Freitag, 24. Juli 2020

Stadtverplanung

Was macht Stadtplanung gut und wo schafft sie Probleme?

Städte haben ihre Baumeister, die das Bild der Stadt prägten, planten wie gebaut werden sollte, die Richtlinien vorgaben und damit Städten im Werden oder Wandel ihre Form gaben. In Berlin etwas ist Hobrecht sehr präsent, wo die schönen Altbauten stehen, Plätze und Parks angelegt wurden. Wie später noch Martin Wagner, der Bruno Taut beauftragte, welcher die Hufeisensiedlung in Britz entwarf oder die Wohnstadt Carl Legien, benannt nach einem Gewerkschaftsführer, im Osten des Prenzlauer Berg. Die letzten beiden Siedlungen sind heute Weltkulturerbe und gelten als vorbildlich durchdacht und wertvoll, gut gebaut. Bekannt aus Berlin wurden in dieser Zeit noch die Gartenstadt Falkenberg, die Großsiedlung Siemensstadt und die im Stil der Neuen Sachlichkeit errichtete Weiße Stadt in Reinickendorf. Neben Wagner und Taut wirkten dort noch Hans Scharoun, Walter Gropius und anderen nicht ganz so bekannte Namen und prägten mit ihrer Bauweise und dem Anspruch dabei das Bild Berlins und des Wohnens in der Stadt.

Walter Gropius wurde auch zum Namensgeber und Planer der Großwohnsiedlung Gropiusstadt, einem sozialen Wohnungsbau voll hässlich anonymer Hochhäuser, der schon lange ein sozialer Brennpunkt ist, wie die Leser von Christiane F. wissen. Hier kam der ursprünglichen Planung noch der Mauerbau in die Quere, der die möglichen Flächen im damaligen Westen eng begrenzte, warum die Planung um sechstausend Wohnungen erweitert wurde, die dann mangels Fläche am Boden in die Höhe gebaut wurden, da mehr Wohnungen auch mehr Soziale Einrichtungen erforderten, die auf beschränktem Raum nur durch immer höhere Bauten realisiert werden konnten. Statt der von Gropius ursprünglich geplanten maximal fünf Etagen hat das höchste Wohngebäude dort 30 Etagen, was auch ohne Adam Riese das sechsfache ist und es fragt sich, wie haften sollte, wer so etwas genehmigt, und prägte den anonymen Schluchtencharakter der Siedlung, wie er sich auch voller Grauen im immerhin grünen Marzahn zeigt. Die hohe Verdichtung und der primär soziale Wohungsbau führte neben der noch von Le Corbusier geplanten Sozialstruktur der Siedlung, die sich als weitgehend untauglich erwies, dazu, dass dort ein Problemgebiet ungeahnter Tragweite entstand. Dennoch folgten viele andere Städte dem Vorbild und bauten Hochhaussiedlungen ins Grüne oder an den Rändern, um Wohnraum zur Verfügung zu stellen und hofften die sozialen Strukturen würden plangemäß greifen, was sie nahezu nie taten. Problembereiche entstanden um diese Siedlungen im ganzen Land, eine tragbare Lösung dafür ist bisher nicht in Sicht. Die Menschen wurden in Silos gesteckt, die wechselnden Plänen folgten und dort allein gelassen, während die Politik heute deren Wahlverhalten oder die hohe Kriminalität und sich generativ verstetigende soziale Abhängigkeit beklagt, statt über die Wurzel des Problems, die verfehlte Planung, kritisch nachzudenken.

Neben diesen verunglückten Versuchen im Westen wie im Osten Menschen in Massen nach Plan siedeln zu lassen, sind es die großen Bauten und Entwürfe in der Mitte, die das Bild Berlins in der Welt vor allem prägen. Vom Brandenburger Tor über Museumsinsel und Schloss, vom unsäglichen Dom lieber zu schweigen, der besser abgerissen würde, nicht länger das Weltkulturerbe der Museumsinsel zu verschandeln. Dort stehen harmonisch miteinander lauter Unikate. Auch der Alexanderplatz war immer wieder Gegenstand der Stadtplanung und hat seine heutige hässliche Form und in der Wirkung asoziale Form in der Zeit der DDR erhalten, die dafür mit der Karl Marx Allee ihrem Propheten und Heilsbringer eine fast potemkinsche Märchenstraße im Anschluss an den Platz baute, während sie sich ansonsten eher in unsäglichen Plattenbauten erging, den Kindern von Mangel und Phantasielosigkeit mit vorgeblich sozialem Anspruch, den manche, der alten Lüge totalitärer Regime noch aufsitzend, als positives Erbe hochhalten, was es nie war.

Große Baumeister wie Schinkel und Langhans prägten das Stadtbild im 19. Jahrhundert, bis an dessen Ende die Harmonie durch wilheminischen Größenwahn wieder teilweise verschandelt wurde, die noch unter Friedrich Wilhelm IV. dem Schloß eine unpassende Kuppel aufsetzte, die wir dem Humboldt Forum besser erspart hätten, was dessen Akzeptanz in östlichen und linken Kreisen vermutlich erhöht und uns manch überflüssige Diskussion über einen guten Plan erspart hätte. Wie so manche heiße Diskussionen zu Neubauten und Abrissen eher entbehrlich waren als produktiv für die Entwicklung der Stadt, nie ein Ergebnis brachten, noch bringen können,

Ähnliche Beispiele könnten aus anderen Städten gebracht werden, soweit sie Raum zur Gestaltung hatten und nicht im Ring ihrer früher Mauern weitgehend erhalten blieb und damit dem Denkmalschutz näher stand als der Stadtplanung. Das nach der Zerstörung im pfälzischen Erbfolgekrieg wieder aufgebaute Heidelberg hat dadurch eine harmonisch schöne Altstadt, der dafür ein asozialer moderner Platz vorangesetzt wurde, der sogenante Bismarckplatz, dessen Disfunktionalität ein wunderbarer Spiegel der Fehlplanung ist.

Was schöner und besser wäre, streitet vermutlich jede Generation neu, Schöner als in den durchgeplanten Siedlungen lebt sich bis heute in Altbauten, viele. die für Planungen der Moderne Verantwortung trugen, lebten immer eher in schönen Altbauten, statt in ihren teils sehr quadratischen Entwürfen.

Wer sich wundert, dass sich Menschen der Ästhetik ihrer Umgebung anpassen und ihren Wohnraum entsprechend erleben und behandeln, hart und brutal werden, obwohl doch alles so gut gedacht war, glaubt vermutlich auch, er könne deren Leben der Umgebung entsprechend planen und meint, klare Planung bringe geordnete Menschen hervor. So regte sich in der Presse der 30er Jahre mancher von der Ästhetik der Tautschen Bauten begeisterte Kritiker darüber auf, wie plüschig doch die Menschen in ihren klaren geradlinigen Wohnungen sich einrichteten, wie sie es wagen konnten Gardinen oder Vorhänge in die sauberen Linien zu bringen, Möbel im Gelsenkirchener Barock mit Nippes verunziert, in diesen mustergültig modernen Siedlungen aufzustellen, zu denen doch höchstens kühles Bauhaus oder Corbusiers Sessel passten. 

So deutlich wie dieses Beispiel zeigt wenig das Scheitern der Moderne und ihrer vermeintlichen Geradlinigkeit am Menschen, der nicht in diese Umgebung passt, weil er nicht nur nach einem Prinzip lebt, sondern, wie es gerade gefällt und in den sozialen Wohungsbauten der Gropisstadt weniger Anhänger der klassischen Moderne und eines reduziert edlen Stils lebten, sondern ganz normale Menschen mit all ihren spießigen Gewohnheiten, die nicht zu berücksichtigen, eine Planung ohne den Menschen ist, also unmenschlich und verfehlt bleibt, so nett es gedacht war.

Habe nicht den besseren und besten Plan, wie Menschen leben sollten, sah ich auch nie als meine Aufgabe an. Doch bemerke ich die Folgen der Fehlplanung auf das Sozialverhalten der Menschen, die zwischen den anonymen Schluchten leben, ob in der Gropiusstadt, in Lichtenberg, Marzahn oder im märkischen Viertel und, um mal ein anderes Beispiel zu nennen, im Heidelberger Emmertsgrund. Nach dem Erwachen aus den Menschen verplanenden Träumen der 50er bis 70er brauchen wir bis heute sehr viele Sozialarbeiter, um die dort siedelnden Menschen zu integrieren, ein soziales Leben in asozialer Umgebung zu ermöglichen.

So gesehen hat die verfehlte Stadtplanung zumindest als Arbeitsbeschaffungsprogramm für viele Sozialpädagogen gewirkt, um auch mal etwas positives zum Hochhausbau zu bemerken, den ich ästhetisch immer noch als einen brutalen Angriff auf das Geschmacksempfinden sehe. Natürlich gibt es einige wenige schöne Hochhäuser in den großen Städten dieser Welt, die als Büros dienen und dem knappen Raum durch Höhe gerecht werden wollen. Als zeitweiser Arbeitsplatz mögen sie tauglich sein, als Lebensraum sind sie es nicht und das zeigte sich, wenig erstaunlicherweise, immer wieder.

Wo die Masse zum Problem wird und wir ihr durch unmenschliche Bauten gerecht werden wollen, versuchen wir an der falschen Stelle zu lösen. Es wird mit dem bekannt falschen Mittel versucht, eine Lösung zu finden, die keine sein kann und die in ihrer Brutalität das vorige nur verschlimmert, warum es an der Zeit wäre, endlich umzudenken.

Die Antwort auf ein Problem mit der Masse heißt weniger Wachstum, konstruktive Schrumpfung, um wieder den angemessenen Platz für jeden finden zu können. Leider ist unsere Ökonomie nach einem kranken Modell auf permanentes Wachstum eingestellt und hat noch nicht gelernt, von Reduktion und Nachhaltigkeit wirklich zu profitieren. Dem entsprechen fehlkontruierte Sozialsysteme, die mit einem auf Wachstum der Bevölkerung fußenden Generationenvertrag die Menschen schon zu lange belügen und ihr Geld zwangsweise verschwenden lassen.

Mehr Langsamkeit als Wertfaktor und Luxus zu entdecken, wird dabei so wichtig sein wie eine andere Betrachtung der Wertschöpfung. Die Corona-Krise und ihre Folgen haben uns sehr deutlich vorgeführt, wohin das Wachstumsdogma führt, wenn aus externen Gründen ein zeitweiser Stopp oder ein Umdenken nötig ist. Die Ökonomie ist nicht darauf eingestellt und reagierte eher panisch auf die Stille und Ruhe, die konstruktiver hätte genutzt werden können, um danach wieder im alten Tempo mit den gleichen Methoden aufzudrehen, bei noch nicht absehbarer Zahl von Konkursen. 

Wir packen Menschen wie Ölsardinen eng gestapelt in Hochhäuser, fliegen sie zur Erholung auf überfüllte Inseln mit Sonne, wo sie sich wieder am Strand stapeln dürfen und das ganze für ein Glück und die Erfüllung halten sollen und es fragt sich, welcher Geist hinter solchen Perspektiven steckt, ob der Menschen, die in dieser Industrie mitspielen, je über das, was sie tun noch nachdenken oder es schlicht die Fortsetzung der Wohnfolter ist, die Menschen in den Urlaub treibt, wo sie in neuen Silos zeitweise Seligkeit suchen und doch nur in anderer Umgebung fortsetzen, was ihnen zuhause schon aufgezwungen würde.

Vermutlich könnte es eine ganze Branche in den Konkurs treiben, wenn Menschen mal innehielten, um nachzudenken, statt sich ständig irgendwo mit irgendwas ablenken und bespaßen zu lassen, entdeckten, was wichtig ist, um sich wohl zu fühlen und was nur eine neue Variante des brutalen Angriffs auf unsere Ruhe und unser Wohlbefinden ist, die uns denken lässt, wir müssten dieses oder jenes noch gesehen haben, hier oder dort gewesen sein, statt endlich das wichtigste zu entdecken, die Zufriedenheit mit weniger und dem, was ist, womit das Leben zum entspannten Genuss statt zur ewigen Hetze werden könnte - aber vermutlich werden diese Worte in den Ohren der Urlauber verhallen, die lieber beschäftigt und unterhalten werden, weil sie das Glück der Zufriedenheit mit sich nicht kennen, auch wenn es ihnen gelegentlich in bezahlten Yoga-Kursen von dortigen Lehrern vorgebetet wird und die lieber weiter powern, um sich diesen oder jenen Luxus leisten zu können, als käme es darauf irgend an.

Das Sozialverhalten der Menschen entspricht in vielem der Art, in der sie leben, genau getaktet, von hier nach dort hetzend, in Konservendosen eingesperrt, gönnen sie sich gerne etwas, was den Mangelzustand noch verstetigt, statt eine konstruktive Lösung durch Innehalten und Ruhe zu bringen. Der Siedlungsbau hat seinen Ausfluss im Massentourismus gefunden, es ist eine logische Konsequenz, die so absurd ist, zumal dies noch Erholung genannt wird, dass es jedem kritisch denkenden Betrachter auffallen müsste und zur Umkehr bringen sollte, um wieder echte Ruhe und Entspannung in sich zu finden, statt irgendwo danach zu fahnden, im weniger statt im mehr, alles zu haben. So sehe ich im Sozialverhalten der Menschen den Spiegel unserer Siedlungen und es scheint an der Zeit, kritisch darüber nachzudenken, um konstruktiv etwas zu ändern, weil der bisherige weg offensichtlich nicht zielführend sein kann.

Versuche das seit einigen Jahren relativ konsequent zu leben und Entspannung in meiner kleinen Bibliothek als Welt in der Welt zu finden. Dies dauerhaft teilen zu können, wäre sicher noch schöner, doch lassen die dafür nötigen Kompromisse daran zweifeln, ob ein solcher Plan sinnvoll sein kann und darum lieber die gelegentliche Teilung maßvoll zu genießen wäre. Reduziere die sonstigen Bedürfnisse immer mehr und bin damit immer zufriedener. Muss nirgendwo mehr hin, noch ständig neues oder mehr haben. Dinge werden möglichst nur erneuert, wenn sie kaputt sind, auf Haltbarkeit wird Wert gelegt.

Verbreitete sich diese Lebensform, die nahezu nichts braucht und mit wenig zufrieden ist, wäre dies für die momentane Industrie, die ständig neue Produkte am Markt platzieren muss, eine Katastrophe, weil unsere Ökonomie so funktioniert, wie sie funktioniert und Menschen lieber als Ölsardinen in Siedlungen leben, um einmal im Jahr oder häufiger noch als Ölsardinen wieder kollektiv in der Sonne zu braten oder an Liften anzustehen und das Vergnügen nennen, während sie sich in ihrer Freizeit von Maschinen in Studios bewegen lassen und das für gut und gesund halten.

Es beginnt bei manchen ein gewisses Umdenken, nahezu jeder lobt sich für die Nachhaltigkeit in seinem speziellen Bereich, deretwegen sich dann die Urlaubsausnahme gestattet wird, die das bekannt ungesunde in anderer Umgebung mit noch negativeren Folgen fortsetzt und also ist dieses sogenannte Umdenken, der Geländewagenfahrer, die nun Biomilch kaufen, nichts wert, ändert nichts, sondern ist nur der erworbene Ablassbrief und zeugt von einem schlicht katholischen Denken, das auf Vergebung und Deantwortung beruht statt auf Konsequenz und kritischem Denken, ethisch wertlos ist, nichts ändert.

Wie einfach und schön könnte das Leben sein, achteten Menschen mehr auf ihr Leben, machten sich ihren Alltag schöner, entschleunigten, statt sich mehr zu bewegen aber solange wir Menschen mit Gewalt in grässliche Konserven zwingen, müssen wir uns über das Ergebnis nicht wundern und vielleicht könnte die Stadtplanung in Zukunft mehr darüber nachdenken, denn der schönste Urlaub soll in den eigenen Wänden beginnen.

jens tuengerthal 24.7.20

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