Heute vor achtzig Jahren wurde Erich Mühsam im KZ Oranienburg ermordet. Dem großen Anarchisten zu gedenken einige seiner Gedichte hier ohne Worte
Gesang der jungen Anarchisten
Freiheit! mahnt es aus den Grüften,
die der Vorzeit Kämpfer decken.
Freiheit! lockt es aus den Lüften,
die der Zukunft Stürme wecken.
Daß aus Ahnung Freiheit werde,
haltet, Künftige, euch bereit.
Reinigt die entweihte Erde -
helft ans Licht der neuen Zeit!
Freie Menschen sollen wohnen,
wo gequälte Sklaven schleichen,
Menschen, die aus allen Zonen
Gruß und Trunk einander reichen.
Von Gesetzen nicht gebunden,
ohne Herrn und ohne Staat -
frei nur kann die Welt gesunden,
Künftige, durch eure Tat!
Jugend, sammle deine Scharen,
kämpfend Zukunft zu erstreiten.
Wer das Leben will erfahren,
lasse sich vom Tod begleiten.
Künftige! Im heiligen Ahnen
lechzt die Welt nach Glück und Licht.
Mahnend wehn die schwarzen Fahnen:
Freiheit ist der Jugend Pflicht!
Liebesweh
Zähre rieselt mir um Zähre
in des Betts zerwühltes Laken.
Bange Angstgedanken haken
sich in meiner Seele Schwere.
Schmerzgekrümmt sind meine Beine;
traurig triefend hängt der Bart
von den Tränen, die ich weine -
und die Nase trieft apart ...
Ach, es ist der Traum der Liebe,
den ich durch die Seele siebe.
Ach, es ist der Liebe Weh,
die mich zwickt vom Kopf zum Zeh. -
Armes Herz! Die Träume wittern
fernen Trost. Ich spann' die Ohren -
und durch meiner Seele Zittern,
fernherflüsternd, traumverloren,
murmelt ein geliebter Mund:
Schlapper Hund!
Was ist der Mensch?
Was ist der Mensch? Ein Magen, zwei Arme,
ein kleines Hirn und ein großer Mund,
und eine Seele - daß Gott erbarme! -
Was muß der Mensch? Muß schlafen und denken,
muß essen und feilschen und Karren lenken,
muß wuchern mit seinem halben Pfund.
Muß beten und lieben und fluchen und hassen,
muß hoffen und muß sein Glück verpassen -
und leiden wie ein geschundner Hund.
Lebensregel
An allen Früchten unbedenklich lecken;
vor Gott und Teufel nie die Waffen strecken;
Künftiges mißachten, Früheres nicht bereuen;
den Augenblick nicht deuten und nicht scheuen;
dem Leben zuschaun; andrer Glück nicht neiden;
stets Spielkind sein, neugierig noch im Leiden;
am eigenen Schicksal unbeteiligt sein -
das heißt genießen und geheiligt sein.
(Erich Mühsam)
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