Wie schön kann der Kapitalismus sein?
Hat er eine Ästhetik oder ist er nur Natur?
Ist er am Ende weder schön noch Natur sondern Ideologie?
Was schöner ist, ist am Markt erfolgreicher, zumindest meist, sofern nicht andere Einflüsse hier eine entscheidende Rolle spielen, die aber für die Frage der Ästhetik des Kapitalismus keine Rolle spielen. Ein wunderbares Beispiel ist die real hohe Beliebtheit amerikanischer Jeans auf den Märkten der DDR, die ihrer sozialen Verpönung entgegenstand. Ähnliches ist heute teilweise in gewissen Milieus bei politisch korrekt gefertigter oder zumindesst so verkaufter Kleidung zu sehen oder beim Tragen von Pelz, den zu verpönen gerade unter Modells relativ chic ist, sofern sie nicht aus Russland kommen. Dabei spielen viele Faktoren, die außerhalb der Marktes liegen, oder diesem sogar entgegengesetzt sind eine entscheidende Rolle.
Der Kapitalismus bedient die Märkte, die er findet, wer dort brilliert ist erfolgreich, wer nicht, auf welche Art auch immer und sei es Reduktion, wird untergehen. Was keinen Markt hat, wird nicht gebraucht, könnte vermutet werden, sich aber auch als eine gefährliche Illusion erweisen, in der nur die Stärkeren siegen und die Schwachen untergehen. Adam Smith ging davon aus, dass sich Angebot und Nachfrage frei treffen sollen auf dem idealen Markt und so jeder nach seiner Fasson selig wird, einen Abnehmer für seine Produkte findet.
Die Praxis des real existierenden Kapitalismus spricht eine andere Sprache. In ihr entfalten sich Mächte und Monopole, die um ihrer Erhaltung wegen, des auch grundlegenden Prinzips der Gier entsprechend, alles tun, sich weiter zu bereichern und ihre Macht zu erhalten. Darum ist die Freiheit im Kapitalismus stets bedroht durch die ihm immanenten Eigenschaften wie Gier und Gewinnoptimierung, die dazu verführen, die eigene Macht auszubauen auf Kosten der anderen.
Fraglich, ob dies eine notwendig staatlich zu beschränkende negative Eigenschaft des Kapitalismus ist, oder es sich um den Ausfluss der teilweise beschränkenden Wirkung staatlicher Intervention handelt, es also nicht mehr Regulierung des Kapitalismus sondern mehr Freiheit und welches politische Modell für eine Gesellschaft und ihre Ordnung dafür zur Verfügung stünde.
Der Anarchokapitalismus kommt diesem Ideal am nächsten, indem er die Freiheit des Einzelnen auch vor staatlicher Regulierung als Bedingung eines funktionierenden Marktes begreift und diesen als Ort der Begegnung und Entwicklung sieht, der aber keiner Regulierung bedarf, sondern sich frei am erfolgreichsten entfaltet.
Diese gesellschaftstheoretische Frage ist sehr wichtig und für die Beurteilung der verschiedenen Formen den Kapitalismus zu zähmen, oder sich ihm zu unterwerfen, weil er nichts als unsere Natur ist, von entscheidender Bedeutung, trägt aber wenig als mehr Schönheit im Denken zur Klärung der Frage bei, was die Ästhetik des Kapitalismus ist, ob es eine solche gibt und wohin sie uns verführt. Darum gilt hier, schön, dass wir auch darüber gesprochen haben, im schriftlichen Sinne, aber es kann dahinstehen für die Frage der Ästhetik.
Entscheidend ist vielmehr, ob der Kapitalismus unsere Natur nur abbildet, also nicht diskutiert werden muss, oder nur ein Modell des Warenverkehrs ist, dem andere gleichberechtigt gegenüberstehen. Es kommt dabei nicht auf die Frage des tatsächlichen weltweiten Siegeszug des Kapitalismus, der momentan de facto alternativlos ist und dies nicht nur als postdemokratischer Argumentationsersatz sondern vielmehr als real existierender Marktplatz ohne Grenzen. Läge es in unserer Natur, so mit ihm zu leben, wäre es müßig über seinen Fortbestand zu diskutieren, was hier ohnehin nicht geschehen soll, ergäben sich ganz andere Fragen für die Ästhetik, warum die Frage vorab zu klären ist.
Wer etwas tut, möchte dadurch sein Wohlbefinden steigern, zumindest indirekt, indem das Überleben gesichert wird, was unstreitig in unserer Natur als Bedürfnis liegt, denn sterben wollen, mag manchen logisch, konsequent oder nötig erscheinen aufgrund von Umständen, die nun pathologisch oder gerade nicht sein mögen, so kommt dieser Wunsch doch nur auf, wenn wir das nicht mehr sein, als angenehmer empfinden denn das weiter sein. Sich dieses Überleben nach je Idealen möglichst ästhetisch zu gestalten, es sich also so schön wie möglich zu machen, was das für wen auch immer ist, scheint die natürliche Folge dazu.
Folgt daraus, dass der Kapitalismus als Teil unserer Natur immer konsequent das schönst mögliche hervorbringt, oder ist dieser ästhetische Zusammenhang nur ein künstlicher?
Hierbei muss nicht weiter auf das je unterschiedliche Empfinden eingegangen werden, da es ohne jede Relevanz für die Beurteilung der Frage ist, ob es in unserer Natur liegt, das schönst mögliche zu erstreben. So wir dies bejahen, wird das kapitalistische Modell am möglichst freien Markt immer die ästhetisch optimalste Lösung erstreben, da sie die höchste Nachfrage haben wird und damit den höchsten Gewinn verspricht.
Das Prinzip des Kapitalismus ist also dem ästhetischen Streben förderlich und kann dieses optimieren, sofern die Neigung einen Markt findet, wofür nach der Natur relativ viel spricht, jede noch so absurde Neigung auf dieser Welt noch ihre Liebhaber findet, einen Marktplatz mit Konkurrenz hat.
Es ist danach noch unklar ob es eine spezifische kapitalistische Ästhetik gibt, oder diese nur Hure des je Marktes ist, sich den Bedürfnissen anpasst.
Eine spezifische und deren Eigenschaften sind nach bisherigem Wissen nicht erkennbar. Dies gilt insbesondere, da das ästhetische Streben selten oder nie in einem kapitalistischen Kontext betrachtet wurde. Auch die kommunistische oder sozialistische Ästhetik etwa, die dezidiert zumindest dem Wortlaut nach antikaptialistisch war, strebte nach dem schöneren. Maßstab ist hier der Komperativ zu was auch immer, aus welchen ideologischen Motivationen heraus als schöner empfunden wird. Besser sein und auch schöner sein wollen hat verschiedene Elemente der ästhetischen Betrachtung. Was immer die Maßstäbe einer exakten Beurteilung nach der je Theorie sein mögen, das komperative Element zur Unterscheidung des Schönen vom etwa Gewöhnlichen ist allen gemein, egal in welchen sozialen Kontext wir dies sonst stellen.
Auch die dem etwa provokativ konträr entgegengestellte Ästhetik des Punk, die das Häßliche sucht und hochhält, um Zustände, die sozial als kritisch empfunden werden, ästhetisch anzuklagen, ist doch auch intern eine komperative im Auftritt, auch wenn betont wird, es ginge um gänzlich andere Fragen als die der reinen Ästhetik, ist sie doch auch im Vergleich das Mittel der Wahl, mit dem sich die Zugehörigen dieser Gemeinschaft unterscheiden.
Sie legen sich nicht nur, wie etwa Sid Vicious, Salamischeiben auf das Gesicht, um negativ hässlicher zu sein, sondern eben auch, um als Provokateure und erste in ihrem Kreis besonders hervorzutreten und ob ich nun Pickel für eine vermeintliche Häßlichkeit züchte oder mir die Füße verkrüppelt schnüre, um etwa einem chinesischen ästhetischen Ideal zu entsprechen, ist im Ergebnis nicht weit auseinander, auch wenn es je behauptet, völlig andere Zwecke zu verfolgen.
Die Ästhetik der Masse hat dabei noch eine ganz besondere eigene Wirkung. Sie führt zu einer gewissen Stromlinienförmigkeit, auch etwa infolge der Facebook Kultur, in der wir Zuneigung durch erhobene Däumchen erobern wollen, die bei möglichst optimaler Anpassung an den Geschmack der Mehrheit, aus der sie nur ein wenig herausragen soll, den größtmöglichen Zuspruch verspricht. Sobald wir als Texthuren vom öffentlichen Zuspruch leben, unser Verdienst sich nach der Zahl der Klicks auf unsere Seiten und unsere weitere Verteilung richtet, sind wir käuflich, egal was wir behaupten oder von uns meinen.
Die Frage, die sich aus ästhetischer Hinsicht hier stellt, ist, ob diese Hurerei entsprechend dem gegoogelten Zuspruch, der eben bares Geld für uns Texthuren wird, wenn wir uns öffentlich verkaufen, eine konstruktive Wirkung auf die Ästhetik hat oder diese im Gegenteil entbehrlich macht. Es nicht mehr darauf ankommt, etwas Schönes zu entwickeln, sondern sich nur den Bedürfnissen einer Masse anzupassen, da Innovation immer auch das Risiko der Ablehnung in sich trägt.
Konkret stellt sich also die Frage, ob vermeintlich schöpferisch tätige Menschen noch kreativ tätig sind, oder nur auf die virtuellen Klicks schielen, den irrealen Zuspruch im Netz, um so die Nachfrage für ihr Angebot zu optimieren. Dann hätte die scheinbar demokratische Teilhabe aller am Markt und ihr Massenverhalten, das sich eben in Klicks zeigt, zum ersten mal in der Geschichte eine stärkere Auswirkung auf das ästhetische Empfinden als die Tätigkeit der Kreativen, die nur noch den Bedürfnissen des Marktes hinterher zappelten.
Hat uns Google also die Ästhetik geraubt oder sie nur eben massenkompatibel und stromlinienförmig gemacht?
Leben wir in der Google-Welt auf dem natürlichen Marktplatz oder ist es umgekehrt so, dass wir nur noch reflexiv agieren, um unseren Auftritt zu optimieren, nach den Bedürfnissen des Marktes?
Konzentrieren wir uns auf den Markt der Zukunft und den, auf dem derzeit das meiste Geld gemacht wird, ist es der virtuelle Werbemarkt, den Google mit einem nahezu Monopol im Gleichstrom weltweit bewirtschaftet. Hier zeigt sich ein Prozess der Anpassung, der zu einer möglichst großen Optimierung des Auftritts zur Gewährleistung höchstmöglicher Klickzahlen führt. Dabei geht es weniger um persönliche ästhetische Kriterien als vielmehr darum, auf was die je Masse des Schwarms am besten reagiert. Die Ästhetik als das Besondere könnte im Zeitalter von Google der Massenkompatibilität geopfert worden sein - die Klickzahlen entscheiden, dann heute, was schön ist und sich gut verkauft.
Fraglich, ob es je anders war, wir also wirklich vor einer Bedrohung unserer Demokratie wie unserer ästhetischen Entwicklung durch ein Unternehmen auf der Welt stehen, wie es etwas Mathias Döpfner in seinem viel diskutierten Artikel in der FAZ behauptete, oder alles halb so wild ist, diese kurzzeitige Dominanz nicht überbewertet werden sollte, Künstler immer auch ihren Markt suchten und dies nun nur freier und selbst können, es der Vermittler immer weniger bedarf und darum deren entsetztes Geschrei um so lauter wird.
Es ist nicht ersichtlich, dass die Nutzung des Netzes das menschliche Denken nachhaltig beeinträchtigte. So wie es jetzt eine Dominanz von Google gibt, die in etwa der von microsoft auf früheren Softwaremärkten entspricht oder eben Siemens in Deutschland in bestimmten Bereichen der Industrie früher, so schnell kann sich all dies wieder verändern. Ein Unternehmen, dass noch keine zwanzig Jahre mit Macht arbeitet, wird durch schnellere, bessere Denker wieder überholt und in die Ecke gedrängt werden, sofern sie sich nicht neuen Bedingungen anpassen.
Wie etwa wird das Eigentum an Biocomputern sein, die in den Körper implantiert und von diesem mitversorgft werden und viele Fragen und Möglichkeiten mehr, stellen sich neu. Denke ich daran wie ein Dürer oder die Cranachs in Werkstätten arbeiteten und einen Vertrieb ihrer Produkte organisierten, scheint mir der kapitalistische Geist in der Ästhetik kein neuer, vielmehr ist neu, dass wir uns nach der Kompatibilität fragen, statt die Dinge einfach sein zu lassen, wie sie sind, ihrer natur entsprechend und die Schönsten werden die Besten sein, weil dieser ästhetische Markt eben in unserer Natur liegt. Vielleicht käme es mehr darauf an, zu genießen, als sich darüber Gedanken zu machen, die Lust an der Schönheit des Lebens zu leben, statt darüber zu philosophieren, um glücklich zu sein, hörten wir besser nun auf, um zu genießen - fragte sich nur, ob wir dann noch wüssten, was wir tun und ob, wer sich fragt, was Glück ist, dies noch dumm erreichen kann. Auswegslos glücklich mit dem wenigen an kritischen Verstand, was mir so zur Verfügung steht, war dieser sprachliche Ausflug mir ein Vergnügen, vor allem, weil er ein Lächeln übe viele sonst sichere Theorien der Natur der Sache nach erlaubte.
jt 12.7.14
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