Samstag, 20. Juli 2024

Lektürentagebuch 20/7/24

Lektürentagebuch 20/7/24

Über Dichter als Dichter gelesen
Darüber zu dichten ist ein wenig
Wie über andere auch bei sich
Lesend dadurch ankommen

Begonnen mit zwei Abschnitten
Von Walt Whitman noch aus der
Zeit vor dem Bürgerkrieg wie er
New York als junger Dichter erlebt

Der anfänglich noch bescheidene
Große amerikanische Dichter wird
Hier ein wenig zum Schulmeister
Der nebenbei ausplaudert wen er

Alles im Theater am Broadway sah
Wie er natürlich alle Stücke von
Shakespeare las bevor er sie dann
Auf der Bühne mit den Großen sah

Das mag alles sein und ist auch für
Einen Literaten nicht ungewöhnlich
Als Redakteur im Kulturteil ohnehin
Doch macht er es zu amerikanisch

Zumindest für meinen Geschmack
Ist dieses Selbstlob ohne alle sonst
Bescheidenheit schwer erträglich
Aber vielleicht lieben die Leute das

Den Tratsch der Großen zu lesen
Deren allzumenschliche Eitelkeit
Wahrzunehmen könnte vielleicht 
Noch einen kritischen Blick geben

Doch steht zu befürchten dass es
Nur die amerikanische Form der
Heldenverehrung mit Superstars
Weiterführt die mir peinlich wäre

Vielleicht musst du in diesem so
Großen weiten Land leben unter
Massen um diese ganz unverstellte
Eitelkeit noch bejubeln zu können

Bin gespannt wie seine Berichte
Auch aus dem Bürgerkrieg werden
Da ich den Lyriker Whitman als
Einen feinen Geist schätze sonst

Von Whitman ging es nahezu
Zeitgleich nur in Europa dafür
Zum großen Theodor Fontane
Dem Meister der Bescheidenheit

Die packt der kluge Hugenotte
Zusätzlich noch in feine Ironie
Auch bei der Entstehung etwa
Der Figur von Frau Jenny Treibel

Was sich Fontane dabei dachte
Wie er die Aufsteigerin selbst sah
Auch beim kritischen Blick auf sie
Wem er sich am nächsten fühlte

Ob es der Herr Professor war oder
Der alte Treibel wie er über seine
Figuren korrespondierte die ihn beim
Schreiben völlig in Beschlag nahmen

Worunter wohl auch seine Familie
Teilweise zu leiden hatte da er im
Fluss des Romans nicht ansprechbar
War und selten etwas mitbekam

Wie gut tut es dieses Leiden an den
Eigenen Figuren wie auch ihre feine
Konstruktion für die Geschichten die
Tiefer und weiter reichen zu erkennen

Die Lektüre über Literaten lehrt vieles
Lässt tiefer blicken und gibt mir zugleich
Vertrauen in das eigene Ringen um die
Richtigen Worte jeden Tag von neuem

Vor Whitman und Fontane lebte Wieland
Über dessen unselige Schwängerung der
Hausangestellten und das Ringen um die
Konformen Gefühle ich danach las in der

Hervorragenden Biografie von Reemtsma
Der auch den nervig unsympathischen Mann
Im Geist seiner Zeit uns zeigt egal was er
Später noch dazu dichtete hier war der

Große Wieland ein asozialer Chauvi den
Auch die Kehrtwende danach nicht rettet
Was aber sein Werk wie dessen großen
Einfluss auf die deutsche Literatur nie

Schmälern konnte und insofern ist es
Beruhigend was für gelegentlich auch
Schlechte Menschen große Dichter wohl
Sein können hinsichtlich des eigenen

Bestimmt für manche zweifelhaften
Charakters müssen diese gewiss in
Moralischer Hinsicht gelegentlich auch
Gut begründeten Selbstzweifel nicht

Gleich am Dichter verzweifeln lassen
Was zumindest trotz offensichtlicher
Mängel noch eine Perspektive ist die
Am Werk mich weiterarbeiten lässt

jens tuengerthal 20.7.24

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