment, hat nicht das lange Nachbeben, das eine selige Partnerin erfüllt und glücklich in deinen Armen liegen lässt. Erstrebenswert, wo es möglich ist, aber deutlich überschätzt,  weil dabei jeder bei sich bleibt, einer sich zwar auf den anderen konzentrieren muss, hinterlässt es nicht diese große andauernde Erfüllung, auch wenn es für ein Lächeln auf dem Weg durch die Straßen allemal reicht, nicht schlecht geredet werden soll, schon wunderbar ist, aber eben nur ein Teil der großen Möglichkeiten und der Offenbarung, die dir die Anbetung der weiblichen Sexualität schenken kann, die in all ihrer Komplexität und Vielfalt viel mehr das ganze Wesen erfasst, als das bloße Vögeln, was viele schon für den Gipfel der Genüsse halten.

Vor allem die hohe Kunst der Liebe, die dem anderen selbstlos Glück schenken will, statt es auch für sich zu suchen, ist auch eine innere Offenbarung, die tiefer geht als der nur zum gemeinsamen Orgasmus strebende Sex. Ist nett, kommt bei Harmonie miteinander irgendwann von alleine, aber macht den Sex nicht besonders wertvoll sondern die Hingabe an den anderen, das Bedürfnis, ihn zu beglücken, die über sich und die eigenen Bedürfnisse hinauswächst, ist es, die nachhaltig und dauerhaft glücklich macht, länger strahlen lässt als eigene Befriedigung.

Es ist die hingebungsvolle Verwöhnung der Frau auch die beste Voraussetzung zum gemeinsamen Glück, weil sie eben erst den nervus pudendus so anschwellen lässt, dass dieser intravaginal oder anal stimuliert werden kann. Die schnelle Nummer entspricht schlichterer männlicher Sexualität, ist reizvoll, führt zu schneller meist einseitiger Befriedigung, aber ist nur ein Vorspiel des Wunders, was dann geweckt kann und das den Sex dauerhaft wertvoll macht.

Braucht guter Sex ein Vorspiel fragen manche, natürlich nicht, du kannst, wenn du heiß genug bist, auch einfach loslegen, zumal das schönste Vorspiel im Kopf beginnt, nur wird es eben meist nur zu einseitiger Befriedigung führen und nicht das Wunder weiblicher Sexualität mit seiner das ganze Wesen erfassenden Wirkung offenbaren und jene glückliche Dankbarkeit erzeugen können, die den Sex wertvoll erst macht. Was andere nur Vorspiel nennen, ist dann Teil des sexuellen Geschenks aneinander und fließt in den Akt an sich hinein, der keine so entscheidende Rolle mehr spielt, was für Männer im fortgeschrittenen Alter deren Standkraft auch gelegentlich dem Alkohol geschuldet, nicht immer so zuverlässig ist, wichtig sein kann.

Manche geben dann den Sex auf und sind frustriert mit ihrer auch prostatabedingten Schwäche, andere freuen sich mehr an neuen Wegen, die erst das große und bleibende Glück offenbaren, was vielleicht vielen Paaren im Alter ganz neue Hoffnung geben könnte. Wertvoller Sex ist derjenige, der von Liebe zum Sex getragen ist, also dem anderen selbstlos schenken will und wer daraus zum gemeinsamen Glück nebenbei findet, kann sich freuen, doch habe ich mit den Jahren gelernt, der höheren Potenz der Frauen mehr zu huldigen, die häufiger und intensiver mit dem ganzen Körper an verschiedensten Orten können, als wir Männer mit unserem relativ schlichten Zauberstab genannten Sexualorgan und das viel größere Glück ihrer Dankbarkeit mehr zu genießen als das kurzfristige der Befriedigung im anderen, auf das ich in jugendlicher Naivität früher guten Sex reduzierte und freue mich ganz nebenbei, dass die Forschung mein Gefühl nun wissenschaftlich bestätigt hat und es also Zeit für ein Umdenken in der Sexualität ist. Wertvoll war sie, wenn die Partnerin dankbar in meinen Armen nachbebt, alles andere ist ganz nett aber nicht das Wunder, das es zu entdecken gilt und dem zu huldigen, wohl der schönste Gottesdienst immer ist.

jens tuengerthal 23.7.20

Liebesfreiheit

Was ist die Liebe und wie kann sie glücklich machen?

Früher träumte ich von großer Liebe und wollte mit der einen alles teilen und bis ans Ende meiner Tage absolut glücklich sein, dachte eine zeitlang, es gäbe die eine tatsächlich, wollte nie mehr eine andere, bis das Glück plötzlich verschwand und ich merkte wie wenig blieb.

Nicht aus dem Nichts und nicht ohne Gründe, alles im Universum geschieht mit Ursache und Wirkung und auch das Scheitern einer Liebe kündigt sich, mit Abstand betrachtet, der einem in der Liebe normalerweise immer fehlt, lange vorher in Kleinigkeiten des Alltags an. So auch da und mein Versuch diese absolute und unvernünftige Liebe aus den Extremen in eine ausgeglichene Realität zu holen, um sie wirklich dauerhaft leben zu können, war schon der Anfang des Scheiterns, weil sie absolut liebte, in allem absolut war und sich nichts anderes vorstellen konnte, sich nicht mehr geliebt fühlte und so ließ ich, ohne es zu wollen, scheitern, was ich zu retten versuchte, weil es so und überhaupt nicht gehen konnte, weil es unfrei und voller Zwang war, wie es der absoluten Liebe eben entspricht, die einem alles sein will, was keiner einem anderen je sein kann oder sein wollen sollte.

Aus dieser Erfahrung zu lernen, habe ich lange gebraucht. Zunächst schob ich das Scheitern auf verschiedenste Gründe, machte mir Vorwürfe, zweifelte am Leben und verzweifelte am weiteren Sein ohne, was mir unvorstellbar schien. Dabei wusste ich längst, es konnte nicht gut gehen, wie es war, wurde zur Hölle so vermutlich für beide, sicher jedenfalls für mich, weil es eine unfreie Liebe war, die von Kontrolle und Zwang lebte, absolut im Anspruch war, von ihrer Seite von rasender Eifersucht geprägt, die mich wütend und wahnsinnig machte und schließlich resignieren ließ.

Ob es wirkliche eine Liebe war oder nur eine Illusion von Paarbeziehung mit Sex, habe ich mich damals nie gefragt, zu extrem war alles zwischen permanenter Suiziddrohung, wenn du mich verlässt, hieß es immer wieder, extremer Hingabe und rasender Wut - es blieb zwischen diesen Extremen keine Zeit in Ruhe nachzudenken und sich zu fragen, was will ich eigentlich, wo soll es hingehen und wie kann es, auf Dauer gut gehen. Beim ersten Versuch eine gewisse Normalität zu erreichen, scheiterte die Beziehung, die nicht normal sein konnte.

Ob die Liebe je normal sein kann oder immer ein Ausnahmezustand voller Begehren und großer Gefühle sein muss, wäre die nächste Frage, doch zuvor möchte ich darüber nachdenken, was die Liebe eigentlich ist und wann sie wie glücklich machen kann - zumindest konnte ich auf Dauer nicht in diesen Extremen leben, warum ich, ohne es zu wollen, vermutlich die Flucht zur Normalität ergriff, die, vernünftig betrachtet, in dieser Konstellation nur scheitern konnte, was mich vermutlich gerettet hat.

Die Liebe ist ein Gefühl starker Zuneigung und innerer Verbundenheit. Was genau sie kennzeichnet, belegt oder ausmacht, ist so umstritten wie die Menschen unterschiedlich sind und es ist müßig, sich darüber noch mehr Gedanken zu machen. Erich Fried dichtete einst so klar wie treffend, es ist, was es ist und das genügt eigentlich. 

Hier ist vor allem wichtig, die Liebe ist ein Gefühl. Es mag zwar physische Auswirkungen haben, bestimmte Hormone freisetzen, neurologische Reaktionen hervorrufen, die messbar sind, also auch belegbar sein aber zuerst ist sie ein Gefühl, etwas in unserem Kopf, was durch nichts belegbar ist als unsere Liebeserklärung oder eben entsprechendes Verhalten, was darauf schließen lässt. An die Liebe muss ich also glauben, um mit ihr glücklich zu werden. Fehlt es am Glauben, an das Gefühl, mangelt es an der wichtigsten Bedingung der Liebe.

Es gibt Versuche Liebe durch große Geschenke oder Erklärungen auch schriftlicher Form zu belegen, diese dienen allerdings meist eher dem schlechten Gewissen als der Liebe Auch die Ehe als institutionalisierte Form der Liebe ist dem Gefühl eher abträglich und könnte als umgekehrte Prüfung verstanden werden. Was sogar dies übersteht, scheint auf Dauer angelegt, auch wenn wir gewohnheitsmäßig das andere versichern, was aber auch rituell bedingte Gewohnheit sein könnte, die vielfach das kritische Denken im Alltag ersetzt.

Was immer zählt, ist das Gefühl, was eben manchmal verloren geht, wie Erich Kästner es so wunderbar traurig für das Paar im Café bedichtete, das beieinander saß und dem die Liebe verloren ging, wie anderen ein Stock, Hut oder Schirm. Das ist tragisch und ergreifend, manchmal nicht zu begreifen, weil doch eben noch alles so schön schien, aber es ist dann auch einfach so und keiner könnte je nur den einen Grund benennen. Es ist die Summe der Ereignisse, die Liebe sich verflüchtigen lässt. Die Ehe und ihr formaler Rahmen, der die Scheidung teuer macht, also die Trennung erschwert, soll dem vorbeugen, wenn auch auf der Liebe eigentlich feindliche paradoxe Weise, eben juristisch aber das ist Juristen vermutlich nicht erklärbar, die meinen alles sei regelbar und müsste geregelt sein, um zu funktionieren.

Wo aber nichts als Gefühl die Basis sein soll, nicht wie bei früher arrangierten Ehen noch viele andere Gründe, bedarf es zuerst des Glaubens an dieses, wo dieser fehlt, hat schon das Gefühl einen Mangel, der durch nichts ausgleichbar ist.

Weil wir es gewohnt sind, Beziehungen und Ehe mit Liebe zu verwechseln oder gleichzusetzen, müssen wir uns über deren Scheitern nicht wundern, weil wir eine von verschiedensten Faktoren beeinflusste Konstellation auf ein Gefühl allein stellen wollen, aber zugleich nur aus diesem begründete Dinge wie Treue und anderes dort sanktionierten, ist dieses Besitzdenken aus der Zeit der gestifteten Ehen, die der Versorgung und der Vermögenswahrung dienten neben der Fortpflanzung und die von den Regeln des Aberglaubens stärker geprägt waren als von Vernunft, für viele zu einem legitimen Gefühl geworden, halten sie Eifersucht, also der Liebe ferne Missgunst, für in der Liebe begründet, obwohl sie dessen Gegenteil ist und eigentlich nur zeigt, dass es an Liebe mangelt und dafür formale Prinzipien als Ersatz beschworen werden, die beides lächerlich machen.

Wer eifersüchtig ist, glaubt nicht mehr an das Gefühl. Egal, ob es Gründe für diesen Zweifel gibt oder nicht, betrügt der eifersüchtige Partner damit den anderen zuerst, weil er misstraut und damit den Kern der Liebe, den Glauben an ein Gefühl infrage stellt. Bei diesem Satz werden viele schwer schlucken und manche laut widersprechen wollen, was aber nur an einem Mangel logischen Denkens liegt und fehlender Konsequenz, die leider häufiger vorkommen als echte Liebe.

Ob ich es schön finde, wenn mein Partner sexuelle oder emotionale Erfahrungen auch mit anderen teilt, ist eine andere Frage und kann Gegenstand von Vereinbarungen zur Ordnung einer Beziehung sein. Dann kann eine offene Beziehung geführt werden oder nicht. Das hat aber mit der Frage der Liebe und ihrem Ende nichts zu tun.

Sofern Liebe der Glaube an das Gefühl ist, betrügt die Liebe zuerst wer nicht mehr an das Gefühl glaubt und darum eifersüchtig ist oder wegen irgendwelcher austauschbarer sexueller Handlungen meint, seine Ansprüche geltend machen zu müssen. Dies ist ein Verhalten, was wir aus dem Tierreich kennen, wobei die Schimpansen Männchen zwar scharf auf ihr Weibchen aufpassen, dieses aber versucht sich mit so vielen Männchen wie möglich zu paaren, um den Erfolg sicherzustellen und die soziale Sicherheit für die Kinder zu haben. Da sich dann viele männliche Tiere für Väter halten können, sind diese weniger gefährdet von dem einen oder anderen aus Eifersucht totgebissen zu werden. So dient dort die vermeintliche Monogamie der Weibchen des ranghöchsten Affen, nur dessen interner Machtdemonstration, während deren tatsächliche Polygamie dem Schutz des Nachwuchses dient.

Es gibt die Eifersucht also auch im Tierreich. Was vielen derer, die sich diesem Egoismus hingeben, Grund genug ist, ihr Gefühl für legitim zu halten, gar zu meinen ohne ein gewissen Maß an Eifersucht fehle einer Liebe die Leidenschaft. Doch zeigt diese unsinnige Verwechslung nur wie tief die Fehleinschätzung geht, die Rudelverhalten und Machtspiele in sozialen Beziehungen mit einem Gefühl verwechseln, dass, wie schon immer wieder betont, nur auf dem Glauben an ein Gefühl beruht, was sie durch ihr Verhalten schon negiert haben.

Es gibt nichts, was eine Liebe retten kann, wenn es am Glauben an das Gefühl fehlt. Zwar gibt es viele Methoden eine Beziehung am Leben zu erhalten, wenn der Glaube fehlt, weil dies der sozialen Stabilität der Gesellschaft, die auf Familien gegründet ist, dient, doch sind dies nur Versuche die Gesellschaft zu retten, den Glaube an das Gefühl können sie nicht retten, aber viele leben dafür in Beziehungen anstatt. Dies funktioniert auch besser als ständige hochemotionale Trennungen, die dem Aufwachsen der Kinder schaden und so besteht ein Interesse der Gemeinschaft Beziehungen auch ohne Glaube an das Gefühl aufrecht zu erhalten und sich dafür einzureden, dieses könne ja wiederkehren oder die Eifersucht sei legitim oder begründet, was sie nie ist oder sein kann.

Wenn die Eifersucht da ist, fehlt es am Glauben an die Liebe und also an dieser im Kern, dann geht es nur noch darum, die Machtbefugnisse aus einer Beziehungskonstellation einzusetzen, um den anderen zu kontrollieren und zu wunschgemäßen Verhalten zu zwingen. Mit Liebe hat das nichts mehr zu tun, sondern mit Macht, Rache und Durchsetzung. Diese Negation der Liebe bei gleichzeitiger Betonung, es geschähe ja nur aus verletztem Gefühl, ist ein ständiges Paradoxon, mit dem wir uns gewöhnt haben zu leben, statt uns zu fragen, was dahinter steckt und warum es darum absurd ist.

Liebe ist ein positives, zugewandtes Gefühl, das dem anderen gut will. Es existiert nur im Glauben. Jeder andere Liebesbeweis kündet eigentlich nur vom mangelnden Glauben an das, was die Liebe im Kern ist, etwas nicht belegbares, an das ich positiv glaube oder nicht. Über Bedingungen einer Beziehung können Partner Verhandlungen führen, bei denen sie sich auf ein für beide Seiten tragbares Ergebnis einigen sollten. Das hat nichts mit Liebe zu tun, sondern allein mit der Frage, wie ich eine Beziehung im Alltag realisiere. Diese Verwechslung zu beenden und die Liebe von den lächerlichen Beziehungskämpfen frei zu halten, wäre ein echter Dienst an der Liebe, um das große Gefühl als solches zu würdigen. Davon sind wir in der Realität leider noch sehr weit entfernt.

Wenn ich liebe, vertraue ich auf das Gefühl. Tue ich das nicht mehr, brauche ich nicht mehr von Liebe reden, sondern kann nur versuchen, eine Beziehung aus anderen Gründen zu retten, der die Liebe längst verloren gegangen ist, was wieder vielen nicht gefallen wird, die es anders gewohnt sind aber damit sich wie die Liebe belügen und sich nur immer wieder wundern, warum sie in der Liebe nicht glücklich werden, die sie mit Beziehung verwechseln.

Glücklich macht die Liebe, wenn sie geteilt wird und darin Erfüllung findet. Voraussetzung der Teilung ist der Glaube an die Liebe des anderen. Dieser kann auch durch nichts belegt werden als den Glauben. Alle Gaben, die dies bestätigen sollen, von getauschten Ringen bis zu schriftlichen Versprechungen sind nur Ausdruck mangelnden Glaubens und wachsender Zweifel, die eigentlich vom nahen Ende der Liebe eher künden, konsequent gedacht.

Es gelten allerdings gesellschaftlich teilweise andere Bedingungen und so werden bestimmte Verhaltensweisen erwartet, die dem Bekenntnis zur Liebe dienen sollen, auch wenn sie in Wirklichkeit eher das Gegenteil belegen, weil sie Zweifel am Glauben an die Liebe widerlegen sollen, der Beweisführung des Unbeweisbaren dienen und damit vom Gegenteil logisch künden. Hier kann wie bei der Ehe argumentiert werden, wenn eine Liebe auch diesen widersinnigen Unsinn übersteht, der meist eher aus konventionellem Gehorsam ohne nachdenken geschieht, wird sie stark genug sein. 

Leider ist das Argument hier wie dort falsch. Es hat mit der Sache der Liebe nichts zu tun. Rechtfertigt nur ein konventionelles Verhalten und ist eine bloß unreflektierte Gewohnheit, die unaufgeklärtem Handeln entspricht. Unaufgeklärt ist, wer sich nicht aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit befreit hat. Unmündig ist, wer nicht aus eigenem Entschluss handelt, also vorliegend dem reinen Gefühl folgt, sondern Konventionen folgt, statt die Richtigkeit an seinem Gewissen zu messen. Selbstverschuldet ist dies, wenn es nicht aus Dummheit sondern aus Faulheit geschieht. Nur der Umkehrschluss könnte zulässig sein: Wer sich im Bewusstsein der Untauglichkeit der Ehe für die Liebe dennoch der Konvention unterordnet, um einen höheren Zweck damit zu erreichen, könnte aufgeklärt handeln. Es soll auch auf dem weiten Feld der Liebe solche Fälle geben und wem stünde schon ein Urteil über die Liebe zu, wenn diejenigen sich sicher sind.

Egal ob nun wirklich aufgeklärt und also mündig aus Liebe geheiratet werden kann, wäre die wichtigere Frage, nachdem klar ist, was Liebe ist und warum Eifersucht eher vom Ende der Liebe kündet, als der Versuch anderweitige Sexualität vor der Liebe zu verbergen, die im Gegenteil eher sogar als Beweis für eine solches Gefühl gewürdigt werden könnte, wären wir es nicht gewohnt unsere Emotionen anderweitig einzuordnen und würden nicht viele Lust und Liebe verwechseln, Trieb und Gefühl gelegentlich durcheinander bringen, ob mehr oder weniger Suche nach Triebbefriedigung in der Partnerschaft oder neben ihr nun von größerer Liebe oder mangelnder Erfahrung kündet,, falls nicht eben schon belegt worden wäre, dass die Eifersucht die der Liebe schädlichere Tat ist, weil sie mehr am Glauben zweifelt als die bloßen Konventionen widersprechende Tat, die in unserer Gesellschaft eben zufällig ans Gefühl gebunden ist, was mit der Moral der herrschenden Sekte des Christentums zu tun hat und deren Absolutheitsanspruch in Sachen Liebe. Wer Sex mit Liebe kennt und dabei sogar noch geteilte Befriedigung erfahren durfte, wird wissen, dass alles andere unwichtiger Sport nur ist, der nicht weiter der Rede wert ist. Aber der Vorgang des Sex als Form der körperlichen Befriedigung hat nichts mit Liebe zu tun. Es geht mit oder ohne und geht auch für sich selbst, mit welchen Gedanken dabei auch immer.

All dies zeigt, wie absurd die Eifersucht ist, die meint, sie kämpfe um die Liebe, die sie in Wirklichkeit aber negiert, weil ihr der Glaube als existenzielles Merkmal fehlt und dies alles nur, um eine Konvention aus christlicher Dogmatik zum Sexualverhalten zu verteidigen, die das Gegenteil von Liebe als Gefühl in vielem ist und nebenbei noch die Ordnung der Beziehung mit dem ihr zugrunde liegenden Gefühl verwechselt.

Eifersucht war für mich nie ein Problem, weil ich immer wusste, du bist zusammen, weil du es willst und wenn du es nicht mehr willst, kannst du es auch lassen. Sexueller Trieb und seine schnelle Befriedigung sagt nichts über die Enge einer gewachsenen emotionalen Beziehung aus. Wenn ich in einer Beziehung glücklich und zufrieden bin, habe ich nie ein anderes Bedürfnis. Gelegentliche Ausnahmen, die dem Trieb und der Natur geschuldet sind, sollten auch so betrachtet werden und schaden nicht, im Gegenteil, denke ich inzwischen. Wen ich liebe, der würde ich auch immer gönnen, mal einer Laune zu folgen und dafür nicht die Liebe verspielen zu wollen, die viel kostbarer ist. Dabei ist mein Bedürfnis dahingehend inzwischen relativ gering geworden und doch hielte ich harmlosen schnellen Sex, der mich aber ohnehin nicht interessiert, immer für wesentlich unwichtiger als eine intensive emotionale Beziehung.

Aber darum geht es ja nur am Rande in diesem Essay, das sich schon viel zu sehr der Eifersucht und der Aufklärung darüber, wer dabei die Liebe zuerst verleugnet, widmet, als dem Titelthema der Liebesfreiheit, auch wenn dies schon zwischen den Zeilen gelesen werden konnte. 

Sind wir frei zu lieben, oder folgen wir einer höheren oder hormonellen Bestimmung füreinander dabei, fragt sich nur, wer seinen Kant nicht kennt und noch unaufgeklärt katholisch liebt, statt aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit wie oben geschildert befreit. Wären wir nicht frei, auch wenn uns nicht alle Gründe dafür bewusst und manche Hormone uns wie fremdgesteuert handeln lassen, wäre die Liebe als Entscheidung füreinander wertlos. Dies mag noch an der traditionellen Gleichsetzung von Ehe oder Beziehung mit Liebe liegen, die viele verkennen ließ, dass es bei dieser praktischen Beziehung nicht primär um Gefühle ging, sondern diese nur zusätzlich daran gehängt wurden als Verzierung. Ohne Freiheit der Gefühle keine Liebe. Folglich ist die Liebe auch allen Bedingungen feindlich gesinnt. Sie ist, was sie ist und genügt sich. Wer Liebe an Bedingungen knüpft, liebt nicht mehr, sondern versucht unter konventionellen Bedingungen seine Interessen im Machtkampf durchzusetzen.

Glücklich macht die Liebe, die gegenseitig erfüllt, egal in welchem Bereich, was auch immer sich wie und wo gut tut, dabei teilen kann. Wer das alles mit einer Person kann, mag sich glücklich preisen, es zu wollen, ist aber sicher zum scheitern verurteilt, weil kein Mensch den Erwartungen entsprechen kann, die jemand an sein eigenes Glück hat, wie die Erwartungen ohnehin jede Liebe töten, da sie nur im Kopf desjenigen mit Erwartungen existieren, also logisch nur enttäuscht werden können und damit die permanente Frustration in sich tragen. Auf den Partner für alles zu hoffen, ist das sichere Unglück, weil es gleich der Erwartung in der Liebe, schon die sichere Enttäuschung in sich trägt. 

Damit die Liebe sich jenseits aller Erwartung und sicheren Enttäuschung entfalten kann, um zu voller Größe zu finden, die das größte Glück bescheren kann, bedarf sie völliger Freiheit. Wer der Liebe eine Chance geben will, verleiht ihr erwartungslos Flügel, hofft auf nichts bestimmtes in einer Person, sondern freut sich am möglichen, wie es sich zeigt. Manchmal soll sie dann tatsächlich zeigen, hab ich schon raunen gehört.

Wer nun meint, diese Definition der Liebe sei zu eng und damit fielen die meisten Lieben durch, was nicht gerecht wäre, hat etwas falsch verstanden. Die Liebe kann alles und sein, wie sie es will, was sie ohnehin tut. Aber wer im Alltag mit der Liebe leben will, sollte sich klar sein, was Liebe ist, wo sie gefährdet ist und wie wir sie schützen können. Dazu gehört auch, gegen alle Gewohnheit, zu sagen, Eifersucht gefährdet nicht die Liebe sondern ist Ausdruck für ihr längst Ende, auch wenn wir eine Beziehung aus Gewohnheit noch weiterführen können, wie so vieles im Leben, was weder aufrichtig ist, noch dem Gewissen genügt aber schon immer so gemacht wurde. Zeit darüber nachzudenken, es infragezustellen, um der Liebe wegen, die viel seltener ist als viele sagen, um glücklicher zu lieben.

jens tuengerthal 22.7.20

Mittwoch, 22. Juli 2020

Liebesarten

Lange glaubte ich an die große Liebe
Als einzig wirkliche und taugliche Art
Die alles in einer zugleich erfüllen soll
Sehnsucht Erfüllung Lust Zuneigung
Liebe am besten ein Leben lang noch
Als sei ich naiv und ohne Erfahrung
Musste wieder Rudolf Borchardt lesen
Eines besseren belehrt zu werden
Dessen Weltpuff Berlin ein Fundus ist
Es gibt unendlich viele Arten davon
Jede auf ihre Art kann erfüllend sein
Manche mehr körperlich andere dafür
Auf geistiger Ebene eher konzentriert
Ein Narr wer alles von einer erwartet
Statt alles dort zu genießen wo es
In seiner schönsten Form vorkommt
Natürlich gegeben statt gezwungen
So gelebt wird wie es eben passt
Was vor Enttäuschung bewahrt 
Die uns der Wahn der Ausschließlichkeit
So gerne vorgauckelt auf christlicher
Basis moralischen Lebens das alle
Zum Betrug einlädt weil keiner stets
Alles sein kann sondern viele mehr
Warum es viel weiser wohl wäre
Wir lebten alles beizeiten dort
Wo es sich gerade zeigt und passt
Liebten den Moment miteinander
Statt mit schlechtem Gewissen
Nichts wirklich genießen zu können
Von Angst und Missgunst dabei bestimmt
Die nur zu Todessehnsucht uns verführt
So können sich viele lieben auf ihre
Je eigene Art die keine Ausschließlichkeit
Begehrt sondern viel lieber ganz genießt
Was ist auf seine je eigene Art
Brauche nicht viele auf einmal
Wird in der Lust dann nur sportlich
Am liebsten immer nur dann eine
Zumindest für das eine oder andere
Möchte voller Gefühl lieben auch
Gerne beieinander ankommen um
Für sein Wesen geliebt zu werden
Aber bitte nie die pflichtbewussten
Reste von Liebe in der Ehe leben
Sondern jede auf ihr Art ganz
Glücklich machen wie befriedigen
Von schönen Musen lyrisch inspiriert
Statt an eine nur Traumprinzessin 
Für immer mit allen Fehlern gebunden
Die sich bei mir in Beziehungen stets
Offenbaren die unzumutbar sicher sind
Wie keine mit all ihren Macken ertragen
Sondern lieber Arten der Liebe zulassen
Die nicht konkurrieren müssen sondern
Auf ihre Art nebeneinander stehen um
Wie es passt glücklich sein zu können
Scheint mir mit Vernunft und Erfahrung
Als die bessere Form des Lebens nun
Denn dies überholte Liebesmodell der
Relativen Ausschließlichkeit mit der ihr
Innewohnenden ständigen Frustration
Mit dem wir schon zu lange leben
Das einzige was darüber sterben wird
Ist der Geist der Familie als Kontinuum
Der auf Paarbeziehungen eben beruht
Wie der Traum von der großen Liebe
Um letzteren ist es nicht sehr schade
Hat genug mich frustriert im Leben
Mit der Familie ist es etwas anderes
Aber fraglich ob eine historische Form
Es wert ist ein frustriertes Leben dafür
Die längste Zeit zu führen nur damit
An Familienfesten geglänzt wird
Vielleicht finden sich auch für diese
Art der Liebe in der Familie künftig
Neue Bahnen jenseits der Konvention
Rudolf Borchardt liegt ganz richtig
Es gibt viele Arten der Liebe die
Alle auf ihre Erfüllung finden können
Wo Liebe nicht ausschließlich mehr ist
Kann sie das Leben vielfältig bereichern
Wir könnten alle auf ihre Art lieben
Wären jeweils glücklich miteinander
Statt teilweise permanent frustriert
Warum ich inzwischen entschieden
Für viele Liebesarten plädiere nicht
Mehr nur die eine für alles suche
Die es niemals im Leben geben kann
Merke wie glücklich es mich macht
Viel weniger Zwang und Erwartung
In sich und andere noch zu setzen
Dafür das mögliche zu genießen
Weil es mit der Liebe wie immer
Eben ist wie es ist kommt es
Am Ende doch anders

jens tuengerthal 22.7.20

Dienstag, 21. Juli 2020

Antikapitalistisch

Nun werden auch Fridays For Future
Antikapitalistisch und wenden sich
Dabei erstaunlich kurzsichtig gegen
Das System was sie erst hervorbrachte
Das von der Freiheit des Einzelnen lebt
Wollen werbestrategisch profitieren von
Der typisch linken Kapitalismuskritik
Die so falsch ist wie nicht zielführend
Denn was wäre für wen die Alternative
Im Gegenteil sorgt dies nur dafür
Dass eine Bewegung intstrumentalisiert
Wird die zuvor unparteiisch noch war
So berechtigt alle Kritik an Auswüchsen
Wie ungerechten Folgen sein kann
So falsch ist die Systemkritik hier weil
Nichts als die Freiheit kann die Freiheit
Für alle verteidigen denn auch eine
Gutgemeinte Ökodiktatur wäre keine
Taugliche Alternative für die Zukunft
Vielmehr muss die Bewegung im System
Das sie erst groß werden ließ wirken
Also reformerisch statt revolutionär
Sich antikapitalistische Sprüche nun
Auf die Fahnen zu schreiben ohne
Den Hauch einer tauglichen Alternative für
Dieses naturgegebene System zu haben
Weil der Markt den Bedürfnissen entspricht
Menschen dort ihren Erfolg suchen werden
Warum es zwar richtig ist auch ökologisch
Global in Zusammenhängen zu denken
Notwendigkeiten zu benennen zur Reform
Aber falsch ist das System anzugreifen
Das diese tragen und bezahlen soll
Damit weiter mehr Menschen in möglichst
Großen Wohlstand weltweit leben können
Dabei selbst moralisch und ökologisch
Verantwortlich handeln lernen damit die
Moral einen kategorischen Wert hat da
Jede andere untauglich wäre und nie
Den Prinzipien des kategorischen Imperativ
Genügen könnte nur eine unfreie Diktatur
Einer Überzeugung hervorbringen kann
Die nicht zu mehr Verantwortung führte
Sondern im Gegenteil die Deantwortung
Der Mehrheit zur Folge hätte was nie
Eine konstruktive Alternative ist
Kritik im System ist gut und nützlich
Für mehr Gerechtigkeit kämpfen verdienstvoll
Infragestellung der Natur ohne Alternative
Dagegen bleibt leichtsinniger Unsinn
Vielleicht verzeihliche jugendliche Träumerei
Aber kritisch betrachtet schädlich da es
Einer überholten politischen Ideologie
Aus der Mottenkiste noch huldigt ohne
Dafür konstruktive Alternativen zu haben
In einer Zeit in der sich auch die ehemals
Sozialistische oder gar kommunistischen 
Länder dem Markt zugewandt haben
Führt diese Systemopposition auf Abwege
Die besser genutzt würde um Zukunft
Gemeinsam konstruktiv zu gestalten
Nur dann können wir das System
In sich menschlicher gestalten
Was mehr Freiheit statt Staat braucht
Mehr Eigeninitiative statt Anklage
Um zu zeigen nur der Markt kann
Die Zukunft verantwortlich gestalten
Im nötigen vernünftigen Rahmen

jens tuengerthal 21.7.20

Freizeitidioten

Nun fahren die Menschen
Wieder in Urlaub wie immer
Aber klagen über Beschränkung
Bei der gewohnten Entspannung
Wundern sich wenn Corona
Danach wieder aufflammt
Dabei sind sie ein Teil des
Problems was durch dies
Idiotische Freizeitverhalten
Noch potenziert wird weil
Alle jedes Jahr in Urlaub
Fliegen wollen wie immer
Trotz Corona und Klimakrise
Fern liegt es mir eigentlich
Irgendwem den Tod zu wünschen
Aber täte es der Welt nicht gut
Würden diejenigen quasi gerecht
Von Corona dahingerafft denk ich
Sehe ich diesen wieder Wahnsinn
Der verantwortungslos weitermacht
Statt innezuhalten und nachzudenken
Liegt scheinbar vielen weniger
Sind und bleiben Freizeitidioten
Gut wenn das alles endet

jens tuengerthal 21.7.20

Montag, 20. Juli 2020

Liebeseinfach

Eigentlich ist die Liebe
Ganz einfach zumindest
Wo geteilt sollte sie es sein
Täten wir was wir wollten
Könnten wir gemeinsam
Glücklich und zufrieden
Sein und bleiben doch
Leider neigen wir dazu
Es uns unnötig kompliziert
Dabei immer zu machen
Weil wir noch dazu denken
Was der andere denkt
Denken könnte oder noch
Schlimmer sollte um dann
Logisch stets enttäuschte
Erwartungen zu haben
Was ich eigentlich weiß
Dennoch zu gerne doch
Mit erwartbarem Ergebnis
Wieder falsch mache weil
Gefühle selten von Vernunft
Allein gesteuert werden
Und so geht es immer weiter
Bis es ein Ende findet dabei
Wäre die Liebe so einfach
Trauten wir nur unserem
Gefühl mit mehr Vernunft

jens tuengerthal 20.7.20

Sonntag, 19. Juli 2020

Familiengen

Hat die Kenntnis der Gene das Bild der Familie und vom Mensch geändert?

Nach der Zeit des Glaubens, kam die Wissenschaft und ersetzte die alten Wahrheiten durch ihre Logik, die auf Naturbeobachtung beruht, wurde langsam zur herrschenden Überzeugung, der sich der Aberglaube beugen, anpassen oder verschwinden musste, weil alles andere nicht mehr in die auf wissenschaftlicher Beweisführung fußende Welt passte, die es immer schneller ganz genau wissen wollte.

Durch die wissenschaftliche Kenntnis der Fortpflanzung und der Rolle auch der Frau dabei, hat sich, zumindest in der westlichen Welt, die nicht mehr so stark vom Aberglaube dominiert wird, schon etwas verändert, die Gleichberechtigung wurde langsam zumindest formal, auch wenn manche darin noch hinterherhinken, ist sie doch inzwischen relativ normal geworden und hat in den letzten 50 Jahren rasantere Fortschritte gemacht als in den 2000 Jahren davor.

Die Gentechnik schien diese inzwischen auch normative Gleichheit zu bestätigen, auf ein breiteres wissenschaftliches Fundament zu stellen, da wir uns nur in einem halben Chromosom unterscheiden, ein y von einem x, und Männer erkennen mussten, Frauen sehen nicht nur besser aus, sie sind auch genetisch quasi vollständiger, dahingestellt ob diese verkürzte Zuspitzung so ganz richtig ist, sie drückt zumindest Bewunderung und Zuneigung aus, die viel komplexer ist, als Gene je erfassen können.

Es geht in diesem Essay nicht um die neuesten Erkenntnisse der Gentechnik, ob wir nun Menschen machen können, also quasi gottgleich wirken, wie früher geglaubt wurde, den gemachten Menschen auch noch bestimmte Eigenschaften schenken können oder bessere Varianten, von uns designen könnten, gar Ersatzteillager für unser Alter uns klonen sollten und wie solches ethisch zu bewerten wäre, was ein Urteil sicher sehr schwer macht, sondern um die Frage, wie sich die Gentechnik auf unser Denken und unsere Sprache auswirkt, welche Sprache diese Variante der Biologie gefunden hat und was sie ausmacht.

Die Gentechnik knüpft wie alle Wissenschaft an die patriarchal dominierte Sprache der Wissenschaft des 19. Jahrhunderts an, wie Christina von Braun in ihrem Band Blutsbande sehr gut darlegt. Entsprechend auch das Denken der sich als neue Schöpfer gerierenden Gentechniker, die aus ihrem überschaubaren Bereich heraus nun denken, das Leben und seine Entstehung vollständig mechanistisch verstanden zu haben und alles über den Menschen zu wissen. Wie mit dem Aufkommen der Rassentheorien und ähnlicher abwegiger Forschungen, gingen auch die Gentechniker vielfach davon aus, Voraussagen über die Verbrechensneigung eines Menschen machen zu können, wie seine sozialen Fähigkeiten nach ihrer Überzeugung auch genetisch determiniert sein müsste.

Auch hier möchte ich nicht zu dem alten Streit zwischen Geisteswissenschaft und Naturwissenschaft Stellung beziehen, ob der Mensch als weißes Blatt oder genetisch determiniert auf die Welt kommt, halte nur jede absolute Überzeugung, die meint, alles erkannt zu haben, für so falsch, dass eine weitere Diskussion mir entbehrlich scheint. Der Mensch ist eher weder noch und vermutlich meist auch beides, als nur eines von beiden. Soziale Eigenschaften können sich nicht ohne soziale Gemeinschaft formen aber dennoch gibt es Menschen, die dabei eine unterschiedliche Begabung zeigen. Manche sind sogar sozial behindert und darum aber häufig nicht weniger intelligent, manchmal sogar im Gegenteil und manches heute normales Sozialverhalten lässt eher eine geistige Störung vermuten, betrachteten wir es kritisch mit Kant, doch auch darum geht es mir hier nicht.

Spannend aber ist die Überzeugung der Gentechnik, das menschliche Sein in ihrem beschränkten Horizont vollständig erfassen zu können und verstanden zu haben. Sie entspricht vollständig den materialistischen Denkstrukturen des 19. Jahrhunderts, die zutiefst patriarchal sind. Der Mensch als Maschine, die nach berechenbaren Funktionen gleich einem Roboter programmiert ist, erscheint hier vor meinem geistigen Auge und diese eigentlich beschränkte Anmaßung lässt mich lächeln.

Warum meinen Menschen immer noch, ihr Bereich und ihre gerade Entdeckung, erfasse die ganze Welt, würde zur berechenbaren Formel des Universums, dem doch ein von menschlicher Logik erfassbarer Plan zugrunde liegen muss?

Der Plan als Bild zeigt, wie sprachlich nah die Gentechnik am Vokabular der Kreationisten ist, auch wenn sie natürlich wissenschaftlich exakt arbeitet, beweisen kann, was sie tut und doch ist ihre Selbstüberschätzung grenzenlos, als ginge es um einen göttlichen Plan, den wir nur mit ihrer Methode aufschreiben müssten.

Natürlich können sie bei ihrer Sicht der Welt nur berücksichtigen, was sie bisher wissen. Wie sehr und rasant sich unser Wissen von der Welt und ihren Zusammenhängen allein in den letzten 100 Jahren verändert hat, könnte sie, dächten sie kritisch, ein wenig Bescheidenheit auch für ihr ohne Frage großartiges Fach lehren, was nur eine Art der Informationsweitergabe betrifft, die sie aber für die Festplatte des menschlichen Computers halten, das Programm, was jeder Zelle eingespielt sei und wohl auch nach momentanen Wissensstand ist.

Wie stark die Biochemie und die Physik etwa der neuronalen Netzwerke als lebendiges Organ dabei noch wirken, berücksichtigen diese Biologen nur begrenzt. Ist auch wichtig aber logisch für sie nachrangig, weil es um ihr Primat der Betrachtung geht. Diese Art der Durchsetzung ähnelt der männlicher Tiere im Rudel, sie ist nicht kooperativ sondern konkurrent und verursacht dadurch häufiger mehr Schaden als sie Nutzen bringt. 

Interessanterweise hat sich unter Kanzlerin Merkel ganz langsam ein stärker weiblicher Führungsstil durchgesetzt, der mehr kooperativ als konkurrent arbeitet. Die Wissenschaft hinkt dem, trotz führender weiblicher Forscherinnen, die sich auch nach oben beißen mussten, in vielem noch hinterher, weil das übergreifende Denken zwar schön geredet wird, solange es nicht die eigene Disziplin und ihre Führungsrolle infrage stellt, die sich auch sprachlich immer weiter im Alltag durchzusetzen versucht.

Als Anhänger der Aufklärung war ich von der Gentechnik wie von aller vernünftigen Naturwissenschaft zunächst ohne Vorbehalte begeistert, sah die Ängste vieler Menschen als übertrieben und vorgestrig an. Denke immer noch, der Fortschritt lässt sich nicht aufhalten und die Chancen, die in der Gentechnik auch etwa in der Tumorbehandlung liegen könnten, sollten wir unbedingt nutzen. Sehe auch das Klonen von Lebewesen nicht als problematisch an,  es gleicht der künstlichen Befruchtung und greift nur an einem anderen Punkt ein, der viele Vorteile bringen könnte.

Nachdenklich machte mich mein Vater, der als Mediziner eigentlich immer ein klarer Naturwissenschaftler war und der Technik gegenüber zumindest aufgeschlossen blieb, der die Gentechnik mit dem Zauberlehrling Goethes verglich, ohne zu sagen, wer nun der alte Meister sein soll, der sich fortbegeben hätte, machte ihm die Gentechnik und die Unbeherrschbarkeit der Risiken, die daraus resultieren könnten, deutlich Sorgen. 

Wir wissen zu wenig meinte er, um in den großen Plan so aktiv einzugreifen, und ich halte ihn nicht für einen besonders gläubigen Menschen, sehe ihn eher als kritischen Agnostiker meist aber in der Gentechnik schien ihm plötzlich der Mensch respektlos gegenüber der Natur und das machte auch mich nachdenklich.

Glaube zwar an keinen Schöpfer oder Meister hinter der Natur, die einfach im Zusammenspiel funktioniert, aber das auch sprachliche Selbstverständnis der Gentechnik, die nun Leben machte, den Schöpfer durch Spezialisten eines Fachbereichs ersetzten, von dem sie glaubten, er würde alles übersehen und verstehen, ist mir verdächtig und genau da fangen meine Zweifel an.

Wir können Leben schaffen und seine Eigenschaften beeinflussen. Sofern es uns dadurch gelingt furchtbare Krankheiten auszurotten, wunderbar. Alles was hilft und heilt, soll willkommen sein, wie froh wäre ich selbst, wenn ich etwa durch einen kleinen genetischen Eingriff meine lästigen Allergien los würde.

Fraglich aber scheint mir, ob wir mit unserem beschränkten Wissen von allen unser Sein betreffenden Einflüssen bereits an unserer Festplatte herumlöten sollten. Käme nicht auf die Idee, meinen Computer auseinander zu schrauben, um darin von außen Dinge zu verändern, weil ich viel zu wenig Ahnung davon habe. Es gibt Spezialisten, die können das und sollen es  tun aber diese Spezialisten würde ich nun nicht bitten, dieses Essay für mich zu schreiben, weil es nicht ihre Spezialität ist, sich abwegig Gedanken über die Welt zu machen, sondern eben meine. Auch käme ich nicht auf die Idee, mich von einem Genetiker in Liebesdingen beraten zu lassen, sondern folge hier konsequent meinem Gefühl, das sich aus mehr Dingen zusammensetzt, als ich begreifen kann und was größeren Einflüssen unterliegt, als ich je werde überschauen können.

Das Genom ist sicher für sehr viele Dinge einflussreich und ich bin dringend dafür, es weiter zu erforschen, um damit so gut wie möglich arbeiten zu können, weil es gut und nötig ist, doch erfasst es nur einen relativ starren Bereich der im Genom durch die Zeugung programmiert wurde. Teile manche Teile davon mit meiner Familie, durch die erbbedingte Verwandtschaft aber kann genauso sicher davon ausgehen, dass es nur einen Teil meines Wesens ausmacht, das im Laufe meines Lebens durch viele Faktoren weiter geprägt und verändert wurde. Bestimmte Dinge bleiben oder tauchen immer wieder auf, sie mögen anlagebedingt sein, andere, sogar felsenfeste Überzeugungen verändern sich mit der Zeit und unterliegen verschiedensten Einflüssen, die ich nicht überblicken kann.

Vielleicht hat das Genom sogar Einfluss darauf, in wen ich mich verliebe und wie eng ich eine Bindung fühle, doch zeigt die Erfahrung wie viele äußere Einflüsse diese Neigung mitprägen und auch wenn ich mir des starken Einflusses meiner Familie und ihrer Sitten auf mein Wesen bewusst bin, auch erschreckenderweise manche Neigungen über Generationen wiederauftauchen sehen - so betrachtet hat die Großfamilie auch einen Vorteil im Sinne der Selbsterkenntnis - was im Guten wie im Schlechten gilt, etwa bei der gelegentlichen cholerischen Neigung, die ich schon früh erstaunt auch bei meinem Großvater, aber nicht nur bei ihm, beobachten konnte oder der starken Neigung zu emotionaler Hingabe und Rührung, die in der ganzen Familie verbreitet ist.

Wie stark diese Neigung durch Vorbilder geprägt ist, was in meinem Genom davon angelegt ist, wann welcher Einfluss stärker ist, weiß ich nicht zu unterscheiden und denke, Elemente davon sind jeweils in unterschiedlichem Maße vorhanden. Dazu kommt noch der völlig unberechenbare Teil des Gegenübers und der verschiedenen Einflüsse genetischer und sozialer Art, die ihn geprägt haben, bis zu psychischen Krisen oder Krankheiten, die möglicherweise auch bleibende Spuren im Körper hinterlassen, auch wenn das Genom davon unberührt bliebe. Konnte diese Erfahrungen schon sehr intensiv machen und habe ihre emotionalen Auswirkungen, natürlich ohne jeden objektiven Anspruch, wie auch als Beteiligter, beobachtet und erlitten, so lange ich lebe.

Der Mensch mag eine komplexe Maschine sein, die aber eben lebendig ist und sich ständig verändert und anpasst. Bestimmte Dinge bleiben und tauchen immer wieder auf, auch bei der emotionalen Neigung, warum bestimmte Menschen mich stärker berühren als andere, doch sind die Frauen, denen ich nah kommen durfte, teilweise so unterschiedlich, dass ich mir nicht zutraue irgendein Muster dabei noch erkennen zu können. Es mag dies an Einflüssen liegen, von denen ich noch nahezu nichts weiß, wie der gegenseitigen Biochemie oder auch am zufälligen Zeitpunkt gelegen haben, der es gerade für beide passend erscheinen ließ oder an ganz anderen Dingen, deren Komplexität meinen Horizont bei weitem übersteigt.

Egal was es also im Kern ausmacht, dass zwischen zwei Menschen ein großes Gefühl wachsen kann oder eine Familie sich über viele Generationen eng verbunden fühlt, gehe ich davon aus, es ist mehr als nur ein Punkt und keiner kann alles überblicken, sondern immer nur auf kleine Ausschnitte schauen, die er dann für die Welt hält.

Die Neigung sich für die Welt und allwissend zu halten, ist in der Genetik und ihrer Tendenz zur Schöpfung besonders stark ausgeprägt, was mich besonders misstrauisch macht. Dazu kommt, dass sie sich des technischen Vokabulars bedient, was ihrer Profession entspricht, die eben auch nur einen Teilabschnitt der Welt anschaut, was aber völlig den gewachsenen patrilinearen Strukturen entspricht, die mit dem Christentum aufkamen und so setzt das scheinbare Gegenteil das vorige Denken zumindest sprachlich fort. Gerade diesen Punkt kritisch zu betrachten und die Ausschließlichkeit stärker infrage zu stellen, scheint mir sehr nötig, weil wir Menschen immer dann, wenn wir von etwas völlig überzeugt waren, am blindesten wurden und den größten Unsinn machten, weil wir den Rest völlig ausblendeten. Die Kernenergie ist hier ein beredtes Beispiel.

Denke inzwischen, die Sorge meines Vaters ist gut begründet, er war ja auch immer ein großer Naturwissenschaftler für mich, der zumindest so tun konnte, als hätte er von allem in der Natur irgendwie Ahnung, was sicher auch durch die ewige familienbedingte Konkurrenz begründet war. Wir arbeiten als Zauberlehrlinge am Leben, von dem wir nur ganz wenig überhaupt in seinen großen Zusammenhängen verstanden haben. Das halte ich für nicht ungefährlich. Finde es dennoch richtig auf diesem Gebiet weiter zu forschen, um mehr erkennen zu können, doch wünschte ich mir dabei mehr preußische Bescheidenheit als die eher amerikanische Neigung zum Blenden als Bester, um die höchsten Fördermittel zu erhalten. 

Familie hat viel auch mit Genetik und der natürlichen Verwandtschaft zu tun, aber nicht nur und ist weit mehr als diese. Sie ist geprägt durch Erlebnisse, Gefühle, Reflektion von Erfahrung und vielem mehr, was ich nie ganz überblicken werden. Menschen können Roboter bauen und Maschinen, die immer besser werden, deren Funktionen sie berechnen und überschauen können aber Menschen sollten sich beim Umgang mit lebendigen Organismen immer bewusst sein, wie wenig sie noch wissen, um lieber weiblich kooperativ statt männlich konkurrent nach Erkenntnis zu streben. Das Risiko anmaßend mehr zu zerstören, als erreichen zu können, scheint mir zu hoch. Sein wir achtsam und vorsichtig, bei dem was wir tun, es könnte allen besser tun.

jens tuengerthal 19.7.20

Liebesversuch

Ein Versuch über die Liebe als Lebensmittel

Ist die Liebe überhaupt ein Lebensmittel, etwas, was wir zum Überleben brauchen oder gönnten wir uns diesen Luxus nur satt, verlieren sich die großen Gefühle beim Kampf ums Überleben wieder, überlegte ich und hatte wie auf so vieles bei diesem Thema keine rasche Antwort.

Bei Facebook gibt es den Beziehungsstatus “es ist kompliziert” und das ist vielleicht eine der besten und kürzesten Beschreibungen der Liebe überhaupt, wo sie von großen Emotionen getragen wird. Zwei können nicht ohne einander sein, halten es aber auch mit kaum aus und das sie sich nicht täglich den Schädel einschlagen oder wüst beschimpfen, liegt weniger am großen Gefühl als einem Mindestmaß an Anstand, den es noch zu wahren gilt, auch wenn er der Größe der Gefühle am ehesten entgegenwirkt. Für manche Lieben ist das große Drama Alltag und Normalität, kannte mehr als eine Drama-Queen mit hohem Betreuungsaufwand in meinem Leben, für andere scheint eine solche Gewichtung undenkbar,

Manchmal sind Paare zu beobachten, die diese Grenze fallen lassen, sich auf offener Straße anschreien, Szenen veranstalten, übergriffig werden und ähnliches mehr und die Beobachtung solcher Fälle hat mich immer so sehr abgeschreckt, dass ich alles tat, öffentliche Szenen noch zu vermeiden, zumindest ein wenig Contenance im brodelnden Kessel zu wahren, was vermutlich auch nicht immer gelang, es ist ja auch nie nur die Entscheidung von einem, ob es explodiert oder nicht und meine Fähigkeite zur Selbstbeherrschung ist in emotionalen Dingen nur bedingt gut ausgeprägt, wie es dem kantschen Anspruch genügen würde, aber zumindest bin ich mir sicher, dass es immer mein Bedürfnis war, so etwas möglichst in Ruhe und unter vier Augen zu klären.

Mehr oder weniger große Dramen habe ich aus den längeren Beziehungen teils noch in sehr lebendiger Erinnerung. Sofern so etwas alle paar Monate mal vorkam, war es zwar anstrengend aber verkraftbar, da die vollständige Infragestellung der großen Liebe das Leben für mich immer im Grundsatz erschütterte und mich auch geistig tagelang lahm legen konnte, in einem Fall sogar noch viel länger völlig lähmte, auch wenn es mir immer unerklärlicher erscheint,  vernünftig und mit Abstand betrachtet.

Erinnere mich auch an Streitigkeiten zwischen meinen Eltern und wie mich dann die Furcht umtrieb, sie könnten sich trennen und wie sehr ich diesen Zusammenbruch meiner Welt fürchtete. Dieses Damoklesschwert des Endes der Familie, die doch alles war, was wir hochhielten, schwebte über manchem meiner kindlichen Alpträume und schien mir unvorstellbar schrecklich, warum ich den Wechsel oder das Ende, wenn ich es nicht selbst wollte, was zum Glück häufiger vorkam, sehr schlecht vertrug und ewig nach einer vernünftigen Erklärung dafür suchte, die es natürlich nie gab, weil Liebe eben da ist oder verschwindet und dann ist es Zeit zu gehen, wie ich es ja von mir selbst auch kannte, der dann sehr entspannt und locker gehen konnte, auch alle vernünftig zu begründen verstand. Natürlich war jede dieser Begründungen wohl durchdacht und dennoch nichts als eine floskelreiche Umschreibung dafür, dass eben das Gefühl verloren gegangen war.

Bei meinen Eltern hielt es, überstand einige Höhen und Tiefen, hat im Alter eine neue liebevolle Form gefunden, die manchen langjährigen Beobachter eines gelegentlich rauheren Tones angenehm erstaunte. Es ist also Bewegung und Veränderung in Beziehungen möglich und kann der Traum von der Liebe für ein Leben gelebt werden, auch wenn es zwischendurch drammatisch zuging. Dieser Traum ist für mich immer das wichtigste in der Liebe gewesen. Natürlich ist toller  Sex auch was schönes aber er wird blass gegen das Gewicht der Kontnuität und Zuverlässigkeit die eine alte Liebe in einer Familie bedeutet und die für mich das entscheidende Ideal war, was ich auch immer leben wollte und so habe ich auch viele Versuche dazu begonnen, mal mit schnellerer mal langsamerer Einsicht, warum genau dieser Versuch natürlich nicht gut gehen konnte, was am leichtesten war, wenn er erfolgreich durch den nächsten ersetzt wurde. Kein Raum für Leere in mir blieb.

Dabei ist der Ersatz völliger Unsinn, weil jede Beziehung anders und keiner ersetzbar ist. Doch genügt die Ablenkung durch den nächsten mehr oder weniger glücklichen Versuch vollkommen vom unerträglichen Unglück über den Verlust der einen Liebe abzulenken, den ich immer nur dann vernünftig vertragen konnte, wenn ich meine Liebe schon vorher verloren hatte, während es mir bis zum tauglichen Ersatz unterschiedlich stark unvorstellbar schien, ohne die gewohnte Konstellation zu leben.

Mag Veränderungen nicht besonders und lasse am liebsten alles beim alten, weil es so gut passt, auch wenn es vielleicht gar nicht so gut passte, wann passen Männer und Frauen schon wirklich zusammen, es doch besser ist, es dabei zu belassen, weil Veränderung nur von wesentlichen Dingen ablenkt, neue aufwendige Suche bedeutet, was eine der wichtigsten Freizeitbeschäftigungen der Singles in den Großstädten wurde, zumindest, wenn du alle Dates in den Cafés beobachtest oder seit Corona auch auf den Bänken im Park.

Welche Veränderung sich gelohnt hat und welche ich lieber unterlassen hätte, wäre eine eigene Geschichte, die hier aber nur am Rande eine Rolle spielt, zumindest fällt mir als nach scheinbarer Objektivität strebender Beobachter meiner selbst doch auf, wie sehr das Streben nach Kontinuität den Drang nach neuem immer mehr überwog, warum mir die Furcht der einen, ich könnte sie verlassen oder betrügen so absurd schien und mit zunehmenden Alter hat das Bedürfnis nach Kontinuität das nach Abwechslung weit hinter sich gelassen, auch wenn ich es, seltsam genug, in den letzten zehn Jahren auch ungewollt immer wieder anders gelebt habe auf der Suche nach großer Liebe, kleinem Glück oder zumindest einem tragfähigen Kompromiss.

Kann für mich sagen, dass Bestand und Kontinuität in der Liebe bei nebenbei irgendwie vorhandener Sexualität, die Ansprüche sinken ja wie die eigene Leistungsfähigkeit mit zunehmendem Alter ein wenig, mir am wichtigsten waren, um ein gutes Leben zu führen und leistungsfähig zu sein, während der Mangel an dieser Kontinuität, mich immer wieder umtrieb und aus der Bahn warf, weil ich doch das Ideal der Familie leben, selbst eine gründen wollte. Die Versuche dabei und Versprechungen dazu summieren sich inzwischen und mehr als einmal war ich mir sicher, es nun ein Leben lang zu wollen, was als Anspruch schon manch vermeintlich große Liebe erschlagen hat und klein werden ließ, was nüchtern betrachtet eigentlich ziemlich schade ist.

Dennoch tauchten immer wieder Fälle auf, die vom irgendwie gleichen Traum besessen waren, es vielleicht auch aus ihrer Kindheit kannten und darum sich mit ähnlicher Begeisterung hinein stürzten wie ich, selten ohne baldige Enttäuschung, weil nichts so schön wird wie gehofft und wir uns nur gelegentlich dabei noch übertreffen, während die erwartungslos begonnenen Kompromisse eher dazu neigten, die nicht vorhandene Erwartung noch angenehm zu übertreffen.

Wann aber hat mich die Liebe am glücklichsten gemacht und welche hatte den größten Erfolg, fragte ich mich, um eine Maßstab dessen, was gut sein könnte im Gegensatz zu dem, was mich quälte zu finden und schon bei der Fragestellung fiel mir auf, wie schwer die Antwort werden würde. In unserer alles quantifizierenden und vermessenden Zeit, die schon an sich angezählt immer vom Wesen her ist, wird Wertigkeit numerisch meist bestimmt. Doch scheint reine Dauer eher ungeeignet als Maßstab des Glücks.

Auch unglückliche Beziehungen können besonders lange dauern, weil beide darin gefangen sind, was inzwischen die Erfahrung bestätigt und auch ein tragisches unverstandenes Ende, kann vor neuem Glück zu nichts werden, sogar, wenn es wie das Ende des Lebens zuvor noch schien. Was zumindest die physikalische Weisheit, dass eben alles relativ ist, im emotionalen Bereich erneut bestätigt. Zumindest weist es darauf hin, dass alleine die zeitliche Dauer nichts über die Qualität und Intensität der Nähe sagt, die sich manchmal sogar umgekehrt proportional verhält.

Dachte lange, weil es auch so von mir erwartet wurde, die letzte große Liebe sei die bedeutendste gewesen, weil sie am intensivsten war und die größten emotionalen Extreme hervorbrachte, immer wieder in Todesnähe shakespearesk schwankte, doch relativiert sie sich mit der Zeit immer mehr und die Realität des täglichen Leidens an Launen, das mich lange deformierte, hebt das scheinbare Ideal völlig auf, da bleibt sehr wenig übrig. Dennoch ist es naheliegend, dass immer die letzte große Liebe als die bis dato größte erscheint, weil sie eben auch zeitlich am nächsten liegt und was gäbe es schon für Gründe den ganzen Unsinn noch einmal zu wagen, wenn nicht jeder neue Versuch der allerbeste endlich werden sollte.

Heute, ein wenig neben mir stehend, um die Illusion der Objektivität wach zu halten, scheinen mir die großen leidenschaftlichen Lieben eher als erschöpfend und anstrengend, während die kleinen zarten, die zuverlässig blieben, mir in vielem idealer erscheinen als manche Göttin um die ich ewig meinte trauern zu müssen, was ich etwas ermüdet nur noch belächeln kann. Wo ich unbedingt wollte, voller Begeisterung und Gier war, habe ich auch den Sex zwar irgendwie aufregend in Erinnerung aber letztlich nicht so befriedigend, wie in den ruhigeren Fahrwassern, die ohne große Stromschnellen zum Ziel führten, auf denen nicht ständig neues Kentern drohte.

Wo sich Dramen abspielen, ist viel Gefühl dabei, wird der Sex meist großartig, echtes Theater eben, aber weniger der Sache als der Aufregung drumherum wegen. Auf Dauer ist guter Sex eben auch ein feinmechanisches Handwerk, was Erfahrung und Kontinuität braucht, um sich gut aufeinander einzuspielen, was manche nie ganz schaffen aber noch seltener darüber reden, zumindest miteinander, seltsamerweise. Aber warum und wie der Sex funktioniert oder die Lust sich verliert, ist eine andere Geschichte, die bei diesem Versuch über die Liebe weniger verloren hat, bei der Sex ja nur eine der Ausdrucksformen der Zuneigung und des Vertrauens ist aber eben nicht die einzige und meinem Gefühl nach auch nicht die entscheidende.

Ohne ein Verfechter arrangierter Ehen zu sein, wie gut dass dieser Zwang überwunden wurde, Gefühl entscheiden kann, wer sich bindet, scheint mir doch heute das Element der ruhigen Vernunft viel wichtiger als alle übrigen. Es sollte eben auch vernünftigerweise irgendwie passen. Wo geistige Welten passen, zwei miteinander reden können, sich ohne zu große Dramen verstehen, vieles auch ungesagt klar erscheint, die Umstände passen, sie nicht nur miteinander sondern vor allem auch beieinander schlafen können und sich dabei Kraft geben, ist schon die beste aller möglichen Konstellationen gefunden und klug ist, wer nicht mehr erwartet sondern damit glücklich leben kann und es zu würdigen weiß.

So schön der Traum von großer Leidenschaft, ewig wildem Sex und dem lodernden Feuer der Liebe ist, schöner noch lebt sich mit Zuverlässigkeit, Vertrauen, ruhiger Liebe und dabei natürlich schönem Sex, der sich aus der Harmonie von alleine ergben sollte, hier immer noch nicht Thema wird, das Produkt einer gelungenen Beziehung ist, nicht ihr Inhalt. Die Liebe als Lebensmittel taugt nichts, wo sie nur leidenschaftlich brennt, uns täglich verrückt macht, statt für ruhige sichere Versorgung der emotionalen Grundbedürfnisse zu sorgen, ein sicherer Leuchtturm zu sein, der Orientierung gibt.

Es ist schön sich gelegentlich feine Delikatessen zu gönnen, aber täglich möchte ich mein Roggenbrot mit Butter haben. Natürlich möchte ich meine Liebste nie einem Roggenbrot zu vergleichen, so sehr ich dieses liebe, doch eine vernünftige Basis, die als festes Fundament Grundlage auch emotionaler oder erotischer Höhenflüge sein kann, gefällt mir heute und mit Blick auf alle Erfahrung viel besser als jede verrückte Leidenschaft. Es ist vieles gut und leichter zu ertragen, wenn die Basis voller Vertrauen stimmt. Wo an ihr immer wieder gezweifelt wird, bleibt nicht viel übrig.

Das Roggengraubrot mit Butter oder nach Laune belegt, ist die Basis eines guten Lebens für mich. Schwarzbrot und Toast dazu sind netter kleiner Luxus. Dazu ein guter Tee, Wasser oder ein zuverlässiger Wein ohne Aromastoffe, manchmal noch ein Käse, genügen zum guten Leben, wie es Epikur als Ideal beschrieb. Dies im Bewusstsein, scheinen mir viele Ausflüge im wilden Wald von Liebe und Lust heute eher überflüssig. Wie ich eine gute Brotzeit als wichtigste Mahlzeit über alles schätze, möchte ich auch meine Liebe so leben. Klar und offen in der Basis, im Wissen um den verbindenden Kern, der einander gut tut und das auch nach seiner Natur kann. Dann wäre alles bestens und ich völlig erwartungslos glücklich und irgendwann findet sich genau das, denke ich, die Dinge sind ja nicht so kompliziert, lassen wir mal weg dass neben Roggenbrot auch Bücher zu meinen Grundnahrungsmitteln gehören uns es natürlich schön ist, auch gelegentlich gemeinsam zu essen.

jens tuengerthal 18.7.20

Samstag, 18. Juli 2020

Klüger

Klüger zu sein macht
Immer einsamer darum
Stellst du dich lieber dumm
Gemeinsam mit anderen
Sein zu können wie ihre
Anerkennung zu finden
Die lieber alle übersehen
Was mehr als sie je ist
So dümpelt die Welt aus
Angst vor Einsamkeit nur
Weiter in Grenzen herum
Die beschränkt nur sind
Aber mehrheitsfähig damit
Mehr ist es meist nicht
Darum wünsche dir nie
Klüger zu sein als wer
Bringt nur Ärger mit sich
Lebe bescheiden lieber
Denn mehr war es auch
Am Ende nie wert und
Lächel darüber

jens tuengerthal 18.7.20

Müssen

Wir müssen nichts sein
Außer irgendwann nicht mehr
Weil alles Sein endlich ist
Über Nichts nichts geht
Manche glauben lieber
Sie müssten noch was
Sehen oder tun bevor
Nichts immer mehr ist
Welch Illusion denn
Nichts muss

jens tuengerthal 18.7.20

Vom Narrentum

Der Narr bleibt immer der Narr
Er liebt ohne zu fragen was
Bleibt oder vernünftig zu sein
Manche spielen ihr Spiel mit
Dem scheinbar naiven Narren
Vergessen nur dabei leider
Sich überlegen fühlend
Der Narr ist die höchste Karte
Im Aberglauben des Tarot
Er sticht immer wenn es
Um die Zukunft dann geht
In unbekannter Realität
Siegt also logisch stets
Am Ende unklar nur wann
Dieses für wen kommt
Oder ob überhaupt

jens tuengerthal 18.7.20

Freitag, 17. Juli 2020

Liebesnarr

Bin und bleibe ein Narr
Der Liebe und des Lebens
Kann wohl Worte gut finden
Alles im Leben zu beschreiben
Dem großen Wunder der Liebe
Den romantischen Rahmen geben
Schöne Verse dazu dichten wie
Feinsinnige Frauen es lieben
Egal ob sie nur spielen oder nicht
Bleibe ich dabei stets der Narr
Weil ich um zu dichten an die
Liebe glauben muss was selten
Die nötige Gelassenheit schenkt
Und so bleibe ich ewiger Narr
Auf der Suche nach dem Glück
Was sich immer wieder verliert
Amüsant für alle Leserinnen

jens tuengerthal 17.7.20

Frauenherzen

O wie so trügerisch, sind Weiberherzen
Mögen sie klagen, mögen sie scherzen
Oft spielt ein Lächeln um ihre Züge
Oft fließen Tränen, alles ist Lüge
Habt ihr auch Schwüre zum Unterpfande
Auf lichtem Sande, habt ihr gebaut
Habt ihr gebaut
Ja, habt ihr gebaut

Sehnt euer Herz sich, nach süßen Stunden
Ein holdes Liebchen ist bald gefunden
Doch bitt're Reue, wird der empfinden
Der nur an Eine, sich fest will binden
Habt ihr auch Schwüre zum Unterpfande
Auf lichtem Sande, habt ihr gebaut
Habt ihr gebaut
Ja, habt ihr gebaut

So singt es der Herzog von Mantua
In Verdis Rigoletto und wie geflügelt
Wurden diese Worte längst der Welt
Die Franz I. einst zitierten der meinte
Oft ist die Frau trügerisch
Ein Narr, wer ihr vertraut
Was Victor Hugo in der Vorlage zum
Rigoletto über den weisen König
Schon spielerisch einsetzte auch
Doch gesungen erst ging es dann
Um die Welt als gleichsam Schlager
Die Tragik des Rigoletto des armen
Buckligen Narr am Hofe des Herzogs
Der die Verführung und Defloration seiner
Tochter durch den Verführer rächen will
Den Herzog von Mantua eben darum
Einen Mörder engagiert der aber dann
Weil er den Lohn für die Tat bereits erhielt
Rigolettos Tochter die sich wissentlich
Aber als der Herzog verkleidet nun
Für ihren Geliebten opfert um damit
Infolge von Irrtum und Unglück doch
Am Ende in den Armen ihres Vaters
Tragisch mit Bitte um Vergebung stirbt
Womit sich der Fluch gegen den Herzog
An ihm dem Narren tragisch erfüllte
Straft die Worte des Herzogs Lügen der
Als Frauenverführer nur der Lust folgt
Weil die eine für ihre Liebe sogar ihr
Leben bereitwillig noch opfert womit
Verdi sich vor den Damen verbeugte
Die der betrügerische Herzog der wohl
Lebte was er über Frauen sagte sich
So vermutlich nie vorstellen konnte
Doch irrte er darum völlig fragt sich
Wer schon mal sein Herz verloren
Von Frauen die er über alles liebte
Dafür nur verspottet wurde aber
Nichts als Hohn dafür erntete weil
Die Liebe eben wechselhaft wie
Das Wetter immer wieder sein kann
Größte Schwüre ewiger Liebe bald
Vergessen werden für den nächsten
Der deinen Platz lächelnd einnahm
Weiser wäre wohl alle Beteuerungen
Nicht ernster mehr zu nehmen als
Die Wettervorhersage noch die aber
Zumindest wissenschaftliche Basis hat
Was vom weiblichen Gefühl selten nur
So entschieden gesagt werden kann
Dessen Gründe kein Mann je kennt
Doch was wenn eine die Gilda ist
Die Liebe meint die sie erklärt
Alles auch sich dafür opfern würde
Wachsen hoffnungsvolle Zweifel in mir
Ob es gut sein kann dem Herzog hier
Mit Misstrauen gegen alle Frauen doch
Zu folgen um vor Täuschung stets sicher
Keine Enttäuschung mehr zu erleben
Aber dafür echte Liebe tödlich einmal
Wo es sie wirklich geben sollte zu verkennen
Das größte Glück für immer zu verspielen
Für jene die dich lange nur täuschten
Weil sie denen gleichen die der Herzog
In la donna é mobile so wunderbar besingt
Blind für die echte Liebe der einen die
Wiederkehrt um sein Leben zu retten
Bereitwillig das ihre dann opfert statt
Nur tägliche Dramen nahe dem Tod
Bis zu deinem Nervenzusammenbruch
Dir immer wieder vorzuspielen um dann
Bei erster Gelegenheit im nächsten Bett
Das alte Spiel mit Gefühl weiterzuspielen
Weiß nicht wer wirklich klüger ist hier
Schöner lebt sich im Glauben an die Liebe
Sicherer mit gesundem Misstrauen allen
Trügerischen Frauenherzen gegenüber
So balanciere ich zwischen Leben und Tod
Durch mein Liebesleben manchmal noch
Merke ich wo nur gespielt wird und doch
Ist Spiel in jeder Begegnung von beiden
Bleibt ein Narr wer dies verkennt immer
Nur aufrichtig ist ohne auch zu spielen
Was zur Natur der Liebe wohl gehört
So verkennt die besten Frauenherzen
Wer vorsichtig allen misstraut doch wird
Wer naiv wie ich zu schnell vertraut auch
Immer wieder um sein Leben leiden
Was ohne Liebe wertlos erscheint
Das Spiel geht ewig weiter bis wir
Füreinander oder einsam sterben
Wie es in aller Natur liegt

jens tuengerthal 17.6.20

Wassermühlentraum

Es klappert die Mühle
Am rauschenden Bach
Klingt es mir noch aus Zeiten
Der Kindheit als Volkslied im Ohr
Weckt Erinnerungen ans Wandern
Damals im Taunus oder Stadtwald
Von Frankfurt der Kindheitsstadt
Wie lebte ich wohl am liebsten
Fragte ich mich der in Berlin
Ganz zufrieden schon ist aber
Fragte mich wer was mein Traum
Vom Leben wäre wüsste ich genau
Es wäre eine wilde Mühle am Wald
Die sich selbst mit Energie versorgte
Quasi autonom somit wäre wie ein
Kleines Kraftwerk noch dazu den
Natürlich gewonnenen Strom dann
In das Netz nebenbei einspeiste
Daran langfristig vermutlich verdiente
Aber von Geld träume ich eher selten
Ein mir fern liegendes Gebiet immer
Abgelegen und in Ruhe mit meiner
Kleinen Bibliothek genug Raum
Für immer mehr Bücher noch
Hätte ich mit Wald und Büchern
Das Paradies schon fast für mich
Eine Liebe dies Leben zu teilen
Machte den Traum vollkommen
Vielleicht noch alte Scheunen dort
Für ein kleines Theater gelegentlich
Oder große Feste auch der Familie
Zeit täglich im Wald zu wandern
Irgendwo erreichbar ein Zug noch
Oder das von der Mühle getankte
Elektroauto mit gutem Gewissen
Für gelegentlich Lust auf die Stadt
Doch schreiben wie Leben täglich
Beim Klappern der Mühle wie dem
Rauschen des Wasser wäre ein Traum
Denke ich und frage mich warum
Ein solches Leben mir ideal schiene
Werde es noch weiter ergründen
Die Freiheit in abgelegener Einsamkeit
Oder doch lieber nur davon träumen
Gelegentlich Schubert dazu hören
Aber in der lebendigen Stadt bleiben
Zum Träumen die Augen schließen
Damit Träume auch Träume bleiben
Landleben ist meistens ungeistig mit
Viel körperlicher Arbeit anstatt die
Das notwendige beisammen hält
Weil Natur gefräßig Raum greift
Die Eindringlinge gerne verdrängt
So bleibt der schöne Traum des
Städters von romantischer Mühle
Eine fernliegende Illusion wohl auch
Realistisch nur mit ganz viel Geld
Schön zu träumen in einsamen Nächten
Die besser nicht mehr einsam wären
Was wichtiger mir wohl als alle sonst nur
Wassermühlenknabenmorgenträume wäre

jens tuengerthal 16.7.20

Donnerstag, 16. Juli 2020

Lebensleuchtturm

Einen Leuchtturm zu haben hilft
Im Leben Kurs zu halten wo du
In schwere Stürme gerätst die dir
Jede Aussicht jemals wieder noch
Land zu gewinnen rauben um dort
Hoffnung zu behalten warum sich
Jeder bevor er in See sticht solch
Einen suchen sollte um sich nicht
In den Unwettern des Alltags erst
Am fernen Horizont einen suchen
Zu müssen was schon manchen
Zu Schiffbruch geführt hat der dort
Seinen Kurs nicht mehr fand von
Irrlichtern getäuscht wild kreutzte
Statt auf Kurs zu bleiben wie es
Auch in Not noch angemessen
Wäre verlierst du dich dann völlig
Wo kein Licht mehr in Sicht ist
Nach dem du streben kannst um
In den sicheren Hafen zu gelangen
Weise wäre es an Land zu bleiben
Sich nicht der See mehr auszuliefern
Statt meinen noch Reisen zu müssen
Doch suchen wir Weisheit vergebens
Wo Leidenschaft und Gefühl regieren
Die manche fälschlich immer wieder
Für Leuchttürme halten dabei sind sie
Nur Untiefen und Klippen unterzugehen
Im schweren Sturm hilft uns alleine
Ein klarer Blick und Ruhe um auch
Den Leuchtturm rechtzeitig zu sehen
Wo er steht und sich drehend zeigt

jens tuengerthal 16.7.20