Die traditionelle Familie hängt am Vater, trägt den väterlichen Namen mit mehr oder weniger Stolz und gibt dem pater familias den Vorsitz, bei wichtigen Entscheidungen sogar noch die letzte Stimme. Es geht meist um das väterliche Erbe, weil viele Grundstücke, welche die Basis des Eigentums waren, das sich als abgegrenzter und eingezäunter Grund und Boden definierte, in väterlicher Linie vererbt wurden, was aber nicht immer so war, auch nicht in allen Kulturen so ist, sondern eine typische Prägung der christlich-römischen Welt ist, die im Islam noch eine weitere ähnliche Variante nur fand und also bis heute große Teile der Welt betrifft.
Warum auch in dem Gebiet, in dem früher Germanen lebten, die eine stärker matriarchal geprägte Kultur hatten, in der zumindest die Häuser und das Schlüsselrecht mit ihnen an den Frauen hing, sich dieses Prinzip durchsetzen konnte und für traditionell statt für modisch und absurd auf relativer Grundlage gehalten wird, könnte eine interessante Frage für die Zukunft sein. Ist konservativ und beständig, was auf bloßem Glaube statt auf vernünftigen Beweisen beruht, weil der Vater eben, wie schon die Römer wussten, immer unsicher, die Mutter hingegen gewiss ist, fragt sich, wer sich die Entwicklung der Gesellschaft seit den Karolingern anschaut, in deren Folge die patrilineare Struktur und ihr Erbe sich ab etwa 1000 breit durchsetzte.
Schauen wir uns Biographien der Großen an, ist viel vom Vater, den Vorvätern, vielleicht noch wie im Falle Alexanders vom Lehrer die Rede aber selten oder nie von den Müttern, die, wie bei den Hengsten, in eine austragende Rolle von den Geschichtsschreibern gedrängt wurden und seltene Ausnahmen bestätigen diese Regel eher noch.
Trage auch den Namen meiner väterlichen Familie. Das Wappen dieser Familie, die drei weißen Wolken auf blauem Grund, sehe ich als das meine, obwohl ich längst weiß, die Eizelle meiner Mutter war ein vielfaches so groß wie das winzige Spermium meines Vaters und wenn überhaupt haben wir genetisch den halben Chromosomensatz weitergegeben bekommen, auch als männliches Produkt der Vereinigung, wenn wir den Vater mal glauben, habe ich nur ein unvollständiges Chromosom mehr geerbt und nichts sonst Ganzes, was diesen Vorrang biologisch begründete, der ein Erbe und eine Tradition an den Namen der väterlichen Familie knüpft.
Will ich meine Familie aufgeklärt betrachten, müsste ich mindestens beide Teile gleichwertig sehen und berücksichtige ich dann noch, wie viel mehr Zeit, ich mit meiner Mutter verbrachte, wie stark prägend sie in ganz vielem war, fragt sich, wie der Aberglaube an die patrilineare Dominanz sich je durchsetzen und halten konnte, bin ich doch viel mehr vermutlich ein Muttersohn, was aber schon als Wort den Charakter einer Herabsetzung in unserer Gesellschaft bekommen hat und welche Mutter möchte ihren Sohn schon zu einem Muttersöhnchen erziehen, der doch seinen Mann in der Wildnis des täglichen Lebens stehen soll.
Betrachte ich nun meine Familie, sehe ich, dass sich meine Schwestern im Bereich Karriere, beruflicher Etablierung, familiärer Bindung, teilweise auch Fortpflanzung, zumindest soweit ich weiß, viel erfolgreicher zeigten als der bloß dichtende älteste Sohn, der höchstens noch von posthumer Anerkennung träumen kann, sollte diese für ihn eine Rolle spielen, was sie nicht wirklich tut, womit der Beobachter Teil des Prozesses wird, was oft spannende Ergebnisse bringt, wenn es auch manches zu verfälschen droht aber wie wirklich ist die Wirklichkeit schon noch, was wissen wir überhaupt und wo fängt der gewöhnliche Glaube an, aus dem wir so gern Bedeutung rekurrieren?
So stellt sich, wie Christina von Braun es hervorragend und weitsichtig in ihrem Band Blutsbande beschreibt, die Frage, warum sich eine Gesellschaft auf ein solch unsicheres System wie die patrilineare Blutlinie einlässt und daran so gewichtige Dinge, wie die Übereignung von Grundstücken knüpft, die Kern des Eigentums und damit der Identität vieler Familien wurden.
Es steht dies sicher in der geistigen Tradition des Christentums, das die Mutter schon als bloße Empfängerin des göttlichen Samens und also Austragungsort der Götterspiele betrachtet. Zwar wird Maria als Heilige verehrt, zumindest von denen, die Heilige verehren, aber sie spielt keine weitere Rolle und ist eben Empfängerin des göttlichen Samens, den sie austragen darf, was für Josef, so er denn der Vater der verfrühten Schwangerschaft war, ein guter Grund war, alle Verantwortung von sich weisen zu können, was aus dem seltsamen Guru später wurde, er sich keiner vorehelichen Sünde schuldig fühlen musste.
Dennoch wurde die Verehrung des Sohnes, in dem die Christen ihren Gott zu sehen glauben, mit dem er, seit dem dies regelnden Konzil, auch ganz eins ist, als Wahrheit verkündet und wo die geistige Wahrheit, auch des Blutes im Abendmahl, so großes Gewicht hat, zählt der Glaube an die väterliche Blutlinie für das Erbe und die Tradition mehr als alle beweisbare Natur, die zeigt, aus welchem Schoß das Kindlein kroch, wie viel größer und stärker der Einfluss der Mütter ist, als der meisten Väter je, die sich in überkommene Rollen fügen, aber danach zugleich den Namen und das Erbe bestimmten, die Herrschaft ausübten, Frauen lange wie Besitz fast behandelten und nicht als Partnerinnen, mit denen gemeinsam erst sie eine familiäre Tradition begründen konnten, woran ich, trotz vieler Versuche im praktischen, stärker gescheitert bin als etwa meine Schwestern.
Ob dieses Gefühl zwischen Versagen und Nonchalance in familiären Angelegenheiten, durch meine traditionelle Rolle geprägt ist, also typisch patrilinear ist, wäre die die eine Frage, die andere, wie ich gleichzeitig, stolz meine wohlgeratene, kluge wie schöne, einzige mir bekannte Tochter betrachte und auch mir zurechne, wofür zumindest nominell der Anschein spricht und sonst vielleicht das eine oder andere, von dem wir selten wissen, was wirklich Prägung und was genetischer Zufall ist, der die Neukombination eben jedesmal auch Neu zum eben unbeschriebenen Blatt macht, das sich vom Leben formen lässt.
Stecke also auch in dem, was ich an Familie hinterlasse, bisher tief in alten Traditionen und sollte mich fragen, wie frei ich dabei denke, ob mir die Rolle der mütterlichen Linie wirklich bewusst ist, wie ich zunächst auf die Idee kommen konnte, einen Familienroman nur mit Betrachtung der väterlichen Linie zu schreiben, ohne zu bemerken, wie wichtig Frauen in meinem Leben immer waren und sind, im Guten wie im Schlechten, sie es mehr ausmachten, als alle Tradition der Familie sonst und wie tief der Traum in mir verwurzelt noch ist, den Namen der Familie weiterzugeben, was ich ja praktisch schon tat, aber doch gerne auch in aller Form der Ehe getan hätte, weil ich es so gewohnt bin, auch wenn die Tradition und der größere Teil dabei von den Müttern stammt, warum ich so selten ernsthaft überlegte, deren Namen anzunehmen, wenn ich mich schon verlobte, was ich ja schon mehrfach erfolglos mit dem Ziel der Ehe tat.
Bin Vater, vermute es zumindest so, auch die Mutter der Tochter hat nie etwas anderes behauptet, aber bin mir doch bewusst, wie sehr dies immer auch ein Glaube ist und wie wenig ich wirklich weiß, worauf es ankommt außer den Traditionen, in denen ich aufwuchs und die ich wiederkäute, ohne sie wirklich zu hinterfragen. Vielleicht muss auch nicht alles hinterfragt werden, wenn es sich bewährt hat und gut so ist, doch die dominant christliche Tradition und ihre patrilineare Struktur ist ein Aberglaube, den ich gerne noch hinterfragen möchte, der ich Frauen liebe und verehre und gespannt bin, wohin mich diese Fragestellung langfristig schreibend führt.
Zumindest ist das Bewusstsein der Situation schon eine Erweiterung des Horizonts, die Dinge neu betrachten lässt und ich bin gespannt, wohin es noch führt.
jens tuengerthal 1.7.20
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen