Mittwoch, 15. Juli 2020

Blutboden

Was entscheidet wer Bürger eines Staates ist?

Hier fallen schnell die Stichworte Blut als Verwandtschaft oder Boden für den Ort der Geburt. Die Frage von Blut oder Boden sind im Staatsrecht unterschiedlich geregelt je nach Tradition und Selbstverständnis eines Staates. Es wird dies, wie vieles im Recht, lateinisch benannt als ius solis oder terrae, für ein Recht, bei dem es für die Staatsbürgerschaft darauf ankommt, wo einer geboren wurde, nicht welches Blut in seinen Adern fließt. Dies ist dagegen für das ius sanguinis entscheidend, welches darauf setzt, von vem jemand abstammt, um zu entscheiden, wessen Staates Bürger er ist. Wer Kind eines Staatsbürgers ist, wird grundsätzlich Bürger dieses Staates. Anderes gilt unterschiedlich.

Die USA haben lange dem Ort den Vorzug vor dem Blut gegeben, auch heute noch, soweit diejenigen nicht Kinder illegaler Einwanderer sind, gegen die Trump seine große Mauer baute, um Sicherheit zu suggerieren, die wenn von Innen kommen muss und in einem bis an die Zähne bewaffneten Staat relativ unwahrscheinlich ist. 

Deutschland hat lange wie einige Staaten Europas nur auf das Blut, also die Verwandtschaft gesetzt, warum ehemalige Wolgadeutsche auch mit russischem Pass jederzeit zurück in die Blutheimat durften, während Einbürgerung lange schwierig war, mancher über dunkelhäutige Nationalspieler die Nase rümpfte, die beliebteste Frage auch eigentlich eher nicht rassistisch gesinnter Deutscher war darum, woher jemand stamme, der eben nicht typisch deutsch aussah, was bei unserem Nachbarn Frankreich, der ein relatives Bodenrecht hatte, keine Frage war.

Ob darum die Integration der Zuwanderer in Frankreich besser klappte als in Deutschland, könnte wohl gestritten werden. Manche sahen die Zustände als je schlimm an und wurden zu Wählern von Rechten, die von großer Nation oder Blutreinheit schwärmten, ohne etwas verbessern zu können an Intergration und Miteinander, im Gegenteil. Andere beschimpften diese als Rassisten, was nur teilweise falsch war. Die Situation und der politische Umgang damit glich sich in Frankreich und Deutschland. Dabei war Frankreich ohne das schlechte Gewissen der Shoah leichter radikal, das Fehlen dieser Verantwortung bei vielen Bürgern im Osten Deutschlands spiegelte sich auch in Wahlen, in denen sich immer mehr demokratieferneren Parteien am politischen Rand zuwandten und damit das Problem noch verschärften,

Die USA unter Trump, der den latenten Rassismus dort für sich nutzt, sind ein zutiefst gespaltenes Land, in dem sich beide Seiten peinlich eher sind. Religiöse Fanatiker und Egoisten stehen liberal gesinnten gegenüber, die eine Diktatur der Trumps fürchten, gegen die sich wiederum diejenigen wenden, die genug von der Diktatur der politischen Korrektheit haben. Trump zwar nicht für klug halten, wer könnte das inhaltlich schon, aber für weniger korrupt als das demokratische Establishment und beide sind unversöhnlich davon überzeugt, dass die die andere Seite nur in eine peinliche Katastrophe führen kann, weil sie die Zeichen der Zeit nicht erkennt, die sie wiederum genau kennen würden. 

Als liberaler Europäer halte ich das Trump-Lager auch für eher absurd aber zum Glück lebe ich in Europa und nicht in den USA und muss dort nichts entscheiden oder beurteilen, würde mich nur über diese anmaßende regierende Dummheit vermutlich aufregen, habe nicht mal vor in diese Verrückten Staaten zu reisen, wenn ich es nicht muss und solange es nur so ökologisch fragwürdig möglich ist.

Grundsätzlich gilt das Blutrecht für alle. Danach ist, wer nachweislich Kind mindestens eines Staatsbürgers ist, auch Staatsbürger des entsprechenden Staates mit allen Vor-und Nachteilen, die so etwas bringen kann. Daneben kann sich auch der Ort der Geburt oder die Zeit, in der einer in einem Staat wohnhaft war, auf das Recht der Einbürgerung auswirken.

Ob die eine oder andere Betrachtung zu mehr oder weniger Rassismus führt, lässt sich nicht sagen. Die USA zeigen, auch ein liberales Bodenrecht hindert die Menschen nicht daran, zu meinen, dass bestimmte Menschen nicht zu ihnen gehören und rassistisch ausgegrenzt werden müssen. Besonders abstrus ist dies, da diese Rassisten selbst als Einwanderer in ihr Land kamen, was sie nun, die nie Eingeborene dort waren, mit Gewalt gegen alles Fremde verteidigen wollen, nachdem sie zuvor die Ureinwohner diskriminierten.  In Deutschland dagegen konnte in der ersten Republik nach dem ersten Weltkrieg, der sogenannten Weimarer Republik, die ihr Ausweichquartier zeitweise dort suchte, um vor den Kämpfen in Berlin zu fliehen, Rassisten die Macht erobern, die über abstruse Theorien der Abstammung Menschen aus der Gemeinschaft ausschließen und vernichten wollten. Darunter fielen Juden, Behinderte, Angehörige Ziganer Stämme, Homosexuelle und alle, die vom deutschen Durchschnitt abwichen. Diese staatliche Ausgrenzung wurde nach den Nürnberger Gesetzen mit einem abstrusen naturwissenschaftlich verbrämten Rassismus legitimiert und geordnet - was daraufhin mit perfider Perfektion zurverlässiger deutscher Beamter geschah, war nur noch die Konsequenz dessen, in der Ideologie von Anfang an angelegt, warum es überrascht, das viele so lange brauchten, dies zu erkennen.

Allerdings war die Zeit, in der die NSDAP erfolgreich im Land wurde auch die nach der großen Depression an der Börse, einer wirtschaftlichen Krise, die radikale Kräfte am Rand, die einfache Lösungen anboten stärkten. Überall wo die demokratische Mitte an Boden verliert und die Ränder zunehmen, ist die Demokratie in Gefahr, wie sehr hängt an vielen Faktoren. Weimar scheiterte am falschen Vertrauen gegenüber einer Organisation, die den totalitären Staat unter ihrem Führer schaffen wollte und mit der keiner zusammenarbeiten sollte. Vielleicht gibt es darum, zumindest im Westen eine besondere Aufmerksamkeit für totalitäre Strukturen und ihre Gefahren, vielleicht braucht es im Osten einfach noch eine gewisse Zeit, bis die mittige Stabilität Verankerung findet, derzeit wäre Weimar in Thüringen eher am Rand der Extreme als ein ruhiger Ort der Mitte aber es bleibt zu hoffen, dass die Zeit es richten kann und das Zentrum der deutschen Klassik auch politisch wieder in der Mitte ankommt, in der es geografisch liegt und die Angst vor Fremden sich auch in Neufünfland mit der Zeit legt.

Das Verwandtschaft, also Blut, die Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft begründet, ist unstrittig. Das gilt für alle Staaten. Kinder der Staatsangehörigen sind Staatsangehörige und das ist auch der natürliche Weg des Fortbestandes einer Gemeinschaft. Andere Staaten waren auf Einwanderung angewiesen oder wurden durch diese groß. Sie halten dies Prinzip hoch, das mehrheitlich auf dem amerikanischen Kontinent und im angelsächsischen Raum gilt. In Zeiten der Völkerwanderung siedelten sich Stämme verschiedenster Völker in ganz Europa an. Von den slawischen Gothen bis später zu den Normannen in Frankreich und so bildeten sich bestimmte Gemeinschaften und ihre Eigenarten.

Der Gedanke einer Blutreinheit oder eines ursprünglichen Volkes ist so lächerlich wie die Gentests, die dir bestimmte Anteile deiner Vorfahren nachweisen wollen und damit die rassistische Form des Denkens als Geschäft in die Neuzeit überträgt. Eine Freundin von mir bekam einen solchen Test von ihrer Mutter geschenkt und ich sagte ihr, dass ich das seltsam und zutiefst rassistisch finde, sie verstand es nicht und nannte lieber mich, da Deutscher, einen Rassisten, was sie der Geburt und dem Pass nach auch war, aber verbergen konnte, wenn es dazu diente mich als typischen Deutschen zu stigmatisieren. Da in diesem Fall der übliche Rassismusvorwurf nicht gepasst hätte, hörte ihn vorher schon oft genug, kam nun die deutsche Antirassistische-Hysterie als Typisierung.

Es gibt für mich keinen Unterschied zwischen afrikanischem und schwedischen Blut. Wenn Menschen aus bestimmten Regionen gehäuft ein spezielles Verhalten zeigen, liegt dies eher an den Lebensbedingungen als an ihrem Blut, also den sozialen Verhältnissen und Sitten, die sie prägten. Nachweise dazu sind mit größter Vorsicht zu genießen und nur eine moderne Form des Rassismus, der im schicken Gewand des Gentests zu den Wurzeln daherkommt, in Wirklichkeit aber Menschen regional nach ihren Genen zuordnen will, was meist nur Produkt der Phantasie ist, da wir um viele Einflüsse immer noch nichts wissen. Solche pseudo-historischen Gentests sollten nicht erlaubt werden. Sie fördern rassistisches Denken und Engstirnigkeit mit biologischer Ausrede.

Staatsangehöriger sollte sein, wer es sein möchte und dafür nötige grundlegende Bedingungen erfüllt. Zu den Bedingungen gehören die Kenntnis der Sprache wie der Kultur, um Teil der Kultur auch zu werden und sich am Gemeinwesen aktiv auch als Wähler beteiligen zu können. So ähnlich ist es in Deutschland inzwischen geregelt, was vernünftig ist und den Staat weitergebracht hat als die zu lange Stagnation im Festhalten am Blut, das sich nicht genug mehr vermehrte und wandelte.

Zur Wahrung der Harmonie in einer Gemeinschaft und zur Verhinderung von Parallelgesellschaften, die den sozialen Frieden stören können, ist es aber auch wichtig eine konstruktive Integration auf Basis der in einer Region gewachsenen Werte zu suchen. Wo es ein zu viel in die eine oder andere Richtung gibt, werden schnell die extremistischen  Ränder gestärkt, die eher zur Destabilisierung neigen und damit nicht im Interesse der Mehrheit sein können. Es können auch verschiedene Kulturen auf ihre Art in großen Städten nebeneinander leben. In ländlichen Regionen fällt das manchen schon schwerer. Doch was in Berlin funktioniert, muss in Erfurt oder Dresden darum noch lange nicht so funktionieren und was in Kreuzberg geht, könnte in Lichtenberg oder Pankow auf Ablehnung stoßen und das nicht des Blutes wegen, sondern aufgrund kultureller Gewohnheiten, die sich erst sehr langsam verändern.

Wäre es erstrebenswert, dass jeder, der hier geboren ist, den deutschen Pass automatisch bekommt oder sollten wir klar auswählen, wem wir eine Staatsbürgerschaft geben und wen wir als Mitglied unserer Gemeinschaft wollen?

Gibt es einen Anspruch auf Staatsangehörigkeit oder muss diese sich verdient werden?

Der Staat sollte auch ablehnen können, wen er nicht aufnehmen möchte, weil sie der Stabilität schaden und nur für Unruhe sorgen. Doch muss neben solchen Fällen auch eine sichere Aussicht bestehen, die nicht an der Willkür einer Behörde hängen darf. Wer im Land lebt, die Sprache spricht und sich um Integration bemüht, sollte eine sichere Aussicht haben, wie es ja in Deutschland relativ vernünftig und ohne größere Hysterie geregelt ist.

Ob und warum Menschen mehrere Staatsbürgerschaften haben sollen oder dürfen, ist eine andere Frage. Zumindest insoweit ihnen Nachteile daraus erwachsen, wenn sie es nicht haben, sollten ihnen keine unnötigen Steine in den Weg gelegt werden. Ansonsten wäre die Entscheidung für eine Gemeinschaft wünschenswert, um dort auch anzukommen. Nicht weil Multikulti schlecht wäre, jeder mag nach seiner Fasson selig werden, sondern um für Klarheit und Entscheidung zu sorgen, statt ständig zwischen den Welten zu leben, was viele Menschen immer unruhig macht, keinem Vorteile bringt.

Ist ein globales Nomadentum erstrebenswert, mit dem sich manche Vielreisende Umweltsäue heute schmücken?

Die Fragestellung gibt schon die Antwort. Auf keinen Fall. Diese Menschen sind eher ein Problem auch weil sie Keime und Krankheiten für Pflanzen aus den verschiedensten Regionen einschleppen, was mehr als fragwürdig ist. Offenheit gegenüber anderen Kulturen ist wunderbar und zeigt einen toleranten Geist, doch muss dazu nicht jeder überall gewesen sein. Dies Denken ist so vorgestrig und nicht mehr der Zeit entsprechend, obwohl bei zu vielen noch weit verbreitet, wie kaum etwas anderes. Corona hat uns rasend vorgeführt welch gefährliche Folgen die Globalisierung auch haben kann, insofern sie Krankheiten weiter trägt, Ökosysteme durch Einschleppung unbekannter Schädlinge nachhaltig schädigt und dazu noch das Klima mit dem Reisen zerstört. Dagegen etwas zu unternehmen wäre dringend geboten. Globaler Tourismus ist nur Ausdruck von geringer Verantwortung, aber führte ab vom Thema Blut oder Boden, um das es hier geht.

Grundsätzlich gehört zu einer Gemeinschaft, wer in sie hineingeboren ist und in ihr aufwächst. Wer Mitglied werden möchte, sollte die Chance haben, es könnte die Gemeinschaft bereichern und ihr gut tun. Wer in einem anderen Land geboren wurde aber Eltern hat, die Staatsangehörige sind, sollte das gleiche Recht haben. Wer egal wo geboren, eine neue Heimat hier findet und dazu Staatsbürger werden möchte, sollte es dürfen unter den dafür nötigen Bedingungen, die den Umständen angepasst werden können. Insofern sich das Blut eines Deutschen nicht von dem eines Afrikaners oder Russen unterscheidet, sollten für alle die gleichen Chancen gelten vom Blut her gesehen. Verwandtschaft zählt natürlich über allem, wer sich nun warum auch immer mit wem auch immer paart, das hat der Staat nicht zu beurteilen.

Dabei zurüchallend aber doch klar auf Integration und gemeinsame Werte zu achten, ist wichtig, um die Gemeinschaft und den sie tragenden Konsens stabil zu halten. Alles Selbstverständlichkeiten eigentlich, die über die Blut-Boden-Diskussion lange in Vergessenheit gerieten. Wir können nur soweit integrieren, wie es die Stabilität der Gemeinschaft nicht gefährdet. Ob darum in Neufünfland gerade dringend mehr Ausländer integriert werden sollten, um schneller Normalität zu erlangen oder damit langsamer vorgegangen werden muss, um eine Gewöhnung zu erreichen, wird zu den Punkten der Diskussion gehören, die dazu künftig zu führen sind.

Denke es gibt nicht mehr die eine oder andere richtige Richtung bei der Staatsbürgerschaft und diese Blut oder Boden Unterscheidung sollte langsam hinfällig werden für ein flexibles Modell, das sich den jeweiligen Umständen anpassen kann. Mal dringend mehr Zuwanderung, dann eine Beschränkung weil die sozialen Systeme und die Gemeinschaft es nicht tragen können und irgendwo dazwischen findet sich ein Weg des besten Kompromisses für die Zukunft. Es gibt auch dabei keine absoluten Wahrheiten aber mehr Offenheit für tragfähige Kompromisse, könnte manche Hysterie an den hysterischen Rändern besser integrieren.

Weder können wir es völlig freigeben, jeden aufnehmen, noch hat ein reines Abstammungsrecht eine langfristige Zukunft. Der Kompromiss liegt wie immer dazwischen und damit zu leben gewährt die größte Chance auf langfristige Stabilität, bei der uns der Staat so wenig wie möglich stört und nur so funktioniert, wie er eben soll. Was mehr könnte auch erreicht werden?

jens tuengerthal 15.7.20

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