Mittwoch, 22. Juli 2020

Liebesarten

Lange glaubte ich an die große Liebe
Als einzig wirkliche und taugliche Art
Die alles in einer zugleich erfüllen soll
Sehnsucht Erfüllung Lust Zuneigung
Liebe am besten ein Leben lang noch
Als sei ich naiv und ohne Erfahrung
Musste wieder Rudolf Borchardt lesen
Eines besseren belehrt zu werden
Dessen Weltpuff Berlin ein Fundus ist
Es gibt unendlich viele Arten davon
Jede auf ihre Art kann erfüllend sein
Manche mehr körperlich andere dafür
Auf geistiger Ebene eher konzentriert
Ein Narr wer alles von einer erwartet
Statt alles dort zu genießen wo es
In seiner schönsten Form vorkommt
Natürlich gegeben statt gezwungen
So gelebt wird wie es eben passt
Was vor Enttäuschung bewahrt 
Die uns der Wahn der Ausschließlichkeit
So gerne vorgauckelt auf christlicher
Basis moralischen Lebens das alle
Zum Betrug einlädt weil keiner stets
Alles sein kann sondern viele mehr
Warum es viel weiser wohl wäre
Wir lebten alles beizeiten dort
Wo es sich gerade zeigt und passt
Liebten den Moment miteinander
Statt mit schlechtem Gewissen
Nichts wirklich genießen zu können
Von Angst und Missgunst dabei bestimmt
Die nur zu Todessehnsucht uns verführt
So können sich viele lieben auf ihre
Je eigene Art die keine Ausschließlichkeit
Begehrt sondern viel lieber ganz genießt
Was ist auf seine je eigene Art
Brauche nicht viele auf einmal
Wird in der Lust dann nur sportlich
Am liebsten immer nur dann eine
Zumindest für das eine oder andere
Möchte voller Gefühl lieben auch
Gerne beieinander ankommen um
Für sein Wesen geliebt zu werden
Aber bitte nie die pflichtbewussten
Reste von Liebe in der Ehe leben
Sondern jede auf ihr Art ganz
Glücklich machen wie befriedigen
Von schönen Musen lyrisch inspiriert
Statt an eine nur Traumprinzessin 
Für immer mit allen Fehlern gebunden
Die sich bei mir in Beziehungen stets
Offenbaren die unzumutbar sicher sind
Wie keine mit all ihren Macken ertragen
Sondern lieber Arten der Liebe zulassen
Die nicht konkurrieren müssen sondern
Auf ihre Art nebeneinander stehen um
Wie es passt glücklich sein zu können
Scheint mir mit Vernunft und Erfahrung
Als die bessere Form des Lebens nun
Denn dies überholte Liebesmodell der
Relativen Ausschließlichkeit mit der ihr
Innewohnenden ständigen Frustration
Mit dem wir schon zu lange leben
Das einzige was darüber sterben wird
Ist der Geist der Familie als Kontinuum
Der auf Paarbeziehungen eben beruht
Wie der Traum von der großen Liebe
Um letzteren ist es nicht sehr schade
Hat genug mich frustriert im Leben
Mit der Familie ist es etwas anderes
Aber fraglich ob eine historische Form
Es wert ist ein frustriertes Leben dafür
Die längste Zeit zu führen nur damit
An Familienfesten geglänzt wird
Vielleicht finden sich auch für diese
Art der Liebe in der Familie künftig
Neue Bahnen jenseits der Konvention
Rudolf Borchardt liegt ganz richtig
Es gibt viele Arten der Liebe die
Alle auf ihre Erfüllung finden können
Wo Liebe nicht ausschließlich mehr ist
Kann sie das Leben vielfältig bereichern
Wir könnten alle auf ihre Art lieben
Wären jeweils glücklich miteinander
Statt teilweise permanent frustriert
Warum ich inzwischen entschieden
Für viele Liebesarten plädiere nicht
Mehr nur die eine für alles suche
Die es niemals im Leben geben kann
Merke wie glücklich es mich macht
Viel weniger Zwang und Erwartung
In sich und andere noch zu setzen
Dafür das mögliche zu genießen
Weil es mit der Liebe wie immer
Eben ist wie es ist kommt es
Am Ende doch anders

jens tuengerthal 22.7.20

Dienstag, 21. Juli 2020

Antikapitalistisch

Nun werden auch Fridays For Future
Antikapitalistisch und wenden sich
Dabei erstaunlich kurzsichtig gegen
Das System was sie erst hervorbrachte
Das von der Freiheit des Einzelnen lebt
Wollen werbestrategisch profitieren von
Der typisch linken Kapitalismuskritik
Die so falsch ist wie nicht zielführend
Denn was wäre für wen die Alternative
Im Gegenteil sorgt dies nur dafür
Dass eine Bewegung intstrumentalisiert
Wird die zuvor unparteiisch noch war
So berechtigt alle Kritik an Auswüchsen
Wie ungerechten Folgen sein kann
So falsch ist die Systemkritik hier weil
Nichts als die Freiheit kann die Freiheit
Für alle verteidigen denn auch eine
Gutgemeinte Ökodiktatur wäre keine
Taugliche Alternative für die Zukunft
Vielmehr muss die Bewegung im System
Das sie erst groß werden ließ wirken
Also reformerisch statt revolutionär
Sich antikapitalistische Sprüche nun
Auf die Fahnen zu schreiben ohne
Den Hauch einer tauglichen Alternative für
Dieses naturgegebene System zu haben
Weil der Markt den Bedürfnissen entspricht
Menschen dort ihren Erfolg suchen werden
Warum es zwar richtig ist auch ökologisch
Global in Zusammenhängen zu denken
Notwendigkeiten zu benennen zur Reform
Aber falsch ist das System anzugreifen
Das diese tragen und bezahlen soll
Damit weiter mehr Menschen in möglichst
Großen Wohlstand weltweit leben können
Dabei selbst moralisch und ökologisch
Verantwortlich handeln lernen damit die
Moral einen kategorischen Wert hat da
Jede andere untauglich wäre und nie
Den Prinzipien des kategorischen Imperativ
Genügen könnte nur eine unfreie Diktatur
Einer Überzeugung hervorbringen kann
Die nicht zu mehr Verantwortung führte
Sondern im Gegenteil die Deantwortung
Der Mehrheit zur Folge hätte was nie
Eine konstruktive Alternative ist
Kritik im System ist gut und nützlich
Für mehr Gerechtigkeit kämpfen verdienstvoll
Infragestellung der Natur ohne Alternative
Dagegen bleibt leichtsinniger Unsinn
Vielleicht verzeihliche jugendliche Träumerei
Aber kritisch betrachtet schädlich da es
Einer überholten politischen Ideologie
Aus der Mottenkiste noch huldigt ohne
Dafür konstruktive Alternativen zu haben
In einer Zeit in der sich auch die ehemals
Sozialistische oder gar kommunistischen 
Länder dem Markt zugewandt haben
Führt diese Systemopposition auf Abwege
Die besser genutzt würde um Zukunft
Gemeinsam konstruktiv zu gestalten
Nur dann können wir das System
In sich menschlicher gestalten
Was mehr Freiheit statt Staat braucht
Mehr Eigeninitiative statt Anklage
Um zu zeigen nur der Markt kann
Die Zukunft verantwortlich gestalten
Im nötigen vernünftigen Rahmen

jens tuengerthal 21.7.20

Freizeitidioten

Nun fahren die Menschen
Wieder in Urlaub wie immer
Aber klagen über Beschränkung
Bei der gewohnten Entspannung
Wundern sich wenn Corona
Danach wieder aufflammt
Dabei sind sie ein Teil des
Problems was durch dies
Idiotische Freizeitverhalten
Noch potenziert wird weil
Alle jedes Jahr in Urlaub
Fliegen wollen wie immer
Trotz Corona und Klimakrise
Fern liegt es mir eigentlich
Irgendwem den Tod zu wünschen
Aber täte es der Welt nicht gut
Würden diejenigen quasi gerecht
Von Corona dahingerafft denk ich
Sehe ich diesen wieder Wahnsinn
Der verantwortungslos weitermacht
Statt innezuhalten und nachzudenken
Liegt scheinbar vielen weniger
Sind und bleiben Freizeitidioten
Gut wenn das alles endet

jens tuengerthal 21.7.20

Montag, 20. Juli 2020

Liebeseinfach

Eigentlich ist die Liebe
Ganz einfach zumindest
Wo geteilt sollte sie es sein
Täten wir was wir wollten
Könnten wir gemeinsam
Glücklich und zufrieden
Sein und bleiben doch
Leider neigen wir dazu
Es uns unnötig kompliziert
Dabei immer zu machen
Weil wir noch dazu denken
Was der andere denkt
Denken könnte oder noch
Schlimmer sollte um dann
Logisch stets enttäuschte
Erwartungen zu haben
Was ich eigentlich weiß
Dennoch zu gerne doch
Mit erwartbarem Ergebnis
Wieder falsch mache weil
Gefühle selten von Vernunft
Allein gesteuert werden
Und so geht es immer weiter
Bis es ein Ende findet dabei
Wäre die Liebe so einfach
Trauten wir nur unserem
Gefühl mit mehr Vernunft

jens tuengerthal 20.7.20

Sonntag, 19. Juli 2020

Familiengen

Hat die Kenntnis der Gene das Bild der Familie und vom Mensch geändert?

Nach der Zeit des Glaubens, kam die Wissenschaft und ersetzte die alten Wahrheiten durch ihre Logik, die auf Naturbeobachtung beruht, wurde langsam zur herrschenden Überzeugung, der sich der Aberglaube beugen, anpassen oder verschwinden musste, weil alles andere nicht mehr in die auf wissenschaftlicher Beweisführung fußende Welt passte, die es immer schneller ganz genau wissen wollte.

Durch die wissenschaftliche Kenntnis der Fortpflanzung und der Rolle auch der Frau dabei, hat sich, zumindest in der westlichen Welt, die nicht mehr so stark vom Aberglaube dominiert wird, schon etwas verändert, die Gleichberechtigung wurde langsam zumindest formal, auch wenn manche darin noch hinterherhinken, ist sie doch inzwischen relativ normal geworden und hat in den letzten 50 Jahren rasantere Fortschritte gemacht als in den 2000 Jahren davor.

Die Gentechnik schien diese inzwischen auch normative Gleichheit zu bestätigen, auf ein breiteres wissenschaftliches Fundament zu stellen, da wir uns nur in einem halben Chromosom unterscheiden, ein y von einem x, und Männer erkennen mussten, Frauen sehen nicht nur besser aus, sie sind auch genetisch quasi vollständiger, dahingestellt ob diese verkürzte Zuspitzung so ganz richtig ist, sie drückt zumindest Bewunderung und Zuneigung aus, die viel komplexer ist, als Gene je erfassen können.

Es geht in diesem Essay nicht um die neuesten Erkenntnisse der Gentechnik, ob wir nun Menschen machen können, also quasi gottgleich wirken, wie früher geglaubt wurde, den gemachten Menschen auch noch bestimmte Eigenschaften schenken können oder bessere Varianten, von uns designen könnten, gar Ersatzteillager für unser Alter uns klonen sollten und wie solches ethisch zu bewerten wäre, was ein Urteil sicher sehr schwer macht, sondern um die Frage, wie sich die Gentechnik auf unser Denken und unsere Sprache auswirkt, welche Sprache diese Variante der Biologie gefunden hat und was sie ausmacht.

Die Gentechnik knüpft wie alle Wissenschaft an die patriarchal dominierte Sprache der Wissenschaft des 19. Jahrhunderts an, wie Christina von Braun in ihrem Band Blutsbande sehr gut darlegt. Entsprechend auch das Denken der sich als neue Schöpfer gerierenden Gentechniker, die aus ihrem überschaubaren Bereich heraus nun denken, das Leben und seine Entstehung vollständig mechanistisch verstanden zu haben und alles über den Menschen zu wissen. Wie mit dem Aufkommen der Rassentheorien und ähnlicher abwegiger Forschungen, gingen auch die Gentechniker vielfach davon aus, Voraussagen über die Verbrechensneigung eines Menschen machen zu können, wie seine sozialen Fähigkeiten nach ihrer Überzeugung auch genetisch determiniert sein müsste.

Auch hier möchte ich nicht zu dem alten Streit zwischen Geisteswissenschaft und Naturwissenschaft Stellung beziehen, ob der Mensch als weißes Blatt oder genetisch determiniert auf die Welt kommt, halte nur jede absolute Überzeugung, die meint, alles erkannt zu haben, für so falsch, dass eine weitere Diskussion mir entbehrlich scheint. Der Mensch ist eher weder noch und vermutlich meist auch beides, als nur eines von beiden. Soziale Eigenschaften können sich nicht ohne soziale Gemeinschaft formen aber dennoch gibt es Menschen, die dabei eine unterschiedliche Begabung zeigen. Manche sind sogar sozial behindert und darum aber häufig nicht weniger intelligent, manchmal sogar im Gegenteil und manches heute normales Sozialverhalten lässt eher eine geistige Störung vermuten, betrachteten wir es kritisch mit Kant, doch auch darum geht es mir hier nicht.

Spannend aber ist die Überzeugung der Gentechnik, das menschliche Sein in ihrem beschränkten Horizont vollständig erfassen zu können und verstanden zu haben. Sie entspricht vollständig den materialistischen Denkstrukturen des 19. Jahrhunderts, die zutiefst patriarchal sind. Der Mensch als Maschine, die nach berechenbaren Funktionen gleich einem Roboter programmiert ist, erscheint hier vor meinem geistigen Auge und diese eigentlich beschränkte Anmaßung lässt mich lächeln.

Warum meinen Menschen immer noch, ihr Bereich und ihre gerade Entdeckung, erfasse die ganze Welt, würde zur berechenbaren Formel des Universums, dem doch ein von menschlicher Logik erfassbarer Plan zugrunde liegen muss?

Der Plan als Bild zeigt, wie sprachlich nah die Gentechnik am Vokabular der Kreationisten ist, auch wenn sie natürlich wissenschaftlich exakt arbeitet, beweisen kann, was sie tut und doch ist ihre Selbstüberschätzung grenzenlos, als ginge es um einen göttlichen Plan, den wir nur mit ihrer Methode aufschreiben müssten.

Natürlich können sie bei ihrer Sicht der Welt nur berücksichtigen, was sie bisher wissen. Wie sehr und rasant sich unser Wissen von der Welt und ihren Zusammenhängen allein in den letzten 100 Jahren verändert hat, könnte sie, dächten sie kritisch, ein wenig Bescheidenheit auch für ihr ohne Frage großartiges Fach lehren, was nur eine Art der Informationsweitergabe betrifft, die sie aber für die Festplatte des menschlichen Computers halten, das Programm, was jeder Zelle eingespielt sei und wohl auch nach momentanen Wissensstand ist.

Wie stark die Biochemie und die Physik etwa der neuronalen Netzwerke als lebendiges Organ dabei noch wirken, berücksichtigen diese Biologen nur begrenzt. Ist auch wichtig aber logisch für sie nachrangig, weil es um ihr Primat der Betrachtung geht. Diese Art der Durchsetzung ähnelt der männlicher Tiere im Rudel, sie ist nicht kooperativ sondern konkurrent und verursacht dadurch häufiger mehr Schaden als sie Nutzen bringt. 

Interessanterweise hat sich unter Kanzlerin Merkel ganz langsam ein stärker weiblicher Führungsstil durchgesetzt, der mehr kooperativ als konkurrent arbeitet. Die Wissenschaft hinkt dem, trotz führender weiblicher Forscherinnen, die sich auch nach oben beißen mussten, in vielem noch hinterher, weil das übergreifende Denken zwar schön geredet wird, solange es nicht die eigene Disziplin und ihre Führungsrolle infrage stellt, die sich auch sprachlich immer weiter im Alltag durchzusetzen versucht.

Als Anhänger der Aufklärung war ich von der Gentechnik wie von aller vernünftigen Naturwissenschaft zunächst ohne Vorbehalte begeistert, sah die Ängste vieler Menschen als übertrieben und vorgestrig an. Denke immer noch, der Fortschritt lässt sich nicht aufhalten und die Chancen, die in der Gentechnik auch etwa in der Tumorbehandlung liegen könnten, sollten wir unbedingt nutzen. Sehe auch das Klonen von Lebewesen nicht als problematisch an,  es gleicht der künstlichen Befruchtung und greift nur an einem anderen Punkt ein, der viele Vorteile bringen könnte.

Nachdenklich machte mich mein Vater, der als Mediziner eigentlich immer ein klarer Naturwissenschaftler war und der Technik gegenüber zumindest aufgeschlossen blieb, der die Gentechnik mit dem Zauberlehrling Goethes verglich, ohne zu sagen, wer nun der alte Meister sein soll, der sich fortbegeben hätte, machte ihm die Gentechnik und die Unbeherrschbarkeit der Risiken, die daraus resultieren könnten, deutlich Sorgen. 

Wir wissen zu wenig meinte er, um in den großen Plan so aktiv einzugreifen, und ich halte ihn nicht für einen besonders gläubigen Menschen, sehe ihn eher als kritischen Agnostiker meist aber in der Gentechnik schien ihm plötzlich der Mensch respektlos gegenüber der Natur und das machte auch mich nachdenklich.

Glaube zwar an keinen Schöpfer oder Meister hinter der Natur, die einfach im Zusammenspiel funktioniert, aber das auch sprachliche Selbstverständnis der Gentechnik, die nun Leben machte, den Schöpfer durch Spezialisten eines Fachbereichs ersetzten, von dem sie glaubten, er würde alles übersehen und verstehen, ist mir verdächtig und genau da fangen meine Zweifel an.

Wir können Leben schaffen und seine Eigenschaften beeinflussen. Sofern es uns dadurch gelingt furchtbare Krankheiten auszurotten, wunderbar. Alles was hilft und heilt, soll willkommen sein, wie froh wäre ich selbst, wenn ich etwa durch einen kleinen genetischen Eingriff meine lästigen Allergien los würde.

Fraglich aber scheint mir, ob wir mit unserem beschränkten Wissen von allen unser Sein betreffenden Einflüssen bereits an unserer Festplatte herumlöten sollten. Käme nicht auf die Idee, meinen Computer auseinander zu schrauben, um darin von außen Dinge zu verändern, weil ich viel zu wenig Ahnung davon habe. Es gibt Spezialisten, die können das und sollen es  tun aber diese Spezialisten würde ich nun nicht bitten, dieses Essay für mich zu schreiben, weil es nicht ihre Spezialität ist, sich abwegig Gedanken über die Welt zu machen, sondern eben meine. Auch käme ich nicht auf die Idee, mich von einem Genetiker in Liebesdingen beraten zu lassen, sondern folge hier konsequent meinem Gefühl, das sich aus mehr Dingen zusammensetzt, als ich begreifen kann und was größeren Einflüssen unterliegt, als ich je werde überschauen können.

Das Genom ist sicher für sehr viele Dinge einflussreich und ich bin dringend dafür, es weiter zu erforschen, um damit so gut wie möglich arbeiten zu können, weil es gut und nötig ist, doch erfasst es nur einen relativ starren Bereich der im Genom durch die Zeugung programmiert wurde. Teile manche Teile davon mit meiner Familie, durch die erbbedingte Verwandtschaft aber kann genauso sicher davon ausgehen, dass es nur einen Teil meines Wesens ausmacht, das im Laufe meines Lebens durch viele Faktoren weiter geprägt und verändert wurde. Bestimmte Dinge bleiben oder tauchen immer wieder auf, sie mögen anlagebedingt sein, andere, sogar felsenfeste Überzeugungen verändern sich mit der Zeit und unterliegen verschiedensten Einflüssen, die ich nicht überblicken kann.

Vielleicht hat das Genom sogar Einfluss darauf, in wen ich mich verliebe und wie eng ich eine Bindung fühle, doch zeigt die Erfahrung wie viele äußere Einflüsse diese Neigung mitprägen und auch wenn ich mir des starken Einflusses meiner Familie und ihrer Sitten auf mein Wesen bewusst bin, auch erschreckenderweise manche Neigungen über Generationen wiederauftauchen sehen - so betrachtet hat die Großfamilie auch einen Vorteil im Sinne der Selbsterkenntnis - was im Guten wie im Schlechten gilt, etwa bei der gelegentlichen cholerischen Neigung, die ich schon früh erstaunt auch bei meinem Großvater, aber nicht nur bei ihm, beobachten konnte oder der starken Neigung zu emotionaler Hingabe und Rührung, die in der ganzen Familie verbreitet ist.

Wie stark diese Neigung durch Vorbilder geprägt ist, was in meinem Genom davon angelegt ist, wann welcher Einfluss stärker ist, weiß ich nicht zu unterscheiden und denke, Elemente davon sind jeweils in unterschiedlichem Maße vorhanden. Dazu kommt noch der völlig unberechenbare Teil des Gegenübers und der verschiedenen Einflüsse genetischer und sozialer Art, die ihn geprägt haben, bis zu psychischen Krisen oder Krankheiten, die möglicherweise auch bleibende Spuren im Körper hinterlassen, auch wenn das Genom davon unberührt bliebe. Konnte diese Erfahrungen schon sehr intensiv machen und habe ihre emotionalen Auswirkungen, natürlich ohne jeden objektiven Anspruch, wie auch als Beteiligter, beobachtet und erlitten, so lange ich lebe.

Der Mensch mag eine komplexe Maschine sein, die aber eben lebendig ist und sich ständig verändert und anpasst. Bestimmte Dinge bleiben und tauchen immer wieder auf, auch bei der emotionalen Neigung, warum bestimmte Menschen mich stärker berühren als andere, doch sind die Frauen, denen ich nah kommen durfte, teilweise so unterschiedlich, dass ich mir nicht zutraue irgendein Muster dabei noch erkennen zu können. Es mag dies an Einflüssen liegen, von denen ich noch nahezu nichts weiß, wie der gegenseitigen Biochemie oder auch am zufälligen Zeitpunkt gelegen haben, der es gerade für beide passend erscheinen ließ oder an ganz anderen Dingen, deren Komplexität meinen Horizont bei weitem übersteigt.

Egal was es also im Kern ausmacht, dass zwischen zwei Menschen ein großes Gefühl wachsen kann oder eine Familie sich über viele Generationen eng verbunden fühlt, gehe ich davon aus, es ist mehr als nur ein Punkt und keiner kann alles überblicken, sondern immer nur auf kleine Ausschnitte schauen, die er dann für die Welt hält.

Die Neigung sich für die Welt und allwissend zu halten, ist in der Genetik und ihrer Tendenz zur Schöpfung besonders stark ausgeprägt, was mich besonders misstrauisch macht. Dazu kommt, dass sie sich des technischen Vokabulars bedient, was ihrer Profession entspricht, die eben auch nur einen Teilabschnitt der Welt anschaut, was aber völlig den gewachsenen patrilinearen Strukturen entspricht, die mit dem Christentum aufkamen und so setzt das scheinbare Gegenteil das vorige Denken zumindest sprachlich fort. Gerade diesen Punkt kritisch zu betrachten und die Ausschließlichkeit stärker infrage zu stellen, scheint mir sehr nötig, weil wir Menschen immer dann, wenn wir von etwas völlig überzeugt waren, am blindesten wurden und den größten Unsinn machten, weil wir den Rest völlig ausblendeten. Die Kernenergie ist hier ein beredtes Beispiel.

Denke inzwischen, die Sorge meines Vaters ist gut begründet, er war ja auch immer ein großer Naturwissenschaftler für mich, der zumindest so tun konnte, als hätte er von allem in der Natur irgendwie Ahnung, was sicher auch durch die ewige familienbedingte Konkurrenz begründet war. Wir arbeiten als Zauberlehrlinge am Leben, von dem wir nur ganz wenig überhaupt in seinen großen Zusammenhängen verstanden haben. Das halte ich für nicht ungefährlich. Finde es dennoch richtig auf diesem Gebiet weiter zu forschen, um mehr erkennen zu können, doch wünschte ich mir dabei mehr preußische Bescheidenheit als die eher amerikanische Neigung zum Blenden als Bester, um die höchsten Fördermittel zu erhalten. 

Familie hat viel auch mit Genetik und der natürlichen Verwandtschaft zu tun, aber nicht nur und ist weit mehr als diese. Sie ist geprägt durch Erlebnisse, Gefühle, Reflektion von Erfahrung und vielem mehr, was ich nie ganz überblicken werden. Menschen können Roboter bauen und Maschinen, die immer besser werden, deren Funktionen sie berechnen und überschauen können aber Menschen sollten sich beim Umgang mit lebendigen Organismen immer bewusst sein, wie wenig sie noch wissen, um lieber weiblich kooperativ statt männlich konkurrent nach Erkenntnis zu streben. Das Risiko anmaßend mehr zu zerstören, als erreichen zu können, scheint mir zu hoch. Sein wir achtsam und vorsichtig, bei dem was wir tun, es könnte allen besser tun.

jens tuengerthal 19.7.20

Liebesversuch

Ein Versuch über die Liebe als Lebensmittel

Ist die Liebe überhaupt ein Lebensmittel, etwas, was wir zum Überleben brauchen oder gönnten wir uns diesen Luxus nur satt, verlieren sich die großen Gefühle beim Kampf ums Überleben wieder, überlegte ich und hatte wie auf so vieles bei diesem Thema keine rasche Antwort.

Bei Facebook gibt es den Beziehungsstatus “es ist kompliziert” und das ist vielleicht eine der besten und kürzesten Beschreibungen der Liebe überhaupt, wo sie von großen Emotionen getragen wird. Zwei können nicht ohne einander sein, halten es aber auch mit kaum aus und das sie sich nicht täglich den Schädel einschlagen oder wüst beschimpfen, liegt weniger am großen Gefühl als einem Mindestmaß an Anstand, den es noch zu wahren gilt, auch wenn er der Größe der Gefühle am ehesten entgegenwirkt. Für manche Lieben ist das große Drama Alltag und Normalität, kannte mehr als eine Drama-Queen mit hohem Betreuungsaufwand in meinem Leben, für andere scheint eine solche Gewichtung undenkbar,

Manchmal sind Paare zu beobachten, die diese Grenze fallen lassen, sich auf offener Straße anschreien, Szenen veranstalten, übergriffig werden und ähnliches mehr und die Beobachtung solcher Fälle hat mich immer so sehr abgeschreckt, dass ich alles tat, öffentliche Szenen noch zu vermeiden, zumindest ein wenig Contenance im brodelnden Kessel zu wahren, was vermutlich auch nicht immer gelang, es ist ja auch nie nur die Entscheidung von einem, ob es explodiert oder nicht und meine Fähigkeite zur Selbstbeherrschung ist in emotionalen Dingen nur bedingt gut ausgeprägt, wie es dem kantschen Anspruch genügen würde, aber zumindest bin ich mir sicher, dass es immer mein Bedürfnis war, so etwas möglichst in Ruhe und unter vier Augen zu klären.

Mehr oder weniger große Dramen habe ich aus den längeren Beziehungen teils noch in sehr lebendiger Erinnerung. Sofern so etwas alle paar Monate mal vorkam, war es zwar anstrengend aber verkraftbar, da die vollständige Infragestellung der großen Liebe das Leben für mich immer im Grundsatz erschütterte und mich auch geistig tagelang lahm legen konnte, in einem Fall sogar noch viel länger völlig lähmte, auch wenn es mir immer unerklärlicher erscheint,  vernünftig und mit Abstand betrachtet.

Erinnere mich auch an Streitigkeiten zwischen meinen Eltern und wie mich dann die Furcht umtrieb, sie könnten sich trennen und wie sehr ich diesen Zusammenbruch meiner Welt fürchtete. Dieses Damoklesschwert des Endes der Familie, die doch alles war, was wir hochhielten, schwebte über manchem meiner kindlichen Alpträume und schien mir unvorstellbar schrecklich, warum ich den Wechsel oder das Ende, wenn ich es nicht selbst wollte, was zum Glück häufiger vorkam, sehr schlecht vertrug und ewig nach einer vernünftigen Erklärung dafür suchte, die es natürlich nie gab, weil Liebe eben da ist oder verschwindet und dann ist es Zeit zu gehen, wie ich es ja von mir selbst auch kannte, der dann sehr entspannt und locker gehen konnte, auch alle vernünftig zu begründen verstand. Natürlich war jede dieser Begründungen wohl durchdacht und dennoch nichts als eine floskelreiche Umschreibung dafür, dass eben das Gefühl verloren gegangen war.

Bei meinen Eltern hielt es, überstand einige Höhen und Tiefen, hat im Alter eine neue liebevolle Form gefunden, die manchen langjährigen Beobachter eines gelegentlich rauheren Tones angenehm erstaunte. Es ist also Bewegung und Veränderung in Beziehungen möglich und kann der Traum von der Liebe für ein Leben gelebt werden, auch wenn es zwischendurch drammatisch zuging. Dieser Traum ist für mich immer das wichtigste in der Liebe gewesen. Natürlich ist toller  Sex auch was schönes aber er wird blass gegen das Gewicht der Kontnuität und Zuverlässigkeit die eine alte Liebe in einer Familie bedeutet und die für mich das entscheidende Ideal war, was ich auch immer leben wollte und so habe ich auch viele Versuche dazu begonnen, mal mit schnellerer mal langsamerer Einsicht, warum genau dieser Versuch natürlich nicht gut gehen konnte, was am leichtesten war, wenn er erfolgreich durch den nächsten ersetzt wurde. Kein Raum für Leere in mir blieb.

Dabei ist der Ersatz völliger Unsinn, weil jede Beziehung anders und keiner ersetzbar ist. Doch genügt die Ablenkung durch den nächsten mehr oder weniger glücklichen Versuch vollkommen vom unerträglichen Unglück über den Verlust der einen Liebe abzulenken, den ich immer nur dann vernünftig vertragen konnte, wenn ich meine Liebe schon vorher verloren hatte, während es mir bis zum tauglichen Ersatz unterschiedlich stark unvorstellbar schien, ohne die gewohnte Konstellation zu leben.

Mag Veränderungen nicht besonders und lasse am liebsten alles beim alten, weil es so gut passt, auch wenn es vielleicht gar nicht so gut passte, wann passen Männer und Frauen schon wirklich zusammen, es doch besser ist, es dabei zu belassen, weil Veränderung nur von wesentlichen Dingen ablenkt, neue aufwendige Suche bedeutet, was eine der wichtigsten Freizeitbeschäftigungen der Singles in den Großstädten wurde, zumindest, wenn du alle Dates in den Cafés beobachtest oder seit Corona auch auf den Bänken im Park.

Welche Veränderung sich gelohnt hat und welche ich lieber unterlassen hätte, wäre eine eigene Geschichte, die hier aber nur am Rande eine Rolle spielt, zumindest fällt mir als nach scheinbarer Objektivität strebender Beobachter meiner selbst doch auf, wie sehr das Streben nach Kontinuität den Drang nach neuem immer mehr überwog, warum mir die Furcht der einen, ich könnte sie verlassen oder betrügen so absurd schien und mit zunehmenden Alter hat das Bedürfnis nach Kontinuität das nach Abwechslung weit hinter sich gelassen, auch wenn ich es, seltsam genug, in den letzten zehn Jahren auch ungewollt immer wieder anders gelebt habe auf der Suche nach großer Liebe, kleinem Glück oder zumindest einem tragfähigen Kompromiss.

Kann für mich sagen, dass Bestand und Kontinuität in der Liebe bei nebenbei irgendwie vorhandener Sexualität, die Ansprüche sinken ja wie die eigene Leistungsfähigkeit mit zunehmendem Alter ein wenig, mir am wichtigsten waren, um ein gutes Leben zu führen und leistungsfähig zu sein, während der Mangel an dieser Kontinuität, mich immer wieder umtrieb und aus der Bahn warf, weil ich doch das Ideal der Familie leben, selbst eine gründen wollte. Die Versuche dabei und Versprechungen dazu summieren sich inzwischen und mehr als einmal war ich mir sicher, es nun ein Leben lang zu wollen, was als Anspruch schon manch vermeintlich große Liebe erschlagen hat und klein werden ließ, was nüchtern betrachtet eigentlich ziemlich schade ist.

Dennoch tauchten immer wieder Fälle auf, die vom irgendwie gleichen Traum besessen waren, es vielleicht auch aus ihrer Kindheit kannten und darum sich mit ähnlicher Begeisterung hinein stürzten wie ich, selten ohne baldige Enttäuschung, weil nichts so schön wird wie gehofft und wir uns nur gelegentlich dabei noch übertreffen, während die erwartungslos begonnenen Kompromisse eher dazu neigten, die nicht vorhandene Erwartung noch angenehm zu übertreffen.

Wann aber hat mich die Liebe am glücklichsten gemacht und welche hatte den größten Erfolg, fragte ich mich, um eine Maßstab dessen, was gut sein könnte im Gegensatz zu dem, was mich quälte zu finden und schon bei der Fragestellung fiel mir auf, wie schwer die Antwort werden würde. In unserer alles quantifizierenden und vermessenden Zeit, die schon an sich angezählt immer vom Wesen her ist, wird Wertigkeit numerisch meist bestimmt. Doch scheint reine Dauer eher ungeeignet als Maßstab des Glücks.

Auch unglückliche Beziehungen können besonders lange dauern, weil beide darin gefangen sind, was inzwischen die Erfahrung bestätigt und auch ein tragisches unverstandenes Ende, kann vor neuem Glück zu nichts werden, sogar, wenn es wie das Ende des Lebens zuvor noch schien. Was zumindest die physikalische Weisheit, dass eben alles relativ ist, im emotionalen Bereich erneut bestätigt. Zumindest weist es darauf hin, dass alleine die zeitliche Dauer nichts über die Qualität und Intensität der Nähe sagt, die sich manchmal sogar umgekehrt proportional verhält.

Dachte lange, weil es auch so von mir erwartet wurde, die letzte große Liebe sei die bedeutendste gewesen, weil sie am intensivsten war und die größten emotionalen Extreme hervorbrachte, immer wieder in Todesnähe shakespearesk schwankte, doch relativiert sie sich mit der Zeit immer mehr und die Realität des täglichen Leidens an Launen, das mich lange deformierte, hebt das scheinbare Ideal völlig auf, da bleibt sehr wenig übrig. Dennoch ist es naheliegend, dass immer die letzte große Liebe als die bis dato größte erscheint, weil sie eben auch zeitlich am nächsten liegt und was gäbe es schon für Gründe den ganzen Unsinn noch einmal zu wagen, wenn nicht jeder neue Versuch der allerbeste endlich werden sollte.

Heute, ein wenig neben mir stehend, um die Illusion der Objektivität wach zu halten, scheinen mir die großen leidenschaftlichen Lieben eher als erschöpfend und anstrengend, während die kleinen zarten, die zuverlässig blieben, mir in vielem idealer erscheinen als manche Göttin um die ich ewig meinte trauern zu müssen, was ich etwas ermüdet nur noch belächeln kann. Wo ich unbedingt wollte, voller Begeisterung und Gier war, habe ich auch den Sex zwar irgendwie aufregend in Erinnerung aber letztlich nicht so befriedigend, wie in den ruhigeren Fahrwassern, die ohne große Stromschnellen zum Ziel führten, auf denen nicht ständig neues Kentern drohte.

Wo sich Dramen abspielen, ist viel Gefühl dabei, wird der Sex meist großartig, echtes Theater eben, aber weniger der Sache als der Aufregung drumherum wegen. Auf Dauer ist guter Sex eben auch ein feinmechanisches Handwerk, was Erfahrung und Kontinuität braucht, um sich gut aufeinander einzuspielen, was manche nie ganz schaffen aber noch seltener darüber reden, zumindest miteinander, seltsamerweise. Aber warum und wie der Sex funktioniert oder die Lust sich verliert, ist eine andere Geschichte, die bei diesem Versuch über die Liebe weniger verloren hat, bei der Sex ja nur eine der Ausdrucksformen der Zuneigung und des Vertrauens ist aber eben nicht die einzige und meinem Gefühl nach auch nicht die entscheidende.

Ohne ein Verfechter arrangierter Ehen zu sein, wie gut dass dieser Zwang überwunden wurde, Gefühl entscheiden kann, wer sich bindet, scheint mir doch heute das Element der ruhigen Vernunft viel wichtiger als alle übrigen. Es sollte eben auch vernünftigerweise irgendwie passen. Wo geistige Welten passen, zwei miteinander reden können, sich ohne zu große Dramen verstehen, vieles auch ungesagt klar erscheint, die Umstände passen, sie nicht nur miteinander sondern vor allem auch beieinander schlafen können und sich dabei Kraft geben, ist schon die beste aller möglichen Konstellationen gefunden und klug ist, wer nicht mehr erwartet sondern damit glücklich leben kann und es zu würdigen weiß.

So schön der Traum von großer Leidenschaft, ewig wildem Sex und dem lodernden Feuer der Liebe ist, schöner noch lebt sich mit Zuverlässigkeit, Vertrauen, ruhiger Liebe und dabei natürlich schönem Sex, der sich aus der Harmonie von alleine ergben sollte, hier immer noch nicht Thema wird, das Produkt einer gelungenen Beziehung ist, nicht ihr Inhalt. Die Liebe als Lebensmittel taugt nichts, wo sie nur leidenschaftlich brennt, uns täglich verrückt macht, statt für ruhige sichere Versorgung der emotionalen Grundbedürfnisse zu sorgen, ein sicherer Leuchtturm zu sein, der Orientierung gibt.

Es ist schön sich gelegentlich feine Delikatessen zu gönnen, aber täglich möchte ich mein Roggenbrot mit Butter haben. Natürlich möchte ich meine Liebste nie einem Roggenbrot zu vergleichen, so sehr ich dieses liebe, doch eine vernünftige Basis, die als festes Fundament Grundlage auch emotionaler oder erotischer Höhenflüge sein kann, gefällt mir heute und mit Blick auf alle Erfahrung viel besser als jede verrückte Leidenschaft. Es ist vieles gut und leichter zu ertragen, wenn die Basis voller Vertrauen stimmt. Wo an ihr immer wieder gezweifelt wird, bleibt nicht viel übrig.

Das Roggengraubrot mit Butter oder nach Laune belegt, ist die Basis eines guten Lebens für mich. Schwarzbrot und Toast dazu sind netter kleiner Luxus. Dazu ein guter Tee, Wasser oder ein zuverlässiger Wein ohne Aromastoffe, manchmal noch ein Käse, genügen zum guten Leben, wie es Epikur als Ideal beschrieb. Dies im Bewusstsein, scheinen mir viele Ausflüge im wilden Wald von Liebe und Lust heute eher überflüssig. Wie ich eine gute Brotzeit als wichtigste Mahlzeit über alles schätze, möchte ich auch meine Liebe so leben. Klar und offen in der Basis, im Wissen um den verbindenden Kern, der einander gut tut und das auch nach seiner Natur kann. Dann wäre alles bestens und ich völlig erwartungslos glücklich und irgendwann findet sich genau das, denke ich, die Dinge sind ja nicht so kompliziert, lassen wir mal weg dass neben Roggenbrot auch Bücher zu meinen Grundnahrungsmitteln gehören uns es natürlich schön ist, auch gelegentlich gemeinsam zu essen.

jens tuengerthal 18.7.20

Samstag, 18. Juli 2020

Klüger

Klüger zu sein macht
Immer einsamer darum
Stellst du dich lieber dumm
Gemeinsam mit anderen
Sein zu können wie ihre
Anerkennung zu finden
Die lieber alle übersehen
Was mehr als sie je ist
So dümpelt die Welt aus
Angst vor Einsamkeit nur
Weiter in Grenzen herum
Die beschränkt nur sind
Aber mehrheitsfähig damit
Mehr ist es meist nicht
Darum wünsche dir nie
Klüger zu sein als wer
Bringt nur Ärger mit sich
Lebe bescheiden lieber
Denn mehr war es auch
Am Ende nie wert und
Lächel darüber

jens tuengerthal 18.7.20

Müssen

Wir müssen nichts sein
Außer irgendwann nicht mehr
Weil alles Sein endlich ist
Über Nichts nichts geht
Manche glauben lieber
Sie müssten noch was
Sehen oder tun bevor
Nichts immer mehr ist
Welch Illusion denn
Nichts muss

jens tuengerthal 18.7.20

Vom Narrentum

Der Narr bleibt immer der Narr
Er liebt ohne zu fragen was
Bleibt oder vernünftig zu sein
Manche spielen ihr Spiel mit
Dem scheinbar naiven Narren
Vergessen nur dabei leider
Sich überlegen fühlend
Der Narr ist die höchste Karte
Im Aberglauben des Tarot
Er sticht immer wenn es
Um die Zukunft dann geht
In unbekannter Realität
Siegt also logisch stets
Am Ende unklar nur wann
Dieses für wen kommt
Oder ob überhaupt

jens tuengerthal 18.7.20

Freitag, 17. Juli 2020

Liebesnarr

Bin und bleibe ein Narr
Der Liebe und des Lebens
Kann wohl Worte gut finden
Alles im Leben zu beschreiben
Dem großen Wunder der Liebe
Den romantischen Rahmen geben
Schöne Verse dazu dichten wie
Feinsinnige Frauen es lieben
Egal ob sie nur spielen oder nicht
Bleibe ich dabei stets der Narr
Weil ich um zu dichten an die
Liebe glauben muss was selten
Die nötige Gelassenheit schenkt
Und so bleibe ich ewiger Narr
Auf der Suche nach dem Glück
Was sich immer wieder verliert
Amüsant für alle Leserinnen

jens tuengerthal 17.7.20

Frauenherzen

O wie so trügerisch, sind Weiberherzen
Mögen sie klagen, mögen sie scherzen
Oft spielt ein Lächeln um ihre Züge
Oft fließen Tränen, alles ist Lüge
Habt ihr auch Schwüre zum Unterpfande
Auf lichtem Sande, habt ihr gebaut
Habt ihr gebaut
Ja, habt ihr gebaut

Sehnt euer Herz sich, nach süßen Stunden
Ein holdes Liebchen ist bald gefunden
Doch bitt're Reue, wird der empfinden
Der nur an Eine, sich fest will binden
Habt ihr auch Schwüre zum Unterpfande
Auf lichtem Sande, habt ihr gebaut
Habt ihr gebaut
Ja, habt ihr gebaut

So singt es der Herzog von Mantua
In Verdis Rigoletto und wie geflügelt
Wurden diese Worte längst der Welt
Die Franz I. einst zitierten der meinte
Oft ist die Frau trügerisch
Ein Narr, wer ihr vertraut
Was Victor Hugo in der Vorlage zum
Rigoletto über den weisen König
Schon spielerisch einsetzte auch
Doch gesungen erst ging es dann
Um die Welt als gleichsam Schlager
Die Tragik des Rigoletto des armen
Buckligen Narr am Hofe des Herzogs
Der die Verführung und Defloration seiner
Tochter durch den Verführer rächen will
Den Herzog von Mantua eben darum
Einen Mörder engagiert der aber dann
Weil er den Lohn für die Tat bereits erhielt
Rigolettos Tochter die sich wissentlich
Aber als der Herzog verkleidet nun
Für ihren Geliebten opfert um damit
Infolge von Irrtum und Unglück doch
Am Ende in den Armen ihres Vaters
Tragisch mit Bitte um Vergebung stirbt
Womit sich der Fluch gegen den Herzog
An ihm dem Narren tragisch erfüllte
Straft die Worte des Herzogs Lügen der
Als Frauenverführer nur der Lust folgt
Weil die eine für ihre Liebe sogar ihr
Leben bereitwillig noch opfert womit
Verdi sich vor den Damen verbeugte
Die der betrügerische Herzog der wohl
Lebte was er über Frauen sagte sich
So vermutlich nie vorstellen konnte
Doch irrte er darum völlig fragt sich
Wer schon mal sein Herz verloren
Von Frauen die er über alles liebte
Dafür nur verspottet wurde aber
Nichts als Hohn dafür erntete weil
Die Liebe eben wechselhaft wie
Das Wetter immer wieder sein kann
Größte Schwüre ewiger Liebe bald
Vergessen werden für den nächsten
Der deinen Platz lächelnd einnahm
Weiser wäre wohl alle Beteuerungen
Nicht ernster mehr zu nehmen als
Die Wettervorhersage noch die aber
Zumindest wissenschaftliche Basis hat
Was vom weiblichen Gefühl selten nur
So entschieden gesagt werden kann
Dessen Gründe kein Mann je kennt
Doch was wenn eine die Gilda ist
Die Liebe meint die sie erklärt
Alles auch sich dafür opfern würde
Wachsen hoffnungsvolle Zweifel in mir
Ob es gut sein kann dem Herzog hier
Mit Misstrauen gegen alle Frauen doch
Zu folgen um vor Täuschung stets sicher
Keine Enttäuschung mehr zu erleben
Aber dafür echte Liebe tödlich einmal
Wo es sie wirklich geben sollte zu verkennen
Das größte Glück für immer zu verspielen
Für jene die dich lange nur täuschten
Weil sie denen gleichen die der Herzog
In la donna é mobile so wunderbar besingt
Blind für die echte Liebe der einen die
Wiederkehrt um sein Leben zu retten
Bereitwillig das ihre dann opfert statt
Nur tägliche Dramen nahe dem Tod
Bis zu deinem Nervenzusammenbruch
Dir immer wieder vorzuspielen um dann
Bei erster Gelegenheit im nächsten Bett
Das alte Spiel mit Gefühl weiterzuspielen
Weiß nicht wer wirklich klüger ist hier
Schöner lebt sich im Glauben an die Liebe
Sicherer mit gesundem Misstrauen allen
Trügerischen Frauenherzen gegenüber
So balanciere ich zwischen Leben und Tod
Durch mein Liebesleben manchmal noch
Merke ich wo nur gespielt wird und doch
Ist Spiel in jeder Begegnung von beiden
Bleibt ein Narr wer dies verkennt immer
Nur aufrichtig ist ohne auch zu spielen
Was zur Natur der Liebe wohl gehört
So verkennt die besten Frauenherzen
Wer vorsichtig allen misstraut doch wird
Wer naiv wie ich zu schnell vertraut auch
Immer wieder um sein Leben leiden
Was ohne Liebe wertlos erscheint
Das Spiel geht ewig weiter bis wir
Füreinander oder einsam sterben
Wie es in aller Natur liegt

jens tuengerthal 17.6.20

Wassermühlentraum

Es klappert die Mühle
Am rauschenden Bach
Klingt es mir noch aus Zeiten
Der Kindheit als Volkslied im Ohr
Weckt Erinnerungen ans Wandern
Damals im Taunus oder Stadtwald
Von Frankfurt der Kindheitsstadt
Wie lebte ich wohl am liebsten
Fragte ich mich der in Berlin
Ganz zufrieden schon ist aber
Fragte mich wer was mein Traum
Vom Leben wäre wüsste ich genau
Es wäre eine wilde Mühle am Wald
Die sich selbst mit Energie versorgte
Quasi autonom somit wäre wie ein
Kleines Kraftwerk noch dazu den
Natürlich gewonnenen Strom dann
In das Netz nebenbei einspeiste
Daran langfristig vermutlich verdiente
Aber von Geld träume ich eher selten
Ein mir fern liegendes Gebiet immer
Abgelegen und in Ruhe mit meiner
Kleinen Bibliothek genug Raum
Für immer mehr Bücher noch
Hätte ich mit Wald und Büchern
Das Paradies schon fast für mich
Eine Liebe dies Leben zu teilen
Machte den Traum vollkommen
Vielleicht noch alte Scheunen dort
Für ein kleines Theater gelegentlich
Oder große Feste auch der Familie
Zeit täglich im Wald zu wandern
Irgendwo erreichbar ein Zug noch
Oder das von der Mühle getankte
Elektroauto mit gutem Gewissen
Für gelegentlich Lust auf die Stadt
Doch schreiben wie Leben täglich
Beim Klappern der Mühle wie dem
Rauschen des Wasser wäre ein Traum
Denke ich und frage mich warum
Ein solches Leben mir ideal schiene
Werde es noch weiter ergründen
Die Freiheit in abgelegener Einsamkeit
Oder doch lieber nur davon träumen
Gelegentlich Schubert dazu hören
Aber in der lebendigen Stadt bleiben
Zum Träumen die Augen schließen
Damit Träume auch Träume bleiben
Landleben ist meistens ungeistig mit
Viel körperlicher Arbeit anstatt die
Das notwendige beisammen hält
Weil Natur gefräßig Raum greift
Die Eindringlinge gerne verdrängt
So bleibt der schöne Traum des
Städters von romantischer Mühle
Eine fernliegende Illusion wohl auch
Realistisch nur mit ganz viel Geld
Schön zu träumen in einsamen Nächten
Die besser nicht mehr einsam wären
Was wichtiger mir wohl als alle sonst nur
Wassermühlenknabenmorgenträume wäre

jens tuengerthal 16.7.20

Donnerstag, 16. Juli 2020

Lebensleuchtturm

Einen Leuchtturm zu haben hilft
Im Leben Kurs zu halten wo du
In schwere Stürme gerätst die dir
Jede Aussicht jemals wieder noch
Land zu gewinnen rauben um dort
Hoffnung zu behalten warum sich
Jeder bevor er in See sticht solch
Einen suchen sollte um sich nicht
In den Unwettern des Alltags erst
Am fernen Horizont einen suchen
Zu müssen was schon manchen
Zu Schiffbruch geführt hat der dort
Seinen Kurs nicht mehr fand von
Irrlichtern getäuscht wild kreutzte
Statt auf Kurs zu bleiben wie es
Auch in Not noch angemessen
Wäre verlierst du dich dann völlig
Wo kein Licht mehr in Sicht ist
Nach dem du streben kannst um
In den sicheren Hafen zu gelangen
Weise wäre es an Land zu bleiben
Sich nicht der See mehr auszuliefern
Statt meinen noch Reisen zu müssen
Doch suchen wir Weisheit vergebens
Wo Leidenschaft und Gefühl regieren
Die manche fälschlich immer wieder
Für Leuchttürme halten dabei sind sie
Nur Untiefen und Klippen unterzugehen
Im schweren Sturm hilft uns alleine
Ein klarer Blick und Ruhe um auch
Den Leuchtturm rechtzeitig zu sehen
Wo er steht und sich drehend zeigt

jens tuengerthal 16.7.20

Mittwoch, 15. Juli 2020

Blutboden

Was entscheidet wer Bürger eines Staates ist?

Hier fallen schnell die Stichworte Blut als Verwandtschaft oder Boden für den Ort der Geburt. Die Frage von Blut oder Boden sind im Staatsrecht unterschiedlich geregelt je nach Tradition und Selbstverständnis eines Staates. Es wird dies, wie vieles im Recht, lateinisch benannt als ius solis oder terrae, für ein Recht, bei dem es für die Staatsbürgerschaft darauf ankommt, wo einer geboren wurde, nicht welches Blut in seinen Adern fließt. Dies ist dagegen für das ius sanguinis entscheidend, welches darauf setzt, von vem jemand abstammt, um zu entscheiden, wessen Staates Bürger er ist. Wer Kind eines Staatsbürgers ist, wird grundsätzlich Bürger dieses Staates. Anderes gilt unterschiedlich.

Die USA haben lange dem Ort den Vorzug vor dem Blut gegeben, auch heute noch, soweit diejenigen nicht Kinder illegaler Einwanderer sind, gegen die Trump seine große Mauer baute, um Sicherheit zu suggerieren, die wenn von Innen kommen muss und in einem bis an die Zähne bewaffneten Staat relativ unwahrscheinlich ist. 

Deutschland hat lange wie einige Staaten Europas nur auf das Blut, also die Verwandtschaft gesetzt, warum ehemalige Wolgadeutsche auch mit russischem Pass jederzeit zurück in die Blutheimat durften, während Einbürgerung lange schwierig war, mancher über dunkelhäutige Nationalspieler die Nase rümpfte, die beliebteste Frage auch eigentlich eher nicht rassistisch gesinnter Deutscher war darum, woher jemand stamme, der eben nicht typisch deutsch aussah, was bei unserem Nachbarn Frankreich, der ein relatives Bodenrecht hatte, keine Frage war.

Ob darum die Integration der Zuwanderer in Frankreich besser klappte als in Deutschland, könnte wohl gestritten werden. Manche sahen die Zustände als je schlimm an und wurden zu Wählern von Rechten, die von großer Nation oder Blutreinheit schwärmten, ohne etwas verbessern zu können an Intergration und Miteinander, im Gegenteil. Andere beschimpften diese als Rassisten, was nur teilweise falsch war. Die Situation und der politische Umgang damit glich sich in Frankreich und Deutschland. Dabei war Frankreich ohne das schlechte Gewissen der Shoah leichter radikal, das Fehlen dieser Verantwortung bei vielen Bürgern im Osten Deutschlands spiegelte sich auch in Wahlen, in denen sich immer mehr demokratieferneren Parteien am politischen Rand zuwandten und damit das Problem noch verschärften,

Die USA unter Trump, der den latenten Rassismus dort für sich nutzt, sind ein zutiefst gespaltenes Land, in dem sich beide Seiten peinlich eher sind. Religiöse Fanatiker und Egoisten stehen liberal gesinnten gegenüber, die eine Diktatur der Trumps fürchten, gegen die sich wiederum diejenigen wenden, die genug von der Diktatur der politischen Korrektheit haben. Trump zwar nicht für klug halten, wer könnte das inhaltlich schon, aber für weniger korrupt als das demokratische Establishment und beide sind unversöhnlich davon überzeugt, dass die die andere Seite nur in eine peinliche Katastrophe führen kann, weil sie die Zeichen der Zeit nicht erkennt, die sie wiederum genau kennen würden. 

Als liberaler Europäer halte ich das Trump-Lager auch für eher absurd aber zum Glück lebe ich in Europa und nicht in den USA und muss dort nichts entscheiden oder beurteilen, würde mich nur über diese anmaßende regierende Dummheit vermutlich aufregen, habe nicht mal vor in diese Verrückten Staaten zu reisen, wenn ich es nicht muss und solange es nur so ökologisch fragwürdig möglich ist.

Grundsätzlich gilt das Blutrecht für alle. Danach ist, wer nachweislich Kind mindestens eines Staatsbürgers ist, auch Staatsbürger des entsprechenden Staates mit allen Vor-und Nachteilen, die so etwas bringen kann. Daneben kann sich auch der Ort der Geburt oder die Zeit, in der einer in einem Staat wohnhaft war, auf das Recht der Einbürgerung auswirken.

Ob die eine oder andere Betrachtung zu mehr oder weniger Rassismus führt, lässt sich nicht sagen. Die USA zeigen, auch ein liberales Bodenrecht hindert die Menschen nicht daran, zu meinen, dass bestimmte Menschen nicht zu ihnen gehören und rassistisch ausgegrenzt werden müssen. Besonders abstrus ist dies, da diese Rassisten selbst als Einwanderer in ihr Land kamen, was sie nun, die nie Eingeborene dort waren, mit Gewalt gegen alles Fremde verteidigen wollen, nachdem sie zuvor die Ureinwohner diskriminierten.  In Deutschland dagegen konnte in der ersten Republik nach dem ersten Weltkrieg, der sogenannten Weimarer Republik, die ihr Ausweichquartier zeitweise dort suchte, um vor den Kämpfen in Berlin zu fliehen, Rassisten die Macht erobern, die über abstruse Theorien der Abstammung Menschen aus der Gemeinschaft ausschließen und vernichten wollten. Darunter fielen Juden, Behinderte, Angehörige Ziganer Stämme, Homosexuelle und alle, die vom deutschen Durchschnitt abwichen. Diese staatliche Ausgrenzung wurde nach den Nürnberger Gesetzen mit einem abstrusen naturwissenschaftlich verbrämten Rassismus legitimiert und geordnet - was daraufhin mit perfider Perfektion zurverlässiger deutscher Beamter geschah, war nur noch die Konsequenz dessen, in der Ideologie von Anfang an angelegt, warum es überrascht, das viele so lange brauchten, dies zu erkennen.

Allerdings war die Zeit, in der die NSDAP erfolgreich im Land wurde auch die nach der großen Depression an der Börse, einer wirtschaftlichen Krise, die radikale Kräfte am Rand, die einfache Lösungen anboten stärkten. Überall wo die demokratische Mitte an Boden verliert und die Ränder zunehmen, ist die Demokratie in Gefahr, wie sehr hängt an vielen Faktoren. Weimar scheiterte am falschen Vertrauen gegenüber einer Organisation, die den totalitären Staat unter ihrem Führer schaffen wollte und mit der keiner zusammenarbeiten sollte. Vielleicht gibt es darum, zumindest im Westen eine besondere Aufmerksamkeit für totalitäre Strukturen und ihre Gefahren, vielleicht braucht es im Osten einfach noch eine gewisse Zeit, bis die mittige Stabilität Verankerung findet, derzeit wäre Weimar in Thüringen eher am Rand der Extreme als ein ruhiger Ort der Mitte aber es bleibt zu hoffen, dass die Zeit es richten kann und das Zentrum der deutschen Klassik auch politisch wieder in der Mitte ankommt, in der es geografisch liegt und die Angst vor Fremden sich auch in Neufünfland mit der Zeit legt.

Das Verwandtschaft, also Blut, die Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft begründet, ist unstrittig. Das gilt für alle Staaten. Kinder der Staatsangehörigen sind Staatsangehörige und das ist auch der natürliche Weg des Fortbestandes einer Gemeinschaft. Andere Staaten waren auf Einwanderung angewiesen oder wurden durch diese groß. Sie halten dies Prinzip hoch, das mehrheitlich auf dem amerikanischen Kontinent und im angelsächsischen Raum gilt. In Zeiten der Völkerwanderung siedelten sich Stämme verschiedenster Völker in ganz Europa an. Von den slawischen Gothen bis später zu den Normannen in Frankreich und so bildeten sich bestimmte Gemeinschaften und ihre Eigenarten.

Der Gedanke einer Blutreinheit oder eines ursprünglichen Volkes ist so lächerlich wie die Gentests, die dir bestimmte Anteile deiner Vorfahren nachweisen wollen und damit die rassistische Form des Denkens als Geschäft in die Neuzeit überträgt. Eine Freundin von mir bekam einen solchen Test von ihrer Mutter geschenkt und ich sagte ihr, dass ich das seltsam und zutiefst rassistisch finde, sie verstand es nicht und nannte lieber mich, da Deutscher, einen Rassisten, was sie der Geburt und dem Pass nach auch war, aber verbergen konnte, wenn es dazu diente mich als typischen Deutschen zu stigmatisieren. Da in diesem Fall der übliche Rassismusvorwurf nicht gepasst hätte, hörte ihn vorher schon oft genug, kam nun die deutsche Antirassistische-Hysterie als Typisierung.

Es gibt für mich keinen Unterschied zwischen afrikanischem und schwedischen Blut. Wenn Menschen aus bestimmten Regionen gehäuft ein spezielles Verhalten zeigen, liegt dies eher an den Lebensbedingungen als an ihrem Blut, also den sozialen Verhältnissen und Sitten, die sie prägten. Nachweise dazu sind mit größter Vorsicht zu genießen und nur eine moderne Form des Rassismus, der im schicken Gewand des Gentests zu den Wurzeln daherkommt, in Wirklichkeit aber Menschen regional nach ihren Genen zuordnen will, was meist nur Produkt der Phantasie ist, da wir um viele Einflüsse immer noch nichts wissen. Solche pseudo-historischen Gentests sollten nicht erlaubt werden. Sie fördern rassistisches Denken und Engstirnigkeit mit biologischer Ausrede.

Staatsangehöriger sollte sein, wer es sein möchte und dafür nötige grundlegende Bedingungen erfüllt. Zu den Bedingungen gehören die Kenntnis der Sprache wie der Kultur, um Teil der Kultur auch zu werden und sich am Gemeinwesen aktiv auch als Wähler beteiligen zu können. So ähnlich ist es in Deutschland inzwischen geregelt, was vernünftig ist und den Staat weitergebracht hat als die zu lange Stagnation im Festhalten am Blut, das sich nicht genug mehr vermehrte und wandelte.

Zur Wahrung der Harmonie in einer Gemeinschaft und zur Verhinderung von Parallelgesellschaften, die den sozialen Frieden stören können, ist es aber auch wichtig eine konstruktive Integration auf Basis der in einer Region gewachsenen Werte zu suchen. Wo es ein zu viel in die eine oder andere Richtung gibt, werden schnell die extremistischen  Ränder gestärkt, die eher zur Destabilisierung neigen und damit nicht im Interesse der Mehrheit sein können. Es können auch verschiedene Kulturen auf ihre Art in großen Städten nebeneinander leben. In ländlichen Regionen fällt das manchen schon schwerer. Doch was in Berlin funktioniert, muss in Erfurt oder Dresden darum noch lange nicht so funktionieren und was in Kreuzberg geht, könnte in Lichtenberg oder Pankow auf Ablehnung stoßen und das nicht des Blutes wegen, sondern aufgrund kultureller Gewohnheiten, die sich erst sehr langsam verändern.

Wäre es erstrebenswert, dass jeder, der hier geboren ist, den deutschen Pass automatisch bekommt oder sollten wir klar auswählen, wem wir eine Staatsbürgerschaft geben und wen wir als Mitglied unserer Gemeinschaft wollen?

Gibt es einen Anspruch auf Staatsangehörigkeit oder muss diese sich verdient werden?

Der Staat sollte auch ablehnen können, wen er nicht aufnehmen möchte, weil sie der Stabilität schaden und nur für Unruhe sorgen. Doch muss neben solchen Fällen auch eine sichere Aussicht bestehen, die nicht an der Willkür einer Behörde hängen darf. Wer im Land lebt, die Sprache spricht und sich um Integration bemüht, sollte eine sichere Aussicht haben, wie es ja in Deutschland relativ vernünftig und ohne größere Hysterie geregelt ist.

Ob und warum Menschen mehrere Staatsbürgerschaften haben sollen oder dürfen, ist eine andere Frage. Zumindest insoweit ihnen Nachteile daraus erwachsen, wenn sie es nicht haben, sollten ihnen keine unnötigen Steine in den Weg gelegt werden. Ansonsten wäre die Entscheidung für eine Gemeinschaft wünschenswert, um dort auch anzukommen. Nicht weil Multikulti schlecht wäre, jeder mag nach seiner Fasson selig werden, sondern um für Klarheit und Entscheidung zu sorgen, statt ständig zwischen den Welten zu leben, was viele Menschen immer unruhig macht, keinem Vorteile bringt.

Ist ein globales Nomadentum erstrebenswert, mit dem sich manche Vielreisende Umweltsäue heute schmücken?

Die Fragestellung gibt schon die Antwort. Auf keinen Fall. Diese Menschen sind eher ein Problem auch weil sie Keime und Krankheiten für Pflanzen aus den verschiedensten Regionen einschleppen, was mehr als fragwürdig ist. Offenheit gegenüber anderen Kulturen ist wunderbar und zeigt einen toleranten Geist, doch muss dazu nicht jeder überall gewesen sein. Dies Denken ist so vorgestrig und nicht mehr der Zeit entsprechend, obwohl bei zu vielen noch weit verbreitet, wie kaum etwas anderes. Corona hat uns rasend vorgeführt welch gefährliche Folgen die Globalisierung auch haben kann, insofern sie Krankheiten weiter trägt, Ökosysteme durch Einschleppung unbekannter Schädlinge nachhaltig schädigt und dazu noch das Klima mit dem Reisen zerstört. Dagegen etwas zu unternehmen wäre dringend geboten. Globaler Tourismus ist nur Ausdruck von geringer Verantwortung, aber führte ab vom Thema Blut oder Boden, um das es hier geht.

Grundsätzlich gehört zu einer Gemeinschaft, wer in sie hineingeboren ist und in ihr aufwächst. Wer Mitglied werden möchte, sollte die Chance haben, es könnte die Gemeinschaft bereichern und ihr gut tun. Wer in einem anderen Land geboren wurde aber Eltern hat, die Staatsangehörige sind, sollte das gleiche Recht haben. Wer egal wo geboren, eine neue Heimat hier findet und dazu Staatsbürger werden möchte, sollte es dürfen unter den dafür nötigen Bedingungen, die den Umständen angepasst werden können. Insofern sich das Blut eines Deutschen nicht von dem eines Afrikaners oder Russen unterscheidet, sollten für alle die gleichen Chancen gelten vom Blut her gesehen. Verwandtschaft zählt natürlich über allem, wer sich nun warum auch immer mit wem auch immer paart, das hat der Staat nicht zu beurteilen.

Dabei zurüchallend aber doch klar auf Integration und gemeinsame Werte zu achten, ist wichtig, um die Gemeinschaft und den sie tragenden Konsens stabil zu halten. Alles Selbstverständlichkeiten eigentlich, die über die Blut-Boden-Diskussion lange in Vergessenheit gerieten. Wir können nur soweit integrieren, wie es die Stabilität der Gemeinschaft nicht gefährdet. Ob darum in Neufünfland gerade dringend mehr Ausländer integriert werden sollten, um schneller Normalität zu erlangen oder damit langsamer vorgegangen werden muss, um eine Gewöhnung zu erreichen, wird zu den Punkten der Diskussion gehören, die dazu künftig zu führen sind.

Denke es gibt nicht mehr die eine oder andere richtige Richtung bei der Staatsbürgerschaft und diese Blut oder Boden Unterscheidung sollte langsam hinfällig werden für ein flexibles Modell, das sich den jeweiligen Umständen anpassen kann. Mal dringend mehr Zuwanderung, dann eine Beschränkung weil die sozialen Systeme und die Gemeinschaft es nicht tragen können und irgendwo dazwischen findet sich ein Weg des besten Kompromisses für die Zukunft. Es gibt auch dabei keine absoluten Wahrheiten aber mehr Offenheit für tragfähige Kompromisse, könnte manche Hysterie an den hysterischen Rändern besser integrieren.

Weder können wir es völlig freigeben, jeden aufnehmen, noch hat ein reines Abstammungsrecht eine langfristige Zukunft. Der Kompromiss liegt wie immer dazwischen und damit zu leben gewährt die größte Chance auf langfristige Stabilität, bei der uns der Staat so wenig wie möglich stört und nur so funktioniert, wie er eben soll. Was mehr könnte auch erreicht werden?

jens tuengerthal 15.7.20

Dienstag, 14. Juli 2020

Erbgut

Was macht das Erbgut aus und woher kommt es?

Bis ins 19. Jahrhundert war Erbgut das materielle Gut, was der Erblasser seinen Erben, also meist der Familie, hinterlässt. Heute denke ich bei Erbgut auch an die Anlagen, die durch Vererbung, also biologisch weitergegeben werden. So hat die Naturwissenschaft eine Begrifflichkeit übernommen und besetzt, die statt mit Tod plötzlich mit Zeugung und Weitergabe dessen, was uns organisch prägt, zusammenhängt.

Die Erkenntnis, wie ein Mensch entsteht, indem das winzige Spermium in die wesentlich größere Eizelle eindringt, ihre Kerne verschmelzen, der halbe Chromosomensatz zu einem ganzen wird, ist erst Mitte des 19. Jahrhunderts gewonnen worden. Bis dahin grassierten viele, teils auch religiöse Vorstellungen zur Zeugung, bei der auch die Philosophie des Aristoteles lange eine Rolle spielte, gemischt mit der christlichen Anschauung, nach der die Frau nur das Behältnis war, die Frucht des Mannes auszutragen. Diese Sicht wurde noch lange vertreten, obwohl Züchter im Tierreich längst ein anderes wussten, aber die menschliche Sonderrolle eben ein Glaubenssatz war.

Die Idee einer Schöpfung und eines Schöpfers, der den ganzen Prozess steuert, der schlicht biologisch unter bestimmten Bedingungen abläuft, hielt sich noch lange in vielen Köpfen, auch wenn den Beteiligten dabei schon klar gewesen sein wird, was sie tun und der Erfolg dabei auch gegen eine völlige Ahnungslosigkeit spricht. In der Antike hatten die Menschen da wohl einen direkteren Zugang zur Natur und haben die Beteiligung höherer Wesen nur dazu gedacht, aus welchen Gründen auch immer, doch hat dieser Erfindergeist, der unsere Existenz nicht mit dem Tod enden lassen will, eine lange Tradition in der menschlichen Geschichte, fraglich nur, ob der Aberglaube in unserer Natur liegt oder immer wieder kulturell erworben wird.

Den Ablauf der Vererbung wie die dabei geltenden Regeln entdeckte der mährisch österreichische Priester Georg Mendel im 19, Jahrhundert, nach ihm wurden sie auch benannt, vermutlich ohne die Absicht, damit die göttliche Beteiligung an der Zeugung und der Entstehung der Arten überflüssig zu machen. Die weitgehenden Konsequenzen dieser Entdeckung wurden erst langsam deutlich, bis heute zweifeln noch manche Gläubige an der Selbständigkeit der Natur und suchen nach neuen Punkten, an denen sie ihren Schöpfergott glaubwürdig platzieren können, nennen sich dann Kreationisten und vertreten manch absurde Ansichten, die bis zum Urknall reichen, vor dem außer Gott nichts gewesen sein soll, auch wenn wir natürlich wissen und beweisen können, dass Energie nie verloren geht, der Urknall also durch andere Energie verursacht worden sein muss, die durch vorhergehende Ereignisse konzentriert werden musste, weil Natur schlicht zyklisch funktioniert.

Spannend ist wie gleich wir nominell das Ende des Lebens, also das, was an Gütern hinterlassen wird, mit dessen Anfang und Entstehung setzen. Die Vererbung bestimmter Merkmale bei der Zeugung neuen Lebens als ein Fortleben betrachten. Viel des Vokabulars der Entdecker von Humboldt bis Darwin und Mendel, ist noch vom vorherigen Geist der patrilinearen Strukturen geprägt, denen die Natur aber zeigte, wie es tatsächlich ablief, als die Menschen lernten hinzuschauen und zu beobachten, auch wenn sie es noch mit dem gewohnten Vokabular benannten, weil sie eben auch Kinder ihrer Zeit waren.

Nicht der große starke Mann ist der Erzeuger, sondern die Verschmelzung des winzigen männlichen Spermiums mit der im Vergleich riesigen Eizelle kann Leben natürlich entstehen lassen und das Erbgut kommt von beiden zu gleichen Teilen, wobei sich verschiedene Merkmale unterschiedlich stark oder ganz neu kombiniert fortsetzen. Dies brachte manche althergebrachte Überzeugungen, die das patrilineare Weltbild trugen, in Wanken. Erstaunlich schnell änderte sich infolge auch das Erbrecht und Frauen wurden formell zumindest teilweise relativ gleichberechtigt, der vorherige Ausschluss war nicht mehr zu rechtfertigen.

Warum Menschen aus den Erkenntnissen Darwins, die sie noch mit der Philosophie Nietzsches nach Belieben munter mischten, eine Rassenlehre ableiteten, lässt sich logisch nicht erklären, sondern vermutlich nur aus dem ideologischen Zusammenhang verstehen, der auch die USA lange verleitete Menschen mit dunkler Hautfarbe als Sachen zu behandeln, die anderen gehören konnten, also Sklaverei für legitim zu halten, auch wenn sie über diese Frage noch einen Bürgerkrieg führten, der allerdings nichts an der realen Diskriminierung nach Hautfarbe bis heute geändert hat, wie gerade wieder deutlich wird.

Die schlimmste Variante dieses Rassismus, der auf Vernichtung zielte, wurde vom Hitler-Regime im Namen Deutschlands aus einer Pervertierung der Erblehre entwickelt. Während die Sklaverei auf Ausbeutung und Nutzung aus ökonomischen Gründen zielte, wollte diese Ideologie einer Gruppe Menschen nach Religion oder Herkunft aussortieren und vernichten, weil sie sich für besser hielten und meinten so ihr Überleben nach der Natur sichern zu müssen. Es gibt für eine solche rassische Unterscheidung nach Glaube oder Herkunft keinen Grund, der sich aus dem Erbgut oder der Abstammung begründen ließe. Durch willkürliche Ausgrenzung sollte der Zusammenhalt der Mehrheit gestärkt und eine völkisch genannte Gruppe geschmiedet werden, wie es einige verwirrte Zeitgenossen heute noch versuchen.

Die Kenntnis vom Erbgut hat so einerseits die Gleichberechtigung der Frauen ein wenig, zumindest beim Erbe vorangebracht, auch wenn es bis zur vollständigen Gleichberechtigung in großen Teilen der Welt noch ein weiter Weg ist, andererseits im missverstandenen Darwin eine Ideologie begründet, die Menschen nach Rassen unterscheiden wollte und aus der bloßen Herkunft oder Religion Unterschieden im Wesen ableiten wollte für die es biologisch keinerlei Begründung gab oder gibt. Im Gegenteil können wir angesichts der genetischen Ähnlichkeit jede Unterscheidung nach Rassen unter Menschen heute für historisch erklären.

Ob, was unser Wesen ausmacht, dabei stärker das Produkt unserer Erziehung oder tatsächlich durch Erbanlagen bedingt ist, kann insoweit dahinstehen. Die Leere vom weißen oder beschriebenen Blatt wäre ein anderes Kapitel, was beim Thema Erbgut wohl auf zu weite Abwege führte. Die Anlage völlig auszuschließen, ist vermutlich so falsch wie anzunehmen der Mensch würde nur durch Prägung geformt. Beide Elemente spielen auf ihre Art eine Rolle und den einen oder anderen zu übersehen, gäbe nur ein unscharfes Bild, machte sozusagen kurzsichtig.

Traue mir dies betreffend kein sicheres Urteil zu und denke aber auch die Spezialisten der jeweiligen Bereiche neigen gern zur horizontalen Beschränkung, indem sie ihren Bereich überbetonen. Der Mensch und was ihn ausmacht, ist zu komplex, um ihn auf eine Theorie oder Richtung reduzieren zu wollen. Es spielen dabei verschiedene Aspekte eine Rolle und dazu gehören vermutlich auch noch einige von denen wir bisher noch nichts oder wenig verstehen. Je tiefer unsere Kenntnis im einen oder anderen Bereich wird, desto mehr halten wir ihn für ausschließlich und übersehen dabei gerne, was noch möglich wäre, weil der konzentrierte Blick aufs Detail auch gern den Überblick verliert.

Zumindest mir geht es so, wenn ich mich mit etwas besonders stark beschäftige und alles darüber wissen will, ist die Gefahr den Überblick für die Zusammenhänge zu verlieren besonders groß. Will damit nicht sagen, dass die Generalisten, die von allem nur ein bisschen wissen, den besseren Überblick hätten, dazu fehlt es meist an Sachkenntnis, wie ich zumindest von mir sagen kann, der ich weder Naturwissenschaftler noch Geisteswissenschaftler oder Erzieher bin, keiner Überzeugung ganz anhänge, sondern eher der Meinung bin, dass viel mehr Einfluss auf mich hat, als ich begreifen kann und auch wenn ich mir viel Mühe gebe, mit meinen naturgegeben eben beschränkten geistigen Mitteln immer nur einen Bruchteil am Rand streifen kann. Würde ich mich mehr mit den Details beschäftigen, um zumindest von etwas eine genaue Ahnung zu haben, würde ich mich vermutlich darin verlieren und den Zusammenhang weniger sehen können, der mir wichtiger scheint.

So habe ich von nichts wirklich Ahnung, denke nur, er spielt alles und noch mehr eine irgendwie Rolle bei dem, was unser Wesen ausmacht. Anmaßend und beschränkt scheinen mir jene, die behaupten eine sichere Wahrheit zu besitzen, die allein selig machend sei, sagen, sie wüssten, wie es sei. Weder wird die genaue Kenntnis unseres genetischen Codes je ausreichen, unser Wesen zu verstehen, noch wird den Menschen ganz verstehen, wer sein Erbgut ignoriert.

Vielleicht ist das Gegeneinander der jeweiligen Theorien auch mehr der Grund für die Probleme beim Verständnis unseres Verhaltens. Versuche ich an einem Beispiel, was ganz natürlich uns scheint, wie etwa der Liebe, herauszufinden, was alles meine Entscheidungen beeinflusst, merke ich schnell, wie komplex die Dinge eigentlich sind.

Was ist bei unserer Wahl genetisch determiniert, wen können wir gut riechen und wer stinkt uns, was zieht uns an und was stößt uns ab, welche Rolle spielen unsere Erfahrungen mit Liebe und Sexualität dabei, was ist unsere Natur, wo passen wir uns nur an Konventionen an, gibt es reines und natürliches Gefühl oder ist das eine Illusion, sind die Triebe stärker als der Wille, wo spielen wir konventionelle Spiele, um zu gefallen, was tun wir unserer Natur gemäß beim Balzen, wo sind wir echt und wo Opfer unserer gesellschaftlichen Rolle, habe ich je genug Abstand, wenn Gefühl im Spiel ist, all diese Fragen vernünftig und objektiv zu betrachten und wie richtig kann eine nur vernünftige Betrachtung der Liebe je sein, sind nur einige Fragen, die sich mir dabei stellen und die mir zeigen, dass mein Horizont sicher zu beschränkt ist, sich alle Gründe für die Liebe, warum sie auftritt oder verschwindet, klar zu machen.

Wenn es aber bei der Liebe schon so komplex und kompliziert ist, die doch ein ganz natürliches Gefühl ist, was wir meist einfach hinnehmen, wenn es auftaucht oder verschwindet, wie sollte ich dann annehmen, eine Theorie oder eine Betrachtungsweise, bezogen auf das Genom oder die Prägung würde genügen, das menschliche Wesen und alles, was ausmacht, zu beschreiben?

Mögen klügere als ich, sich diese Frage für sich beantworten, mir reicht es an dieser Stelle schon, begriffen zu haben, es dürfte beides eine Rolle spielen und es geht weniger darum, wer von beiden recht hat, als vielmehr, wie ich in der ungeheuren Komplexität der Gründe, die einen Menschen zu seinem Handeln bestimmen, einen Weg finde, der zu mir passt und mit dem ich mich wohl fühle, der also meine Lust am Leben mehrt.

Das Wort Erbgut enthält für mich entsprechend auch mehr als die reduzierte Sicht unserer genetischen Anlagen oder das materielle Gut derer, die vor uns waren. Viel spannender finde ich etwa die Frage, inwieweit die Kultur, in der ich aufwuchs, von der Familie bis zum postmodernen aufgeklärt abendländischen Denken mein Wesen prägen, was ich davon erkennen und benennen kann als Teil meines Erbes.

Denke ich etwa an Tischsitten, mit denen ich in der Familie aufgewachsen bin, die mich als Kind manchmal genervt haben, die aber für mich so selbstverständlich wurden, dass ich auch im Schnellimbiß nie auf die Idee käme, die Ellbogen auf den Tisch zu legen, auch wenn das essen eines Hamburgers schwer mit anständigen Manieren und ohne zumindest gelegentlich zu stopfen, zu bewältigen ist, wäre es mir sogar dort wichtig, sich vor dem Essen, falls ich nicht alleine bin, die Hände zu reichen und das ganze mit der möglichen Würde zu handhaben, die diesem Kulturvorgang gebührt.

Dies ist sicherlich anerzogen und Teil der Kultur meiner Familie, die gerade bei großen Essen, wo alle eng gedrängt sitzen, darauf wert legt, dass alle Teilnehmer die Spielregeln beherrschen, um so an einer schön gedeckten Tafel mit der dieser entsprechenden Würde zu essen, zumindest anfänglich, da die Toleranz den Sitten gegenüber mit zunehmendem Alkoholgenuss größer wird. Aber es ist auch Teil einer ererbten Tradition, die schon die Großväter so praktizierten, wie sie es von ihren Eltern und Großeltern lernten, die mit einer feinen Tafel und dem entsprechenden Benehmen dort zeigen, dass sie Kultur haben und die Familie mit dieser zu feiern wissen.

Während in meiner Kindheit noch sich meine Onkel wie mein Vater aus kleinen Übertretungen der Regeln unter dem strengen Blick ihres Vaters einen Spaß machten, wurden sie, zumindest teilweise, spätestens mit dem Verschwinden der vorigen Generation zu Sittenwächtern, die mehr oder weniger streng die Einhaltung der gewohnten Form anmahnen und ich fürchte, sollten wir die Tradition weiterhin pflegen, in die selbe Rolle hineinzuwachsen, wie ich schon bei meiner Tochter bemerke, dass sie zwar spielerisch die Regeln mit ihren jüngeren Cousins oder Cousinen übertreten kann aber doch als älteste auch genau darauf achtet, was nun geboten ist, weil sie die Tradition als Teil ihres Erbes aus verinnerlicht hat.

Zu einem großen mehrgängigen Essen gehören bestimmte Sitten und Regeln, um dieses zu würdigen und schön zu machen. Erst sie machen es auch zu einer Zeremonie, die in Erinnerung bleibt und so weitergetragen werden kann. Damit werden sie Teil unseres Erbes.

Kommt es wirklich auf die Sitten und Manieren an oder sind sie nur der formelle Rahmen, der längst überholt ist und nur einer untergegangenen Kultur entspricht, die wir unzeitgemäß traditionell zelebrieren?

Wie meine Familie ihre Feste zelebriert, hat etwas vom vergangenen Jahrhundert und noch älter. Wir feiern damit unsere Tradition. Etwa beim Tischgebet, das ich radikaler Atheist selbstverständlich und aus voller Überzeugung mitspreche, weil es dazugehört oder beim sich die Hände reichen, bevor mit dem Essen begonnen wird. Vieles an unseren Zeremonien auch an Weihnachten, erinnert mich an die Buddenbrooks, bis zu den Witzen und Dialogen nach dem Essen in lockerer Runde, wie ich es bestimmt schon mehrfach erwähnte aber mit zunehmendem Alter neigen wir Menschen eben auch zur Wiederholung und so ist dies doch ein irgendwie Ausweis meiner Menschlichkeit denke ich, um die eigenen Mängel schön zu reden und die stete Wiederholung zu legitimieren.

Damit an einer großen Tafel mit Großen und Kleinen ein mehrgängiges Menü mit der entsprechenden Würde zelebriert werden kann, bedarf es gewisser Spielregeln, die den Ablauf sichern und auch das Vertrauen darauf, dass jeder diese irgendwann verinnerlicht hat. Wo diese nur als Gehorsam gegenüber autoritärer Strenge befolgt werden, um im System zu funktionieren, haben sie keinen eigenen Wert sondern wären reine Formalie, wie es einem Beobachter scheinen könnte, der nicht mit den bürgerlichen Sitten so vertraut ist, die jede Nahrungsaufnahme zu einer kleinen Zeremonie machen, die auch ihren Stand und ihre Würde feiern wollen.

Wäre dies nun wieder nur eine bloß klassenkämpferische Distanzierung gegenüber den Proleten, die sich nicht zu benehmen wissen, wäre es ein bloß eitles Überbleibsel, was zwar traditionell vom Wesen her wäre aber ansonsten wertlos bliebe außer zur Pflege der eigenen Eitelkeit. Denke aber gerade das Erbe der Tischsitten und ihre höchstens mal nonchalante spielerische Übertretung, ist viel mehr als nur eine gemeinsame Nahrungsaufnahme. Es ist eine Art postreligiöses, trotz Tischgebet, Ritual, welches die Gemeinschaft feiert, in der die Verwandten zusammenkommen.

Rituale fördern den Zusammenhalt und schaffen es durch die Tradition, mit der sie gepflegt werden, ein Erbe wach zu halten, das unsere Kultur durch das Bürgertum geprägt hat, was sich in der Zeremonie selbst feiert. Dies könnte wiederum als eitler Popanz abgetan werden oder als ein kleines Imitat höfischer Sitten, nach denen die Bürger spätestens seit Knigge strebten, um mithalten zu können.

Doch wir feiern uns gerne und freiwillig so, weil wir es schön finden und genießen in der Strenge der Form, die wir gelegentlich belächeln, wie ihrer allmählichen Auflösung gegen Ende hin. Es ist ein Ritual, dem wir uns freiwillig unterwerfen, weil uns ohne etwas fehlte, auch wenn wir uns nur ein bis zweimal im Jahr überhaupt sehen, um je rituell zu feiern. Wir hätten, die Freiheit die Formen wegzulassen, es völlig regellos und nach Laune ablaufen zu lassen. Der strenge Grotepater genannte Großvater ist im nächsten Jahr 30 Jahre tot. Doch wir feiern noch genauso und halten uns an die alten Sitten, die unser Erbe sind und die wir an die folgende Generation weitergeben werden, wie er es schon um die Jahrhundertwende gelernt hat, weil sie eben Erbgut und damit Schatz unserer Familie sind.

Viel mehr als Siegelring, Fahne oder Kunstschätze, Möbel der Vorfahren, das Meißen oder Silber von dem wir essen, sind es die Rituale, die wir pflegen, die viel vom Zusammenhalt der Familie ausmachen, ihr eigentliches Erbe sind. In postideologischen Zeiten, in denen sich nur ein arroganter Reaktionär wie Helmut Kohl über Angela Merkel ihrer fehlenden Tischsitten meinte lustig machen zu müssen, könnten solche Rituale verfehlt oder hohl wirken. Merkel hat es längst gelernt und glänzt durch preußische Zurückhaltung in der Größe, von der manch männlicher Politiker viel lernen könnte, um nicht in peinlicher Erinnerung zu bleiben wie Gasgert oder Kohl selbst, dennoch traf der Kanzler der Einheit einen Punkt, der nicht falsch war.

Der Bruch der DDR mit jeder bürgerlichen Tradition im Arbeiter und Bauern Staat, in dem die Kinder, auch der Berufstätigkeit der Mütter wegen, sehr jung in die Kita kamen, ging bis zum Kern der Rituale, die dafür durch ideologische ersetzt wurden, die nur rot gefärbt, den totalitären des NS-Staates glichen, weil die DDR eben ein totalitärer Staat war - die Menschen wurden ideologisch eingebunden und entsprechend erzogen. Die Trennung zwischen privater bürgerlicher Kultur und öffentlicher staatlicher Kultur war nicht vorgesehen, auch wenn viele dennoch um so mehr eine private Kultur zelebrierten, gehörten Tischsitten nicht zum Kernprogramm der Betreuung in der Kita sondern waren als Bourgeoise verschrien, weil bürgerliche Kultur in diesem Regime ein Schimpfwort war, was es dem Nationalsozialismus nicht unähnlich machte, der auch eine Parteidiktatur war, die den ganzen Menschen erfassen sollte und mit allen Traditionen brach.

Wo die Sitten von außen aufgedrängt und nicht gelebt werden, sind sie bloß hohle Form. Ihren Wert erhalten sie durch die Tradition, die sie tragen. Sie sind gelebtes Erbe und damit ein wichtiges Erbgut der bürgerlichen Kultur, bis heute ein nicht unbedeutendes Unterscheidungsmerkmal, was nicht der Erhebung über weniger kultivierte Menschen dient, als vielmehr dem Zusammenhalt und der Erhaltung einer Tischkultur, die zum Zweck eigener Art wurde, so Gemeinschaft bildet und dieser Würde gibt, sie zu etwas kostbarem für die Beteiligten macht.

Vermutlich ist es schwer das Glück dieser Gemeinschaft, die ihr Erbe auch durch die Form des Essens kultiviert, als Außenstehender zu verstehen. Ob die Pflege von Tischsitten genetisch bedingt sein könnte, scheint mir eine relativ müßige Frage - es haben sich auch immer wieder Außenstehende gut in die Gemeinschaft eingefügt, wenn sie sich überhaupt irgendwo einfügen und wohl fühlen konnten. Familie lebt und wächst auch durch das, was sie in sich aufnehmen und integrieren kann. Damit pflegt sie ihr Erbe. Indem wir die Tradition leben, halten wir das Erbgut kostbar. Unterwerfe mich freiwillig den Regeln der Familie, deren Teil ich bin, mache ihre Tradition zu meiner und fühle mich damit, so heimatlos wie ich durch viele Umzüge logisch bin, geborgen, auch wenn ich mir nicht sicher bin ob es noch jemand in der Familie außer mir so sieht oder auf diese Art über das nachdenkt, was wir Jahr für Jahr veranstalten aber vermutlich hat jeder seine Gründe, sich damit wohl zu fühlen, um es weiter so wie jedes Jahr irgendwie zu machen an der traditionell langen Tafel in meinem Elternhaus, die vom Esszimmer bis ins Kaminzimmer stets reicht.

 Eines der kostbarsten Dinge aus dem Erbe meiner Familie sind für mich also deren immaterielle Traditionen, weil sie der Kitt des Zusammenhalts sind. Ob es ein Gen in unserer Familie gibt, das eine bestimmte Art zu feiern festschreibt, scheint mir eher zweifelhaft. Dass wir nur einfach weitermachen, was wir schon immer so machen, fände ich etwas wenig für einen stark kulturellen Vorgang. 

Es ist unser inneres Erbe, mit dem wir uns identifizieren und das wir zu pflegen gelernt haben, wie es schon die Generationen vor uns taten. Daraus wird ein Teil der Identität geschöpft, sicher nicht ausschließlich und wer wüsste schon, genau zu sagen, was Identität alles ausmacht aber die Familie und ihre Sitten ist sicher ein nicht unwichtiger Teil meiner Identität, der Halt und Perspektive gab in unsicheren Situationen, zumindest hätte geben können, hätte ich ihn mir bewusst gemacht, sage ich mir inzwischen - aber zeitweise Blindheit für entscheidende Werte ist wohl auch ein Teil des Weges zur Identifikation und nur wer wirklich am Rand stand, kann auch, von da aus zurückgekehrt, wirklich schätzen, was ihn ausmacht.

So ist das Erbe der Familie ein wichtiger Teil meines Wesens, darum auch schreibe ich immer wieder darüber, versuche dieser Daseinsform, eine neue literarische Form zu geben auf der Suche nach den eigenen Wurzeln und ihrem größeren Zusammenhang, weil jede Familie auch Teil der Gesellschaft ist, die sie mit prägt und von der sie auch geformt wird. So gesehen ist das Erbgut der Familie ein Teil von mir und macht mich auch zu dem, der ich bin. Ob dies an der Blutsverwandtschaft in der Familie zuerst liegt oder mehr an der Prägung durch regelmäßigen Kontakt, spielt für mich dabei kaum eine Rolle. Wichtiger ist mir, zu ergründen, was es ausmacht, wo es gut tut, in welchen Bereichen es mir eher fern liegt und wie ich dadurch der wurde, der ich bin und dies eben im Bewusstsein des familiären Erbes, wo immer dies seine Gründe findet. 

jens tuengerthal 13.7.20

Sonntag, 12. Juli 2020

Liebeswunder

Wie verwunderlich kann doch
Die Liebe immer wieder sein
Die ich weiß nicht wie ganz
Unverhofft auftaucht so tut
Als müsste es nun so sein
Das vorher noch Unbekannte
Nichts zum Mittelpunkt einer
Neuen Welt macht in der
Die Sonne die vorher tiefe
Nacht vertreibt mit nichts
Als einem schönen Gefühl
Was alles anders beleuchtet
Höre dabei Bachs Sonaten
Für Cello und staune wie
Eine Idee alles verändert
Die so wenig greifbar ist
Wie die Töne die kaum
Gehört schon verhallen
Frage mich was wohl wird
Aus schönstem Liebestraum
Wenn er im Alltag erwacht
Genieße jeden Ton noch
Der Sonaten dabei hier
Wunder mich und staune
Wie wirklich Träume werden
Ohne zu wissen noch wie
Wirklich die Wirklichkeit ist
Lausche und genieße nur
Was immer nun kommt
Könnte ein Wunder werden
Und wundere mich

Itldzdw 11.7.20

Samstag, 11. Juli 2020

Geldverwandtschaft

Gehen Unternehmen besser in der Familie oder hat Geld diese ersetzt?

Gerade viel über Geld in großen Familien gelesen, was sie unterscheidet und warum die einen erfolgreicher als die anderen waren, die einen im Finanzkapitalismus scheiterten, während die anderen als Dynastie erfolgreich blieben. Dies genauer für die beiden Familien Familien Barings aus Bremen und Rothschild aus Frankfurt am Main betrachtet und im folgenden darüber nachgedacht, inwieweit der Glaube an das Geld eine eigene Mystik ist oder besonders für das Papiergeld eine neue Form von Verwandtschaft begründet, die auf Vertrauen basiert, wie Christina von Braun argumentiert, wenn auch dabei etwas kurzsichtig Familien wie die Medici oder die Fugger nicht erwähnte, was ihrer sonst relativ stichhaltigen Argumentation etwas den Boden entzieht, die auch in einer teilweise Anklage des Finanzkapitalismus mündet ohne dabei die Frage nach den Alternativen zu stellen, was zwar zulässig sein kann als Wissenschaftler, um eine Hypothese zu bilden, aber als Ergebnis fragwürdig macht.

Die Unterscheidung zwischen den ursprünglich bremischen Familie Baring und den Frankfurter Rothschilds, die beide ihren Erfolg im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert in England zuerst machten, wo die Textilhändler Baring und die auch Tee und Gewürze handelnden Rothschilds ins Bankgeschäft gingen, weil es größere Aussichten auf Gewinne bot, ist spannend und wirft einen neuen Blick auf alte Dynastien.

Der Krieg gegen Napoleon und das Engagement in den Kolonien machte Barings reich und zur eigenen Macht in Europa, die über den Erfolg von Staaten entscheiden konnten. Während der Finanzierung der Kriege gegen Napoleon tat die noch von Mitgliedern der Familie geleitete Barings Bank in London alles ihr mögliche, den Konkurrenten Rothschild mit auch antisemitischen Argumenten zu verdrängen, was ihnen aber nie gelang, aber dafür bauten sie ihre Macht weiter aus. Dennoch wäre gegen Mitte bis Ende des 19. Jahrhunderts Barings beinahe bereits pleite gegangen, nachdem sich ein Baring in Argentinien verspekuliert hatte, waren aber damals noch so bedeutend und systemrelevant, dass die Bank of England für ihre Rettung sorgte, was ihnen weitere hundert Jahre schenkte. Eine Zeit, in der sich immer mehr Mitglieder der Familie aus dem Firmengeschäft zurückzogen, um das Leben des ländlichen Adels zu führen, der nach dem Vorbild des britischen Gentleman nicht arbeitete sondern höchstens noch der Krone diente im Kampf oder wo auch immer erforderlich.

Bei Barings kamen teilweise auch Schwiegersöhne oder nicht verwandte Bankiers in führende Positionen. Dies kam im Hause Rothschild nicht vor. Sie blieben ein Familienbetrieb, der sich auch lange streng an die Vorgaben des Gründers hielt, der noch in der Frankfurter Judengasse groß wurde. Danach wurden Teilhaber nur Söhne der vorigen Teilhaber und das auch nur sofern sie Juden blieben und den jüdischen Gesetzen genügende Kinder zeugten. Insofern dies die Auswahl der tauglichen Ehepartner auf vergleichbarem sozialen Niveau sehr beschränkte, wurde die Hochzeit unter Vettern und Basen, der in Europa weit verteilten Familie Rothschild, schon im ersten Grad lange Zeit üblich und machten weit über die Hälfte der Hochzeiten im Clan aus, der so sein Geld beisammen hielt und ein System des Vertrauens schuf. Christina von Braun argumentiert hier mit der Bedeutung der matrilinearität in jüdischen Familie nach der rabbinischen Auslegung.

Hat etwas für sich, insofern als Sohn nach jüdischer Sitte nur anerkannt wurde, wer Sohn einer jüdischen Mutter war, was zur matrilinearen Beweisführung führt. Dennoch war diese interne Struktur, die Frauen lange von jeder Teilhabe ausschloß, trotz matrilinearer Beweisführung der Herkunft und Berechtigung, eine klar patriarchale. Aber sie hielt den Familienverband relativ eng geschlossen, verringerte die Zahl der möglichen Erben und verhinderte destabilisierende Aufteilung im Erbfall.

Zumindest hat das Bankhaus Rothschild, neben anderen Unternehmungen der Familie, wie Weinbau oder Film bis heute als vertrauenswürdige, exklusive Bank überlebt, während Barings Ende der 90er Konkurs ging. Dies zwar durch das kriminelle Verhalten eines Investmentbankers aber auch schon länger ohne Kontrolle oder Beteiligung der Familie, die lieber das Leben der Landlords erstrebte, während Rothschild lange durch die internen Heiraten stabil blieb und das Vermögen beieinander hielt, seinen Einfluss im Unternehmen nie verlor. Das Bankhaus Rothschild wurde nie so eine große mächtige Bank wie Barings von den Pastorensöhnen aus Bremen, die den Konkurrenten so scharf antisemitisch bekämpften, stieg nie so weit ins Investmentbanking ein, riskierte damit weniger aber behielt Einfluss über das Vertrauen in seine Zuverlässigkeit und sichere familiäre Struktur auch, lebt immer noch und ist in verschiedenen Geschäftsfeldern - von Wein bis Film - weiter aktiv, gilt als Bank des Vertrauens mancher wohlhabender Familie. Dennoch kursieren bis heute seltsame antisemitische Verschwörungstheorien über die Familie Rothschild und ihre Weltmacht, statt zu würdigen wie sozial und integer sich eine ganze Familie aus Tradition verhielt.

Die klare Familienpolitik noch dazu an jüdischer matrilinearer Linie orientiert, war also erfolgreicher als die sagenhafte Expansion, dahingestellt,  was den Barings noch in der Familie nach dem Zusammenbruch des Mutterhauses in einer Zeit blieb, in der Kaufleute nicht mehr privat für ihre Investitionen haften mussten. Weniger streng jüdisch und doch auf die Familie bedacht waren die Mendelssohns, die auch kulturell eine bedeutende Rolle in der deutschen Geschichte auf vielfältige Art spielten, mit ihrem Stammvater Moses Mendelssohn einen der führenden Köpfe der deutschen Aufklärung hervorbrachte, der immer noch lesenswert ist und in manch intoleranten Debatten einen aufgeklärten Beitrag leisten könnte.

Mit der Verwandlung der Unternehmen in Aktiengesellschaften nahm zwar die persönliche Haftung der Unternehmer ab, dafür aber gewann das Geld an Einfluss, was eine imaginäre Größe in vieler Hinsicht ist. Nach Christina von Braun ist das Kapital, sobald sich das Papiergeld entwickelte und noch mehr, seit dem das Geld nicht mehr durch Gold gesichert wird, eine eigene Größe geworden, die der Familie nicht unähnlich ist, insofern sie auf Vertrauen basiert und in seinem Kreislauf mit dem des Blutes verglichen wurde.

Im Glaube an das Versprechen des Geldwertes und dem Handel mit ihm, der durch komplexe Komponenten beeinflusst wird, kann eine familienähnliche Struktur gesehen werden. Es wird an ein bloßes Versprechen des Wertes geglaubt, das reale Werte wie etwa Gold ersetzt und im eigenen Handel sogar viel höhere Werte erzielen kann. So werden im Handel mit Geld höhere Beträge teilweise umgesetzt als in dem mit Waren, auch wenn es ursprünglich nur einer Erleichterung des Handels diente.

Fraglich scheint jedoch, ob diese Sicht nicht die realen Verhältnisse mit einem verkehrten Bild verklärt. Zwar bringt der Geldhandel einen höheren Ertrag als der mit Waren und hat sich damit teilweise bereits von seinem Ursprung als Mittel des einfacheren Warenaustausch entfernt, eine eigene Welt geschaffen, jedoch gehorcht auch diese meist den Gesetzen des Handels, allen gelegentlichen Blasen gerade in der neuen Ökonomie zum Trotz.

Auch scheint die ausschließliche Betrachtung des Handels mit Papiergeld und dessen Einführung als Wende im 17. Jahrhundert viele entscheidende Dinge außer acht zu lassen, die schon lange davor stattfanden und in der Natur des Marktes liegen, der eben nur den vorher Warenaustausch abstrahiert fortsetzt aber doch ein Tausch mit der Suche nach maximalem Gewinn bleibt, wie er in der Natur des Menschen liegt.

Denke ich etwa an die Fugger oder die Medici zeigte sich schon in Renaissance und Mittelalter wie die Vergabe von Krediten den realen politischen Einfluss veränderten und die weitere Entwicklung auch ohne Papiergeld beeinflussen konnte. Denken wir etwa an Königinnen von Frankreich Maria oder Katharina und ihren enormen Einfluss etwa in der Hochzeitsnacht des späteren König Henri IV., der Bartholomäusnacht, in der sich Frankreichs Katholiken blutig gegen die Protestanten erhoben, gut katholisch Massaker veranstalteten oder auch die kirchlichen Würdenträger aus dem Hause Medici und zeitweise Herzöge der Toskana.

Geld ist ein natürliches Mittel zur Organisation von Märkten, bei dem der Staat den Warenaustausch mit dessen Ausgabe sichert und erleichtert, eine weitere Arbeitsteilung ermöglicht, welche der Mehrung des allgemeinen Wohlstandes dient. Auch die vielfach verfluchte Liberalisierung der Märkte im Rahmen der Globalisierung und die expansive Entwicklung der Kapitalmärkte mit Beginn der New Economy hat weltweit mehr zur Hebung des allgemeinen Wohlstandes geleistet, als Globalisierungsgegner gerne zugeben.

Ob die Praxis im derzeitigen Handel darum gerecht ist oder nur Monopole stabilisiert, ist eine andere Frage, die im Einzelfall betrachtet werden sollte, um geeignete Lösungen zu finden, statt pauschal ein System zu verurteilen, was der Natur des Menschen entspricht und dessen Wirkung der Mehrheit der Menschen bessere Lebensbedingunge brachte.

Nicht Kapitalismus oder der Handel mit Geld als solcher ist problematisch, sondern der ethische Rahmen in dem dieses geschieht und die persönliche Moral der Beteiligten. Das System, was für weltweiten Wohlstand, optimale Versorgung der größten Menge mit Gütern und Mehrung des Wohlstandes wie der medizinischen Versorgung sorgt, ist nicht darum moralisch schlecht, weil sich einige der Beteiligten ethisch fragwürdig verhalten. Hinterfragen könnten wir eher ein politisches System, das immer wieder partikulare Interessen stärker berücksichtigt und dabei die Ordnung an sich aus den Augen verliert, weil manches nicht käuflich sein sollte.

In der das jüdische Leben prägenden rabbinischen Kultur gibt es dazu eine klare Sozialethik, die auch Ausgleich und Gerechtigkeit in der Verteilung vorsieht ohne darum das als natürlich empfundene System infrage zu stellen. Würden sich mehr um politische Reformen im System bemühen, statt wie gegen Windmühlen fechtend, den Kapitalismus für fragwürdig zu erklären, um damit dem marxschen Aberglauben zu folgen, der keinesfalls logisches Produkt einer nüchternen Analyse ist, sondern ein bloßer Glaube, könnte real vermutlich wesentlich mehr erreicht werden an Ausgleich und Gerechtigkeit.

Die Frage, ob der Kreislauf des Geldes, dem des Blutes gleicht, könnte interessant sein, sofern sie von moralischen Urteilen gereinigt wird, die nur Verwirrung stiften und Vorurteile bestätigen wollen, statt für Aufklärung und mehr Vernunft zu sorgen. Der Vergleich könnte gut und treffend sein, da das Geld nur ein abstrahiertes Abbild der Natur des Tausches ist, der allem Handel zugrunde liegt. Es liegt in der Natur des Menschen nach Wohlstand und also Sicherheit zu streben, wie in seinem Handeln erfolgreich zu sein. Wie wir gerne das Beste für uns aus allem herausholen wollen, was wir tun, weil es eben in unserer Natur liegt, es uns so gut wie möglich gehen zu lassen, ist der Handel in seinen verschiedenen Formen nur das Produkt dieser Natur. Diese Eigenschaft wird nicht dadurch an sich schlecht oder unmoralisch, weil einzelne sie mißbrauchen, sondern ist so natürlich wie Atmen, Herzschlag oder Verdauung.

Wie ein Staat organisiert sein sollte, dieser natürlichen Eigenschaft die besten Bedingungen für die größte Menge zu geben, kann auch ohne Systemfrage diskutiert werden, um vernünftige Ergebnisse zu erzielen. Wer dabei ein System über das andere stellt und meint die Bekämpfung der Natur oder ihre Überwindung könne vernünftige Ergebnisse dauerhaft bringen, ist meist weit von der Realität entfernt und damit demokratisch nicht diskursfähig, was sich seit vielen Jahren immer wieder bestätigt. Vielleicht wäre eine Anerkennung der Natur statt ihre vermeintlich moralische Bekämpfung zielführender als die bisherigen Versuche mehr Gerechtigkeit zu erreichen. Doch bedeutete dies, die Aufgabe traditioneller schlichter Glaubenssätze, was wohl für viele ergo unfrei denkende, eine zu große Aufgabe sein könnte, doch stirbt die Hoffnung auf mehr Vernunft zuletzt.

Insofern Christina von Braun in ihrem sonst hervorragenden Buch dabei ein wenig den Pfad der Freiheit verlässt und die Systemfrage zumindest andeutet, sehe ich ihre Schlußfolgerungen diesmal eher kritisch. Der Vergleich von Geld und Blutkreislauf scheint mir dagegen naheliegend, insofern er auf die natürliche Bedeutung dieses Zahlungsmittels hindeutet. Geld ist, mehr nicht, wir können es benutzen. Es ist weder an sich moralisch noch unmoralisch. Diese Betrachtung ist so falsch, als wollte ich Atem, Verdauung oder Sexualität einem moralischen Urteil unterwerfen, die doch nur Teil unserer Natur sind, was zeigt wie falsch der autoritäre Ansatz der meisten Sekten ist.

Unter Anerkennung der Natur und ihrer Tatsachen, könnten Formen gefunden werden, die einen Diskurs über die beste Zukunft vernünftiger gestalten würde und Marx mit seinen totalitären Theorien ins Museum der Geschichte schickte, wo er mit anderen Gläubigen eine Schreckenskammer der Geschichte menschlicher Anmaßung bilden könnte

Blutkreislauf des Geldes ist kein schlechter Vergleich, insofern er auf die Natur verweist, mit der wir leben und aus der wir das beste ihr entsprechend machen können, statt sie autoritär oder totalitär mit beschränktem Horizont bekämpfen zu wollen. Zumindest wäre eine solche Betrachtung vernünftiger und aufgeklärter als viele Diskussionen zum Thema Kapitalismus, die häufiger von beiden Seiten vom Glauben geprägt sind.

Bliebe noch die Frage, ob konsequent familiär eher geführte Unternehmen bis heute erfolgreicher sind als etwa Aktiengesellschaften. Bei der AG wird die Verantwortung delegiert und damit meist eher deantwortet, während Familienunternehmen von persönlich verantwortlichen Unternehmern geführt werden, die auch im Sinne einer Tradition und Verantwortung für die folgenden Generation handeln.

In der Geschichte gibt es zahlreiche Unternehmen, die den größeren Erfolg solch traditioneller Unternehmen bestätigen können, auch wenn immer wieder aufflammende Diskussionen über dabei gescheiterte Unternehmer und die Krise etwa des Mittelstandes dagegen zu sprechen scheinen, sprechen die Zahlen eine klare Sprache, die durch Ausnahmen nur bestätigt wird.

Ein interessantes Beispiel in der aktuellen Diskussion ist der große Software-Konzern SAP, der sich an seine Traditionen hält, lokal zu bleiben und wichtige Führungspositionen, möglicherweise auch bald im Aufsichtsrat intern mit Kräften aus der Region besetzt und dafür die zeitweise dominanten Manager amerikanischer Kultur verabschiedet, nachdem sie erkannten, was zu ihnen passt. Gerade die Diskussion über den möglicherweise verzögerten Rückzug von Hasso Plattner als Vorsitzenden, der noch einer der Gründer ist und seinen diskutierten internen Nachfolger, der eher als lokale Größe gilt, aber der Tradition verpflichtet ist, zeigt dies. Sie wird von manchen Führungskräften und Journalisten mit Blick auf Amerika und seinen wichtigen Markt kritisiert. Wer hier besser die Zeichen der Zeit zu lesen vermag, wird sich noch zeigen.

Traue mir hier kein inhaltlich kompetentes Urteil zu, weiß zu wenig vom Unternehmen noch verstünde ich den Weltmarkt, beobachte aber erstaunt und mit gewisser Sympathie, wie ein Hasso Plattner langsam seinen Abschied altersgemäß organisiert, aber sich dabei überraschend auf alte Traditionen besinnt, statt eine weitere Anpassung eines erfolgreichen Unternehmens an den seltsamen Nachbarn im Westen zu fördern und damit auf Pferde zu setzen, die ihren Zenit möglicherweise bereits überschritten haben, sich also lieber an die eigene Geschichte hält und sich damit relativ treu bleibt, den erfolgreichsten DAX-Konzern so weiterführen möchte, wie er anfing, was vielleicht dem ähnelt, was Familienunternehmen erfolgreich hält und so scheint mir die momentane Entwicklung dort eher beruhigend, aber zum Glück muss ich nichts davon verstehe, beurteile es nach dem Gefühl und denke, das Familie wohl in manchem ein gutes Vorbild sein kann, um die Zukunft im Bewusstsein der Tradition zu gestalten.

Vielleicht erledigen sich so manche exzessive Ausflüge auch im Bankgewerbe und wir kehren zu einer Tradition zurück, mit der die Hanse länger und zuverlässig gute Geschäfte machte, nämlich, wie es Thomas Mann so treffend im Wahlspruch der Buddenbrooks beschreibt, nur des Tags solche Geschäfte zu machen, das wir des Nachts gut schlafen können und also auch sozial verantwortlich zu handeln, statt zu hoffen mit riskanten Wetten, exorbitante Gewinne zu erhaschen, sein gutes Auskommen zu finden, um glücklich zu leben. Dann liegen Handel und Markt wieder in der Natur des Menschen und die Aufgabe des Staates ist es nur für gerechten Ausgleich zu sorgen mit weniger autoritären Regeln oder weltfremden Phantasiemodellen, wie dem des Sozialismus, als ein Beispiel für autoritäre durch Glauben geprägte Ordnung, sondern Freiheit und Gleichheit, was eine bessere Zukunft verspricht als ständige Zweifel und sich dem fügt, was eben in der Natur liegt, statt sie zu bekämpfen. Das Geld ist dann nur ein Mittel zum Zweck und kein böser Teufel, sich bei allem an der Familie zu orientieren, also auch mit Liebe und Verantwortung zu handeln, könnte ein guter Anfang sein.

jens tuengerthal 11.7.20