Freitag, 17. Oktober 2014

Sex in Berlin XXXIII

Nachdem wir nun 32 Tage getreulich untreu über den Sex in Berlin nachgedacht haben, soll heute, am 33. Tag, zum Abschluss nun, über die meistens Wirklichkeit berichtet werden in der eben nichts passiert und nur viel erwartet wird, mehr in der Phantasie bleibt als jemals real wird.

Berlin nennt sich sexy, weil es meint dies zu sein und die Welt es glaubt. Dass dieser Spruch ausgerechnet von einem ehemals West Berliner Beamten stammt, ist relativ bezeichnend für das Schaumbild der Illusionen, denn nirgendwo ist Berlin weniger sexy als im alten Westen heute, der nur noch ein innovationsloses Museum vergangener Zeit ist, russischer Konsumtempel mit märkischen Besuchern. Aber der Blick meinerseits wird sicher von Osten her getrübt sein. Geblendet bin ich allerdings nicht vom vermeintlich goldenen Westen, der eben ein wenig abgeblättert wirkt, wie eine alt gewordene Sängerin nach dem siebten Lifting, bei dem bald die Pobacken am Hals sichtbar werden.

Es ist auch immer wieder sexy, sogar im Westen, auch wenn da eher zufällig oder für Leute wie mich, die gerne in Museen gehen und sich auch am musealen Charme erfreuen, der nur noch konserviert aber auch nicht krampfhaft innovativ sein muss, wie es mein Kiez lange tat und der Friedrichshain nebenan immer noch ziemlich bemüht tut. Finde ja Museen und gerade Berlins Museen eigentlich den sexiesten Ort, den ich mir vorstellen könnte - schöne Kunst in teilweise wunderschönen Gebäuden, oder auch nur für sich schön in zumindest innovativen Betonkästen mit Menschen davor, die sich daran freuen und sich vom Anblick der Bilder zu Gedanken anregen, manchmal sogar erregen lassen - was könnte schöner, ein kleines Abenteuer beginnen lassen?

Eigentlich sind Mussen und dort jemanden kennenzulernen viel schöner als verräucherte Bars, düstere Keller oder ähnliche bisher gern beschriebene Ort, ist doch die Kunst die schönste Brücke zur gepflegt lustvollen Unterhaltung und ehrlich gesagt, für die Kunst fahre ich sogar sehr gerne nach Charlottenburg, um gegenüber dem dortigen Schloss durch die beiden wunderbaren Museen der Privatsammlungen von Berggruen und Scharf-Gerstenberg zu spazieren, die klassische Moderne und den Surrealismus und ich kann mir wenig sinnlicheres vorstellen - dann vielleicht noch verbunden mit einem Spaziergang durch den dortigen Schlosspark in letzter herbstlicher Sonne, wie schön kann das Leben in Berlin sein.

Auch die Museumsinsel lädt zu wunderbar, schwärmerisch zärtlichen Besuchen, denke ich etwa an die geliebte Sammlung Bode, um dort im Licht der Abendsonne noch die Kunst der Gothik wie der Renaissance in Bild und Figur zu bestaunen, durch Jahrtausende zu wandeln, im Café auf der Empore einen Tee zu trinken mit zumindest theoretischem Blick auf die Spree von der Spitze aus - oder die Alte Nationalgalerie, was stimmt den Romantiker wohliger als ein Gang durch die dortige Sammlung, mit ihren zärtlichen Höhepunkten, den französischen und den Berliner Impressionisten und natürlich der gute Menzel, ein Besuch bei alten Freunden eben und so endet Sex in Berlin, dort wo es anfing, im Kopf und es wird wieder Zeit die geliebten Museen zu besuchen, die befreundeten Bilder zu begrüßen, sie anzulächeln und sich zu freuen, sie schon so lange und so gut zu kennen - wenn wir dies noch in Begleitung täten, das Lustwandeln mit Anekdoten zu diesem Bild oder jenem Maler gegenseitig bereicherten, was könnte noch schöner sein, als vielleicht der nahe Tee im Anschluss?

So sind wir über die bloße Betrachtung im Museum, das Berlin eigentlich ist, wieder hin zu dem gekommen, was meist passiert an Sex, nämlich nichts, weil die Betrachtung dessen um uns, schon vollauf genügt , den Tag zu füllen und darüber zu schreiben. Natürlich denke ich an manches sonst beim Besuch der Museen, aber im Kern schiene es mir doch das, was den Sex in Berlin am besten abschließt, ein Besuch im Museum, die Betrachtung der Schönheit, gerührt vom bloßen Anblick. Vielleicht ist es das, was Berlin für mich immer noch so liebenswert und sexy macht, seine Museen, durch die Stadt verteilt, an manchen Orten geballter auftretend, doch immer mit schwärmerischen Geistern gefüllt, die von der Sehnsucht des Betrachtens geführt, im nur da sein Verführung genug genießen, denn eigentlich passiert auch bei denen, die sich in verrauchten Kellern und auf verstopften Tanzflächen bemühen, meistens nichts und wenn doch, ist es eher nicht der Rede wert, im Gegensatz zu diesen wunderbaren Musentempeln der Kunst, die Berlin pflegt und deren jeder Besuch für mich das ist, was anderen ein Gottesdienst wohl sein könnte.

Sex in Berlin endet im Museum - vielleicht findet sich da manches unerwartet, wer weiß das schon, es ist auch egal, was sich wo fand, oder findet, wenn schon der Ort an sich ein Genuß ist. Mehr kann nicht sein und wo es sich findet, sollten wir darüber schweigen und genießen, wo nicht, die Umgebung um so mehr loben. So gesehen endet Sex in Berlin im 33. Kapitel zutiefst bürgerlich und weist damit schon auf den nächsten Band hin, die Frage der Bürgerlichkeit als Idee der Gegenwart.
jt 16.10.14

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