Mittwoch, 8. Juli 2020

Männersterben

“Viele Thiere werden ganz aussterben; so auch das Geschlecht der Männer,”
Friedrich Schlegel

Sterben die Männer aus oder nur eine Sorte von ihnen?
 
Der Eduard der Wahlverwandtschaften stirbt über den Tod seiner Liebe, ein für Männer weniger ungewöhnlicher Tod als für Frauen, wie uns die Statistiken bis heute bestätigen, in denen die Zahl der männlichen Suizide weit über denen der Frauen liegt, was nicht mehr nur eine Frage der Ehre ist. Nicht die wenigsten seit der Romantik auch aus verzweifelter Liebe. Während Frauen immer besser auch mit der Situation als Alleinerziehende klarkommen, denn der größere Teil unter diesen sind immer noch Mütter, fallen Männer häufiger in ein Loch, aus dem manche nie wieder herausfinden, gefangen zwischen gesellschaftlichen Erwartungen, Selbstzweifeln und zu großen Gefühlen.

In einer Zeit zwischen den Zeiten, in der auf der einen Seite das Ideal des rücksichtslosen Chauvis durch politische Führer wie Trump, Putin, Bolsonaro oder Erdogan, die dem Populismus huldigen, wieder Konjunktur hat, finden viele Männer schwer ihre Position. Einerseits werden solche alten vorgestrigen Typen von den meisten vernünftigen Frauen verachtet. Andererseits ist das Eingeständnis von Schwäche nicht unbedingt dem Erfolg förderlich, finden die schlichten Sprüche wieder so großen Zulauf, als hätte es weder eine Aufklärung noch die Befreiung nach 1968 wie die Hippies danach gegeben, suchen Menschen in Krisenzeiten gerne starke Führer.

Kein Schwächling sein und dennoch nicht auf die schlichten Sprüche der Populisten hereinfallen, seine Männlichkeit auch bei Hausarbeit nicht zu verlieren, ein nachdenklicher Kümmerer sein, aber seine Liebste mit einem Zigarre rauchenden Chauvi abziehen sehen, macht den Drahtseilakt der neuen Männlichkeit nicht immer einfach, lässt manchen verzweifeln.

Als auch jahrelang Hausmann, weil die Mutter der Tochter einfach mehr verdiente, beruflich erfolgreicher war, kenne ich die schrägen Blicke mancher Frauen, wenn du sagst, du machst den Haushalt, kümmerst dich ums Kind und versuchst nebenbei noch deinen Roman zu schreiben, womit meist nichts vollständig erledigt oder zumindest zur eigenen Zufriedenheit geschafft wurde.

Männlichkeit wird heute sehr stark durch beruflichen, also pekuniären Erfolg definiert, der sich dann zu gerne in entsprechenden, die Schwanzlänge demonstrierenden Karossen demonstriert. Natürlich lacht jede vernünftige Frau über solche Typen nur, sagt dir die aufgeklärte Vernunft, wenn du dann aber mühsam mit Kind und Fahrrad beim Eisholen balancierst und die Schönen in den Porschen steigen, kann, das, so schlicht und unsinnig es natürlich ist, schon am Ego des Hausmanns kratzen und es braucht lange Übung, sich vom Wahn des Konsums innerlich so zu befreien, dass du weißt, wer sich für diese Typen interessiert, ist ohnehin uninteressant, wäre nicht einmal eines Blickes wert, wobei es natürlich auch die sympathischen Porschefahrer gibt, um hier nicht eine neue Kiste Vorurteile zu öffnen.

Aber Potenz hängt eben gesellschaftlich auch am Einkommen und am Erfolg für viele, während der Verzicht darauf eher als Impotenz und Unfähigkeit gesehen wird, denn als klare Konsequenz aus einem ungesunden System und wer wollte nicht erfolgreich und stolz sein, mit dem glänzen können, was alle haben?

Während sich reiche Russen mit Symbolen ihrer Potenz wie jungen Damen gerne umgeben, alles am Geldwert und Gewinn gemessen wird, kann sich ein schlichter Feingeist und Literat, der nichts als dichten und Geschichten erzählen kann, schon manchmal sehr klein fühlen und muss dann die Isolation oder anderweitige Kompensation suchen, nicht unterzugehen und übersehen zu werden, dahingestellt ob es in solchen Zeiten ein Verlust wäre.

Einerseits beteuern die meisten Frauen, sich genau so einen zärtlichen und einfühlsamen Mann zu wünschen und diese Chauvis mit ihren Statussymbolen nicht ausstehen zu können, fluchen, wenn sie wieder auf einen hereinfielen mit dem erwartungsgemäßen Ergebnis, andererseits suchen sie sich auch immer wieder genau diese Typen aus, funktioniert das Laute besser als die feinen, leiseren Töne. Dann wird dir zwar versichert, diese Typen seien alle grauenhaft im Bett, Schnellspritzer, die sich nur um sich kümmern, kein Gefühl für weibliche Bedürfnisse und doch frage ich mich dabei immer wieder, warum dann so viele Frauen ihre Erfahrungen mit genau diesen Typen sammeln wollen, auf was sie dabei hoffen.

Glaube nicht, eine Antwort auf diese komplexe Frage zur weiblichen Psyche mit meinem schlichten männlichen Verstand finden zu können, gebe die Suche danach lieber vorab auf und fragte lieber entsprechend, ohne durch die Antworten klüger geworden zu sein. Häufigste Antwort war, das fragten sie sich auch, danach kam die Hoffnung auf den guten Kern, der sich doch nur hinter diesen Symbolen tarne, ihnen das übrigens völlig egal wäre, sie nicht beeindrucken würde, es nicht auf die in PS dargestellte Schwanzlänge ankäme sondern allein auf Gefühl und Verlässlichkeit.

Ob der letztere Punkt vielleicht der entscheidende ist, weil allein der Unterhalt eines PS starken dicken Wagens schon ein stets gut gefülltes Portemonnaie braucht, also so einer in der Tradition der Sammler und Jäger zumindest Aussicht auf Mahlzeiten, Unterhalt und gelegentliche Geschenke bietet, konnte ich nicht letztlich verifizieren. Zwar streiten nahezu alle Frauen ab, dass ihnen das bei der Partnersuche wichtig wäre, aber völlig wirkungslos scheint es in der Praxis doch nicht zu sein, dahingestellt, ob es einen der Beteiligten glücklich macht, du je kaufen kannst, was angeblich alle suchen, nämlich Vertrauen und Liebe.

Habe seit vielen Jahren keine Schwanzverlängerung in Blechform mehr und muss mich darum voll auf meine Natur verlassen, die auch manches unter dem schwankend seltsamen Männerbild gelitten hat, auch wenn ich nicht undankbar erscheinen möchte. Die größten Gegnerinnen der Chauvis der Rede nach, sind nicht unbedingt die ersten, die weglaufen, wenn ein solcher sie einlädt. Darüber fluchen manche Männer, die das Lästern über die Porsche Fahrer kennen aber seltener jemand auf ihrem Gepäckträger mit nach Hause bringen. Kann mich in dieser Hinsicht nicht beklagen über die letzten zehn Jahre, vielleicht war der Konsum an geschlechtlichen Kontakten sogar nicht unterdurchschnittlich, dennoch kenne ich das Nagen des Egos, was sich bei vielen der so entmannten Typen dann in um so aggresiveren Reden gegen die Autolobby und die Schlichtheit der Frauen äußert, die allerdings, so weit ich es beobachten konnte, selten sehr zielführend hinsichtlich ihrer Sehnsucht war.

Jede Zeit hat ihre Statussymbole und wenn Fürst Pückler-Muskau im 19. Jahrhundert mit weißen Hirschen Unter den Linden spazieren fuhr, ist das vergleichbar denen, die im offenen Tesla mit Sonderlackierung beim hiesigen Eissalon in Prenzlauer Berg vorfahren - darüber können wir lächeln und uns sagen - wenn sie es tun und nötig haben, scheinen ihre Zweifel an der eigenen Männlichkeit noch viel größer zu sein als die eigenen, dass sie so etwas nötig haben - was aber nur solange hilft, wie die Ironie größer als der Zweifel ist. 

Konsumgüter die Neid wecken, Männlichkeit demonstrieren sind vermutlich so alt wie die Menschheitsgeschichte und reichen vom Hinkelstein über die Pyramide bis zum idealen Faustkeil. Vermutlich schlagen sich Männer auch seit ebensoviel Generationen mit diesem Problem und den entsprechenden Zweifeln an ihrer Männlichkeit herum, die zu widerlegen, je nach persönlicher Situation unterschiedlich schwer fällt. Sich ganz auf sich zu besinnen und damit zufrieden zu sein, kann vermutlich helfen, mit sich glücklich zu werden, ist aber bei der Partnersuche nicht unbedingt das Erfolgsmittel Nr. 1.

Schlegel mutmaßte über das Aussterben der Männer zur Zeit der Romantik vor ungefähr 200 Jahren. Eingetreten ist es immer noch nicht. Stattdessen wählt eine Minderheit der Amerikaner einen Bilderbuch-Chauvi mit einer zu jungen operierten Frau ohne jede politische Erfahrung oder Ahnung ins Amt, der enormen Schaden für das Land und die Welt verursacht hat, so ungebildet wie einfältig ist, aber gerne mit seiner Potenz protzt. Ob dieses völlig überholte Männerbild, das uns nachdenkliche gefühlvolle Männer vor immer wieder unangenehme Situationen stellt, nun aussterben wird, wie es Christina von Braun in ihren Blutsbanden für wahrscheinlich hält, scheint mir bis heute eine schnöde Hoffnung, zumal es genug Frauen gibt, die solche Typen toll finden oder sich von ihrer Männlichkeit anziehen lassen, ohne darum gleich blöd zu sein.

Während für eine intelligente, emanzipierte Frau solche Typen nur ein Brechmittel sein sollten, ist der Erfolg dieser Populisten - ob in Russland, Brasilien, auf den Philippinen oder in den USA noch immer groß und Erfolg macht bekanntlich anziehender als die ewigen Selbstzweifel, die jeden nachdenklichen Intellektuellen zumindest von Zeit zu Zeit beschleichen müssen und sei es nur die Verzweiflung darüber, dass solche Typen Erfolg haben.

Frauen bekunden gerne auch öffentlich ihre Verachtung für solche Typen und lästern über die Lächerlichkeit der Schwanzverlängerungen, bis sie die Wahl haben, ob sie sich auf den Gepäckträger oder in die gepolsterten Ledersessel setzen, was ja natürlich und verständlich ist, würde es auch nicht immer anders machen. Hatte auch schon mehr als eine hochmotorisierte Liebhaberin und würde lügen, behauptete ich, dieser Sex-Appeal ließe mich völlig kalt.

Vielleicht liegt ein Schlüssel aus diesem Dilemma beschnittener Männlichkeit darin, dass sich Dichter und Intellektuelle künftig am besten zu den Damen mit Cabrio, Geländewagen oder Porsche setzen, um so herauszufinden, auf was es den selbständigen und erfolgreichen Frauen wirklich ankommt. Ob damit ein bestimmter Typ von Mann ausstirbt, die Tage der Casanovas gezählt sind oder ein echter Casanova ohnehin immer nur mit seiner Liebe zu den Frauen und nicht mit seinem Vermögen überzeugen konnte, könnte eine spannende Frage der Zukunft werden und vielleicht sollten sich Männer weniger Sorgen, um ihr Aussterben oder das eines Teils ihrer Gattung machen, als darum, wie sie erfolgreicheren Frauen gefallen könnten und auf was es dafür ankommt. Vermute Christina von Braun hoffte heimlich auf das baldige Ende der Trump-Typen, aber was weiß ich schon, was Frauen wirklich wollen.

Zumindest wäre es spannend, das Spiel zu verändern, den Damen mit dicken Autos die Wahl zwischen den besseren Liebhabern zu lassen - aber vielleicht ist das auch nur eine typisch chauvinistische Betrachtung des ewigen Spiels, an dem sich nie etwas geändert hat als Mittel und Technik der Triumphe, die eigenen Erfolg darstellen sollen - dabei wollen wir doch eigentlich alle nur geliebt werden, was weder käuflich erworben noch durch hohe PS-Zahlen erreichbar ist, manchmal vergessen wir es nur im Eifer des Gefechts. Ob meine Entscheidung, ohne Auto zu leben, klug und erfolgreich war, mögen die Nachfolger entscheiden, zumindest ist sie relativ unschädlicher und weniger anstrengend als dieses Quartettspiel um sexuelle Gunst - sicher kann ich mir natürlich nicht sein und über Zahlen wird zu meinen Lebzeiten nicht mehr gesprochen. 

Manche behaupten sogar, es käme weder auf Länge noch Größe ab, sondern allein auf den emotionalen Inhalt, was mir weder noch nun Sorge machte und doch wird zweifellos wohl nur immer sein können, wer zu schlicht ist, mehr als sich zu sehen, was mich nicht erfolgreicher macht aber im Zweifelsfall zufriedener - die Richtige wird merken, worauf es wirklich ankommt und was übrig bleibt, war es vielleicht wert, was nichts an den Zweifeln an der Männlichkeit ändert aber den dafür mehr vorm Spiegel zweifelnden Damen die Wahl überlässt - vermutlich bildeten sich auch nur ahnungslose Männer ein, es sei je anders gewesen, warum wir tun oder lassen können, was wir wollen, da wir die Grundlagen weiblicher Entscheidung in all ihrer Komplexität nie begreifen können, ist es wohl das beste, sie so zu genießen, wie sie fallen.

jens tuengerthal 8.7.20

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