Freitag, 9. Mai 2025

Lektürentagebuch 9.5.25

Lektürentagebuch 9.5.25

Über Briefpapier schreibt dabei
Sehr schwärmerisch Franz Hessel 
Der sich noch an die Aufregungen
Erinnert die Briefe mit sich brachten 

Raunt von edlem Briefpapier
Das aus Bütten oder Leinen noch
Den Worten einen edlen Rahmen gab 
Der mit Gravur und Siegel edel wurde

Erzählt von den unterschiedlichen
Farben der Umschläge wie deren
Tiefer symbolischer Bedeutung noch
Im Zeitalter der Backfische

Leider sei mit dem Aussterben dieser
Gattung junger Damen die meistens
Durch Herauswachsen sich verloren
Auch deren Romantik verschwunden

Jene leicht verschwitzte Aufregung
Die mit feuchten Händen nacheinander
Greift ohne sich zu trauen wirklich
Mit echter Lust schon zuzugreifen 

Heute schreibt Hessel dabei voller
Bedauern ersetzen Telefon oder
Telegramm den schönen Brief 
Wer hat schon noch die Zeit

Dabei gibt dieser uns noch die
Spuren echten Lebens mit wie es
Feuchte Flecken am Rand zeigen
Ob Tränen Schweiß oder Lust 

Sie romantisch noch zu erinnern
In handgeschriebenen Gedichten
Wie Zeilen voller Lust aus der Ferne
Zeigen wie wertvoll Briefpapier ist

Denke an die ganze Sammlung von
Liebesbriefen die ich einst mit einer
Heute Staatsanwältin noch über die
Kontinente der Studien hinweg schrieb

Sie gibt es noch und ein Griff genügte
Die feuchte Erotik mit der blonden
Irgendwie ostpreußischen Prinzessin
In der Erinnerung zu wecken

Wie hohl ist dagegen die Sammlung 
Von Nacktbildern auf WhatsApp die
Andere große Lieben hinterließen
Auch wenn so vielfältig schöner

Briefe mit viel Gefühl verlieren auch
Über viele Jahre nie ihren Zauber 
Elektronische Nachrichten dagegen
Finden solchen wenn nur selten


Unter dem Titel der Fanatiker erzählt
Gustave Flaubert im Bücherwahn
Vom blassen Buchhändler Giacomo
Der in Barcelonas dunkelster Gasse lebt

Wie er der einmal ein Mönch war sich 
Ganz den Büchern verschrieb für die
Er das kostbarste seinem Gott aufgab
Wie Flaubert es dramatisch beschreibt

Nach seinem Glauben dessen Verlust
Eher ein großer Gewinn an Freiheit mir
Als Atheisten schien verspielte er für
Seine Liebe zu den Büchern sein Geld

Dies nächst kostbare nach Gott wie
Flaubert mitt genügend Ironie schreibt
Steckte in seiner großen Sammlung
An alten und uralten Handschriften

Diesen galt seine besondere Liebe
Nächtelang konnte er noch in ihnen
Stöbern und sie im Kerzenschein
In den hohen Regalen umsortieren

Seine Nachbarn besuchte der bleiche
Fanatische Sammler nur wenn ihm
Ein Windstoß die Kerze löschte
Ansonsten blieb er lieber für sich

Alles Geld Gut sogar die Gefühle
Bewahrte er für seine Bücher auf
Er galt allen als weiser Sonderling
Nur mit dem Lesen hatte er Mühe

Auf diesen beinah Schlusspunkt
Steuert die märchenhafte Erzählung
Vom Fanatiker im Bücherwahn zu
Mit erstaunender Überraschung

Schon zu Anfang beruft sich der
Autor Flaubert hier auf E.T.A. Hoffmann
Dessen Traumgestalten Giacomo der
Fanatiker im Bücherwahn ähnelt

Lese es lächelnd und denke an meine
Ausgabe vom Bouquinisten aus Paris
Die ich mit der schönen Verlobten
Als da geliebter Prinzessin kaufte

Die Hinweise häufen sich und der
Berliner Richter und Romantiker
Wartet nach bald dreißig Jahren
Darauf endlich gelesen zu werden

Fern allem romantischem Glauben
An höhere Zeichen nehmen ich diesen
Hinweis aus der Bücherwelt lächelnd hin
Es genügt jederzeit lesen zu können

Dabei stelle ich lächelnd fest beide
Ausgaben stammen aus der DDR 
Der Hoffmann ist Aufbau 1958
Flaubert Der Morgen Ostberlin 1975

jens tuengerthal 9.5.25

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