Sonntag, 11. August 2024

Lektürentagebuch 11/8/24



Lektürentagebuch 11/8/24


Vom Verschwinden des Vaters erzählt

Bruno Schulz ganz sachlich jedoch mit

Der Pracht seiner feinen Bilder macht

Der Autor deutlich was Demenz heißt


Wie dieser immer weniger von dieser

Gegenwärtigen Welt war sondern sich

Immer mehr in Schränke Ecken oder

Gedanken auch tagelang zurückzog


In seinem Stil voller Phantasie macht

Der Autor deutlich was der vorige

Geistige Abschied für die Familie

Bedeutet die sein Fehlen schon


Nicht mehr überrascht warum es

Schon mit ihm der von seinen

Expeditionen in erdachte Welten

Die nur er noch sehen konnte


Gerne völlig verstaubt ankam war

Wie mit dem Dreck den das Mädchen

Am Morgen zusammenkehrte der

Dann in einer Tonne verschwand


Niemand würde es wohl wundern

Wenn dieser Vater der sich längst

Von seiner Umgebung löste dann

Ganz einfach im Nichts verschwand


Feiner und dabei zugleich komischer

Kann die Demenz wie ihre Folgen

Kaum beschrieben werden denke ich

Es löst sich von der Welt was einst war


Scholz schafft es dabei sowohl die Sicht

Des verschwindenden Kranken der sich

Längst in anderen Welten wähnt wie der

Familie auf diesen fühlbar darzustellen


Vom werdenden Wahnsinn der Demenz

Ging es zum realen Wahnsinn im Buch

Den Bruno Schulz mit wirklich magischer

Phantasie im Sanatorium zu Sanduhr


Mit Salti der verrücktesten Ideen noch

Übertrifft wie als Autor der sich als nur

Leser gibt entfaltet und fast wird dem

Gewöhnlichen Leser schwindlig dabei


Will nie beurteilen müssen wer schon

Irre ist noch wer am ehesten dazu neigt

Selbst vermutlich dem schon viel zu nah

Neutraler Beobachter dabei nur zu sein


Doch die Welten die Schulz aus diesem

Magischen Buch oder dem was noch

Von diesem übrig ist liest sind jenseits

Des mit Vernunft noch erfassbaren


Auch wenn der Band bis dahin eher

Zum Fischeinwickeln wie als Klopapier

Diente verführt er in ein anderes Klima in

Dem der Kompaß der Gefühle kopfstand


Womit das Buch von dem im Buch hier

Erzählt wurde was eine ganz seltsame

Betretenheit hinterließ gemischt aus

Hunger und Erregung der Seele endet


Ohne hier weiter auf die religiöse Seele

Die Sklavenhalterin beschränkter Gemüter

Müßigerweise eingehen zu wollen ist die

Prosa von Bruno Schulz ein Gedicht


Er hat dem Mut die Grenzen der Welten

Zwischen erdachter und erzählter Idee

Wie zur Realität ohnehin aufzulösen um

Sich ins Chaos der Ideen zu stürzen


Es kostet ein wenig Mut wie zugleich

Überwindung ihm dabei noch zu folgen

Doch gibt es wundersames zu entdecken

Warum der Sprung in sein Reich lohnt


Auch den proustschen Arabesken die

Aus Halbsätzen noch ganze Wunder an

Betrachtung der Welt schaffen zu folgen

Erfordert sicher einen gewissen Mut


Doch wie hoch belohnt der Autor in

La recherche diesen Mut mit seinen

Feinsten Beobachtungen die noch das

Innerste einer Gesellschaft spiegeln


Wie er den Sozialismus sogar eines

Baron de Saint Loup der eigentlich

Anarchist ist aber doch die geistige

Nähe von Sozialisten mag respektiert


Dieser lässt sich aus der Fülle des

Reichtums seiner von Geburt an

Respektablen Position herab um

Mit Sozialisten als Gleicher zu reden


Er verzichtet bescheiden um einer

Idee wegen auf seinen Adel vor den

Befürwortern der Diktatur der Proleten

Diese wollen dadurch mehr erreichen


Wo jener sich in Bescheidenheit übt

Sind diese von Herrschsucht befallen

Die sie mit Gerechtigkeit nur tarnt was

Saint Loups Sozialismus ehrenwert macht


Während diese Proletarier blieben die

Ohne Klasse um ihren Aufstieg buhlen

Was niemals Klasse hätte noch nach

Gerechtigkeit strebt nur Gier offenbart


Wie gut täte es wohl manchen Jüngern

Der Altstalinistin Wagenknecht hier

Proust zu lesen und zu verstehen um

Sich peinlich berührt zurückzuziehen


Wie fein beobachtet Proust dann den

Realen wie den nur befürchteten

Antisemitismus beim Zusammentreffen

Mit seinem alten Freund Bloch


Ohne zu ahnen wer es sagt hören der

Baron und der Ich-Erzähler besagten

Bloch aus einem Zelt sich lautstark

Gegen zu viele Juden in Balbec


Auf die sie an jeder Ecke nun stießen

Auslassen was den selbst aus einer

Jüdischen Familie stammenden Bloch

Der mit seinen Schwestern urlaubt


Vor dem Baron der es nicht beachtet

Blamierte wie aber der Ich-Erzähler

Der dessen Blamage voraussieht sich

An einen anderen solchen Fall erinnert


Dabei war es die beschämend falsche

Aussprache die ihn nur als des längst

Modischen englisch nicht mächtigen

Wie damit ungebildeten offenbarte


Was diese Blamage bedeutete die

Mit einem darauf käme es nicht an

Abgetan wird wie schnell sie in den

Unausweichlichen Selbstmorf führte


Proust dessen Vater ein Arzt aus

Einer katholischen Familie aus dem

Süden war konnte sein Leben als

Erbe dank seiner Mutter so führen


Diese kam aus einer sehr reichen

Elsässischen jüdischen Familie der

Wir damit die Ruhe zu dieser großen

Literatur am ehesten verdanken


Proust musste nichts verkaufen

Schrieb nur einige Artikel mal aber

Konzentrierte sich sein Leben lang

Auf die Suche nach der verlorenen Zeit


Dagegen war Thomas Mann eigentlich

Der Großbürger par excellence nur ein

Fleißiger Handwerker während Marcel

Proust die Dekadenz wirklich lebte


Hier wurde ein Leben zu einem Werk

Was eine Kulturgeschichte ist die

Spürt wer Spuren dieser Welt sah

Die in viel Lärm sich schnell verliert


Kein Autor muss gestorben sein um

Den Tod beschreiben zu können was

Meist schon technisch schwerfällt doch

Kaum einer lebte was er schrieb so sehr


Wie Proust es in seiner endlosen Suche

Nach den Wurzeln der Kindheit von den

Madeleines im Lindenblütentee bis zum

Gespür für jüdischen Antisemitismus


Dieser feine Blick von Innen auf die

Beschriebenen Welten die sich hinter

Den Dialogen in Untiefen offenbaren

Zeigt die bleibend große Klasse


Proust ließ sich herab uns seine den

Meisten verschlossene Welt zu zeigen

Tut dies mit Fingerspitzengefühl wie

Feinem moralischen Urteil auch


Er beschreibt damit eine Kultur wie

Eine Welt die nur wenige noch so

Als kultiviert bürgerlich erkennen

Ohne falsche Solidarität dabei


Die Bloßstellung des Sozialismus

Als peinlich gierig gegen andere

Denen ihr Erfolg geneidet wird außer

Sie wird von oben gern gegönnt


Kein Mensch von Kultur wünschte

Je eine Diktatur des Proletariats

Ein Aufbegehren von unten bleibt

Immer irgendwie peinlich noch


Der geistige Anarchismus des

Mannes von Familie mit Klasse

Mit Sozialisten brüderlich zu sein

Verdient nach Proust Bewunderung


Diese feine Unterscheidung von

Klasse und Stand wie auch die

Verlorene Würde in der Blamage

Die kein Antiseimitismus rettet


Sind nur kleine Absätze aus dem

Großen Werk die aber deutlich

Zeigen wie tief Proust dabei die

Gesellschaft durchdacht verstand


Ein großer Bürger der uns wie

Keiner den Wert dieser Welt zeigte

Deren Untergang oft besungen wurde

Welche die DDR erfolgreich negierte


Die Teilung wird erst überwunden sein

Kann Deutschland daraus lernen was

Im Osten seine Radikalen noch pflegt

Wenn ein Bürgertum wieder wächst


jens tuengerthal 11.8.24



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