Donnerstag, 23. Juli 2020

Sexwert

Was macht Sex wertvoll und wann wird er wirklich gut?

Sex ist alltäglich geworden, überall verfügbar und online findet sich immer jemand mit irgendwie ähnlichen Leidenschaften, so absurd sie auch sein mögen, haben wir in Berlin für alle Varianten stets große Auswahl. So gesehen könnte, was Rudolf Borchardt schon für seine Jugend zu Beginn des Jahrhunderts noch im Kaiserreich als Weltpuff Berlin so wunderbar als eigene Geschichte beschrieb, das Leben in Berlin das sexuelle Paradies sein, in dem jeder stets glücklich durch die Straßen schwebt.

Dies ist offensichtlich nicht der Fall. Schaue ich in die Gesichter auf den Straßen oder vor den Cafés, wo sich die neuen Online-Dates erkennbar treffen, sieht kaum einer glücklich und befriedigt aus, auch wenn viele Sex haben und vielleicht sogar mehr als in anderen Städten, weil die erreichbare Auswahl groß genug ist.

Woran liegt das, fragte ich mich, wenn ich mal wieder glücklich durch die Straßen schwebte als hätte ich gekifft, was ich nicht tue, weil ich die Wirkung der hormonellen Droge wesentlich reizvoller finde und vor allem nachhaltig gesünder und in jeder Beziehung stärkend.

Aber auch ich kenne Begegnungen, die langweilig und unbefriedigend sind, selbst wenn beide dabei irgendwie zum Höhepunkt kamen, dennoch keine Erfüllung fanden, jedoch inzwischen auch umgekehrt genug Fälle, wo es auch ohne den letzten Schritt erfüllend und befriedigend war, weil du ganz beieinander warst und Lust geschenkt bekamst, durch die Freude deines Gegenübers, was Glück genug für lange Zeit schon sein kann. Finde es inzwischen spannender Lust und Befriedigung einer Frau schenken zu können als sie auf männlich schlichte Art selbst zu suchen, was immer und einfach ginge, während die Sexualität der Frau für mich als Mann immer noch ein komplexes Wunder ist, dem ich gerne als Zauberer nicht nur mit Worten aber gern mit der Zunge diene.

Dieses Gefühl der höheren Potenz der Frauen, die dennoch aus vielen Begegnungen unbefriedigt gehen, weil vielen Männern wohl die eigene Befriedigung wichtiger als die der Partnerin ist, die mehr Aufmerksamkeit und Hingabe erfordert, hatte ich schon lange und bin froh, dass diese irgendwie Ahnung inzwischen nicht nur praktisch sondern auch wissenschaftlich durch die Forschung zum nervus pudendus bestätigt wurde. Diesem großartigen Schwellkörper, der das männliche Glied in allen Fähigkeiten überragt, der von der Klitoris zur Wirbelsäule läuft und dem zu huldigen eine Ehre jedem Mann, der Frauen liebt, sein sollte, weil sich erst dann die wahren, bebenden Wunder offenbaren, die in Erinnerung bleiben, wenn dein Gegenüber vor Glück zitternd und eben bebend oder sogar, bei Stimulation der richtigen Stellen, überlaufend, erfüllt in deinen Armen liegt und du weißt, es wohl, auch als eher grobmototischer Mann, nicht ganz falsch gemacht zu haben, verleiht eine viel tiefere Befriedigung, als die schnelle Nummer, die nur zum Höhepunkt reitet, ohne den Weg und seine Umgebung genießen zu können.

Diese Dankbarkeit in den Augen der glücklichen sexuellen Partnerin, ist für mich inzwischen der größte Schatz, nur noch zu übertreffen durch den seltenen gemeinsamen Höhepunkt, der aber auch nur das Ergebnis eines wilden Ritts eher ist und nur der Gipfel eines langen Weges, der wie alle Gipfel sich erstmal toll anfühlt aber nicht diese nachhaltige Zufriedenheit hinterlässt, die der Blick einer dankbaren Geliebten schenkt, eine der schönsten der vielfältigen Arten der Liebe, die eben schenken möchte und nicht sich im anderen befriedigen will, weil sie selbstlos glücklich macht.

Den sportlichen Ehrgeiz des Zusammenkommens hatte ich früher sehr, hielt es für den Gipfel der Genüsse, das einzig wahre, und kann doch inzwischen sagen, es fühlt sich toll an, ist aber nur ein winziger Moment, hat nicht das lange Nachbeben, das eine selige Partnerin erfüllt und glücklich in deinen Armen liegen lässt. Erstrebenswert, wo es möglich ist, aber deutlich überschätzt,  weil dabei jeder bei sich bleibt, einer sich zwar auf den anderen konzentrieren muss, hinterlässt es nicht diese große andauernde Erfüllung, auch wenn es für ein Lächeln auf dem Weg durch die Straßen allemal reicht, nicht schlecht geredet werden soll, schon wunderbar ist, aber eben nur ein Teil der großen Möglichkeiten und der Offenbarung, die dir die Anbetung der weiblichen Sexualität schenken kann, die in all ihrer Komplexität und Vielfalt viel mehr das ganze Wesen erfasst, als das bloße Vögeln, was viele schon für den Gipfel der Genüsse halten.

Vor allem die hohe Kunst der Liebe, die dem anderen selbstlos Glück schenken will, statt es auch für sich zu suchen, ist auch eine innere Offenbarung, die tiefer geht als der nur zum gemeinsamen Orgasmus strebende Sex. Ist nett, kommt bei Harmonie miteinander irgendwann von alleine, aber macht den Sex nicht besonders wertvoll sondern die Hingabe an den anderen, das Bedürfnis, ihn zu beglücken, die über sich und die eigenen Bedürfnisse hinauswächst, ist es, die nachhaltig und dauerhaft glücklich macht, länger strahlen lässt als eigene Befriedigung.

Es ist die hingebungsvolle Verwöhnung der Frau auch die beste Voraussetzung zum gemeinsamen Glück, weil sie eben erst den nervus pudendus so anschwellen lässt, dass dieser intravaginal oder anal stimuliert werden kann. Die schnelle Nummer entspricht schlichterer männlicher Sexualität, ist reizvoll, führt zu schneller meist einseitiger Befriedigung, aber ist nur ein Vorspiel des Wunders, was dann geweckt kann und das den Sex dauerhaft wertvoll macht.

Braucht guter Sex ein Vorspiel fragen manche, natürlich nicht, du kannst, wenn du heiß genug bist, auch einfach loslegen, zumal das schönste Vorspiel im Kopf beginnt, nur wird es eben meist nur zu einseitiger Befriedigung führen und nicht das Wunder weiblicher Sexualität mit seiner das ganze Wesen erfassenden Wirkung offenbaren und jene glückliche Dankbarkeit erzeugen können, die den Sex wertvoll erst macht. Was andere nur Vorspiel nennen, ist dann Teil des sexuellen Geschenks aneinander und fließt in den Akt an sich hinein, der keine so entscheidende Rolle mehr spielt, was für Männer im fortgeschrittenen Alter deren Standkraft auch gelegentlich dem Alkohol geschuldet, nicht immer so zuverlässig ist, wichtig sein kann.

Manche geben dann den Sex auf und sind frustriert mit ihrer auch prostatabedingten Schwäche, andere freuen sich mehr an neuen Wegen, die erst das große und bleibende Glück offenbaren, was vielleicht vielen Paaren im Alter ganz neue Hoffnung geben könnte. Wertvoller Sex ist derjenige, der von Liebe zum Sex getragen ist, also dem anderen selbstlos schenken will und wer daraus zum gemeinsamen Glück nebenbei findet, kann sich freuen, doch habe ich mit den Jahren gelernt, der höheren Potenz der Frauen mehr zu huldigen, die häufiger und intensiver mit dem ganzen Körper an verschiedensten Orten können, als wir Männer mit unserem relativ schlichten Zauberstab genannten Sexualorgan und das viel größere Glück ihrer Dankbarkeit mehr zu genießen als das kurzfristige der Befriedigung im anderen, auf das ich in jugendlicher Naivität früher guten Sex reduzierte und freue mich ganz nebenbei, dass die Forschung mein Gefühl nun wissenschaftlich bestätigt hat und es also Zeit für ein Umdenken in der Sexualität ist. Wertvoll war sie, wenn die Partnerin dankbar in meinen Armen nachbebt, alles andere ist ganz nett aber nicht das Wunder, das es zu entdecken gilt und dem zu huldigen, wohl der schönste Gottesdienst immer ist.

jens tuengerthal 23.7.20

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